Verfahrensgang
OVG des Landes Sachsen-Anhalt (Urteil vom 17.02.2011; Aktenzeichen 2 L 126/09) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem aufgrund mündlicher Verhandlung vom 17. Februar 2011 ergangenen Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 46 800 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die Klägerin betreibt gewerblich die Organisation und Durchführung von Wochenmärkten im Sinne des § 67 Gewerbeordnung. Sie begehrt die Festsetzung eines Wochenmarktes zu ihren Gunsten auf dem Marktplatz der Beklagten, die seit Jahren dort einen Wochenmarkt als öffentliche Einrichtung nach ihrer Marktsatzung veranstaltet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberverwaltungsgericht hat im Berufungsverfahren das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Klage abgewiesen. Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde.
Rz. 2
Die auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1) und der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.
Rz. 3
1. Das Berufungsurteil weicht nicht von den beiden von der Klägerin bezeichneten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts ab.
Rz. 4
a) Die Klägerin entnimmt dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. April 1984 – BVerwG 1 C 24.82 – (Buchholz 451.20 § 70 GewO Nr. 1), das zum Grundsatz der Marktfreiheit und zu dem sich aus diesem Grundsatz ergebenden Verteilungsermessen des Veranstalters gemäß § 70 Abs. 1, 3 GewO ergangen ist, den abstrakten Rechtssatz, dass eine Auswahlentscheidung, der ein Kriterium zugrunde liegt, das Neu- oder Wiederholungsbewerbern weder zum Zeitpunkt der Antragstellung noch in einem erkennbaren zeitlichen Turnus eine reale Zulassungschance einräumt, außerhalb der Grenzen des Auswahlermessens liege. Demgegenüber habe das Oberverwaltungsgericht seiner Entscheidung die abstrakten Rechtssätze zugrunde gelegt, dass bei einer Auswahlentscheidung zwischen zwei Veranstaltern im Anwendungsbereich von § 69 GewO die zuständige Behörde auf die historisch gewachsene Tradition einer Veranstaltung mit wirtschaftlichem Charakter und die bisherigen Erfahrungen mit einem Veranstalter als Auswahlkriterien abstellen und ihnen ein besonderes Gewicht beimessen dürfe und dass es bei einer Auswahlentscheidung zwischen zwei Veranstaltern im Anwendungsbereich von § 69 GewO zulässig und geboten sei, der traditionellen Prägung einer in kommunaler Trägerschaft durchgeführten Veranstaltung mit wirtschaftlichem Charakter besondere Bedeutung beizumessen.
Rz. 5
Damit ist eine Divergenz nicht dargetan. Zum einen sind die von der Klägerin formulierten Rechtssätze in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts nicht ausdrücklich enthalten. Die Entscheidungsgründe des Berufungsgerichts ergeben aber auch nicht, dass es sinngemäß von dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. April 1984 abgewichen wäre. Das Oberverwaltungsgericht hält es für zulässig, im Rahmen der zu treffenden Auswahlentscheidung einer traditionellen Prägung eines Wochenmarktes besondere Bedeutung beizumessen. Damit hat es nicht entschieden, dass dieses Kriterium unüberwindbar wäre. Sein Hinweis auf das rechtskräftige Urteil des Verwaltungsgerichts Halle vom 29. Juli 1999 verdeutlicht im Gegenteil, dass die Berufung auf die gewachsene Tradition eines Marktes nicht zu einer dauerhaften Verdrängung von Neubewerbern führen dürfe. Dementsprechend hat es hervorgehoben, dass für die Beklagte bei der getroffenen Auswahlentscheidung nicht nur die historische Situation im Vordergrund gestanden habe.
