Verfahrensgang
Hamburgisches OVG (Urteil vom 07.03.2008; Aktenzeichen 12 Bf 371/06.F) |
Tenor
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 7. März 2008 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
Die Beschwerde des Beklagten bleibt ohne Erfolg. Der Beklagte hat nicht gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO, § 65 Abs. 1 Hamburgisches Disziplinargesetz – HmbDG – dargelegt, dass ein Revisionszulassungsgrund gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 VwGO, § 65 Abs. 1 HmbDG gegeben ist.
1. Der Beklagte ist Ruhestandsbeamter. Er war zuletzt – von 1985 bis zu seiner vorläufigen Suspendierung im Jahre 2001 – als Steueramtmann in der Vollstreckungsstelle des Finanzamtes H… als Hauptsachbearbeiter tätig. Im sachgleichen Strafverfahren ist der Beklagte durch Berufungsurteil des Landgerichts H… vom 2. Januar 2003 wegen Bestechlichkeit gemäß § 332 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten auf Bewährung verurteilt worden, weil er einer Steuerschuldnerin angeboten hatte, die von ihr geschuldeten Säumniszuschläge in Höhe von 7 000 DM gegen die Zahlung von 3 500 DM an ihn zu erlassen. Die Steuerschuldnerin reagierte auf das Angebot zunächst nicht, sondern wandte sich an den Präsidenten der Oberfinanzdirektion H…, der die Polizei einschaltete. Staatsanwaltschaft und Polizei stimmten schließlich mit ihr ab, dass sie zum Schein auf das Angebot eingehen sollte, so dass es zur Geldübergabe an den Beklagten kam.
Im Disziplinarklageverfahren hat das Verwaltungsgericht gegen den geständigen Beamten eine Ruhegehaltskürzung ausgesprochen. Im Berufungsverfahren hat das Oberverwaltungsgericht dem Beklagten das Ruhegehalt aberkannt und zur Begründung ausgeführt:
Der Beklagte habe durch das Angebot gegenüber der Steuerschuldnerin vom Januar 2001 und dessen Wiederholung im April 2001 bereits ein schweres Dienstvergehen im Sinne der § 81 Abs. 1 Satz 1, § 74 HmbBG begangen. Er habe den Kernbereich seiner Dienstpflichten verletzt, so dass die disziplinare Höchstmaßnahme die Richtschnur für die zu treffende Disziplinarmaßnahme gemäß § 11 Abs. 1 und 2 HmbDG sei. Die erforderliche Würdigung aller Umstände nach § 11 Abs. 1 und 2 HmbDG ergebe keine entlastenden Gesichtspunkte solchen Gewichts, dass eine günstigere Beurteilung gerechtfertigt wäre.
2. Der Beklagte wirft als rechtsgrundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, § 65 Abs. 1 HmbDG die Frage auf:
Handelt es sich um einen Verstoß gegen Sinn und Zweck des Disziplinarrechts, nämlich insbesondere auch dessen Schutzfunktion, wenn der Dienstherr als “agent provocateur” den Beamten “ins offene Messer laufen” lässt, und stellt die Verletzung dieser Fürsorgepflicht durch den Dienstherrn einen Milderungsgrund im Sinne des § 11 HmbDG dar?
Er vertritt hierzu die Auffassung, dass der Dienstherr bei zureichenden Anhaltspunkten für den Verdacht eines Dienstvergehens die Pflicht habe, ein Disziplinarverfahren einzuleiten und den Beamten hierüber unverzüglich zu informieren, § 23 HmbDG. Der Dienstherr habe gewartet, bis der Beklagte auch wirklich überführt, die Tat nicht nur vollendet, sondern auch dadurch beendet sei, dass der entgegengenommene Betrag angebrochen und für eigene Zwecke verwendet wird. Dadurch habe er den Schaden nicht begrenzt, sondern bewusst geduldet und vertieft.
Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, § 65 Abs. 1 HmbDG, wenn sie eine konkrete, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder Rechtsfortbildung der Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf. Gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO, § 65 Abs. 1 HmbDG obliegt es dem Beschwerdeführer darzulegen, worin der allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedarf an der Klärung der von ihm aufgeworfenen Rechtsfrage bestehen soll (Urteil vom 2. Oktober 1961 – BVerwG 8 B 78.61 – BVerwGE 13, 90 ≪91≫; stRspr).
Hieran fehlt es, denn die vom Beklagten aufgeworfene Frage ist schon nicht entscheidungserheblich. Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts hat der Dienstherr nicht als “agent provocateur” den Beamten “ins offene Messer laufen” lassen. Vielmehr hat sich der Beklagte aus eigenem Antrieb entschlossen, von der Steuerschuldnerin 3 500 DM zu fordern. Im Berufungsurteil (UA S. 27 und S. 37/38) heißt es hierzu, der Beklagte habe nach den tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts der Steuerschuldnerin gegenüber in dem Telefongespräch im April 2001 sein “Angebot” erneuert, ohne dass die Zeugin seine frühere Forderung nach “Schmiergeld” selbst in das Gespräch eingebracht habe. Er habe trotz des zwischenzeitlichen Teilerlasses der Säumniszuschläge durch seinen Vorgesetzten ihr gegenüber tatsachenwidrig behauptet, diese seien nun auf über 8 000 DM angewachsen. Dann habe er auf Nachfrage der Zeugin seinen Vorschlag wiederholt, dass er dafür sorgen werde, dass diese Säumniszuschläge in voller Höhe erlassen würden, wenn ihm die Zeugin vor seinem erneut bevorstehenden Urlaub 3 500 DM in bar vorbeibringe. Es sei daher unerheblich, dass das gesamte Verhalten der Zeugin im April 2001 in Absprache mit der Polizei erfolgt sei. Hiermit setzt sich die Beschwerde nicht auseinander.
Im Übrigen geht die Beschwerde von den unzutreffenden rechtlichen Annahmen aus, es sei entscheidend, dass es bis zu dem Geschehen im April 2001 lediglich zu einem “Versuch” bzw. einer “Vollendung”, nicht aber einer “Beendung” gekommen sei. Disziplinarrechtlich belastet eine versuchte Straftat den Beamten genauso wie eine vollendete. Entscheidend ist insoweit allein, dass der Beamte durch ein bestimmtes Verhalten schuldhaft seine Dienstpflichten verletzt hat. Für die im Disziplinarrecht gebotene Persönlichkeitsbeurteilung (§ 13 Abs. 1 Satz 3 BDG, § 11 Abs. 1 Satz 2 und 3 HmbDG) kommt es vor allem auf den gezeigten Handlungswillen an; dass der Erfolg der Tat nicht eingetreten ist, ist nur dann von Bedeutung, wenn der Nichteintritt auf zurechenbarem Verhalten des Ruhestandsbeamten beruht (vgl. Urteile des Disziplinarsenats vom 7. Dezember 1993 – BVerwG 1 D 32.92 – BVerwGE 103, 54 ≪56 f.≫ und vom 18. März 1998 – BVerwG 1 D 88.97 – BVerwGE 113, 208 ≪212≫ = Buchholz 232 § 54 Satz 2 BBG Nr. 15, s. auch Beschluss des Senats vom 11. März 2008 – BVerwG 2 B 8.08 – juris).
2. Die Beschwerde rügt außerdem eine Abweichung von den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. Mai 2007 – BVerwG 2 C 9.06 – (Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 3) und vom 20. Oktober 2005 – BVerwG 2 C 12.04 – (BVerwGE 124, 252 = Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 1), § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO, § 65 Abs. 1 HmbDG. Dort habe das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt, dass die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis neben der Schwere des Dienstvergehens auch bei sogenannten Zugriffsdelikten die umfassende Würdigung des Persönlichkeitsbildes des Beamten voraussetze, um einen endgültigen Vertrauensverlust feststellen zu können.
