Verfahrensgang

VG Schwerin (Entscheidung vom 30.06.1999; Aktenzeichen 7 A 241/96)

 

Tenor

Soweit der Beigeladene zu 2 Beschwerde erhoben hat, wird das Verfahren eingestellt.

Die Beschwerde der Beigeladenen zu 1 und 3 gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 30. Juni 1999 wird zurückgewiesen.

Die bis zur Zurücknahme der Beschwerde durch den Beigeladenen zu 2 entstandenen Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Beigeladenen zu 1 bis 3 als Gesamtschuldner, die danach entstandenen Kosten tragen die Beigeladenen zu 1 und 3 als Gesamtschuldner.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 500 000 DM festgesetzt.

 

Gründe

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin und ihr inzwischen verstorbener Ehemann im Jahr 1983 das Eigentum an dem Gebäude und ein dingliches Nutzungsrecht an dem Grundstück A.T. 6 in S.- im Juni 1990 erwarb die Klägerin das Eigentum an dem Grundstück – redlich erworben haben. Die Beigeladenen stellen dies mit Blick auf die nach ihrer Ansicht manipulativ erwirkte Wohnraumzuweisung im Jahr 1968 für den Bezug einer Mietwohnung in dem Gebäude durch die Klägerin und ihren Ehemann in Frage. Das Verwaltungsgericht hat der Klage der Klägerin gegen den Bescheid der beklagten Landeshauptstadt vom 25. Februar 1994, mit dem das Eigentum an dem Hausgrundstück nach dem Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen (VermG) an die Beigeladenen zu 1 bis 3 zurückübertragen wurde, stattgegeben und den Rückübertragungsbescheid aufgehoben. Die Revision hat das Verwaltungsgericht nicht zugelassen.

Soweit der Beigeladene zu 2 gegen die Nichtzulassung der Revision in dem verwaltungsgerichtlichen Urteil Beschwerde erhoben hat, ist das Beschwerdeverfahren in entsprechender Anwendung von § 141 Satz 1, § 125 Abs. 1 Satz 1 und § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen, weil er seinen Rechtsbehelf zurückgenommen hat.

Die Beschwerde der Beigeladenen zu 1 und 3 gegen die Nichtzulassung der Revision ist nicht begründet. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

1. Die Rechtssache hat nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Die Beschwerde möchte geklärt wissen, ob sittlich anstößige Manipulationen bei der Erlangung einer Rechtsstellung, die notwendige Voraussetzung für einen späteren Rechtserwerb war, zur Unredlichkeit des Erwerbs führen. Diese Frage zielt darauf, dass der verstorbene Ehemann der Klägerin im Jahr 1968 den Zuzug als Mieter in das im Jahr 1983 erworbene Haus nach Auffassung der Beigeladenen nur durch seine aktive Tätigkeit als inoffizieller Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit unter Verletzung der damals geltenden Vorschriften über die Wohnraumlenkung erreicht hatte.

Die aufgeworfene Rechtsfrage lässt sich anhand der Rechtsprechung des Senats ohne weiteres beantworten, ohne dass es zu ihrer Klärung der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf. Der Senat hat bereits entschieden, dass die für die Annahme eines unredlichen Erwerbs in Betracht kommenden Umstände den Erwerbsvorgang als solchen betreffen und diesen als auf einer sittlich anstößigen Manipulation beruhend erscheinen lassen müssen. Das ist nicht mehr der Fall, wenn die Anstößigkeit sich auf einen Vorgang bezieht, der zwar bei einer bloßen Kausalitätsbetrachtung ursächlich für die sich später eröffnende Erwerbschance gewesen ist, dem aber keine „Ausstrahlungswirkung” auf den späteren Erwerb mehr zukommt (Beschluss vom 15. April 1998 – BVerwG 7 B 114.98 – Buchholz 428 § 4 VermG Nr. 54; Beschluss vom 9. Oktober 2000 – BVerwG 7 B 84.00 –). Zwar indiziert ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen einer manipulativ erwirkten Wohnraumzuweisung und dem darauf folgenden Eigentumserwerb die Anstößigkeit des Erwerbs. Von einem solchen engen zeitlichen Zusammenhang kann aber nicht mehr die Rede sein, wenn bis zu dem Eigentumserwerb mehr als zehn Jahre vergangen sind (Beschluß vom 9. Oktober 2000 – BVerwG 7 B 84.00 –).

2. Eine Abweichung des erstinstanzlichen Urteils von der Entscheidung des Senats vom 19. Januar 1995 – BVerwG 7 C 42.93 – (Buchholz 428 § 4 VermG Nr. 12 S. 24) ist nicht in der nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO erforderlichen Weise bezeichnet. Die Beigeladenen zu 1 und 3 rügen, dass das Verwaltungsgericht die rechtliche Überprüfung des Sachverhalts auf die Fälle des unredlichen Erwerbs nach § 4 Abs. 3 Buchst. a oder b VermG beschränkt und nicht berücksichtigt habe, dass nach der Entscheidung des Senats ein Rechtserwerb auch dann unredlich sein könne, wenn keines der Regelbeispiele des § 4 Abs. 3 VermG erfüllt sei. Damit wird nicht, wie es eine Divergenzrüge voraussetzt, geltend gemacht, dass das Verwaltungsgericht einem vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Rechtssatz einen widersprechenden Rechtssatz gegenübergestellt hat. Das Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die das Bundesverwaltungsgericht aufgestellt hat, genügt den Anforderungen einer Divergenzrüge nicht (Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 (n.F.) VwGO Nr. 26 S. 14).

Dies gilt in gleicher Weise für den Vortrag, das Verwaltungsgericht habe den in dem Beschluss des Senats vom 16. Oktober 1995 – BVerwG 7 B 163.95 – (Buchholz 428 § 4 VermG Nr. 22 S. 54) aufgestellten Rechtssatz über die Verteilung der materiellen Beweislast beim redlichen Erwerb nicht berücksichtigt. Dieses Vorbringen kann auch nicht die Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensmangels im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO rechtfertigen. Fehler bei der Beweiswürdigung sowie Verstöße gegen die Regeln über die materielle Beweislast sind nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem sachlichen Recht zuzuordnen und können daher grundsätzlich nicht mit der Verfahrensrüge geltend gemacht werden (Beschluss vom 12. Januar 1995 – BVerwG 4 B 197.94 – Buchholz 406.12 § 22 BauNVO Nr. 4 S. 4; Beschluss vom 12. Dezember 1972 – BVerwG 3 CB 27.72). Davon abgesehen verkennt die Beschwerde, dass das Verwaltungsgericht nicht von einer Nichterweislichkeit des redlichen Erwerbs ausgegangen ist, sondern festgestellt hat, dass ein unredlicher Erwerb nach § 4 Abs. 3 Buchst. a und b VermG nicht vorliegt. Für eine Beweislastentscheidung zu Ungunsten der Klägerin und damit für eine Anwendung der Grundsätze, die der Senat in dem Beschluss vom 16. Oktober 1995 – BVerwG 7 B 163.95 – aufgestellt hat, war damit kein Raum.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und 3, § 155 Abs. 2 und § 159 Satz 2 VwGO; die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.

 

Unterschriften

Dr. Franßen, Gödel, Kley

 

Fundstellen

Dokument-Index HI544036

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