Rz. 6
Überdies ist der vom Oberverwaltungsgericht festgestellte Sachverhalt mit dem Sachverhalt, der der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. April 1984 zugrunde lag, nur bedingt vergleichbar. Bei der dortigen Auswahlentscheidung war das Auswahlkriterium “bekannt und bewährt” ausschlaggebend, und die Beklagte wollte auch in Zukunft daran festhalten. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts beschränkte sich dementsprechend auf eine Auswahlentscheidung, der ein System zugrunde liegt, das Neubewerbern oder Wiederholungsbewerbern, die nicht kontinuierlich auf dem Markt vertreten waren, weder im Jahr der Antragstellung noch in einem erkennbaren Zeitturnus eine Zulassungschance einräumt. Das Oberverwaltungsgericht ist mit seinen Ausführungen zur Gewichtung der historischen Situation und dem Qualitätsvergleich im Rahmen einer Ermessensentscheidung hiervon nicht abgewichen.
Rz. 7
b) Eine Divergenz zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Mai 2009 – BVerwG 8 C 10.08 – (Buchholz 415.1 Allgemeines Kommunalrecht Nr. 171) besteht schon mangels Vergleichbarkeit der Sachverhalte nicht. Auch legt die Beschwerde nicht dar, dass sich die behauptete Rechtssatzabweichung auf dieselbe Rechtsnorm bezieht (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). In dem Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht ging es um eine materielle Privatisierung eines kulturell, sozial und traditionsmäßig bedeutsamen Weihnachtsmarktes, der bisher in alleiniger kommunaler Verantwortung betrieben wurde. Inmitten standen Fragen der bundesverfassungsrechtlichen Garantie der kommunalen Selbstverwaltung und der kommunalen Aufgabenverantwortung bei Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft. Zu Fragen des Auswahlermessens im Rahmen einer Entscheidung gemäß §§ 69, 69a Abs. 1 Nr. 3 GewO verhält sich die Entscheidung nicht.
Rz. 8
2. Der Rechtssache kommt auch keine grundsätzliche Bedeutung zu.
Rz. 9
a) Die im Anschluss an die Divergenzrügen aufgeworfenen Rechtsfragen,
Darf die zuständige Behörde bei einer Auswahlentscheidung zwischen zwei Veranstaltern im Anwendungsbereich von § 69 GewO auf die historisch gewachsene Tradition einer Veranstaltung mit wirtschaftlichem Charakter und die bisherigen Erfahrungen mit einem Veranstalter als Auswahlkriterien abstellen und ihnen ein besonderes Gewicht beimessen?
und
Ist es bei einer Auswahlentscheidung zwischen zwei Veranstaltern im Anwendungsbereich von § 69 GewO zulässig und/oder geboten, der traditionellen Prägung einer in kommunaler Trägerschaft durchgeführten Veranstaltung mit wirtschaftlichem Charakter besondere Bedeutung beizumessen?
würden sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Das Oberverwaltungsgericht hat maßgeblich darauf abgestellt, dass die Beklagte an die Vorgaben aus dem rechtskräftigen Urteil des Verwaltungsgerichts Halle vom 29. Juli 1999 gebunden war, demzufolge sie ihrer Auswahlentscheidung auf Seiten der Klägerin das Gewicht der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG und auf ihrer eigenen Seite das Gewicht der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie aus Art. 28 Abs. 2 GG zugrunde legen müsse und dass im Rahmen dieses letzteren Gesichtspunkts der historischen Prägung des kommunalen Wochenmarktes besondere Bedeutung zuzumessen sei. Das Oberverwaltungsgericht hat in der Folge festgestellt, dass sich die Beklagte an diese rechtskräftigen Vorgaben gehalten und auch deren Bedeutung nicht verkannt, insbesondere nicht überzeichnet habe. Die Rechtskraft des erwähnten Urteils des Verwaltungsgerichts Halle würde auch das Bundesverwaltungsgericht in dem angestrebten Revisionsverfahren binden (§ 121 VwGO). Inwiefern insofern noch Raum für eine grundsätzliche Klärung der von der Klägerin bezeichneten Rechtsfragen bliebe, macht die Beschwerde nicht deutlich.
Rz. 10
b) Auch die weiteren aufgeworfenen Fragen verleihen der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine für die Revisionsentscheidung erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Die von der Klägerin bezeichneten Rechtsfragen betreffen indes kein revisibles Recht.
