Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Urteil vom 27.01.2021; Aktenzeichen 6 A 4105/18) |
VG Gelsenkirchen (Urteil vom 26.09.2018; Aktenzeichen 1 K 9431/17) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 27. Januar 2021 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
1. Der Kläger war seit September 2014 Polizeikommissar des beklagten Landes im Beamtenverhältnis auf Probe. In der dreijährigen Probezeit war der Kläger an 139 Tagen wegen Erkrankung dienstunfähig; an 98 Tagen davon hätte er Dienst leisten sollen. Im Juli 2017 wurde die Probezeit des Klägers um dreieinhalb Monate verlängert. Gegen diesen Bescheid hat der Kläger Anfechtungsklage erhoben. Nachdem er nach Ablauf der Probezeitverlängerung zum Beamten auf Lebenszeit ernannt worden war, hat er seinen Klageantrag auf einen Fortsetzungsfeststellungsantrag umgestellt.
Rz. 2
Das Verwaltungsgericht hat durch Urteil festgestellt, dass der Bescheid rechtswidrig gewesen ist, soweit die Probezeit um mehr als 49 Tage verlängert worden ist. Hiergegen haben der Kläger und das beklagte Land die Zulassung der Berufung beantragt. Das Oberverwaltungsgericht hat den Zulassungsantrag des Klägers verworfen und auf den Zulassungsantrag des beklagten Landes die Berufung zugelassen. Das beklagte Land hat daraufhin mitgeteilt, das Vorbringen des Klägers im Berufungszulassungsverfahren gebe "unter Bezugnahme auf die Ausführungen" des beklagten Landes im Berufungszulassungsverfahren "darüber hinaus keinen weiteren Anlass für eine ergänzende Begründung".
Rz. 3
Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des beklagten Landes für zulässig gehalten und das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts teilweise geändert; es hat festgestellt, dass der Bescheid rechtswidrig war, soweit mit ihm festgestellt wird, dass sich der Ablauf der Probezeit des Klägers um mehr als 98 Tage hinausschiebt. Das Oberverwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass dem Begründungserfordernis des § 124a Abs. 6 Satz 1 und 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 4 VwGO - noch - entsprochen ist. Zwar sei der innerhalb der Frist des § 124a Abs. 6 Satz 1 VwGO allein eingegangene Schriftsatz des beklagten Landes vom 23. September 2019 nicht als Berufungsbegründung gekennzeichnet; es sei sogar durchaus fraglich, dass er als solche gedacht gewesen sei. Gleichwohl lasse sich dem Schriftsatz hinreichend sicher entnehmen, dass das beklagte Land das Verfahren mit dem von ihm nur zu erwartenden Klageabweisungsantrag fortsetzen wolle. Die bloße Bezugnahme auf die Begründung des Zulassungsantrags genüge im Streitfall als Berufungsbegründung, weil das beklagte Land mit Ersterer zur Darlegung des Zulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung eingehend dargetan habe, aus welchen Gründen es die Rechtsauffassung des Klägers bzw. des Verwaltungsgerichts für unzutreffend halte.
Rz. 4
2. Der vom Kläger allein geltend gemachte Verfahrensfehler liegt nicht vor. Das Oberverwaltungsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass das beklagte Land seine Berufung noch gemäß den Anforderungen des § 124a Abs. 6 Satz 1 und 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 4 VwGO begründet hat.
Rz. 5
Lässt - wie hier - das Oberverwaltungsgericht die Berufung auf Antrag zu, wird gemäß § 124a Abs. 5 Satz 5 VwGO das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt und bedarf es nicht der Einlegung einer Berufung. Allerdings ist die Berufung auch dann - innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung - zu begründen, § 126a Abs. 6 Satz 1 VwGO. Die Berufungsbegründung muss gemäß § 124a Abs. 6 Satz 3 i.V.m. § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO einen bestimmten Antrag und die Berufungsgründe, d.h. die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung, enthalten; fehlt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Berufung unzulässig, § 124a Abs. 6 i.V.m. § 124a Abs. 3 Satz 5 VwGO.
