Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes vom 18. Juni 2002 wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.
Gründe
Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
Dahinstehen kann, ob sie zulässig ist. Das Berufungsgericht hat aus zwei Gründen, die das angefochtene Urteil je selbständig tragen, hergeleitet, dass der Beklagte nicht verpflichtet ist, die zulasten der Kläger eingetragene Baulast zu löschen. Es hat zum einen festgestellt, dass der geltend gemachte Löschungsanspruch mit dem auch im öffentlichen Recht beachtlichen Grundsatz von Treu und Glauben unvereinbar ist. Die Löschungsvoraussetzungen liegen nach seiner Auffassung aber auch deshalb nicht vor, weil die Kläger wirksam die Verpflichtung eingegangen sind, die Belästigungen entschädigungslos zu dulden, die von den Betrieben in dem benachbarten Industrie- und Gewerbegebiet hervorgerufen werden (“Aber auch wenn in dem Löschungsbegehren kein Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben liegen sollte, … muss der Hauptantrag der Kläger erfolglos bleiben”). Nur diesen Begründungsteil greifen die Kläger mit ihren Grundsatzrügen an. Den sich daraus ergebenden Zulässigkeitsbedenken braucht nicht weiter nachgegangen zu werden, denn jedenfalls ist die Beschwerde unbegründet.
Die angesprochenen Fragen rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision. Sie lassen sich auf der Grundlage der bisherigen Senatsrechtsprechung unschwer beantworten, ohne dass es eigens der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf.
Die Frage, ob für den Eigentümer eines Wohngrundstücks außerhalb eines festgesetzten Baugebiets Belästigungen hinnehmbar sein können, die das für das Gebiet rechtlich zulässige Maß überschreiten, ist ohne weiteres zu bejahen. Ein allgemeiner Plangewährleistungsanspruch ist dem geltenden Recht fremd. Allerdings hat die Baugebietsfestsetzung durch einen Bebauungsplan nach der Rechtsprechung des Senats kraft Bundesrechts grundsätzlich nachbarschützende Funktion zugunsten der Planbetroffenen. Ein Nachbar im Plangebiet kann sich gegen eine gebietswidrige Nutzung auch dann wehren, wenn er durch sie nicht unzumutbar beeinträchtigt wird (vgl. BVerwG, Urteile vom 16. September 1993 – BVerwG 4 C 28.91 – BVerwGE 94, 151 und vom 23. August 1996 – BVerwG 4 C 13.94 – BVerwGE 101, 364). Sonstige Festsetzungen haben dagegen für Planbetroffene grundsätzlich keine nachbarschützende Funktion. Schutzwirkungen entfalten sie in aller Regel nur nach Maßgabe des Rücksichtnahmegebots (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Juni 1995 – BVerwG 4 B 52.95 – Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 128). Für Gebietsfremde gilt dies erst recht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. Februar 2000 – BVerwG 4 B 87.99 – Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 163).
Auch mit der Frage, ob der Eigentümer eines Wohngrundstücks außerhalb eines festgesetzten Baugebiets ggf. über das Rücksichtnahmegebot hinaus Beeinträchtigungen bis zur Schwelle der Gesundheitsbeschädigung dulden muss, zeigt der Kläger keinen Klärungsbedarf auf. Nach der Rechtsprechung des Senats stellt sich § 15 Abs. 1 BauNVO, der nicht nur auf die Eigenart des Baugebiets, sondern auch auf die Verhältnisse in der Umgebung abhebt, als eine besondere Ausprägung des Rücksichtnahmegebots dar (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. August 1983 – BVerwG 4 C 96.79 – BVerwGE 67, 334), das gewährleisten soll, Nutzungen, die geeignet sind, Spannungen und Störungen hervorzurufen, einander so zuzuordnen, dass ein Interessenausgleich möglich ist, der beiden Seiten gerecht wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 1981 – BVerwG 4 C 1.78 – Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 44). Welche Anforderungen sich hieraus im Einzelnen ergeben, hängt maßgeblich davon ab, was dem Rücksichtnahmebegünstigten einerseits und dem Rücksichtnahmeverpflichteten andererseits nach Lage der Dinge zuzumuten ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Februar 1977 – BVerwG IV C 22.75 – BVerwGE 52, 122). Dies beurteilt sich nach der jeweiligen Situation der benachbarten Grundstücke. Ist die Grundstücksnutzung aufgrund der konkreten Gegebenheiten mit einer spezifischen gegenseitigen Pflicht zur Rücksichtnahme belastet, so führt dies nicht nur zu einer Pflichtigkeit desjenigen, der Immissionen verursacht, sondern auch desjenigen, der sich den Wirkungen solcher Immissionen aussetzt (vgl. BVerwG, Urteile vom 12. Dezember 1975 – BVerwGE 50, 49 – und vom 16. März 1984 – BVerwG 4 C 50.80 – Buchholz 406.11 § 34 BBauG Nr. 100). Die in der TA-Lärm enthaltenen Immissionsrichtwerte markieren in diesem Zusammenhang nicht abschließend die Zumutbarkeitsschwelle. Sie beruhen auf einer abstrakt-generellen Abwägung der miteinander konkurrierenden Nutzungsinteressen. Das in § 15 Abs. 1 BauNVO über die Grenzen des Baugebiets hinaus konkretisierte Rücksichtnahmegebot verlangt demgegenüber eine einzelfallbezogene Sichtweise. Im Falle eines Nebeneinanders von Wohnen und gewerblicher Betätigung kommt dem Schutz der Wohnnutzung situationsbedingt ein geringerer Stellenwert zu als in einem gegen gewerbliche Nutzungen gänzlich oder weitgehend abgeschirmten Gebiet. Dies schlägt sich darin nieder, dass Beeinträchtigungen in einem weiter gehenden Maße zumutbar sind als in einer Umgebung, die in dieser Richtung nicht oder weniger vorbelastet ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 3. Februar 1984 – BVerwG 4 C 17.82 – BVerwGE 68, 369 und vom 18. Mai 1995 – BVerwG 4 C 20.94 – BVerwGE 98, 235). In welchem Umfang der Betroffene es hinnehmen muss, dass sich das Lärmschutzniveau gemessen an den Richtwerten der TA-Lärm zu seinen Lasten verringert, richtet sich nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalles. Die äußerste Grenze ist bei der Schwelle der Gesundheitsgefährdung zu ziehen. Gesunde Wohnverhältnisse im Sinne des § 1 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BauGB müssen gewahrt, ein Wohnen ohne Gesundheitsgefahren muss möglich bleiben (vgl. BVerwG, Urteile vom 23. Mai 1991 – BVerwG 7 C 19.90 – BVerwGE 88, 210 und vom 23. September 1999 – BVerwG 4 C 6.98 – BVerwGE 109, 314).
Das Berufungsgericht knüpft an diese Rechtsprechung an. Es wertet die durch Baulast gesicherte Erklärung dahin, dass die Kläger sich verpflichtet haben, erhebliche Belästigungen zu dulden, die Grenze des von ihnen Hinzunehmenden indes dann überschritten ist, wenn die Einwirkungen eine Intensität und Qualität erreichen, die eine Gefährdung ihrer Gesundheit befürchten lässt. Die Beschwerdebegründung lässt nicht erkennen, inwiefern dieses Verständnis vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erörterungsbedürftige Fragen aufwirft.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 und § 159 Satz 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 14 Abs. 3 und § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Unterschriften
Paetow, Halama, Gatz
Fundstellen