Verfahrensgang
OVG des Landes Sachsen-Anhalt (Beschluss vom 10.08.2017; Aktenzeichen 1 L 76/16) |
VG Magdeburg (Urteil vom 09.05.2016; Aktenzeichen 5 A 193/15 MD) |
Gründe
Rz. 1
1. Der Rechtsstreit betrifft die Voraussetzungen für die Gewährung der sog. Polizeizulage für Beamte der Zollverwaltung.
Rz. 2
Die Klägerin steht als Zollhauptsekretärin (Besoldungsgruppe A 8) im Dienst der Beklagten, sie war im streitgegenständlichen Zeitraum dem Dienstposten einer Ermittlerin im Sachgebiet 700 bei einem Zollfahndungsamt zugeordnet. Nach einer längeren Erkrankung nahm die Klägerin vom 21. Juli bis zum 17. August 2014 an einer stufenweisen Wiedereingliederung in den Dienst mit einem reduzierten Arbeitsumfang teil. Vom 18. August bis zum 31. Dezember 2014 war der wieder vollzeitig eingesetzten Klägerin die Teilnahme am Selbstverteidigungs- und Waffentraining untersagt. Sie wurde unter Beibehaltung ihres Dienstpostens im Innendienst verwendet.
Rz. 3
Da die Klägerin aus gesundheitlichen Gründen längerfristig nicht mehr an der waffenlosen Selbstverteidigung teilnehmen könne, hat die Beklagte die Zahlung der Polizeizulage ab April 2014 eingestellt. Auf die hiergegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht die Beklagte zur Zahlung der Zulage für die Zeit vom 21. Juli bis zum 31. Dezember 2014 verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht das Urteil geändert und die Klage für den Zeitraum der stufenweisen Wiedereingliederung abgewiesen. Gegenstand der Tätigkeit des Wiedereinzugliedernden sei nicht die Wahrnehmung der Aufgaben seines Dienstpostens, zu der er wegen seiner Dienstunfähigkeit gar nicht in der Lage sei, sondern ein aliud. Die Voraussetzungen für die begehrte Zulagengewährung lägen für diesen Zeitraum daher nicht vor.
Rz. 4
Für den nachfolgenden Zeitraum vom 18. August bis zum 31. Dezember 2014 ist die Berufung der Beklagten dagegen zurückgewiesen worden. Zur Begründung hat das Oberverwaltungsgericht darauf verwiesen, dass die Zulagenberechtigung ausschließlich eine Tätigkeit in einem bestimmten Bereich der Zollverwaltung voraussetze. Ob der Beamte auf seinem Dienstposten konkret vollzugspolizeiliche Aufgaben wahrnehme oder hierzu aus gesundheitlichen Gründen in der Lage sei, komme es daher nicht an.
Rz. 5
2. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Beklagten ist nicht begründet. Sie zeigt den allein in Anspruch genommenen Zulassungsgrund einer grundsätzlichen Bedeutung nicht auf (§ 132 Abs. 2 Nr. 1, § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).
Rz. 6
a) Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wenn sie eine - mit der Beschwerde dazulegende (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO) - Frage des revisiblen Rechts von allgemeiner, über den Einzelfall hinausreichender Bedeutung aufwirft, die im konkreten Fall entscheidungserheblich ist. Ein derartiger Klärungsbedarf besteht nicht, wenn die Rechtsfrage bereits geklärt ist oder auf der Grundlage der bestehenden Rechtsprechung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregelungen auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens eindeutig beantwortet werden kann (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 9. April 2014 - 2 B 107.13 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 20 Rn. 9).
Rz. 7
b) Diese Voraussetzungen erfüllt die von der Beschwerde bezeichnete Frage nicht, ob die Gewährung der sog. Polizeizulage für Beamte der Zollverwaltung über die Verwendung in einem als zulageberechtigend anerkannten Bereich hinaus von weiteren persönlichen Voraussetzungen - der Fähigkeit, vollzugspolizeilich geprägte Tätigkeiten wahrnehmen zu können - abhängt.