Rz. 11
Die Klägerin möchte geklärt wissen,
ob im Anwendungsbereich von § 69 GewO der Antrag stellende Veranstalter die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines Beurteilungs- oder Bewertungsfehlers der zuständigen Behörde trägt, wenn der zuständigen Behörde im Zusammenhang mit der Prüfung der Voraussetzungen des Ablehnungsgrundes aus § 69a Abs. 1 Nr. 3 GewO ein Beurteilungsspielraum zusteht,
ob im Anwendungsbereich von § 69 GewO der Antrag stellende Veranstalter die Darlegungs- und Beweislast dafür trägt, dass sich ein Beurteilungs- oder Bewertungsfehler der zuständigen Behörde im Zusammenhang mit der Prüfung der Voraussetzungen des Ablehnungsgrundes aus § 69a Abs. 1 Nr. 3 GewO auch auf das Beurteilungs- oder Bewertungsergebnis ausgewirkt hat,
ob im Anwendungsbereich von § 69 Abs. 1 GewO bei einem Beurteilungsspielraum mit Prognoseentscheidung der zuständigen Behörde im Zusammenhang mit der Prüfung der Voraussetzungen des Ablehnungsgrundes aus § 69a Abs. 1 Nr. 3 GewO jedes von der zuständigen Behörde bezeichnete Beurteilungs- und Bewertungsmerkmal gerichtlich isoliert auf seine Eignung überprüft werden kann, eine beweisbare (tatsächliche) Grundlage für die behördliche Prognose abzugeben,
ob im Anwendungsbereich von § 69 Abs. 1 GewO bei einem Beurteilungsspielraum mit Prognoseentscheidung der zuständigen Behörde im Zusammenhang mit der Prüfung der Voraussetzungen des Ablehnungsgrundes aus § 69a Abs. 1 Nr. 3 GewO das Fehlen einer beweisbaren (tatsächlichen) Grundlage für die behördliche Prognose zu deren Fehlerhaftigkeit führe.
Rz. 12
Auch wenn die Klägerin jeweils den “Anwendungsbereich von § 69 GewO” anführt, so betreffen ihre Fragen doch die Anwendung von § 116 Abs. 1 der Gemeindeordnung des Landes Sachsen-Anhalt (GO LSA) und damit Landesrecht. Daran ändert es nichts, dass § 69a Abs. 1 Nr. 3 GewO unter anderem auf dieses Landesrecht verweist; Fragen zur Auslegung des § 116 Abs. 1 LO LSA werden damit nicht zu Fragen des revisiblen Bundesrechts. Das ergibt sich aus Folgendem:
Rz. 13
Gemäß § 69 GewO hat die zuständige Behörde auf Antrag des Veranstalters eine Veranstaltung wie einen Wochenmarkt festzusetzen, wenn kein Ablehnungsgrund im Sinne des § 69a GewO vorliegt. Die Versagung einer beantragten Marktfestsetzung kann nach § 69a GewO gerechtfertigt sein, wenn dessen Voraussetzungen erfüllt sind. In Betracht kommt hier lediglich der Versagungsgrund des § 69a Abs. 1 Nr. 3 GewO. Danach muss der Feststellungsantrag erfolglos bleiben, wenn die Durchführung der geplanten Veranstaltung dem öffentlichen Interesse widerspricht. Das kann der Fall sein, wenn sie gegen eine Norm des Bundes- oder des Landesrechts verstößt, etwa weil es an einer zur Durchführung erforderlichen Genehmigung fehlt (Beschluss vom 17. Mai 1991 – BVerwG 1 B 43.91 – Buchholz 451.20 § 69a GewO Nr. 3 = GewArch 1991, 302). Dann kann eine Marktfestsetzung nicht erfolgen, weil der Veranstalter zur Durchführung des Marktes nicht in der Lage wäre, obwohl die Festsetzung ihn dazu verpflichten würde, wie aus § 69 Abs. 2 GewO folgt. Wird der für den Markt vorgesehene Ort zum vorgesehenen Zeitpunkt von einem anderen Veranstalter (Gemeinde oder Privater) zu einem gleichartigen Nutzungszweck in Anspruch genommen, ist eine positive Entscheidung über den Festsetzungsantrag nicht möglich, wenn die andere Veranstaltung ihrerseits rechtmäßig ist und ein öffentliches Interesse für sie streitet, das durch die beantragte Marktfestsetzung verletzt würde. Fehlt es an einem solchen öffentlichen Interesse und ist die beantragte Marktfestsetzung nicht aus einem anderen Grunde, beispielsweise wegen des Nichtvorliegens einer benötigten straßenrechtlichen Sondernutzungserlaubnis, zu versagen, kann es erforderlich sein, bei der Entscheidung über den Festsetzungsantrag zwischen den beiden möglichen Veranstaltern auszuwählen. Ist die andere Veranstaltung rechtswidrig, kann sie nicht im öffentlichen Interesse liegen und daher der Marktfestsetzung nicht entgegenstehen (vgl. Beschluss vom 2. Januar 2006 – BVerwG 6 B 55.05 – Buchholz 451.20 § 69 GewO Nr. 4).
