Verfahrensgang
Niedersächsisches OVG (Urteil vom 06.05.2008; Aktenzeichen 6 LD 3/06) |
Tenor
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 6. Mai 2008 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
Die auf die Revisionszulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 2 und 3 VwGO, § 69 BDG gestützte Beschwerde des Beklagten ist nicht begründet. Das Berufungsurteil weicht weder von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ab noch hat der Beklagte dargelegt, dass der geltend gemachte Verfahrensfehler vorliegt.
1. Mit der Divergenzrüge macht der Beklagte geltend, das Oberverwaltungsgericht sei bei der Anwendung der Bemessungsregelungen gemäß § 13 Abs. 1 und 2 BDG von den Grundsätzen abgewichen, die der Senat in den Urteilen vom 20. Oktober 2005 – BVerwG 2 C 12.04 – (BVerwGE 124, 252 ≪258 ff.≫ = Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 1) und vom 3. Mai 2007 – BVerwG 2 C 9.06 – (Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 3) aufgestellt habe. Es habe die erstinstanzlich ausgesprochene Aberkennung des Ruhegehalts nicht aufgrund einer Gesamtwürdigung aller im Einzelfall bedeutsamen be- und entlastenden Umstände als Disziplinarmaßnahme bestimmt. Maßgebend seien allein die Schwere des festgestellten Dienstvergehens und das Fehlen eines sog. anerkannten Milderungsgrundes gewesen. Das Oberverwaltungsgericht habe nicht die gesamte Breite aller entlastenden Gesichtspunkte geprüft, insbesondere das gemäß § 13 Abs. 1 Satz 3 BDG zu berücksichtigende Persönlichkeitsbild des Beklagten lediglich formelhaft erwähnt.
Eine Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO setzt voraus, dass das Berufungsgericht in dem angefochtenen Urteil einen inhaltlich bestimmten, das Urteil tragenden abstrakten Rechtssatz aufgestellt hat, mit dem es einem Rechtssatz widersprochen hat, den das Bundesverwaltungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift aufgestellt hat. Das ist der Fall, wenn das Berufungsgericht einen im zu entscheidenden Fall erheblichen Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts nicht anwendet, weil es ihn für unrichtig hält. Eine Divergenz liegt demgegenüber nicht vor, wenn das Berufungsgericht einen Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts im Einzelfall rechtsfehlerhaft anwendet oder daraus nicht die rechtlichen Folgerungen zieht, die etwa für die Sachverhalts- und Beweiswürdigung geboten sind (stRspr; vgl. Beschlüsse vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 26 und vom 3. Juli 2007 – BVerwG 2 B 18.07 – Buchholz 235.1 § 69 BDG Nr. 1).
In den Urteilen vom 20. Oktober 2005 (a.a.O.) und vom 3. Mai 2007 (a.a.O.) hat der Senat zu dem Bedeutungsgehalt der gesetzlichen Bemessungsregelungen gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BDG ausgeführt, sie verpflichteten die Verwaltungsgerichte, über die Disziplinarmaßnahme aufgrund einer prognostischen Gesamtwürdigung und Berücksichtigung aller im Einzelfall belastenden und entlastenden Gesichtspunkte zu entscheiden. Allerdings sei die Schwere des festgestellten Dienstvergehens gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 BDG als maßgebendes Bemessungskriterium richtungweisend für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme. Dies bedeute, dass das Dienstvergehen nach seiner Schwere einer der gesetzlich vorgesehenen Disziplinarmaßnahmen zuzuordnen sei. Dabei könnten die vom Disziplinarsenat des Bundesverwaltungsgerichts für bestimmte Fallgruppen herausgearbeiteten Regeleinstufungen von Bedeutung sein. Auf der Grundlage dieser Zuordnung komme es für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme darauf an, ob Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild des Beamten und zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung im Einzelfall derart ins Gewicht fielen, dass eine andere als die durch die Schwere des Dienstvergehens indizierte Disziplinarmaßnahme geboten sei. Diese gesetzlichen Bemessungsvorgaben gälten auch für die Fallgruppe der Zugriffsdelikte, d.h. für die Veruntreuung dienstlich anvertrauter Vermögenswerte. Aufgrund der Schwere dieser Dienstvergehen sei hier die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis grundsätzlich Richtschnur für die Maßnahmebestimmung, wenn der Wert der veruntreuten Gelder oder Gegenstände die Schwelle der Geringfügigkeit insgesamt deutlich übersteige.
