Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Urteil vom 29.01.2007; Aktenzeichen 7 BV 06.764) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 29. Januar 2007 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde, die sich auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (1.), der Divergenz (2.) und des Verfahrensmangels (3.) stützt, hat keinen Erfolg.
1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Eine Rechtssache ist nur dann im Sinne dieser Vorschrift grundsätzlich bedeutsam, wenn eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche Frage des revisiblen Rechts im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Den Darlegungen der Beschwerde lässt sich nicht entnehmen, dass diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall erfüllt sind.
a) Der Kläger will im Hinblick auf Art. 4 Abs. 2 des Bayerischen Rundfunkgesetzes – BayRG – i.d.F. vom 22. Oktober 2003 (GVBl S. 792), zuletzt geändert durch Gesetz vom 11. Dezember 2006 (GVBl S. 1008) geklärt wissen, “ob der in Art. 4 Abs. 2 Nr. 3 BayRG verwendete Begriff eines Anspruchs auf ‘angemessene Sendezeiten’ sich von dem gleichlautenden Begriff in Art. 4 Abs. 2 Nr. 2 BayRG und Art. 4 Abs. 2 Nr. 4 BayRG unterscheidet und deshalb – ungeachtet der gesetzlichen Vorgabe in Art. 4 Abs. 2 Nr. 4 BayRG auf Sendezeiten ‘gleichen Umfangs’ – unterschiedlich zu interpretieren ist, oder ob die Wortgleichheit nicht grundsätzlich einen Anspruch ‘auf strikte bzw. formale Gleichbehandlung’ der in den verschiedenen Nummern von Art. 4 Abs. 2 BayRG privilegierten Gruppierungen beinhaltet und, entsprechend der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu den politischen Parteien, Abstufungen nur in ganz engen Grenzen zulässig sind”.
Diese Frage rechtfertigt die Zulassung der Revision schon deshalb nicht, weil sie sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen würde. Denn sie bezieht sich auf die Auslegung und Anwendung irrevisiblen Landesrechts durch das Berufungsgericht, an die der Senat gebunden ist. Aber auch soweit sich der Beschwerde sinngemäß entnehmen lässt, dass sie den Regelungsinhalt, den das Berufungsgericht dem umstrittenen Art. 4 Abs. 2 Nr. 3 BayRG entnommen hat, für unvereinbar mit höherrangigem Recht hält, vermag ihr dies nicht zum Erfolg zu verhelfen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann die Rüge der Nichtbeachtung von Bundesrecht bei der Anwendung und Auslegung von Landesrecht eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision allenfalls dann begründen, wenn die Auslegung der – gegenüber dem Landesrecht als korrigierender Maßstab angeführten – bundesrechtlichen Normen ihrerseits ungeklärte Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft. Die angeblichen bundesrechtlichen Maßgaben, deren Tragweite und Klärungsbedürftigkeit im Hinblick auf die einschlägigen landesrechtlichen Regelungen sowie die Entscheidungserheblichkeit ihrer Klärung in dem anhängigen Verfahren sind in der Beschwerdebegründung darzulegen (Beschlüsse vom 19. Juli 1995 – BVerwG 6 NB 1.95 – Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 104 und vom 6. Oktober 2005 – BVerwG 6 BN 2.05 – Buchholz 402.41 Allg. Polizeirecht Nr. 80). Daran fehlt es hier.
