Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Urteil vom 17.08.2006; Aktenzeichen 19 B 05.1611) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 17. August 2006 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ist teilweise nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechend dargetan, teilweise liegt er nicht vor. Die weiter geltend gemachte Divergenzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) und die Verfahrensrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) entsprechen nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.
1. Die Beschwerde greift die Entscheidung des Berufungsgerichts an, die die Ausweisung des Klägers – eines mit einer Deutschen verheirateten türkischen Staatsangehörigen – als rechtmäßig ansieht und wirft hierzu folgende Fragen auf, die sie als rechtsgrundsätzlich bedeutsam ansieht:
a) Die Beschwerde sieht Klärungsbedarf für die Frage, “ob eine informelle Mitarbeit im Familienbetrieb zum Erwerb der Ansprüche des Art. 6 ARB 1/80 führen kann” (Beschwerdebegründung S. 2 – Abschnitt I).
Die Beschwerde wendet sich gegen die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, dass die länger als vierjährige Mitarbeit des Klägers in der Spielhalle seiner Ehefrau nicht zur Entstehung einer Rechtsposition nach Art. 6 Abs. 1 Spiegelstrich 3 des Assoziationsratsbeschlusses ARB 1/80 geführt habe. Sie meint, auch die Mitarbeit im Familienbetrieb ohne formelles Beschäftigungsverhältnis und ohne Lohnzahlung könne den Rechtsstatus nach Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 begründen und beruft sich u.a. darauf, die Begriffe des “Arbeitnehmers, der dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats angehört” und der “Tätigkeit im Lohn- oder Gehaltsverhältnis” seien nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) weit auszulegen. Da das Berufungsgericht eine “informelle Mitarbeit” ohne arbeitsvertragliche Grundlage trotz des geleisteten ehelichen Unterhalts nicht als rechtsbegründend nach Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 angesehen habe, sei die Frage klärungsbedürftig.
Die aufgeworfene Frage bedarf keiner Klärung in einem Revisionsverfahren. Vielmehr ergibt sich bereits aus der Rechtsprechung des EuGH, dass eine ohne Vergütung geleistete Mitarbeit im Familienbetrieb – wie hier – nicht von Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 erfasst wird. Die Beschwerde selbst sieht nach der von ihr im Einzelnen zitierten Rechtsprechung des EuGH das wesentliche Merkmal des Arbeitsverhältnisses darin, “dass jemand während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält” (Beschwerdebegründung S. 3 mit Rechtsprechungsnachweisen). Diese Voraussetzungen erfüllt die – nach den von der Beschwerde nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts – unvergütete Mitarbeit des Klägers in der Spielhalle seiner Ehefrau nicht. Denn er hat hierfür keinen Lohn erhalten; von seiner Ehefrau wurden ihm auch nicht andere Leistungen, die über den ehelichen Unterhalt hinausgehen, gewährt (UA S. 9). Entgegen der Auffassung der Beschwerde widerspricht es der Rechtsprechung des EuGH, “innerfamiliäre Unterhaltsleistungen als Entlohnung” anzusehen (vgl. Beschwerdebegründung S. 3 unten). Zwar kommt es nach der Rechtsprechung nicht auf die rechtliche Ausgestaltung des Beschäftigungsverhältnisses, die Höhe der Produktivität des Betroffenen, die Höhe der Vergütung oder die Herkunft der Mittel an. Aber auch besonders gestaltete Beschäftigungsverhältnisse müssen die Grundmerkmale eines Arbeitsverhältnisses aufweisen, nämlich ein Abhängigkeitsverhältnis und die Zahlung einer Vergütung für die erbrachte Leistung (vgl. EuGH, Urteil vom 7. September 2004 – Rs. C-456/02, Trojani – InfAuslR 2004, 417 Rn. 15 – 22 m.w.N.). Das ist hier nicht der Fall. Die Ehefrau hat im streitgegenständlichen Zeitraum gegenüber dem Kläger nur Unterhaltsleistungen erbracht; diese stehen in keiner Abhängigkeit von seiner Mitarbeit in der Spielhalle. Im Übrigen hat das Berufungsgericht die Tätigkeit des Klägers aufgrund der “letztlich eigenverantwortlichen Führung des Spielhallenbetriebs” eher als selbständig eingeordnet und nicht als Arbeitsverhältnis im Sinne von Art. 6 ARB 1/80 (UA S. 10).
b) Die Beschwerde möchte weiter geklärt sehen, “ob die Ansprüche nach Art. 6 Abs. 1, 3. Spiegelstrich ARB 1/80 auch durch eine mehr als vierjährige Beschäftigung bei verschiedenen Arbeitgebern erworben werden können, ohne dass der betreffende türkische Arbeitnehmer zuvor die Ansprüche nach dem 1. und 2. Spiegelstrich der Vorschrift erworben hat” (Beschwerdebegründung S. 8 unter II).
