Verfahrensgang
Niedersächsisches OVG (Urteil vom 29.06.2006; Aktenzeichen 13 LC 356/04) |
Nachgehend
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 29. Juni 2006 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 15 355 000 € festgesetzt.
Gründe
Die auf sämtliche Revisionszulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde ist unbegründet.
1. Ein Verfahrensfehler, der zur Zulassung der Revision führen könnte (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), ergibt sich aus dem Beschwerdevorbringen nicht.
a) Die Klägerin sieht ihren Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) dadurch verletzt, dass das Berufungsgericht weder die von ihr im Rechtlichen und Tatsächlichen aufgeworfenen Fragen erörtert noch auf die von der Berichterstatterin im parallel geführten Verfassungsbeschwerdeverfahren angeregten tatsächlichen Fragestellungen eingegangen sei. Dem kann, auch soweit die Klägerin die Nichtberücksichtigung ihres eigenen Vorbringens rügt, nicht gefolgt werden. Der Grundsatz rechtlichen Gehörs verlangt vom Gericht, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Jedenfalls der wesentliche der Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung dienende Vortrag muss in den Entscheidungsgründen verarbeitet werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 1. Februar 1978 – 1 BvR 426/77 – BVerfGE 47, 182 ≪187, 189≫; stRspr). Geht das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags eines Beteiligten in den Entscheidungsgründen nicht ein, so lässt dies auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, es sei denn, dieser war nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert (BVerfG, Beschluss vom 19. Mai 1992 – 1 BvR 986/91 – BVerfGE 86, 133 ≪146≫).
Hiernach geht die Kritik fehl, die Vorinstanz habe bestimmte Gebührenziele als unerheblich abgetan und sei deshalb nicht zu den damit zusammenhängenden, von der Klägerin aufgeworfenen Fragen vorgestoßen. Denn mit diesem Vorwurf hebt die Beschwerde auf solchen Vortrag ab, auf den es vom maßgeblichen Rechtsstandpunkt des Berufungsgerichts aus, das die Wasserentnahmegebühr schon durch den Zweck der Vorteilabschöpfung gerechtfertigt sah, nicht ankam und der folgerichtig in den Entscheidungsgründen auch nicht verarbeitet werden musste. Ebenso wenig verfängt der Einwand, das Oberverwaltungsgericht habe die Darlegungen übergangen, mit denen die Klägerin das Vorhandensein eines die Gebührenhöhe rechtfertigenden Vorteils in Frage gestellt und dessen Quantifizierung angemahnt habe. Das Berufungsurteil führt hierzu aus, der rechtlich vorausgesetzte Vorteil sei seinem Wesen nach nicht konkret fassbar und nicht einzelfallbezogen zu bestimmen; er brauche dementsprechend auch nicht aufwandsabhängig berechnet zu werden. Nach dieser Rechtsauffassung kam es auf die von der Beschwerde als übergangen gerügten Darlegungen, die den Vorteil entsprechend den für alternative Kühlverfahren anfallenden, von der Klägerin ersparten Aufwendungen bestimmen wollten, nicht an.
b) Für die erhobenen Rügen mangelnder Sachaufklärung (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO) gilt Entsprechendes. Der von der Beschwerde vermissten weiteren Aufklärung hätte es nur bedurft, wenn das Gericht den von der Klägerin vertretenen Auffassungen zu den Zwecken der Entnahmegebühr und speziell zum Verständnis des Zwecks der Vorteilsabschöpfung gefolgt wäre. Da dies nicht geschehen ist, hatte die Vorinstanz keinen Anlass zu weiterer Sachaufklärung.
2. Die Divergenzrügen (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) greifen ebenfalls nicht durch. Die von der Beschwerde bezeichneten Passagen des angefochtenen Urteils enthalten keine Rechtssätze, mit denen das Oberverwaltungsgericht sich in Widerspruch zu einem in den herangezogenen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten Rechtssatz gesetzt hat.
a) Die Beschwerde versteht das Berufungsgericht dahin, dass es mit seiner Aussage, der abzuschöpfende Vorteil sei nicht konkret fassbar und nicht einzelfallbezogen, sondern werde generell unterstellt, auf dessen Vorhandensein als Belastungsgrund habe generell verzichten wollen. Dem stellt sie zum einen den dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 7. November 1995 – 2 BvR 413/88 und 1300/93 – (BVerfGE 93, 319 ≪345 f.≫) entnommenen Rechtssatz gegenüber, die Gebühr müsse dem Grunde und der Höhe nach von einem im konkreten Fall vorhandenen, individuell zurechenbaren Vorteil abhängen. Darüber hinaus behauptet sie eine Abweichung der genannten Aussage des Oberverwaltungsgerichts von dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 19. März 2003 – 2 BvL 9, 10, 11, 12/98 – (BVerfGE 108, 1 ≪17≫), in dem es unter dem Aspekt unterscheidungskräftiger Legitimation der Gebühr im Verhältnis zur Steuer heißt, soweit Vorteile abgeschöpft würden, müsse hinreichend klar geregelt sein, welche Vorteile in die Gebührenbemessung eingeflossen seien.
