Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches OVG (Aktenzeichen 1 K 4/98)

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 23. März 2000 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 100 000 DM festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Die Antragstellerin wendet sich mit der Normenkontrollklage gegen eine Veränderungssperre, mit der die Antragsgegnerin die Änderung eines Bebauungsplans sichern will. Die Antragstellerin ist Eigentümerin von Grundstücken, Bauherrin und Erschließungsträgerin im Geltungsbereich des Bebauungsplans. Antragstellerin und Antragsgegnerin haben einen Erschließungsvertrag geschlossen, nach dessen Präambel eine in städtebaulicher Hinsicht besonderen Anforderungen genügende Wohnanlage geschaffen werden soll. Nachdem es im Zuge der Umsetzung des Bebauungsplans zu Auseinandersetzungen zwischen den Vertragspartnern über das zu verfolgende Bebauungskonzept gekommen war, erließ die Antragsgegnerin die mit dem Normenkontrollantrag angegriffene Veränderungssperre. Das Oberverwaltungsgericht hat den Normenkontrollantrag abgelehnt. Mit der Beschwerde erstrebt die Antragstellerin die Zulassung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Beschwerde ist nicht begründet.

1. Der Rechtssache kommt nicht die in der Beschwerdeschrift geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zu.

In der Beschwerdeschrift wird sinngemäß als klärungsbedürftig die Frage bezeichnet, ob die Gemeinde mit der Veränderungssperre die Änderung eines Bebauungsplans sichern kann, um Festsetzungen zur Konkretisierung der ursprünglichen Planungskonzeption zu treffen, „wenn auf der Grundlage des nicht hinreichend konkreten Bebauungsplanes ein Erschließungsvertrag geschlossen wurde und durch die Veränderungssperre die sich nach dem Erschließungsvertrag im Zusammenhang mit dem Bebauungsplan ergebenden Möglichkeiten des Vertragspartners beschränkt werden”. Diese Frage rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. Sie ist ohne weiteres aus dem Gesetz zu beantworten.

Bauleitpläne sind aufzustellen, zu ändern, zu ergänzen oder aufzuheben, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist (§ 1 Abs. 3, § 2 Abs. 4 BauGB). Dieses Gebot wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Gemeinde einen Vertrag über die Durchführung eines Bebauungsplans abgeschlossen hat. Das ergibt sich aus § 2 Abs. 3 BauGB, wonach ein Anspruch auf Aufstellung eines Bauleitplans nicht besteht und auch durch Vertrag nicht begründet werden kann. Ebenso wenig besteht ein Anspruch auf Nicht-Aufstellung oder Nicht-Änderung eines Bauleitplans. Folglich ist die Gemeinde befugt, einen Bebauungsplan um Festsetzungen zu ergänzen, wenn sie feststellt, dass die bisher getroffenen Festsetzungen nicht ausreichen, um die von ihr im Rahmen des § 1 Abs. 3 BauGB verfolgten Vorstellungen für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung durchzusetzen. Das Normenkontrollgericht hat hierzu festgestellt, dass die sich aus der Begründung zum Bebauungsplan und dem Erschließungsvertrag ergebenden Planungsvorstellungen insbesondere auf eine Durchmischung unterschiedlicher Bauformen gerichtet gewesen seien, ohne dass dies in den Einzelheiten im Bebauungsplan selbst konkret geregelt worden sei. Die Antragsgegnerin werfe der Antragstellerin vor, unter Missachtung des Planungsziels und des Vertrags „die größtmögliche Anzahl gut verkäuflicher Reihenhauszeilen oder Doppelhäuser zu verwirklichen”. Ziel der Planänderung und der Veränderungssperre sei es, das ursprüngliche Planungskonzept, vom dem die Antragsgegnerin gemeint habe, es sei durch den ursprünglichen Bebauungsplan und den Erschließungsvertrag gesichert, durchzusetzen. Die auf der Grundlage dieser Feststellungen getroffene rechtliche Schlussfolgerung, Planänderung und Veränderungssperre seien zur Verfolgung dieses Ziels zulässig, wirft keine erst noch in einem Revisionsverfahren klärungsbedürftigen Fragen auf.

