Verfahrensgang
VGH Baden-Württemberg (Urteil vom 14.02.2007; Aktenzeichen 3 S 2582/05) |
Tenor
Die Beschwerde der Antragsteller gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 14. Februar 2007 wird zurückgewiesen.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 10 000 € festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Die Revision ist nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen eines Verfahrensmangels zuzulassen.
a. Zu Unrecht hält es die Beschwerde für verfahrensfehlerhaft, dass das Normenkontrollgericht im Hinblick auf den nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangenen Schriftsatz der Antragsteller vom 22. Februar 2007 die mündliche Verhandlung nicht wieder eröffnet hat. Die in § 104 Abs. 3 Satz 2 VwGO vorgesehene Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung liegt im grundsätzlich revisionsgerichtlich nicht nachprüfbaren Ermessen des Tatsachengerichts. Zwar kann sich dieses Ermessen, etwa durch die Verpflichtung des Gerichts nach Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO, den Beteiligten rechtliches Gehör zu gewähren, oder durch die Pflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO, den Sachverhalt umfassend aufzuklären, zu einer Rechtspflicht zur Wiedereröffnung verdichten (BVerwG, Beschluss vom 19. März 1991 – BVerwG 9 B 56.91 – NVwZ-RR 1991, 588). Nachgelassene oder – wie hier – nachgereichte Schriftsätze erzwingen jedoch nur dann eine Wiedereröffnung, wenn das Gericht ihnen wesentlich neues Vorbringen entnimmt, auf das es seine Entscheidung stützen will (BVerwG, Beschluss vom 05. November 2001 – BVerwG 9 B 50.01 – NVwZ-RR 2002, 217).
Dass der nachgereichte Schriftsatz derartiges Vorbringen enthielt, hat die Beschwerde nicht dargetan. Vielmehr führt sie selbst aus, dass dieser Schriftsatz den bereits in der mündlichen Verhandlung geleisteten Vortrag hinsichtlich der tatsächlichen erheblichen Lärmbelastung der Antragsteller zu besonders schutzwürdigen Tageszeiten weiter vertieft und erhärtet.
b. Entgegen der Auffassung der Beschwerde ist es auch kein Verfahrensmangel, dass das Normenkontrollgericht die in der mündlichen Verhandlung hilfsweise beantragten Beweise nicht erhoben hat. Bei der Prüfung, ob der Vorinstanz ein Verfahrensfehler unterlaufen ist (hier: einem Beweisantrag fehlerhaft nicht Folge geleistet worden ist), ist von deren materiellrechtlicher Rechtsauffassung auszugehen, auch wenn diese verfehlt sein sollte (Senat, Beschluss vom 26. Mai 2005 – BVerwG 4 B 31.05 – stRspr, vgl. auch BVerwG, Urteil vom 25. März 1987 – BVerwG 6 C 10.84 – Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 183).
Die Beschwerde sieht es unter Anbietung eines Zeugen als aufklärungsbedürftig an, ob tatsächlich im Jahre 1994 ein Wille der Vertragsparteien bestanden habe, wonach die Antragsgegnerin nicht einseitig von den Flächenfestsetzungen der Verkaufsfläche im Bebauungsplan habe abweichen dürfen (Hilfsbeweisantrag 1). Nach der maßgeblichen materiellen Rechtsauffassung des Normenkontrollgerichts lässt nicht nur der eindeutige Wortlaut des Vertrags vom 18. März 1994 und damit dessen objektiver Erklärungsinhalt, sondern auch der Sinnzusammenhang mit den übrigen Verträgen es nicht zu, das von den Antragstellern angenommene Umplanungsverbot herauszulesen, weshalb es auf einen angeblich anderen (inneren) Willen der damaligen Vertragsparteien, der nicht Vertragsbestandteil geworden wäre, nicht ankommt.