Die geltend gemachten Abweichungen liegen jedoch nicht vor. Das Oberverwaltungsgericht sieht vom Vorteilserfordernis keineswegs ab. Im Gegenteil führt es im angefochtenen Urteil ausdrücklich aus, bei der hier in Rede stehenden Gebühr gehe es darum, Vorteile im Zusammenhang mit der Gewässernutzung abzuschöpfen (UA S. 21). Den maßgeblichen Vorteil erblickt es in der Wasserentnahme zu Kühlzwecken. Soweit es darüber hinaus darlegt, der gebührenrechtliche Vorteil sei seinem Wesen nach nicht konkret fassbar und auch nicht einzelfallbezogen, sondern werde generell unterstellt (UA S. 22), stehen diese Aussagen im Zusammenhang mit dem Einwand der Klägerin, für die Bemessung ihres Vorteils sei ein Vergleich der Aufwendungen für das von ihr verwendete Verfahren der Durchlaufkühlung mit denen für die alternativ mögliche Kühlturm- bzw. Kreislaufkühlung anzustellen. In diesem Sinnzusammenhang bringen die Ausführungen des Berufungsgerichts lediglich zum Ausdruck, dass der Vorteil seinem Umfang nach nicht für den einzelnen Fall und in Abhängigkeit von dem konkreten Aufwand, den der jeweilige Nutzer alternativ treiben müsste, bestimmt werden könne, sondern – mit Rücksicht auf die Freiwilligkeit der von den Nutzern gezielt für ihre Zwecke eingesetzten Wasserentnahme – generalisierend habe zugrunde gelegt werden dürfen. Das deckt sich mit der gleichfalls generalisierenden Betrachtungsweise des Bundesverfassungsgerichts, das in seinem Urteil vom 19. März 2003 (a.a.O. S. 19) ausdrücklich die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers bei der Gebührenbemessung betont und zur Begründung ausgeführt hat, jede einzelne Gebühr könne nicht nach Kosten, Wert und Vorteil einer real erbrachten Leistung genau berechnet, sondern vielfach nur nach Wahrscheinlichkeit und Vermutungen in gewissem Maß vergröbert bestimmt und pauschaliert werden. Das Bundesverfassungsgericht hat deshalb die Vereinbarkeit einer Gebührenbemessung mit den Anforderungen der Finanzverfassung erst bei einem groben Missverhältnis zwischen der Höhe der Gebühr und dem verfolgten Gebührenzweck verneint. Von diesem Maßstab ist auch die Vorinstanz ausdrücklich ausgegangen (UA S. 22).
b) Soweit die Beschwerde Divergenzen des Berufungsurteils von weiteren Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und solchen des Bundesverwaltungsgerichts rügt, beschränkt sie sich darauf, Passagen aus diesen Entscheidungen zu zitieren, ohne im Einzelnen zu erläutern, in welcher Hinsicht das Oberverwaltungsgericht davon abgewichen sein soll. Ob das den Substantiierungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügt, erscheint zweifelhaft, kann aber offenbleiben. Denn auch insoweit ist eine Divergenz nicht feststellbar.
Dass Gebühren – wie in den von der Beschwerde angeführten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts ausgeführt – Gegenleistungen für öffentliche Leistungen darstellen, die dem Gebührenschuldner individuell zurechenbar sind, wird im Urteil der Vorinstanz nicht in Frage gestellt, sondern mit dem Hinweis auf das Gebrauchmachen von der Möglichkeit der Wasserentnahme ersichtlich zugrunde gelegt. Soweit das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 12. Oktober 1978 – 2 BvR 154/74 – BVerfGE 49, 343 ≪352 f.≫) als begriffliche Voraussetzung einer Gebühr einen “konkreten Bezug” zu einer Leistung der öffentlichen Verwaltung angesehen hat, gilt Entsprechendes. Das von der Beschwerde ferner angeführte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Mai 1984 – BVerwG 8 C 55 und 58.82 – BVerwGE 69, 242 ≪245 f.≫ verhält sich zur Zulässigkeit einer Fiktion der Nutzung einer städtischen Straßenreinigung durch die Anlieger und begrenzt deren Zulässigkeit auf den Leistungsumfang, der das Interesse der Anlieger bedient. Dieser Rechtssatz schließt weder eine typisierende Betrachtung dieses Interesses aus noch betrifft er überhaupt die hier in Rede stehende Fallgestaltung, in der an der Inanspruchnahme der öffentlichen Leistung (Wasserentnahme) gar kein Zweifel bestehen kann.
