Verfahrensgang
VG Leipzig (Aktenzeichen 3 K 989/98) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 12. Juli 2000 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 1 Million DM festgesetzt.
Gründe
Der Kläger verlangt nach dem Vermögensgesetz (VermG) die Rückgabe eines ehemals gewerblich genutzten Grundstücks, das im Jahr 1964 auf der Grundlage des Aufbaugesetzes für Zwecke des Wohnungsbaus in Anspruch genommen wurde. Der Beklagte lehnte den Antrag ab. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen, weil das Grundstück nicht von einer schädigenden Maßnahme betroffen gewesen sei. Die Revision gegen sein Urteil hat es nicht zugelassen. Dagegen richtet sich die Beschwerde des Klägers.
Es bedarf in diesem Verfahren keiner Klärung, ob die Beschwerdebegründung entsprechend dem durch den Eingangsstempel erbrachten Beweis (§ 418 Abs. 1 ZPO) erst am 1. November 2000 und damit zwei Tage nach Ablauf der Begründungsfrist beim Verwaltungsgericht eingegangen ist oder ob der Eingangsstempel seine Beweiskraft verloren hat, weil nach der vom Senat eingeholten dienstlichen Auskunft des Verwaltungsgerichts vom 8. Dezember 2000 nicht ausgeschlossen werden kann, dass bei der Entnahme der Eingangspost aus den beiden Fächern des Nachtbriefkastens oder der Anbringung des Eingangsstempels am 1. November 2000 – der Vortag war in Sachsen Feiertag – ein Fehler unterlaufen ist. Der Senat unterstellt, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers den Begründungsschriftsatz entsprechend seiner eidesstattlichen Erklärung am 30. Oktober 2000 in den Nachtbriefkasten des Verwaltungsgerichts eingeworfen hat. Die Beschwerde hat keinen Erfolg, weil das Beschwerdevorbringen nicht ergibt, dass ein Grund für die Zulassung der Revision vorliegt.
1. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), die ihr die Beschwerde beimisst.
Die Beschwerde hält für klärungsbedürftig, ob die Enteignung gewerblich genutzter Grundstücke auf der Grundlage des Aufbaugesetzes auf unlauteren Machenschaften (§ 1 Abs. 3 VermG) beruhte, wenn die Enteignungsentschädigung nach den Bewertungsrichtlinien zum Entschädigungsgesetz vom 4. Mai 1960 ermittelt wurde. Diese Frage rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. Da Gegenstand der Klage die behauptete Schädigung des betroffenen Grundstückseigentums ist, wäre eine machtmissbräuchliche Ermittlung der Entschädigung durch staatliche Stellen der DDR für den Anspruch auf Rückgabe des Grundstücks oder – im Fall des Restitutionsausschlusses – auf Entschädigung ohne Belang. Durch eine solche Maßnahme wäre allein der dem Kläger nach DDR-Recht zustehende Entschädigungsanspruch verkürzt worden.
Anders verhielte es sich nur dann, wenn die Vorschriften über die Entschädigungsermittlung bezweckten, in genereller Weise den zielgerichteten Zugriff gerade auf das Grundstückseigentum zu erleichtern oder überhaupt erst zu ermöglichen (vgl. Urteil vom 5. März 1998 – BVerwG 7 C 8.97 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 140 m.w.N.). Dass die Bewertungsrichtlinien zu diesem Zweck eingesetzt wurden, behauptet die Beschwerde nicht. Eine solche Annahme liegt auch fern. Nach Nr. III c der Bewertungsrichtlinien war die Entschädigung für gewerblich genutzte Grundstücke nach dem Sachwertverfahren zu ermitteln und durch Anwendung eines Koeffizienten von 0,7 herabzusetzen, der mit dem geringen Durchschnittsertrag von Gewerbegrundstücken im DDR-Maßstab gerechtfertigt wurde. In diesem generalisierenden Rahmen beeinflusste also die nach § 2 der Zweiten Durchführungsbestimmung zum Entschädigungsgesetz vom 30. April 1960 (GBl I S. 338) zu berücksichtigende Ertragslage die Festsetzung der Entschädigung bei gewerblich genutzten Grundstücken. Dem entspricht, dass bei Mietwohngrundstücken die Berücksichtigung des Ertragswerts gemäß Nr. III b Abs. 2 der Bewertungsrichtlinien nicht zu einem höheren Grundstückswert führen konnte, als er sich bei Anwendung des reinen Sachwertverfahrens ergeben hätte. Die Berücksichtigung des Ertragswerts hatte daher auch hier in aller Regel eine Festsetzung der Entschädigung zur Folge, die unterhalb des ermittelten Sachwerts lag. Hier wie dort entsprach damit die jeweilige Vorschrift nach Gegenstand und Zielrichtung den ideologischen Grundvorstellungen der DDR. Ein darüber hinausgehender, auf das Grundeigentum zielender diskriminierender Charakter ist nicht erkennbar.