Rz. 6
Im Hinblick auf diese Gesetzeslage geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass nach Zulassung der Berufung durch das Oberverwaltungsgericht der Berufungsführer einen gesonderten Schriftsatz zur Berufungsbegründung einreichen muss. Dies ist keine bloße Förmelei. Mit der Einreichung der Berufungsbegründungsschrift soll der Berufungskläger nämlich eindeutig zu erkennen geben, dass er nach wie vor die Durchführung eines Berufungsverfahrens erstrebt. Es genügt deshalb nicht, wenn sich die Begründung und der Antrag dem Vorbringen im Zulassungsverfahren entnehmen lassen. Soweit der Berufungsführer allerdings im Zulassungsantrag bereits erschöpfend vorgetragen hat, genügt es, wenn er darauf in einem innerhalb der Frist des § 124a Abs. 6 Satz 1 VwGO eingehenden Schriftsatz Bezug nimmt und seine Berufungsanträge formuliert; es wird von ihm in solchen Fällen nicht verlangt, eine völlig gleichlautende Berufungsbegründungsschrift (nochmals) einzureichen (BVerwG, Urteil vom 30. Juni 1998 - 9 C 6.98 - BVerwGE 107, 117 ≪120 f.≫; Beschlüsse vom 19. Oktober 2009 - 2 B 51.09 - juris Rn. 3 f. m.w.N. und vom 18. September 2013 - 4 B 41.13 - juris Rn. 5 f. m.w.N.).
Rz. 7
Wenn der Berufungsführer bereits im Zulassungsantrag erschöpfend vorgetragen hat, genügt es außerdem, dass er darauf in einem innerhalb der Begründungsfrist eingehenden Schriftsatz Bezug nimmt oder dass die Berufungsbegründung unter Bezugnahme oder Verweisung auf den Zulassungsantrag und den Zulassungsbeschluss erfolgt. § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO i.V.m. § 124a Abs. 6 Satz 3 VwGO verlangt mit dem Erfordernis eines "bestimmten Antrags" nicht, dass ein ausdrücklicher Berufungsantrag gestellt wird. Dem Antragserfordernis wird regelmäßig entsprochen, wenn in dem einzureichenden Schriftsatz hinreichend deutlich zum Ausdruck kommt, dass, in welchem Umfang und weshalb der Berufungsführer an der Durchführung des zugelassenen Berufungsverfahrens festhalten will. Es genügt, wenn das Ziel des Rechtsmittels aus der Tatsache seiner Einlegung allein oder in Verbindung mit den während der Rechtsmittelfrist abgegebenen Erklärungen im Wege der Auslegung erkennbar ist. Welche Mindestanforderungen in Anwendung der vorstehenden Grundsätze jeweils an die Berufungsbegründung zu stellen sind, hängt schließlich wesentlich von den Umständen des konkreten Einzelfalls ab (BVerwG, Beschluss vom 21. September 2011 - 3 B 56.11 - juris Rn. 6 und 10 m.w.N.). Dabei hindert der Umstand, dass ein nach dem Zulassungsbeschluss eingegangener Schriftsatz des Berufungsführers nicht als Berufungsbegründung gekennzeichnet ist oder sogar nicht einmal als Berufungsbegründung gedacht gewesen ist, als solches nicht die Annahme einer den Anforderungen des § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO i.V.m. § 124a Abs. 6 Satz 3 VwGO genügenden Berufungsbegründung, sofern der Schriftsatz die dargelegten inhaltlichen Voraussetzungen erfüllt (BVerwG, Urteil vom 8. März 2004 - 4 C 6.03 - Buchholz 310 § 124a VwGO Nr. 26 S. 31= juris Rn. 22).
Rz. 8
Angesichts dessen ist es nicht verfahrensfehlerhaft, dass das Oberverwaltungsgericht im vorliegenden Fall angenommen hat, dass der Schriftsatz des beklagten Landes vom 23. September 2019 mit der Bezugnahme auf die Begründung des Zulassungsantrags im Hinblick auf den konkreten Inhalt dieser Begründung den Anforderungen des § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO i.V.m. § 124a Abs. 6 Satz 3 VwGO - noch - genügt.
Rz. 9
Lediglich angemerkt sei, dass der Vortrag des beklagten Landes, das dem Begehren des Klägers auf Zulassung der Revision wegen des geltend gemachten Verfahrensfehlers zwar entgegengetreten ist, zugleich aber eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache aus einem gänzlich anderen Grund angenommen hat, hinsichtlich dieser geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung gänzlich unbehelflich ist. Der außerhalb der Fristen zur Einlegung und Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde eingegangene Schriftsatz des beklagten Landes enthält keinen eigenen Antrag auf Zulassung der Revision und kann von vornherein der Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers nicht zum Erfolg verhelfen.
Rz. 10
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Werts des Streitgegenstandes beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 2 GKG.
Fundstellen
Dokument-Index HI15024211 |