Soweit der Kläger auf seinen Status als Körperschaft des öffentlichen Rechts (Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 5 und 7 WRV, Art. 143 Abs. 2 Satz 2 BayVerf) und auf das Grundrecht der Bekenntnisfreiheit (Art. 4 Abs. 1 GG) verweist, ist im Grundsatz geklärt, dass der Körperschaftsstatus ein Mittel zur Erleichterung und Entfaltung der Religions- oder Bekenntnisfreiheit darstellt und für die korporierten Gemeinschaften eine bevorzugte Rechtsstellung begründet, die ihnen einen erhöhten Einfluss auf Staat und Gesellschaft verleiht (BVerfG, Urteil vom 19. Dezember 2000 – 2 BvR 1500/97 – BVerfGE 102, 370 ≪393≫). Entgegen dem nicht näher dargelegten Standpunkt der Beschwerde besagt dies aber nichts für die hier umstrittene Frage, inwieweit bei der Gewährung sogenannter Drittsendungsrechte innerhalb der Gruppe der Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften nach deren jeweiliger Bedeutung differenziert werden darf. Insofern führt auch der Hinweis des Klägers auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Wahlwerbung politischer Parteien nicht weiter. Die Rechtmäßigkeit der diesen im Verhältnis zueinander eingeräumten Sendezeiten beurteilt sich bundesrechtlich nach § 5 des Parteiengesetzes, der in seinem Anwendungsbereich den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG im Hinblick auf den in Art. 21 Abs. 1 GG beschriebenen Auftrag der Parteien konkretisiert (s. nur Urteil vom 17. Oktober 1986 – BVerwG 7 C 79.85 – BVerwGE 75, 67 ≪75≫ = Buchholz 422.2 Rundfunkrecht Nr. 18 S. 35 f.). Im Hinblick auf Drittsendungsrechte, die das Landesrecht Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften eingeräumt, fehlt es demgegenüber an solchen konkretisierenden Normen des Bundesrechts. Was die unmittelbare Anwendung des verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgebots selbst anlangt, mag sich aus dem von der Beschwerde zitierten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 28. April 1965 – 1 BvR 346/61 – (BVerfGE 19, 1 ≪11≫) ergeben, dass die “aus der Natur der Sache sich ergebende Differenzierung” zwischen großen und kleinen Religions- bzw. Bekenntnisgemeinschaften nicht noch dadurch verstärkt werden darf, dass eine begünstigende gesetzliche Regelung auf die großen Gemeinschaften beschränkt wird. Dieser Rechtsgedanke schließt es aber gerade nicht aus, bei der hier umstrittenen Gewährung von Drittsendezeiten nach Größe und Bedeutung der Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften zu unterscheiden. Darüber hinausgehende Gesichtspunkte, die der von der Beschwerde aufgeworfenen Frage aus der Sicht des Bundesrechts grundsätzliche Bedeutung verleihen könnten, sind weder dargelegt noch ersichtlich.
b) Die Beschwerde fragt weiter, “ob die nach Auffassung des Berufungsgerichts für den zeitlichen Umfang der Drittsenderechte entscheidende ‘gesellschaftliche Bedeutung der einzelnen Gemeinschaften’ ausschließlich von der Mitgliederzahl bzw. vom rechtlichen Organisationsgrad abhängt, oder ob nicht als zusätzliches Kriterium heranzuziehen ist, inwiefern die jeweils vertretenen Überzeugungen die Überzeugungen der Gesellschaft widerspiegeln und repräsentieren”. Diese Frage lässt sich, soweit ihr bundesrechtliche Bedeutung zukommt, ohne weiteres beantworten, ohne dass es dafür der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf. Da es dem Beklagten wegen des Neutralitätsgrundsatzes verwehrt ist, religiöse oder weltanschauliche Standpunkte inhaltlich zu bewerten (BVerfG, Urteil vom 19. Dezember 2000 a.a.O. S. 394), ist von Bundesrechts wegen nichts gegen die Ansicht des Berufungsgerichts zu erinnern, dass der Beklagte die maßgebende Bezugsgröße für den zeitlichen Umfang der Gewährung von Drittsendezeiten nach objektiven Kriterien zu bestimmen hat. Als ein solches Kriterium bietet sich vorrangig der Mitgliederbestand der jeweiligen Körperschaft an, der die für diesen Status wesentliche Prognose stützt, dass sie auch künftig Bestand haben wird (BVerfG a.a.O. S. 384). Ob der Beklagte ohne Verletzung seiner Neutralitätspflicht berechtigt wäre, zusätzlich die vom Kläger genannten Gesichtspunkte, insbesondere den Grad der Identifizierung der Mitglieder einer Religions- bzw. Weltanschauungsgemeinschaft mit deren wesentlichem Gedankengut und dessen Verankerung in der Gesellschaft heranzuziehen, ist demgegenüber zweifelhaft. Dagegen spricht nicht nur die mangelnde Objektivierbarkeit dieser Kriterien, sondern auch der Umstand, dass der Kläger kaum für sich selbst in Anspruch nehmen kann, seinerseits den gesamten religiös ungebundenen oder weniger gebundenen Bevölkerungsteil Bayerns zu repräsentieren. Dies mag aber auf sich beruhen. Selbst wenn der Beklagte zu einer Differenzierung nach derartigen Maßstäben berechtigt wäre, ist jedenfalls nicht ersichtlich, dass das Gleichbehandlungsgebot ihn dazu zwingen könnte. Rechtliche Anhaltspunkte dafür legt die Beschwerde auch nicht dar.