Entsprechendes gilt für die weitere von der Beschwerde aufgeworfene Frage, „ob eine Außerachtlassung wesentlicher Verfahrensvorschriften im Rahmen des Entschädigungsverfahrens die Inanspruchnahme des Grundstücks nach dem Aufbaugesetz zu einer unlauteren Machenschaft im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG werden lässt”. Durch solche Rechtsverstöße wäre ebenfalls allein der dem Kläger nach DDR-Recht zustehende Entschädigungsanspruch betroffen. Davon abgesehen ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass Mängel des Enteignungs- und Entschädigungsverfahrens nur dann als unlautere Machenschaft bewertet werden können, wenn die Behörde bewusst gegen die jeweiligen Verfahrensvorschriften verstoßen hat, um den hoheitlichen Zugriff auf den Vermögenswert überhaupt erst zu ermöglichen (Urteil vom 20. März 1997 – BVerwG 7 C 23.96 – BVerwGE 104, 186 ≪189≫). Aus den tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts ergibt sich nicht, dass diese Voraussetzungen bei der Enteignung des Grundstücks gegeben waren.
Auch die von der Beschwerde behauptete Benachteiligung des Klägers bei der Bemessung der Enteignungsentschädigung führt nicht auf eine Frage von rechtsgrundsätzlicher Bedeutung. Soweit die Beschwerde geltend macht, dass der Bodenwert des gleichzeitig enteigneten Nachbargrundstücks im Entschädigungsverfahren um 10 M/m² höher festgesetzt worden sei, ergibt sich namentlich in Bezug auf den Schädigungstatbestand des § 1 Abs. 1 Buchst. b VermG keine klärungsbedürftige Frage. Diese Vorschrift erfasst Enteignungen, bei denen gegenüber den Betroffenen in bewusster Abkehr von den für DDR-Bürger geltenden Vorschriften Entschädigungsbestimmungen zur Anwendung kamen, die den diskriminierenden Zugriff auf das Eigentum erleichtern sollten (Urteil vom 24. März 1994 – BVerwG 7 C 11.93 – BVerwGE 95, 289 ≪291 f.≫). Dass der Kläger einer derartigen generellen Diskriminierung unterlag, hat das Verwaltungsgericht der Sache nach verneint. Weiteren Bedarf an rechtsgrundsätzlicher Klärung zeigt die Beschwerde nicht auf.
Die Revision ist auch nicht zur Klärung der Frage zuzulassen, ob sich eine Diskriminierung im Sinne des § 1 Abs. 1 Buchst. b VermG daraus ergibt, dass dem in Westdeutschland lebenden Kläger nicht die Regelung des § 11 des Entschädigungsgesetzes zugute kam. Nach dieser Vorschrift konnte bei volkseigenen Forderungen, deren dingliche Sicherung mit der Überführung des Grundstücks in Volkseigentum erlosch, „der aus der Entschädigung nicht zu befriedigende Teil Bürgern der Deutschen Demokratischen Republik erlassen werden”. In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass eine Vorschrift, die DDR-Bürger durch Gewährung eines Abschlags von der Steuerforderung aus der Enteignungs-Entschädigung gegenüber Gebietsfremden bevorzugte, den genannten Schädigungstatbestand nicht erfüllt (Urteil vom 5. März 1998 – BVerwG 7 C 8.97 –, a.a.O.). Dass für eine Begünstigung von DDR-Bürgern beim Erlass volkseigener Forderungen nichts anderes gelten kann, bedarf nicht erst der Klärung in einem Revisionsverfahren. Die Regelung des § 11 des Entschädigungsgesetzes hatte den Zweck, die finanziellen Enteignungsfolgen bei DDR-Bürgern abzumildern, wenn die durch das Grundstück gesicherten volkseigenen Forderungen den Entschädigungsbetrag überstiegen. Die Versagung einer solchen Begünstigung gegenüber „West-Eigentümern” zielte nicht darauf ab, den Eigentumszugriff zu erleichtern oder überhaupt erst zu ermöglichen.
2. Auch die geltend gemachten Verfahrensmängel rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Auf dem unterbliebenen Hinweis des Verwaltungsgerichts auf die Möglichkeit, neben dem Antrag auf Rückgabe des Grundstücks hilfsweise die Verpflichtung zur Bewilligung einer Entschädigung zu beantragen, kann das angegriffene Urteil nicht beruhen; denn auch eine Entschädigung setzt voraus, dass eine Schädigungsmaßnahme gegeben ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 VermG), an der es nach dem angegriffenen Urteil fehlt. Der behauptete Verstoß gegen die gerichtliche Pflicht zur Sachaufklärung (§ 86 Abs. 1 VwGO) liegt schon deswegen nicht vor, weil das Verwaltungsgericht nach seiner materiellrechtlichen Auffassung keinen Anlass hatte aufzuklären, ob die Enteignung wegen Handelns einer unzuständigen Behörde unwirksam war. Mit der Rüge, das Verwaltungsgericht habe den Schädigungstatbestand der überschuldungsbedingten Enteignung (§ 1 Abs. 2 VermG) nicht geprüft, wird ein materieller Rechtsfehler geltend gemacht, der die Verfahrensrevision nicht eröffnet.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 GKG.
Unterschriften
Dr. Franßen, Kley, Herbert
Fundstellen