Auch diese Frage bedarf keiner Klärung in einem Revisionsverfahren. Die Beschwerde legt selbst dar, dass die Frage vom EuGH in der Sache Sedef am 10. Januar 2006 (Rs. C-230/03 – InfAuslR 2006, 106) in dem Sinne entschieden worden ist, dass die Rechte aus Art. 6 Abs. 1 Spiegelstrich 3 ARB 1/80 einem türkischen Arbeitnehmer nur dann zustehen, wenn dieser zuvor Ansprüche nach dem 1. und 2. Spiegelstrich erworben hatte (Beschwerdebegründung S. 9). Die Beschwerde trägt keine Gesichtspunkte dafür vor, warum die Frage einer erneuten oder weitergehenden Klärung bedarf.
c) Weiter erstrebt die Beschwerde die Klärung der Frage, “ob die Erteilung einer unbefristeten Arbeitserlaubnis über das Diskriminierungsverbot des Art. 10 Abs. 1 ARB 1/80 für den betreffenden türkischen Arbeitnehmer ein Aufenthaltsrecht begründet, welches ihm nur unter Beachtung der Vorgaben des Art. 14 ARB 1/80 entzogen werden kann” (Beschwerdebegründung S. 12 unter III).
Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich nicht, dass die aufgeworfene Frage entscheidungserheblich ist. Denn die Feststellungen in dem angefochtenen Urteil enthalten keine Aussage darüber, dass dem Kläger eine unbefristete Arbeitserlaubnis erteilt wurde.
d) Die Beschwerde wirft die weitere Frage auf, “ob Art. 41 des Zusatzprotokolls zum Assoziationsabkommen EWG/Türkei (ZP) im Hinblick auf die dort genannte Dienstleistungsfreiheit auf einen türkischen Staatsangehörigen Anwendung findet, der sich dauerhaft in Deutschland aufhält, und ob die Anwendung dieser Vorschrift zur Unzulässigkeit einer Ausweisung des betreffenden türkischen Staatsangehörigen auf Grundlage der §§ 47, 48 AuslG (jetzt §§ 53, 54 AufenthG) führt” (Beschwerdebegründung S. 15 unter IV).
Die Beschwerde zeigt nicht auf, dass für diese Frage Klärungsbedarf besteht. Sie selbst räumt ein, dass der Senat in seinem zwischen den Parteien dieses Verfahrens ergangenen Urteil vom 15. März 2005 (– BVerwG 1 C 2.04 – Buchholz 451.901 Assoziationsrecht Nr. 42 S. 63) an seiner Rechtsprechung festgehalten hat, dass sich in Fällen wie dem vorliegenden aus der Stillhalteklausel des Art. 41 Abs. 1 ZP kein erhöhter Ausweisungsschutz ergeben kann (so bereits Urteil vom 26. Februar 2002 – BVerwG 1 C 21.00 – BVerwGE 116, 55 ≪59 ff.≫). Aus dem Beschwerdevorbringen ergeben sich keine Gesichtspunkte, weshalb die Frage erneuter Klärung bedürfte. Im Übrigen ist im vorliegenden Fall auch nicht ersichtlich, wieso die gemeinschaftsrechtlich geschützte Dienstleistungsfreiheit hier zu einem erhöhten Schutz des Klägers vor einer Ausweisung führen könnte, da die aktive und passive Dienstleistungsfreiheit nur grenzüberschreitende Sachverhalte erfasst, nicht aber – wie dies hier geltend gemacht wird – die Erbringung oder Entgegennahme von Diensten in dem Mitgliedstaat, in dem der Kläger ansässig ist (vgl. u.a. EuGH, Urteile vom 21. Oktober 2003 – Rs. C-317/01 und C-369/01, Abatay und Sahin – juris Rn. 107 f.; vom 11. Januar 2007 – Rs. C-208/05, ITC – Rn. 55 f. und vom 19. April 2007 – Rs. C-444/05, Stamatelaki – Rn. 20).
e) Die Beschwerde möchte zusätzlich geklärt wissen, “ob die Ausweisung eines mit einer deutschen Staatsangehörigen verheirateten ausländischen Staatsangehörigen, die bereits vor Inkrafttreten der Richtlinie 2003/86/EG erfolgte, aber noch Gegenstand eines anhängigen Gerichtsverfahrens ist, an Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie zu messen ist, und ob Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2003/86/EG dem betreffenden Ausländer den im Europarecht für Unionsbürger allgemein geltenden Ausweisungsschutz vermittelt” (Beschwerdebegründung S. 19 f. unter V).
