Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Urteil vom 04.06.2007; Aktenzeichen 22 B 06.3036) |
Tenor
Die Beschwerde der Beigeladenen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 4. Juni 2007 wird zurückgewiesen.
Die Beigeladene trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 75 000 € festgesetzt.
Tatbestand
I
Die Beigeladene (bzw. deren Rechtsvorgängerin) betreibt seit 1970 in nunmehr sechs Hallen und in offenen Lagerboxen unter Einsatz von Großscheren und eines Portalkrans Anlagen zur Behandlung von Altautos, zur zeitweiligen Lagerung von Eisen- und Nichteisenschrotte einschließlich Autowracks, Anlagen zur sonstigen Behandlung von nicht aus Altautos stammenden nichtmetallischen gefährlichen und nicht gefährlichen Abfällen sowie eine solche zur zeitweiligen Lagerung gefährlicher und nicht gefährlicher Abfälle. Die Errichtung und der Betrieb des Autowrackplatzes ist im Jahre 1980 auf abfallrechtlicher Grundlage planfestgestellt worden. Für einzelne Bestandteile der Anlage sind in den 1970er Jahren bereits Baugenehmigungen erteilt worden. Immissionsschutzrechtliche Genehmigungen liegen nicht vor.
Die Klägerinnen grenzen mit ihren ebenfalls gewerblich genutzten Grundstücken von Norden an das Betriebsgelände der Beigeladenen an. Nach gescheiterten Einigungsbemühungen beantragten sie 2005 die Stilllegung der Anlage der Beigeladenen. Das Landratsamt hat eine begrenzte Stilllegung (Lagerung gefährlicher Abfälle) verfügt, ohne über den Antrag der Klägerinnen weiter zu entscheiden. Das angerufene Verwaltungsgericht hat den Beklagten verpflichtet, die Anlage zur zeitweiligen Lagerung von nicht gefährlichen Abfällen, die Anlagen zur sonstigen Behandlung von gefährlichen und nicht gefährlichen Abfällen, die Anlage zur zeitweiligen Lagerung von Eisen- und Nichteisenschrotte einschließlich Autowracks sowie die Anlage zur Behandlung von Altautos stillzulegen. Auf die Berufungen des Beklagten und der Beigeladenen hat der Verwaltungsgerichtshof diese Entscheidung modifiziert und den Beklagten verpflichtet, die Anlagen für die zeitweilige Lagerung von nicht gefährlichen Abfällen sowie für die sonstige Behandlung von gefährlichen und nichtgefährlichen Abfällen (letztere jedoch ohne Eisen- und Nichteisenschrotte) stillzulegen; mit Ablauf des 31. Dezembers 2009 sind – mit Ausnahme der Anlage für die Behandlung von Altautos – auch die übrigen Anlagen stillzulegen, sollte bis dahin keine immissionsschutzrechtliche Genehmigung erteilt worden sein: Wegen atypischer Besonderheiten und in Folge der abfallrechtlichen Planfeststellung sei die Beigeladene zu keiner (sofortigen) Stilllegung des Gesamtbetriebs verpflichtet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen; hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beigeladenen.
Entscheidungsgründe
II
Die Beschwerde ist unbegründet. Der Rechtssache kommt nicht die allein geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu.
Grundsätzlich bedeutsam im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich nicht entschiedenen, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausreichenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts zu erwarten ist. Hierauf abhebende, durch § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO gebotene Darlegungen erfordern im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache die Formulierung entsprechender Rechtsfragen (stRspr, vgl. Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 VwGO ≪n.F.≫ Nr. 26). Schon diesen Darlegungsanforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht. Bloße Einwendungen gegen die sachliche Richtigkeit des angegriffenen Urteils reichen hierfür ebenso wenig aus wie der wiederholte Hinweis darauf, dass der streitige Sachverhalt und damit zusammenhängende Rechtsfragen bisher nicht Gegenstand der höchstrichterlichen Rechtsprechung gewesen seien. Die Beschwerde verkennt mit ihren Angriffen gegen die Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs den grundsätzlichen Unterschied zwischen der Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde und der Begründung einer Revision (vgl. Beschluss vom 16. Oktober 2007 – BVerwG 9 B 40.07 – juris).
