Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Aktenzeichen 9 B 98.31617) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 4. Oktober 2000 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
Die auf Verfahrensmängel und verschiedene Divergenzrügen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3, 2 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
Als Verfahrensmangel macht die Beschwerde zunächst geltend, das Berufungsgericht habe seiner Entscheidung weder den Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 3. April 2000 noch dessen ad-hoc-Bericht vom 18. Mai 2000 zugrunde gelegt, obwohl beide Berichte zum Entscheidungszeitpunkt bereits zur Verfügung gestanden hätten (Beschwerdebegründung S. 2). Damit rügt sie der Sache nach einen Verstoß gegen die gerichtliche Sachaufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO), ohne ihn indes den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechend darzulegen. Denn die Beschwerde zeigt nicht, wie erforderlich, auf, welche konkreten, dem Kläger günstigen neuen Erkenntnisse von möglicherweise entscheidungserheblicher Bedeutung den Berichten hätten entnommen werden können. Der pauschale Hinweis, im ad-hoc-Bericht vom 18. Mai 2000 werde gefordert, „bei Entscheidungen über Abschiebungen eine besonders sorgfältige Prüfung durchzuführen” (Beschwerdebegründung S. 2), genügt diesen Darlegungsanforderungen nicht.
Die Beschwerde beanstandet weiter, das Berufungsgericht hätte angesichts der unsicheren Lage im Herkunftsland des Klägers und im Hinblick auf seinen ausführlichen Vortrag im Berufungsverfahren eine mündliche Verhandlung durchführen müssen (Beschwerdebegründung S. 2 f.). Dieses Vorbringen lässt keine sachfremden Erwägungen oder groben Fehleinschätzungen des Berufungsgerichts hinsichtlich der Notwendigkeit einer mündlichen Verhandlung erkennen. Nur daraufhin ist das Ermessen des Berufungsgerichts zu einer Entscheidung nach § 130 a VwGO jedoch überprüfbar (vgl. Beschluss vom 3. September 1992 – BVerwG 11 B 22.92 – Buchholz 442.10 § 4 StVG Nr. 88; stRspr).
Im Zusammenhang mit der Durchführung des vereinfachten Berufungsverfahrens rügt die Beschwerde ferner, der angefochtene Beschluss sei eine unzulässige Überraschungsentscheidung, da dem Kläger vom Berufungsgericht nicht vorab die Gründe mitgeteilt worden seien, weshalb es den Beweisanträgen aus seinem Schriftsatz vom 30. Juni 2000 nicht nachkommen wolle. Den Beweisanträgen aus den Schriftsätzen vom 4. August und 25. August 2000 sei das Berufungsgericht ohne Begründung nicht gefolgt, obwohl es seine Erwägungen hierfür zumindest in dem angefochtenen Beschluss hätte darlegen müssen. Außerdem fehle es an der erforderlichen weiteren Anhörungsmitteilung, wie sie vom Bundesverwaltungsgericht gefordert werde, wenn das Berufungsgericht an seiner Absicht festhalte, nach § 130 a VwGO ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden. Schließlich habe das Berufungsgericht auch nicht seine erforderliche Sachkunde dargelegt, aufgrund derer es auf die beantragte Einholung von Sachverständigengutachten hätte verzichten können (Beschwerdebegründung S. 5 f.). Mit der ersten Rüge verkennt die Beschwerde, dass das Berufungsgericht, anders als in den Fällen des § 86 Abs. 2 VwGO, im Verfahren nach § 130 a VwGO nicht verpflichtet ist, die ihm obliegende abschließende Sachverhalts- und Beweiswürdigung vorab den Beteiligten mitzuteilen und mit ihnen zu erörtern (stRspr, vgl. Beschluss vom 21. Januar 2000 – BVerwG 9 B 614.99 – Buchholz 310 § 130 a VwGO Nr. 46 m.w.N.). Zutreffend weist die Beschwerde zwar darauf hin, dass das Berufungsgericht, wenn es nach § 130 a VwGO im vereinfachten Berufungsverfahren entscheidet, in den Gründen des Beschlusses regelmäßig darlegen muss, weshalb es einem Beweisantrag nicht nachgegangen ist (Beschluss vom 19. April 1999 – BVerwG 8 B 150.98 – Buchholz 310 § 130 a VwGO Nr. 37 S. 13 m.w.N.), beanstandet jedoch zu Unrecht, dass in dem angefochtenen Beschluss nicht auf die Beweisanträge aus dem Schriftsatz des Klägers vom 25. August 2000 eingegangen worden sei. Das Berufungsgericht hat die Behauptung des Klägers, er sei in Bale aufgewachsen und Militärausbilder in Delo gewesen, wofür er belobigt worden sei, „als wahr unterstellt” (BA S. 15). Die weitere Beweisbehauptung aus diesem Schriftsatz, betreffend einen in Bale Goba geborenen Militärangehörigen, hat es als unerheblich angesehen (BA S. 16). Ein Verfahrensmangel ist hierbei nicht erkennbar. Soweit die Beschwerde beanstandet, zu den Beweisanträgen vom 4. August 2000 werde „überhaupt nichts ausgeführt” (Beschwerdebegründung S. 5), genügt sie schon nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Weder benennt sie die unter Beweis gestellten Tatsachen, noch legt sie näher dar, weshalb diese aus der insoweit maßgeblichen Sicht des Berufungsgerichts hätten entscheidungserheblich sein können und deshalb in den Gründen des angefochtenen Beschlusses ausdrücklich hätten beschieden werden müssen. Die Rüge schließlich, das Berufungsgericht habe seine eigene ausreichende Sachkunde nicht nachgewiesen, die es berechtige, Anträge auf Einholung eines Sachverständigengutachtens abzulehnen, geht ins Leere, denn das Berufungsgericht hat sich bei der Ablehnung der Beweisanträge des Klägers nicht auf die eigene Sachkunde gestützt (BA S. 15 f.).