Die Beschwerde leitet aus Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2003/86/EG (Familienzusammenführungs-RL) ab, dass der Ausweisung die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts zugrunde zu legen ist und sie nur als Ermessensausweisung erfolgen dürfe (Beschwerdebegründung S. 21 und 23) und dass dies auch für den Kläger zu gelten habe (S. 21 ff.). Sie räumt ein, dass die Richtlinie in Art. 3 Abs. 3 die ausdrückliche Regelung enthält, dass sie keine Anwendung auf Familienangehörige von Unionsbürgern findet – ein solcher ist der Kläger im Hinblick auf seine deutsche Ehefrau –, meint aber, dass dies gegen das Verbot der Inländerdiskriminierung verstoße.
Die Beschwerde legt aber nicht – wie erforderlich – dar, dass und gegebenenfalls aus welchen Gründen sich ein Ausländer wie der Kläger auf den Grundsatz der Inländerdiskriminierung berufen kann. Wie der Senat in seinem auch von der Beschwerde zitierten Urteil vom 23. Mai 1995 (– BVerwG 1 C 3.94 – BVerwGE 98, 298 ≪308 f.≫) ausgeführt hat, bezweckt das Verbot der Inländerdiskriminierung den Schutz des Inländers, hier also des deutschen Ehepartners. Der deutsche Partner eines Ausländers darf nicht unter Verletzung des Gleichheitssatzes des Art. 3 GG schlechter gestellt werden als ein im Inland lebender Staatsangehöriger eines EG-Mitgliedstaats oder Drittstaats mit ausländischem Ehepartner. Es bedarf keiner Klärung, ob eine gegen Art. 3 GG verstoßende Inländerdiskriminierung vorliegt, denn die Beschwerde begründet nicht, dass sich auch der ausländische Ehepartner auf das Verbot berufen kann, das den Schutz des Inländers bezweckt (eine Inländerdiskriminierung verneinen für andere europarechtliche Regelungen zum Familiennachzug OVG Hamburg, Urteil vom 5. September 2006 – 3 Bf 113/06 – juris Rn. 39 ff.; VGH Kassel, Beschluss vom 23. Oktober 2006 – 7 TG 2317/06 -InfAuslR 2007, 95 Rn. 8 ff.). Mangels Darlegung eigener Betroffenheit des Klägers kommt es auf die Frage, ob die Familienzusammenführungs-Richtlinie auch auf Ausweisungsentscheidungen anwendbar ist, die – wie hier – vor ihrem Inkrafttreten erlassen wurden, und ob Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie den im Europarecht für Unionsbürger allgemein geltenden Ausweisungsschutz vermittelt, nicht mehr an.
f) Die Beschwerde sieht Klärungsbedarf auch für die Frage, “ob Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2003/109/EG in einem nach Inkrafttreten der Richtlinie anhängigen Rechtsstreit anwendbar ist, wenn die im Streit stehende Ausweisung noch vor Inkrafttreten der Richtlinie erfolgte, und ob Art. 12 Abs. 1 RL 2003/109/EG in diesem Fall auch dann zu berücksichtigen ist, wenn dem betreffenden Ausländer keine Bescheinigung nach Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie erteilt wurde, und ob Art. 12 Abs. 1 RL 2003/109/EG dem betreffenden Ausländer einen Ausweisungsschutz vermittelt, der dem Ausweisungsschutz für Unionsbürger entspricht” (Beschwerdebegründung S. 23 unter VI).
Die Beschwerde ist der Meinung, der Kläger könne sich auf den erhöhten Ausweisungsschutz für langfristig Aufenthaltsberechtigte nach Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2003/109/EG berufen, auch ohne im Besitz eines Aufenthaltstitels nach Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie zu sein, und wendet sich gegen die gegenteilige Rechtsauffassung des Berufungsgerichts (UA S. 12 f.). Die Beschwerde zeigt aber die Entscheidungserheblichkeit der aufgeworfenen Frage nicht auf. Denn sie legt nicht dar, dass im Fall des Klägers die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen für die Zuerkennung der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten nach Art. 5 der Richtlinie vorlagen, der Kläger also u.a. über “feste und regelmäßige Einkünfte” im Sinne der Vorschrift verfügte. Weiter fehlt es an Darlegungen, dass keine Versagungstatbestände im Sinne von Art. 6 der Richtlinie (Gründe der öffentlichen Ordnung und Sicherheit) vorlagen.