Der Beklagte hat nicht aufgezeigt, dass das Oberverwaltungsgericht diese Rechtsgrundsätze im vorliegenden Fall als unrichtig außer Acht gelassen hat. Es hat zwar auch auf Entscheidungen des Disziplinarsenats des Bundesverwaltungsgerichts verwiesen, die nach Inkrafttreten des § 13 BDG überholt sind. Jedoch hat das Oberverwaltungsgericht der dargestellten Senatsrechtsprechung nicht widersprochen, sondern sie der Einzelfallprüfung zugrunde gelegt. In Übereinstimmung mit dieser Rechtsprechung hat es die festgestellten Veruntreuungen aufgrund ihrer Schwere der Disziplinarmaßnahme “Entfernung aus dem Beamtenverhältnis” zugeordnet, der für Ruhestandsbeamte hinsichtlich der im aktiven Dienst begangenen Dienstvergehen gemäß § 13 Abs. 2 Satz 2 BDG die Aberkennung des Ruhegehalts gleichsteht (Beschluss vom 13. Oktober 2005 – BVerwG 2 B 19.05 – Buchholz 235.1 § 15 BDG Nr. 2).
Im Anschluss daran hat das Oberverwaltungsgericht angenommen, die für den Beklagten sprechenden Gesichtspunkte könnten die von der Schwere ausgehende Indizwirkung nicht entkräften. In Anbetracht von Art und Häufigkeit der hier festgestellten Veruntreuungen sowie der Höhe des Gesamtschadens hätten außergewöhnliche Umstände vorliegen müssen, um aufgrund einer Gesamtwürdigung gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BDG von der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis bzw. von der Aberkennung des Ruhegehalts absehen zu können. Die Würdigung des Oberverwaltungsgerichts, die Gesichtspunkte “langjährige beanstandungsfreie Dienstausübung”, “berufliches Engagement” und “Wiedergutmachung des Schadens nach Entdeckung” reichten hierfür nicht aus, lässt eine Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht erkennen (vgl. Beschluss vom 5. Dezember 2007 – BVerwG 2 B 87.07 – juris Rn. 9 unter Hinweis auf die stRspr des Disziplinarsenats). Die Beschwerdebegründung legt nicht dar, welche weiteren entlastenden Umstände bei Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes des Beklagten maßgebend hätten ins Gewicht fallen können. Die Länge der Verfahrensdauer ist für sich genommen nicht geeignet, von der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis bzw. der Aberkennung des Ruhegehalts abzusehen, wenn diese Maßnahme geboten ist (stRspr, vgl. Urteile vom 22. Februar 2005 – BVerwG 1 D 30.03 – juris Rn. 80 und vom 8. Juni 2005 – BVerwG 1 D 3.04 – juris Rn. 27).
2. Die Verfahrensrüge hat bereits deshalb keinen Erfolg, weil die ihr zugrunde liegende Tatsachenbehauptung, der Beklagte sei zu Beginn der ersten Vernehmung am 13. Dezember 2001 nicht ordnungsgemäß über seine Rechte belehrt worden, im Widerspruch zu den Tatsachenfeststellungen des Oberverwaltungsgerichts steht. Danach hat die Belehrung den Anforderungen des noch anwendbaren § 26 Abs. 2 Satz 3 BDO entsprochen (S. 14 f. des Berufungsurteils; vgl. zum Übergangsrecht Beschluss vom 10. November 2005 – BVerwG 2 B 48.05 – Buchholz 235.1 § 85 BDG Nr. 10). Der Beklagte hat diese Feststellungen nicht substanziiert in Frage gestellt. Sie beruhen ersichtlich auf der schriftlichen Erklärung des Beklagten vom 13. Dezember 2001 über seine Vernehmung an diesem Tag (Ermittlungsakte, S. 3). Darin hat er durch seine Unterschrift bestätigt:
“Ich bin darauf hingewiesen worden, dass es mir freisteht, mich mündlich oder schriftlich zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen und jederzeit, auch schon vor der ersten Anhörung, einen Verteidiger zu befragen.”
Demgegenüber befasst sich die Beschwerdebegründung nur mit der Niederschrift über die Vernehmung vom 13. Dezember 2001 (Ermittlungsakte, S. 4 ff.). Auf die Erklärung des Beklagten vom gleichen Tag geht sie nicht ein.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 77 Abs. 4 BDG. Gerichtsgebühren werden gemäß § 78 Abs. 1 Satz 1 BDG nicht erhoben.
Unterschriften
Herbert, Groepper, Dr. Heitz
Fundstellen