Auch diese Rüge vermag nicht zur Zulassung der Revision zu führen. Die behauptete Divergenz liegt nicht vor. Die angeführten Urteile des Senats sind zu den Bemessungsvorgaben des Bundesdisziplinargesetzes (§ 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BDG) ergangen, während das Berufungsgericht die Bemessungsvorgaben gemäß § 11 des Hamburgischen Disziplinargesetzes angewandt hat, deren Wortlaut nicht mit § 13 Abs. 1 BDG übereinstimmt. Davon abgesehen liegt die Annahme nahe, dass dem gesetzlichen Begriff der Schwere des Dienstvergehens nach § 11 Abs. 1 Satz 2 HmbDG die gleiche Bedeutung für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme zukommt wie dem Begriff nach § 13 Abs. 1 Satz 2 BDG. Hierzu hat der Senat in dem Urteil vom 3. Mai 2007 (a.a.O. Rn. 20) ausgeführt:
Die Schwere des festgestellten Dienstvergehens ist als maßgebendes Bemessungskriterium richtungweisend für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme. Dies bedeutet, dass das Dienstvergehen nach seiner Schwere einer der gesetzlich vorgesehenen Disziplinarmaßnahmen zuzuordnen ist. Dabei können die vom Disziplinarsenat des Bundesverwaltungsgerichts für bestimmte Fallgruppen herausgearbeiteten Regeleinstufungen von Bedeutung sein. Auf der Grundlage dieser Zuordnung kommt es für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme darauf an, ob Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild des Beamten und zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung im Einzelfall derart ins Gewicht fallen, dass eine andere als die durch die Schwere des Dienstvergehens indizierte Disziplinarmaßnahme geboten ist.
Nach der Rechtsprechung des Disziplinarsenats ziehen vorsätzliche Verstöße gegen das Verbot der Vorteilsannahme im Regelfall die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis bzw. die Aberkennung des Ruhegehalts nach sich, wenn ein Beamter in hervorgehobener Vertrauensposition für die Wahrnehmung dienstlicher Aufgaben nicht unerhebliche Geldzuwendungen erhalten hat. Dies gilt auch dann, wenn er keine pflichtwidrigen Amtshandlungen als Gegenleistung vereinbart hat. Denn die Annahme derartiger Zuwendungen offenbart ein besonders hohes Maß an Pflichtvergessenheit, weil jedem Beamten klar sein muss, dass er durch ein solches Verhalten den Anschein der Käuflichkeit erweckt. Dies kann im Interesse der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes nicht hingenommen werden (Urteile vom 8. Juni 2005 – BVerwG 1 D 3.04 – juris Rn. 20, vom 23. November 2006 – BVerwG 1 D 1.06 – Buchholz 232 § 70 BBG Nr. 12 Rn. 30 und vom 19. Juni 2008 – BVerwG 1 D 2.07 – juris Rn. 61 ff.). Dieser Rechtsprechung hat sich der 2. Senat angeschlossen (Beschluss vom 10. November 2005 – BVerwG 2 B 48.05 – juris Rn. 17).
Der Beklagte hat nicht aufgezeigt, dass das Berufungsgericht diese Rechtsgrundsätze nicht beachtet hat, weil es sie für unrichtig hält. Es hat zwar ausschließlich auf ältere, teilweise überholte Rechtsprechung des Disziplinarsenats verwiesen. Jedoch stimmt sein rechtlicher Ansatz zur Bedeutung der Schwere von Verstößen gegen das Verbot der Vorteilsannahme im Ergebnis mit demjenigen des Senats überein. Davon ausgehend lässt auch seine Würdigung, mildernde Umstände rechtfertigten angesichts der Schwere des Dienstvergehens keine mildere Disziplinarmaßnahme, eine Divergenz nicht erkennen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 76 Abs. 4 Satz 1 HmbDG. Gerichtsgebühren werden gemäß § 75 Abs. 1 HmbDG nicht erhoben.
Unterschriften
Herbert, Dr. Heitz, Thomsen
Fundstellen