Soweit die Beschwerde die fehlerhafte Auslegung des abfallrechtlichen Planfeststellungsbeschlusses durch das Berufungsgericht rügt, der bei richtiger Betrachtungsweise die gesamte Anlage der Beigeladenen und insbesondere auch den Betrieb des Schrottplatzes umfasse, könnte sich damit lediglich die grundsätzliche Frage nach der Auslegung des Regelungsinhalts eines Verwaltungsaktes verbinden. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist aber bereits geklärt, dass die Auslegung eines Verwaltungsaktes zum einen nach seinem objektiven Erklärungswert unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs der Erklärung (Urteil vom 12. Dezember 2001 – BVerwG 8 C 17.01 – Buchholz 310 § 69 VwGO Nr. 7; Urteil vom 17. August 1995 – BVerwG 1 C 15.94 – Buchholz 437.1 BetrAVG Nr. 14) und zum anderen danach zu erfolgen hat, wie ihn Adressat oder Drittbetroffener nach Treu und Glauben verstehen dürfen (Urteil vom 7. Juni 1991 – BVerwG 7 C 43.90 – BVerwGE 88, 286 = Buchholz 451.171 AtG Nr. 36). Dem ist der Verwaltungsgerichtshof auch gefolgt. Eine über den konkreten Einzelfall hinausgehende rechtsgrundsätzliche Bedeutung würde sich jedoch mit weiteren Fragen zum Inhalt des abfallrechtlichen Planfeststellungsbeschlusses vom 30. April 1980 nicht verbinden. Zudem stellt sich das Beschwerdevorbringen diesbezüglich als revisionsrechtlich unbeachtlicher Angriff gegen die tatrichterliche Sachverhalts- und Beweiswürdigung dar, deren Grundlagen mit Verfahrensrügen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) nicht in Frage gestellt worden sind.
Wollte die Beschwerde im Zusammenhang mit der Anwendung des § 67 Abs. 2 Satz 1 BImSchG die Frage nach einer Beweislastumkehr bei Nichterweislichkeit des Vorliegens weiterer behördlicher Genehmigungen aufwerfen, ist auch dies in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt. Die Beigeladene hat vor dem Berufungsgericht eingeräumt, dass sie – über die bereits vorgelegten hinaus – keine weiteren, für eine Legalität ihrer Anlagen streitenden Baugenehmigungen für den Zeitraum vor 1980 beibringen kann; auch den Behörden liegen derartige nicht vor. Damit stehen lediglich Vermutungen im Raum. Sind aber alle in Betracht kommenden Aufklärungsmöglichkeiten ausgeschöpft, ohne dass bestimmte weitere entscheidungserhebliche Tatsachen zur Überzeugung des Gerichts feststehen, so geht die Nichterweislichkeit der Tatsachen zu Lasten desjenigen, der daraus für sich günstige Rechtsfolgen herleitet, sofern das Gesetz nicht eine andere Verteilung der Beweislast vorsieht (Beschluss vom 16. Oktober 1995 – BVerwG 7 B 163.95 – Buchholz 428 § 4 VermG Nr. 22; Urteil vom 20. April 1994 – BVerwG 11 C 60.92 – Buchholz 442.16 § 15 StVZO Nr. 4 m.w.N.). Von einer Beweislastumkehr im Sinne der Beschwerde kann somit nicht ausgegangen werden.