Rz. 14
Das Berufungsgericht hat demzufolge zunächst geprüft, ob der von der Beklagten selbst zu den auch von der Klägerin beanspruchten Zeiten und Orten veranstaltete Wochenmarkt rechtmäßig ist; erst nachdem es dies bejaht hat, ist es alsdann der Frage nachgegangen, ob die deshalb gebotene Auswahlentscheidung Grund zu rechtlicher Beanstandung bietet. Die erste dieser Fragen hat das Berufungsgericht anhand des § 116 GO LSA geprüft, der zweiten hat es dann § 69 GewO zugrunde gelegt. Die von der Klägerin bezeichneten Rechtsfragen betreffen nicht den zweiten, sondern den ersten Schritt dieser Prüfung. Denn nach der Auslegung durch das Berufungsgericht kommt es nur im Rahmen der Entscheidung, ob der Gemeinde die eigene Veranstaltung eines Wochenmarktes nach § 116 GO LSA gestattet ist, auf eine Prognose an, in deren Rahmen der zuständigen Behörde ein vom Gericht nur eingeschränkt überprüfbarer Prognosespielraum zukommen kann. Und nur in diesem Zusammenhang kann sich die Frage stellen, ob und ggf. in welchem Ausmaß sich Fehler bei Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts möglicherweise auf die Prognose ausgewirkt haben können. All diese Fragen aber gehören dem Landesrecht an und sind nicht revisibel.
Rz. 15
Eine grundsätzlich bedeutsame Frage des revisiblen Rechts stellt sich auch nicht im Zusammenhang der Verteilung der Beweislast bzw. Darlegungslast. Für die Frage, wer die materielle Beweislast trägt, kommt es weder auf die Parteirolle als Kläger oder Beklagter an noch auf die Klageart, die der Kläger zur Durchsetzung seines Begehrens gewählt hat. Die Antwort auf die Frage nach der Verteilung der materiellen Beweislast ist vielmehr eine Frage des materiellen Rechts (Urteile vom 31. August 1961 – BVerwG 2 C 117.58 – BVerwGE 13, 36 ≪40 f.≫ = Buchholz 234 § 3 G 131 Nr. 17 und vom 28. Januar 1965 – BVerwG 8 C 293.63 – BVerwGE 20, 211 ≪213≫ = Buchholz 310 § 86 Nr. 24). Das Berufungsgericht hat auch insofern auf § 116 Abs. 1 GO LSA abgestellt. Damit richten sich die allgemeinen Rechtsgrundsätze zur Beweislastverteilung auch nach diesem irrevisiblen Recht und sind selbst nicht revisibel (vgl. Beschluss vom 31. Juli 1989 – BVerwG 7 B 104.89 – Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 265 = juris Rn. 6).
Rz. 16
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO.
Rz. 17
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 47, 52 GKG.
Unterschriften
Prof. Dr. Dr. h.c. Rennert, Dr. Deiseroth, Dr. Hauser
Fundstellen