3. Der Beschwerdebegründung kann ferner nicht entnommen werden, dass der Rechtssache die von der Klägerin geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zukommt. Als klärungsbedürftig wirft sie die Frage auf,
welchen abschöpfbaren Vorteil die partielle Nutzung des Wassers als Wärmetauscher bringt und wie er zu quantifizieren ist.
Sollte es der Beschwerde darum gehen, welchen wirtschaftlichen Nutzen der Einsatz entnommenen Wassers als Medium zum Wärmetausch für Kraftwerksbetreiber hat und wie dieser Nutzen betragsmäßig zu bestimmen ist, so wäre die Frage auf die Klärung von Tatsachen gerichtet und schon deshalb der Beantwortung in einem Revisionsverfahren nicht zugänglich. Will die Beschwerde hingegen – wofür die Bezugnahme auf die am Ende der Beschwerdebegründung genannten Rechtsvorschriften spricht – die Vereinbarkeit des Gebührensatzes gemäß § 47a Abs. 1 Satz 1 NWG i.V.m. Nr. 2.1 der zugehörigen Anlage mit Bundesrecht geklärt wissen, so führt dies ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision. Unter diesem Gesichtspunkt könnte sich ein bundesrechtlicher Klärungsbedarf nur dann ergeben, wenn die Auslegung der bundesrechtlichen Maßstabsnormen ihrerseits ungeklärte Fragen von fallübergreifender Bedeutung aufwerfen würde. Aus diesem Grund müsste im Einzelnen dargelegt werden, inwiefern diese Normen noch klärungsbedürftig sind und warum der zu ihnen ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung bisher noch keine hinreichenden Aussagen zu entnehmen sind (vgl. Beschlüsse vom 5. November 2001 – BVerwG 9 B 50.01 – NVwZ-RR 2002, 217 und vom 4. April 2002 – BVerwG 6 B 1.02 – juris Rn. 4). Ein solcher Klärungsbedarf ist auf der Grundlage der Beschwerdebegründung nicht zu erkennen.
In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz, auf den sich die Beschwerde beruft, dem Normgeber bei der Gebührenbemessung einen weiten Gestaltungsspielraum belässt. Die dem Gesetzgeber durch Art. 3 Abs. 1 GG gesetzten Grenzen sind erst überschritten, wenn die Gebührenregelung nicht mehr durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist (vgl. Urteil vom 20. Dezember 2000 – BVerwG 11 C 7.00 – Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 94 S. 8). Angesichts der Schwierigkeiten, den Vorteil öffentlicher Leistungen, für die es anders als für die privater Leistungen keinen Markt gibt, exakt im Voraus zu ermitteln und zu quantifizieren (vgl. BVerfG, Urteil vom 19. März 2003 a.a.O. S. 19), stellen pauschalierende Abschätzungen keinen Verstoß gegen die durch Art. 3 Abs. 1 GG geforderte Belastungsgleichheit dar.
Geklärt sind auch die aus dem Äquivalenzprinzip als Ausdruck des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit sich ergebenden Vorgaben. Danach verbleiben dem Landesgesetzgeber ebenfalls umfangreiche Gestaltungsspielräume. Eine Gebührenbemessung ist erst dann nicht mehr gerechtfertigt, wenn sie in einem groben Missverhältnis zu den verfolgten legitimen Gebührenzwecken steht (vgl. Urteil vom 25. August 1999 – BVerwG 8 C 12.98 – BVerwGE 109, 272 ≪274≫; Beschluss vom 27. Mai 2003 – BVerwG 9 BN 3.03 – Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 98 S. 23; ebenso zu den Anforderungen an Gebühren aus der finanzverfassungsrechtlichen Kompetenzordnung des Grundgesetzes BVerfG, Urteil vom 19. März 2003 a.a.O. S. 19). Dass der Gesetzgeber bei der Bestimmung des Vorteils der öffentlichen Leistung, die den Bezugspunkt der Verhältnismäßigkeitsprüfung bildet, sich generalisierender, typisierender und pauschalierender Erwägungen bedienen darf, kann aufgrund der vorstehend genannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (a.a.O.) ebenfalls als geklärt betrachtet werden. Einen weitergehenden Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht auf, und zwar auch nicht im Hinblick auf Art. 12 GG, auf den sie sich ergänzend beruft, ohne deutlich zu machen, welche über Verhältnismäßigkeitserwägungen hinausgehende Vorgaben sich aus diesem Grundrecht ergeben sollten.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG und berücksichtigt, dass die mit dem angefochtenen Gebührenbescheid geltend gemachte Forderung aufgrund des der Klage zu einem kleinen Teil stattgebenden Berufungsurteils nur noch in vermindertem Umfang im Streit ist.
Unterschriften
Dr. h.c. Hien, Dr. Nolte, Dr. Buchberger
Fundstellen