Rz. 8
aa) Die Gewährung einer Stellenzulage setzt nach § 42 Abs. 1 Satz 1 BBesG die Wahrnehmung einer herausgehobenen Funktion voraus. Mit der Zulage sollen zusätzliche Anforderungen eines Dienstpostens abgegolten werden, die nicht bereits von der allgemeinen Ämterbewertung erfasst sind (BVerwG, Urteil vom 27. November 2003 - 2 C 55.02 - Buchholz 240.1 BBesO Nr. 28 S. 19). Dabei kann der Gesetzgeber typisieren und für Beamten- oder Soldatengruppen in einem bestimmten Verwaltungszweig oder einer bestimmten organisatorischen Einrichtung in generalisierender Weise eine entsprechende Zulagenberechtigung vorsehen. Wird im Zulagentatbestand dagegen auf die konkrete Aufgabenbetrauung und Verwendung abgestellt, ist der Aufgabenkreis des jeweiligen Dienstpostens maßgeblich (BVerwG, Urteil vom 25. April 2013 - 2 C 39.11 - Buchholz 240.1 BBesO Nr. 38 Rn. 12). Maßgeblich für die "Betrauung" ist dabei der Aufgabenkreis, der dem Beamten durch Gesetz, allgemeine Geschäftsverteilung oder Einzelweisung übertragen ist (BVerwG, Beschluss vom 25. August 2017 - 2 B 40.17 - juris Rn. 4).
Rz. 9
Welche Funktionen im Sinne des § 42 Abs. 1 Satz 1 BBesG herausgehoben sind, hat der Gesetzgeber in den einzelnen Zulagenvorschriften normativ entschieden (BVerwG, Beschluss vom 20. August 2012 - 2 B 42.12 - juris Rn. 10 m.w.N.). Die Zulage für Beamte und Soldaten mit vollzugspolizeilichen Aufgaben nach Ziffer II Nr. 9 der Vorbemerkungen zu den Bundesbesoldungsordnungen A und B (Anlage I zu § 20 Abs. 2 Satz 1 BBesG) ist durch Art. 1 Nr. 22 Buchst. f des Gesetzes zur Unterstützung der Fachkräftegewinnung im Bund und zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften vom 15. März 2012 (BGBl. I S. 462) neu geregelt worden.
Rz. 10
Während die Gewährung der Polizeizulage nach der zuvor gültigen Fassung vom 14. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3702 ≪3705≫) für die Beamten der Zollverwaltung davon abhing, dass sie tatsächlich mit vollzugspolizeilichen Aufgaben betraut worden sind (BVerwG, Urteil vom 25. April 2013 - 2 C 39.11 - Buchholz 240.1 BBesO Nr. 38 Rn. 12), stellt die Neufassung in einer zusätzlichen Alternative auf die Verwendung in einem Bereich ab, in dem gemäß Bestimmung des Bundesministeriums der Finanzen typischerweise vollzugspolizeilich geprägte Tätigkeiten wahrgenommen werden. An dieser Systematik haben auch die nachfolgenden Änderungen des Zulagentatbestandes festgehalten (vgl. Art. 1 Nr. 43 des Gesetzes zur Neuregelung der Professorenbesoldung und zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften vom 11. Juni 2013, BGBl. I S. 1514, Art. 1 Nr. 22 Buchst. f des Siebten Besoldungsänderungsgesetzes vom 3. Dezember 2015, BGBl I S. 2163).
Rz. 11
Von der damit eröffneten Möglichkeit hat das Bundesministerium der Finanzen durch die am 12. September 2013 erlassene Verwaltungsvorschrift zur Gewährung der Stellenzulage nach Nr. 9 der Vorbemerkungen zu den Besoldungsordnungen A und B (Anlage I des Bundesbesoldungsgesetzes) für die Zollverwaltung im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen (VV-BMF-PolZul) Gebrauch gemacht. Der Tätigkeitsbereich des Klägers gehört nach Auffassung aller Beteiligter zu einem darin als zulageberechtigend bestimmten Bereich.