Auch soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang Fragen einer rechtsmissbräuchlichen Planänderung und Veränderungssperre aufwirft, ist eine grundsätzliche Bedeutung nicht dargetan. Die Beschwerde meint, die Antragsgegnerin hätte spätestens im Erschließungsvertrag konkretere Regelungen zur Durchsetzung ihrer Planungsvorstellungen treffen müssen und dürfe nicht zum hoheitlichen Planungsinstrumentarium greifen, um Versäumtes zur Sicherung ihres Planungsziels nachzuholen. Auch dem ist entgegenzuhalten, dass die gemeindlichen Planungsbefugnisse und -pflichten nicht durch Vertrag geregelt oder verändert werden. Überdies liegt der Beschwerde offenbar eine andere rechtliche Beurteilung des Verhaltens der Antragsgegnerin im Hinblick auf die Frage des Rechtsmissbrauchs zugrunde als der Normenkontrollentscheidung. Die Beschwerde meint offenbar, es sei stets rechtsmissbräuchlich, wenn eine Gemeinde einem Investor die volle Ausschöpfung der Nutzungsmöglichkeiten eines Bebauungsplans mit weiten Festsetzungen planerisch sperre, obwohl sie vorher die Möglichkeit gehabt hätte, engere Festsetzungen zu treffen oder zumindest doch sich vertraglich engere Bindungen auszubedingen. Einen solchen allgemeinen Grundsatz gibt es nicht. Die Frage des Rechtsmissbrauchs beurteilt sich stets nach den Umständen des Einzelfalls. Hierzu hat das Normenkontrollgericht festgestellt, der Antragsgegnerin gehe es darum, „städtebauliche Zielvorstellungen oder auch Verpflichtungen, die im Erschließungsvertrag geregelt sind, mittels Änderung des Bebauungsplanes und Veränderungssperre durchzusetzen”. Anhaltspunkte dafür, dass die vertraglichen Regelungen unterlaufen werden sollten, seien nicht erkennbar.

2. Der geltend gemachte Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegt nicht vor.

Die Beschwerde rügt eine Verletzung des § 86 Abs. 1 VwGO, weil das Normenkontrollgericht die mit Planänderung und Veränderungssperre verfolgten konkreten Planungsabsichten nicht genügend aufgeklärt habe. Ein Gericht verletzt die ihm aufgegebene Aufklärungspflicht nur, wenn es Tatsachen nicht ermittelt, die nach seiner für die Beurteilung des Falls maßgeblichen materiellrechtlichen Auffassung entscheidungserheblich sind. Nach der Rechtsauffassung des Normenkontrollgerichts war die von ihm festgestellte Absicht der Antragsgegnerin, den Bebauungsplan um Festsetzungen für eine „Durchmischung unterschiedlicher Bauformen” (zur Vermeidung einer Bebauung nur mit Reihenhauszeilen und Doppelhäusern) zu ergänzen, eine den Erlass einer Veränderungssperre rechtfertigende hinreichend konkretisierte Planungsabsicht. Deshalb brauchte das Normenkontrollgericht keine weitere Aufklärung zu betreiben. Gleiches ist zu den Ausführungen in der Beschwerdeschrift zu sagen, mit denen mangelnde Aufklärung zu weiteren tatsächlichen Fragen gerügt wird. Sie beruhen auf Rechtsauffassungen, die von der für das Vorliegen eines Verfahrensfehlers allein maßgeblichen Rechtsauffassung des Normenkontrollgerichts abweichen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 14 Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.

 

Unterschriften

Gaentzsch, Rojahn, Jannasch

 

Fundstellen

BauR 2001, 1060

BRS 2000, 187

BRS-ID 2001, 20

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