c) Die Beschwerde wirft ferner die Frage auf, “ob tatsächlich – wie vom Beklagten behauptet und von den Gerichten nicht beanstandet – der Beklagte allein nicht nur den Umfang der Sendezeiten, sondern auch Zeit und Ort der Termine festlegen darf, ohne dass er gehalten wäre, auf berechtigte Wünsche der Drittsendeberechtigten einzugehen, oder ob nicht der Körperschaftsstatus den Beklagten zu einem kooperativen Verhalten zu veranlassen hat”. Auch diese Frage rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. Ob und inwieweit der in Art. 4 Abs. 2 Nr. 3 BayRG geregelte Anspruch körperschaftlich verfasster Weltanschauungsgemeinschaften gegen den Beklagten auf Einräumung angemessener Sendezeiten derartige Kooperationspflichten einschließt, beurteilt sich nicht in erster Linie nach Bundesrecht, sondern nach nicht revisiblem bayerischem Landesrecht. Das gilt auch, soweit der Kläger die angebliche Kooperationspflicht des Beklagten dadurch verletzt sieht, dass er den ihm zugeteilten Sendeplatz mit fünf kleineren Religionsgemeinschaften im Wechsel teilen muss. Das Berufungsgericht hat im Einzelnen begründet, warum seiner Auffassung nach dieser Umstand der Angemessenheit der umstrittenen Sendezeit nicht entgegensteht. Weiterführende Hinweise auf eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung dieses Streitpunktes in Bezug auf ungeklärte Grundsatzfragen des Bundesrechts sind der Beschwerde nicht zu entnehmen.
d) Schließlich vermag auch die Frage, “ob die Zuteilung einer Sendezeit, zu der de facto ‘ein nicht unbeträchtlicher Teil der Bevölkerung noch schläft’, eine angemessene Sendezeit darstellt”, der Rechtssache eine grundsätzliche Bedeutung nicht zu verleihen. Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass der dem Kläger eingeräumte Sendetermin einerseits außerhalb der regulären Arbeitszeiten und andererseits außerhalb der Stunden liegt, die üblicherweise der Nachtruhe vorbehalten sind oder an denen die Hörerschaft nicht mit längeren Wortbeiträgen rechnet. An diese mit Revisionsrügen nicht angegriffenen Feststellungen ist der Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden. Damit steht die grundsätzliche Eignung des dem Kläger für Drittsendungen eröffneten Zeitfensters außer Frage. Ob es in seiner konkreten Ausgestaltung dem Gleichbehandlungsgebot unter Berücksichtigung der Bekenntnisfreiheit gerecht wird, betrifft nur den Einzelfall und hat keine darüber hinausgehende Bedeutung.
2. Die Revision ist auch nicht wegen einer Abweichung des angefochtenen Urteils von dem in der Beschwerde genannten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 28. April 1965 (a.a.O.) zuzulassen. Eine Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ist nur dann hinreichend bezeichnet (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem die Divergenzentscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Auf eine fehlerhafte oder unterbliebene Anwendung höchstrichterlicher Rechtssätze kann die Divergenzrüge dagegen nicht gestützt werden (stRspr, s. nur Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 26). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerde nicht. Sie zeigt zwar verschiedene allgemeine Rechtssätze auf, die sie dem von ihr zitierten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts entnimmt. Sie stellt dem aber keine abstrakten Rechtssätze aus dem angefochtenen Berufungsurteil gegenüber, die mit einem der vorerwähnten Rechtssätze des Bundesverfassungsgerichts kollidieren würden. Vielmehr führt sie aus, dass der Verwaltungsgerichtshof unter zutreffender Berücksichtigung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zu einer anderen Beurteilung der hier umstrittenen Sendezeiten hätte gelangen müssen. Damit legt sie in Wahrheit lediglich die ihrer Ansicht nach fehlerhafte Rechtsanwendung durch das Berufungsgericht dar, die aber, selbst wenn die Fehlerhaftigkeit unterstellt wird, eine Divergenz nicht begründen kann.
3. Die Revision ist schließlich nicht deshalb zuzulassen, weil ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Dem im Berufungsverfahren gestellten Beweisantrag, der auf eine demoskopische Ermittlung bestimmter weltanschaulicher Präferenzen innerhalb der bayerischen Bevölkerung abzielte, hat das Berufungsgericht nicht entsprochen, weil es aufgrund seiner materiellrechtlichen Auffassung auf die Beweisfrage nicht ankam. Auf der Grundlage dieser Auslegung des materiellen Rechts, die für die revisionsrechtliche Prüfung des behaupteten Verfahrensmangels maßgeblich ist, ist die Ablehnung des Beweisantrags nicht zu beanstanden. Der Beschwerde lassen sich auch keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass das Berufungsurteil auf einem Verstoß gegen die Amtsaufklärungs- oder Hinweispflicht (§ 86 Abs. 1, 3 VwGO) oder auf einer Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 108 Abs. 2 VwGO) beruhen kann. Insoweit sieht der Senat gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO von einer weiteren Begründung ab.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.
Unterschriften
Dr. Bardenhewer, Dr. Hahn, Dr. Bier
Fundstellen