Soweit die Beschwerde rügt, dass das Berufungsgericht unter Bezugnahme auf die Abfallschlüssel 17 04 01 bis 17 04 07 der Abfallverzeichnis-Verordnung den Begriff “Eisen- und Nichteisenschrotte” im Sinne von Nr. 8.9 lit. b) Spalte 1 des Anhangs zur 4. BImSchV (im Gegensatz zur Auffassung des Bayer. Landesamtes für Umweltschutz) deutlich zu eng und damit praxisfern ausgelegt habe, was zur Folge habe, dass auch nach der Abfallverzeichnis-Verordnung nicht stets gefährliche Abfälle wie Kabel oder Batterien nicht als Eisenschrott einzuordnen wären, würde auch eine hierauf bezogene Fragestellung nicht zur Zulassung der Revision führen. Denn die Frage nach einer Abgrenzung des Begriffes “Eisen- oder Nichteisenschrotte” würde sich nach dem Vorbringen der Beschwerde in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass allein die Anlage zur Behandlung und Lagerung von Altautos formell (und materiell) legal betrieben wird und zwar in Folge der Fortgeltung der abfallrechtlichen Planfeststellung, § 67 Abs. 7 Satz 1 BImSchG. Lediglich aus Billigkeitserwägungen – wegen atypischer Besonderheiten – konnte der Beklagte davon absehen, über die legale zeitweilige Lagerung von Autowracks hinaus auch die illegale zeitweilige Lagerung von Eisen- und Nichteisenschrotte nicht zu untersagen. Die Beschwerde legt nicht dar, weshalb innerhalb dieses durch § 20 Abs. 2 Satz 1 BImSchG vorgegebenen Ermessenspielraums es zwingend geboten wäre, von einem weiten Verständnis des Begriffs Schrott auszugehen, der auch den Abfallschlüsseln 16 06 04, 16 06 05 oder 17 04 11 (nicht gefährliche Abfälle mit Metallanteilen) unterfallende Fraktionen umfasst, und weshalb die Entscheidung, von der Stilllegung der Anlage zur zeitweiligen Lagerung von Schrotte in einem engen zeitlichen Rahmen (bis 31. Dezember 2009) nur die “klassischen” Metalle und Legierungen der Schlüsselnummern 17 04 01 bis 17 04 07 ohne wesentliche Belastung oder Verbindung mit nichtmetallischen Fremdstoffen auszunehmen, sich als ermessensfehlerhaft erweisen soll.
Die Beschwerde verhält sich auch nicht dazu, welche Art des Vertrauensschutzes der Stilllegung einer sowohl formell und wohl auch materiell illegal betriebenen Anlage zur sonstigen Behandlung von gefährlichen Abfällen entgegenstehen soll. Entsprechende, aus dem Beschwerdevorbringen abgeleitete Fragen, ob nämlich ein im allgemeinen Sprachgebrauch herrschendes Verständnis des Begriffs Schrott, der (früher) auch gefährliche Abfälle erfasste, oder ob bloßes behördliches Nichteinschreiten gegen den Betrieb einer solchermaßen illegal betriebenen Anlage Vertrauensschutz begründen könnten, wären ohne Weiteres zu verneinen. Der Verwaltungsgerichtshof ist diesbezüglich auch von keinen Vertrauensschutz begründenden Umständen ausgegangen. Selbst wenn im Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses der Begriff Metallschrott noch in einem weiteren Sinne zu verstehen war, hindert dessen nunmehrige Spezifizierung in gefährliche und nicht gefährliche Abfälle die Annahme eines atypischen Falles, der einem Einschreiten der Behörde im Sinne von § 20 Abs. 2 Satz 1 BImSchG entgegen stehen könnte (vgl. hierzu Urteil vom 15. Dezember 1989 – BVerwG 7 C 35.87 – BVerwGE 84, 220 = Buchholz 406.25 § 20 BImSchG Nr. 1). Das Gegenteil ist der Fall. Zur Einhaltung aktueller, auf neuen Erkenntnissen beruhender Betreiberpflichten (§ 5 BImSchG) ist eine Stilllegung – nach zuvor gescheiterten Bemühungen in einem Genehmigungsverfahren – nicht weiter aufzuschieben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Herbert, Neumann, Guttenberger
Fundstellen