Im Übrigen ergibt sich aus Wortlaut und Entstehungsgeschichte der maßgeblichen Vorschriften der Richtlinie, dass die Erteilung der in Art. 8 vorgesehenen langfristigen Aufenthaltsberechtigung-EG konstitutiv ist für die daraus ableitbare Rechtsstellung, insbesondere auch für den erhöhten Ausweisungsschutz nach Art. 12. Denn bereits aus dem Wortlaut des Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie, der die Erlangung der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten regelt, lässt sich entnehmen, dass ein Drittstaatsangehöriger erst dann den Status eines langfristig Aufenthaltsberechtigten erlangt, wenn ihm auf seinen Antrag hin eine langfristige Aufenthaltsberechtigung-EG erteilt wird (“Um die Rechtsstellung … zu erlangen”). Auch aus der Begründung der EG-Kommission ergibt sich, dass die Ausstellung der langfristigen Aufenthaltsberechtigung rechtsbegründend im Hinblick auf den Status wirken soll (so Begründung der Kommission zum Entwurf der Daueraufenthaltsrichtlinie – KOM (2001) 127 endgültig, Seite 19).
g) Die Beschwerde hält weiter für klärungsbedürftig, “ob Art. 8 EMRK einer Ausweisung von Ausländern, die sich bereits viele Jahre im Inland aufgehalten haben, ohne gleichzeitige Befristung, entgegen steht” (Beschwerdebegründung S. 26 unter VII).
Die aufgeworfene Frage kann schon deshalb nicht zur Revisionszulassung führen, weil sie in ihrer Allgemeinheit keiner Klärung in einem Revisionsverfahren zugänglich ist. Der Senat sieht aber im Übrigen vor dem Hintergrund seiner fallbezogenen Ausführungen zur Befristungsfrage in dem zwischen den Beteiligten dieses Verfahrens ergangenen Urteil vom 15. März 2005 auch keinen erneuten Bedarf für eine Klärung in einem Revisionsverfahren. Der Senat hat ausgeführt (– BVerwG 1 C 2.04 – a.a.O. – juris Rn. 16):
“Die Ausweisung des Klägers verstößt schließlich nicht deshalb gegen Grundrechte, weil sie ohne Befristung verfügt worden ist. Angesichts der Schwere der vom Kläger begangenen Straftat, seiner privaten und familiären Situation und seiner nach wie vor vorhandenen Beziehungen zur Türkei war es nach Art. 6 GG und nach Art. 8 EMRK auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit bisher nicht geboten, die Ausweisung von vornherein zeitlich zu befristen (vgl. EGMR, Urteil vom 17. April 2003 – Beschwerde-Nr. 52853/99 – Yilmaz – NJW 2004, 2147 ff. m.w.N.; vgl. dazu allgemein auch BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des 2. Senats vom 1. März 2004 – 2 BvR 1570/03 – EuGRZ 2004, 317 = InfAuslR 2004, 280).”
Das von der Beschwerde angeführte Urteil des EGMR in der Sache Keles, das nach der Entscheidung des Senats ergangen ist (EGMR, Urteil vom 27. Oktober 2005 – 32231/02 – InfAuslR 2006, 3), begründet keinen erneuten Klärungsbedarf. Die Beschwerde sieht in dem Urteil in der Sache Keles eine Abweichung u.a. von dem in der Senatsentscheidung in Bezug genommenen Urteil des EGMR in der Sache Yilmaz insofern, als der EGMR seine Befristungs-Rechtsprechung nunmehr auch auf Ausländer erstrecke, die – wie der Kläger – nicht in Deutschland geboren wurden, sondern hierher im Wege des Familiennachzugs gekommen seien (Beschwerdebegründung S. 27). Daraus ergibt sich jedoch kein erneuter Klärungsbedarf. Denn der Senat ist in seinem Urteil vom 15. März 2005 bereits von der Anwendbarkeit der Rechtsprechung des EGMR auf nicht in Deutschland geborene Ausländer ausgegangen, hielt es unter Würdigung der in dem Urteil genannten Gründe – unter anderem der Schwere der begangenen Straftat (Freiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten wegen bandenmäßiger Einfuhr und bandenmäßigen Handelns mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, nämlich von 72 kg Heroin) – aber unter dem Gesichtspunkt des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nicht für geboten, die Ausweisung von vornherein zeitlich zu befristen.