Rz. 12
Wie zuvor bereits bei den Polizeivollzugsbeamten des Bundes und der Länder, den Beamten des Fahndungsdienstes und den Soldaten der Feldjägertruppe ist seitdem auch für die Beamten der Zollverwaltung, die in der Grenzabfertigung oder in einem vom Bundesministerium der Finanzen bestimmten Bereich verwendet werden, unerheblich, ob der Beamte tatsächlich mit vollzugspolizeilichen Aufgaben betraut ist. Anknüpfungspunkt für die Gewährung der Polizeizulage ist hier ein generell-typisierender Funktionsbezug, der sich bereits aus der Zugehörigkeit zu einem bestimmten Verwaltungsbereich ergibt. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass der Beamte einen dort eingerichteten Dienstposten wahrnimmt (BVerwG, Urteil vom 25. April 2013 - 2 C 39.11 - Buchholz 240.1 BBesO Nr. 38 Rn. 10).
Rz. 13
Damit ist auch unerheblich, ob der Beamte aus gesundheitlichen Gründen zur Wahrnehmung vollzugspolizeilicher Aufgaben in der Lage ist. Solange der Dienstherr etwaige Einschränkungen nicht zum Anlass nimmt, den Beamten in einen anderen Organisationsbereich umzusetzen, erfüllt dieser weiterhin die Voraussetzungen für die Gewährung der Zulage aus Ziffer II Nr. 9 der Vorbemerkungen zu den Bundesbesoldungsordnungen A und B.
Rz. 14
Aus § 42 Abs. 3 Satz 1 BBesG folgt nichts anderes. Maßgeblicher Bezugspunkt für die Dauer der Wahrnehmung der herausgehobenen Funktion ist im Falle der bereichsbezogenen Zulagengewährung die Zuweisung eines Dienstpostens in dem entsprechend bestimmten Bereich.
Rz. 15
bb) Die entgegenstehende Auffassung der Beschwerde verkennt den Gehalt der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, auf den sie Bezug nimmt.
Rz. 16
Zwar trifft zu, dass mit der Neuregelung das im Bereich der Zollverwaltung weitergeltende Funktionalprinzip nicht ersetzt, sondern durch eine bereichsbezogene Bestimmung ergänzt werden sollte (BT-Drs. 17/7142 S. 29). Hieraus folgen indes nicht die von der Beschwerde gezogenen Konsequenzen.
Rz. 17
Für die Beamten der Zollverwaltung, die weder in der Grenzabfertigung noch in einem durch das Bundesministerium der Finanzen bestimmten Bereich verwendet werden, hängt die Zulagengewährung nach dem eindeutigen Wortlaut des Zulagentatbestands auch weiterhin davon ab, dass sie tatsächlich mit vollzugspolizeilichen Aufgaben betraut sind. Insoweit gilt das Funktionalprinzip für die Beamten der Zollverwaltung daher fort.
Rz. 18
Diese Systematik ist mit der Neufassung des Zulagentatbestands durch das Gesetz zur Unterstützung der Fachkräftegewinnung im Bund aber durch eine bereichsbezogene Bestimmung der Zulagenberechtigung ergänzt worden. Der Gesetzgeber wollte in den Bereichen der Zollverwaltung, die typischerweise vollzugspolizeilich geprägt sind, auf eine tätigkeitsbezogene Einzelfallprüfung der jeweiligen Dienstposten verzichten (BT-Drs. 17/7142 S. 28). Wie für den Bereich der Grenzabfertigung, den bereits der Gesetzgeber als generell zulagenfähig bewertet hat, ist auch in den vom Bundesministerium der Finanzen zu bestimmenden Bereichen damit von einer für die Zulagengewährung ausreichenden vollzugspolizeilichen Prägung auszugehen.
Rz. 19
In den Fällen, in denen die Zulagenberechtigung bereits bereichsspezifisch durch die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Organisationseinheit geregelt wird, ist für eine individuell-konkrete Prüfung des Funktionsbezugs daher kein Raum. Diese ist vielmehr durch die generell-typisierende Betrachtung des Funktionsbezugs nach Verwaltungsbereichen ersetzt.
Rz. 20
Warum insoweit - wie von der Beschwerde vorgetragen - für den Bereich der Grenzabfertigung anderes gelten sollte als für den im Zulagentatbestand gleichrangig benannten Fall der Bereichsbestimmung durch das Bundesministerium der Finanzen, ist nicht ersichtlich. Weder der Wortlaut noch die Gesetzesmaterialien bieten für eine derartige Auslegung Anhaltspunkte.