Mit der Rüge, der vom Berufungsgericht festgestellte Sachverhalt sei lückenhaft, das Gericht habe das detaillierte Vorbringen des Klägers inhaltlich nicht zur Kenntnis genommen, macht die Beschwerde eine Verletzung des Anspruchs des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs geltend (Art. 103 Abs. 1 GG). Dieser Anspruch verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen der Beteiligten auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Nicht jedes Vorbringen der Beteiligten braucht in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich beschieden zu werden. Eine Gehörsverletzung kann daher regelmäßig nur dann festgestellt werden, wenn sich dies aus den besonderen Umständen des Falles ergibt (BVerfGE 96, 205 ≪216 f.≫; stRspr). Solche besonderen Umstände vermag die Beschwerde allein mit dem Hinweis darauf, dass das Berufungsgericht nicht auf jede Einzelheit im Vorbringen des Klägers (Beschwerdebegründung S. 5) eingegangen sei, nicht aufzuzeigen. Der Sache nach hat sich das Berufungsgericht mit dem Vortrag des Klägers zu seiner exilpolitischen Betätigung knapp, aber ausreichend auseinandergesetzt (BA S. 3 f., 13 f. und 15). Dass es dabei wesentliche Sachverhalte unberücksichtigt gelassen hätte, legt die Beschwerde nicht dar. Die von ihr hervorgehobene lange Dauer der exilpolitischen Betätigung lag nach dem festgestellten Sachverhalt auch für das Berufungsgericht auf der Hand. Im Übrigen gibt die Beschwerde keinen Grund dafür an, weshalb gerade dieser Zeitfaktor für das aus Sicht des Berufungsgerichts entscheidende Merkmal der herausgehobenen exilpolitischen Betätigung von ausschlaggebender Bedeutung sein sollte. Damit, dass der Kläger nach seinem Vortrag aus Bale stammt, hat sich das Berufungsgericht im Zusammenhang mit dem hierauf gerichteten Beweisantrag des Klägers ausdrücklich auseinandergesetzt (BA S. 15). Soweit die Beschwerde darüber hinaus rügt, dieser Umstand hätte in die Gesamtwürdigung der Rückkehrgefährdung des Klägers mit einfließen müssen (Beschwerdebegründung S. 5, 2. Absatz), macht sie in Wahrheit einen materiellrechtlichen Fehler geltend, mit dem sie die Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensmangels nicht erreichen kann. Entsprechendes gilt für die Rüge, das Berufungsgericht habe den Vortrag, dass die Mutter des Klägers eritreischer Abstammung sei, „in dem Beschluss überhaupt nicht erwähnt”, was von ausschlaggebender Bedeutung sei, da gerade dieser Personenkreis durch den Krieg zwischen Äthiopien und Eritrea ins Blickfeld der Sicherheitsbehörden geraten sei (Beschwerdebegründung S. 7). Auch dieses Vorbringen nimmt der angefochtene Beschluss auf (BA S. 4) und setzt sich der Sache nach durch den Hinweis, dass in Äthiopien keine Sippenhaft praktiziert werde (BA S. 15), damit auseinander, wenn auch nicht mit dem vom Kläger erhofften Ergebnis. Soweit die Beschwerde schließlich in diesem Zusammenhang rügt, der Beschluss sei nicht im Sinne des § 138 Nr. 6 VwGO mit Gründen versehen (Beschwerdebegründung S. 7), verkennt sie grundlegend die Anforderungen an das Vorliegen dieses absoluten Revisionszulassungsgrundes, der hier offensichtlich nicht vorliegt (vgl. dazu Beschluss vom 5. Juni 1998 – BVerwG 9 B 412.98 – Buchholz 310 § 138 Ziff. 6 VwGO Nr. 32).
Die Beschwerde macht in mehrfacher Hinsicht Divergenzen des angefochtenen Beschlusses zu Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts geltend (Beschwerdebegründung S. 3 f., 4, 5 und 7 f.). Dabei genügt sie jedoch in keinem Fall den an diesen Zulassungsgrund zu stellenden Darlegungsanforderungen (vgl. dazu Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 n.F. VwGO = NJW 1997, 3328). In Wahrheit rügt sie jeweils die nach ihrer Auffassung unzutreffende, mit den in Bezug genommenen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts nicht übereinstimmende Rechtsanwendung des Berufungsgerichts im konkreten Fall. Dass das Berufungsgericht einen von jenen Entscheidungen abweichenden abstrakten Rechtssatz aufgestellt hätte, vermag sie dabei in keinem Fall aufzuzeigen.
Insgesamt wendet sich die Beschwerde im Übrigen in weitem Umfang in der Art einer Berufungsbegründung gegen die Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Berufungsgerichts. Auf einen Revisionszulassungsgrund führt dies nicht.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nach § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 83 b Abs. 2 AsylVfG.
Unterschriften
Dr. Paetow, Dr. Mallmann, Dr. Eichberger
Fundstellen