Soweit die Beschwerde die Immissionslage, die durch die aufgrund der Planänderung erfolgende Sortimentsänderung entsteht, im Wege eines Sachverständigengutachtens für weiter aufklärungsbedürftig hält (Hilfsbeweisantrag 2), kommt es darauf nach der maßgeblichen materiellrechtlichen Rechtsauffassung des Normenkontrollgerichts ebenfalls nicht an. Dieses hat nämlich bei Prüfung der Antragsbefugnis ausdrücklich nicht abschließend entschieden, ob sich die Antragsteller in tatsächlicher Hinsicht auf schutzwürdige abwägungserhebliche Interessen (Lärmschutz) berufen können, weil sich die Antragsteller jedenfalls, soweit sie sich gegen die Erhöhung der Verkaufsfläche für Nahrungs- und Genussmittel wenden, im Hinblick auf eine nach Treu und Glauben unzulässige Rechtsausübung auf kein rechtlich schutzwürdiges privates Interesse (mehr) berufen können. Dass die Beschwerde die Annahme einer unzulässigen Rechtsausübung für unzutreffend hält, kann sie nicht im Wege der Verfahrensrüge geltend machen.
c. Die Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensmangels kann die Beschwerde schließlich nicht darauf stützen, dass nach Auffassung des Normenkontrollgerichts – gegründet auf ein Lärmschutzgutachten aus dem Jahr 1993 – sich aller Wahrscheinlichkeit nach keine planbedingt unzumutbaren Immissionsverhältnisse ergeben würden. Insoweit hat die Beschwerde einen Verfahrensmangel schon nicht im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO bezeichnet und hinreichend dargelegt. Soweit die Beschwerde meint, die sehr knappen Ausführungen des Normenkontrollgerichts reichten nicht aus, um ohne Annahme eines logischen Schlussfehlers eine tatsächliche schutzwürdige Betroffenheit der Antragsteller pauschal verneinen zu können, rügt sie keinen Mangel des Verfahrens sondern eine Verletzung des materiellen Rechts. Im Übrigen würde das Urteil des Normenkontrollgerichts insoweit nicht auf einem Verfahrensmangel beruhen, da in ihm ausdrücklich ausgeführt ist, dass die Frage, ob die Anträge der Antragsteller in der Sache begründet wären, keiner abschließenden Entscheidung bedarf. Dies verkennt auch die Beschwerde nicht, da sie die betreffenden Ausführungen des Normenkontrollgerichts (UA S. 25 f.) selbst als Hilfserwägung bezeichnet.
2. Die Revision ist nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.
Die Beschwerde sieht eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache darin, dass das Normenkontrollgericht zwar einerseits bei der Frage der Antragsbefugnis eine Schutzwürdigkeit der Antragsteller fordert, diese dann aus systematischen Gründen in tatsächliche und rechtliche Schutzwürdigkeit unterteilt, genau diese Trennung dann aber wieder vermischt und aufhebt.
Die vom Normenkontrollgericht vorgenommene Trennung von tatsächlicher und rechtlicher Schutzwürdigkeit im Rahmen der Antragsbefugnis wirft keine Frage von grundsätzlicher, über den vorliegenden Einzelfall hinausgehender Bedeutung auf. Wie bereits im Zusammenhang mit den Verfahrensrügen ausgeführt, hat das Normenkontrollgericht die von den konkreten Umständen des Einzelfalls abhängige Frage, ob sich die Antragsteller in tatsächlicher Hinsicht auf schutzwürdige abwägungserhebliche Interessen in Bezug auf den Lärmschutz berufen können, nicht abschließend entschieden. Auch in einem Revisionsverfahren würde sich insoweit kein Klärungsbedarf von grundsätzlicher Bedeutung ergeben. Dasselbe gilt, soweit das Normenkontrollgericht entschieden hat, dass sich die Antragsteller auf kein rechtlich schutzwürdiges privates Interesse (mehr) berufen können, weil sie sich bei einer Gesamtschau des Vertragsgefüges von 1994 mit einem SB-Markt (auch) mit der im angefochtenen Bebauungsplan festgesetzten Verkaufsfläche für Nahrungs- und Genussmittel abgefunden und auch insoweit ihr privates Abwehrinteresse kapitalisiert hätten. Die Auslegung der einschlägigen Vereinbarungen (Vertrag mit der Antragsgegnerin vom 18. März 1994 und die damit verknüpfte Vereinbarung vom 11. März 1994 mit der W… GbR als damaliger Grundstückseigentümerin sowie der gerichtliche Vergleich vom 18. Februar 1999 mit dieser Gesellschaft) durch das Normenkontrollgericht beruht auf einer Würdigung der Gegebenheiten des konkreten Einzelfalls. Entgegen der Auffassung der Beschwerde kommt ihr keine Bedeutung über diesen Einzelfall hinaus zu.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 und § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertentscheidung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Dr. Paetow, Dr. Philipp, Dr. Hofherr
Fundstellen