2. Die Beschwerde sieht eine die Revisionszulassung rechtfertigende Abweichung (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) der angegriffenen Berufungsentscheidung von dem zwischen den Beteiligten ergangenen Urteil des Senats vom 15. März 2005. Sie legt aber nicht dar, dass das Berufungsgericht einen Rechtssatz aufgestellt hat, der einem Rechtssatz in der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts widerspricht. Die Beschwerde bezieht sich auf die fallbezogenen Ausführungen des Senats zur Vereinbarkeit der Ausweisung mit Art. 6 GG und Art. 8 EMRK (a.a.O. – Rn. 16):
“Die Ausweisung begegnet – vorbehaltlich neuer Erkenntnisse im anschließenden Berufungsverfahren – auch im Hinblick auf Art. 6 GG und Art. 8 EMRK keinen rechtlichen Bedenken, selbst wenn danach für die gerichtliche Kontrolle der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der letzten gerichtlichen Tatsacheninstanz als maßgeblich anzusehen sein sollte (vgl. EGMR, Urteil vom 31. Oktober 2002 – Beschwerde-Nr. 37295/97 – Yildiz – InfAuslR 2003, 126 ≪127 f.≫ m.w.N.).”
Sie sieht eine Abweichung des Berufungsgerichts vom Urteil des Senats darin, dass das Berufungsgericht keine erneute Prüfung der Ausweisungsverfügung unter Zugrundelegung der aktuellen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seiner Entscheidung vorgenommen habe. Aus der von der Beschwerde zitierten Urteilspassage ergibt sich aber kein Rechtssatz des Inhalts, dass auch bei der Ausweisung von Ausländern ohne besonderen europarechtlichen Status im Hinblick auf Art. 6 GG und Art. 8 EMRK für die gerichtliche Kontrolle der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der letzten gerichtlichen Tatsacheninstanz maßgeblich ist. Der Senat hat dies in seinem Urteil vom 15. März 2005 vielmehr ausdrücklich offengelassen und einen Verstoß gegen Rechtsvorschriften selbst für den Fall verneint, wenn man diesen Zeitpunkt als maßgeblich ansieht.
3. Die Beschwerde sieht einen die Revisionszulassung rechtfertigenden Verfahrensfehler (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) darin, dass das Berufungsgericht europarechtliche Zweifelsfragen nicht dem EuGH zur Vorabentscheidung nach Art. 234 Satz 3 EG vorgelegt habe. Im Hinblick auf die nicht zugelassene Revision sei das Berufungsgericht letztinstanzliches Gericht und als solches zur Vorlage verpflichtet gewesen. Ein Verfahrensverstoß ergibt sich aus dem Beschwerdevorbringen nicht. Eine Vorlagepflicht nach Art. 234 Satz 3 EG bestand nicht, da die Entscheidung des Berufungsgerichts noch mit einem Rechtsmittel, nämlich der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht gegen die Nichtzulassung der Revision anfechtbar war (vgl. z.B. Beschluss vom 15. Mai 1990 – BVerwG 1 B 64.90 – Buchholz 402.26 § 12 AufenthG/EWG Nr. 7 m.w.N.). Der Senat hat in der von der Beschwerde zitierten Passage seines Urteils vom 15. März 2005 auch lediglich ausgeführt, dass für das Berufungsgericht ein “Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 Satz 2 EG in Betracht kommen” kann, wenn sich gemeinschaftsrechtliche Zweifelsfragen stellen. Anders als der für letztinstanzliche Gerichte geltende Art. 234 Satz 3 EG begründet der für die übrigen Gerichte geltende Art. 234 Satz 2 EG keine Vorlagepflicht (“kann … vorlegen”). Im Übrigen hat die Beschwerde keine entscheidungserheblichen gemeinschaftsrechtlichen Zweifelsfragen dargelegt. Auf die Ausführungen unter Abschnitt 1 dieses Beschlusses wird verwiesen.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 2, § 72 Nr. 1 GKG.
Unterschriften
Eckertz-Höfer, Prof. Dr. Dörig, Prof. Dr. Kraft
Fundstellen