Rz. 21
Auch aus etwaigen - mit der Beschwerde nur pauschal behaupteten - spezifischen personalwirtschaftlichen Besonderheiten im Bereich der Grenzabfertigung könnte ein anderes Ergebnis nicht hergeleitet werden. Der Gesetzgeber hat das Bundesministerium der Finanzen ermächtigt, darüber zu befinden, ob auch in anderen Bereichen der Zollverwaltung von einer typisch vollzugspolizeilichen Prägung ausgegangen werden kann und soll. Macht das Bundesministerium der Finanzen von dieser Bestimmungsmöglichkeit Gebrauch, gelten die vom Gesetzgeber vorgesehen Folgen auch hier. Es liegt jedoch nicht im Gestaltungsermessen des Bundesministeriums der Finanzen, abweichend von den im Zulagentatbestand ausgesprochenen Ermächtigungen eine weitere Mischkategorie der Zulagengewährung im Bereich der Zollverwaltung zu konstruieren. Derartiges findet in der gesetzlichen Regelung keine Grundlage.
Rz. 22
Soweit sich aus Verwaltungsvorschriften - etwa aus den VV-BMF-PolZul - Abweichendes ergeben sollte, sind diese daher unwirksam (vgl. hierzu OVG Schleswig, Urteil vom 22. Juni 2017 - 2 LB 7/17 -).
Rz. 23
cc) Der Zulagentatbestand aus Ziffer II Nr. 9 der Vorbemerkungen zu den Bundesbesoldungsordnungen A und B begegnet schließlich keinen rechtlichen Bedenken.
Rz. 24
Der Gesetzgeber besitzt im Bereich der Beamtenbesoldung grundsätzlich einen weiten Spielraum politischen Ermessens, innerhalb dessen er das Besoldungsrecht den tatsächlichen Notwendigkeiten und der fortschreitenden Entwicklung anpassen und verschiedenartige Gesichtspunkte berücksichtigen kann. Dies gilt auch und gerade für die Frage, ob und für welche Tatbestände ein das Grundgehalt ergänzender Zuschlag gewährt werden soll (BVerfG, Urteil vom 6. März 2007 - 2 BvR 556/04 - BVerfGE 117, 330 ≪350≫).
Rz. 25
Dem Gesetzgeber kommt bei der Ausgestaltung von Zulagentatbeständen auch die Befugnis zur Typisierung und Generalisierung zu. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Gewährung einer Stellenzulage nicht in jedem Einzelfall an eine Prüfung der konkreten Verhältnisse und Voraussetzungen gebunden ist. Die Zulagenberechtigung kann vielmehr auch an die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe geknüpft werden, deren Tätigkeit bei typisierender Betrachtung von der höherwertigen Funktion geprägt wird. Sofern der Tätigkeitsbereich bei einer generalisierenden Betrachtung überwiegend auf die Wahrnehmung vollzugspolizeilicher Aufgaben ausgerichtet ist, kann der Gesetzgeber daher auch die Zulage für Beamte und Soldaten mit vollzugspolizeilichen Aufgaben eröffnen. Die Differenzierung nach einem im Schwerpunkt vollzugspolizeilich geprägten Aufgabenbereich stellt einen hinreichenden sachlichen Grund dar (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Dezember 2008 - 2 BvR 380/08 - NVwZ 2009, 447 ≪448≫).
Rz. 26
Ebenso wie ein derart bereichsbezogenes Zuordnungsmodell zu einer Versagung der Zulagengewährung im Einzelfall trotz Wahrnehmung entsprechender Funktionen führen kann (BVerwG, Urteil vom 24. Januar 1985 - 2 C 9.84 - Buchholz 235 § 42 BBesG Nr. 8 S. 24), hat es zur Folge, dass ein im entsprechenden Organisationsbereich tätiger Beamter die Zulage auch dann erhält, wenn sein konkreter Aufgaben- und Tätigkeitsbereich nicht vollzugspolizeilich geprägt ist.
Rz. 27
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Rz. 28
Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 i.V.m. § 42 Abs. 1 Satz 1 und § 52 Abs. 3 Satz 2 GKG.
Fundstellen
Dokument-Index HI12100422 |