Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Beschluss vom 04.04.2019; Aktenzeichen 14 A 2830/18.A) |
VG Köln (Entscheidung vom 14.06.2018; Aktenzeichen 20 K 6062/16.A) |
Gründe
Rz. 1
Die auf Verfahrensmängel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
Rz. 2
I. Der vom Kläger mit Blick darauf, dass das Oberverwaltungsgericht seine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung im Beschlusswege getroffen hat, geltend gemachte Verfahrensmangel in Form einer Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) liegt jedenfalls nicht vor. Nach der Auffassung des Klägers erweist sich die Entscheidung des Berufungsgerichts für die Durchführung eines vereinfachten Berufungsverfahrens nach § 130a Satz 1 VwGO insbesondere deswegen als ermessensfehlerhaft, weil der Kläger bei einem schwierigen Tatsachenstoff bislang keine mündliche Verhandlung in der Tatsacheninstanz hatte.
Rz. 3
1. Weder Art. 103 Abs. 1 GG noch § 108 Abs. 2 VwGO begründen einen Anspruch darauf, dass das rechtliche Gehör gerade in der mündlichen Verhandlung gewährt werden muss (BVerfG, Beschluss vom 8. Februar 1994 - 1 BvR 765, 766/89 - BVerfGE 89, 381 ≪391≫; Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, § 108 Rn. 27 m.w.N.). Allerdings entscheidet das Oberverwaltungsgericht über eine Berufung grundsätzlich durch Urteil, das aufgrund mündlicher Verhandlung ergeht (§ 125 i.V.m. § 101 VwGO). Nach § 130a Satz 1 VwGO kann das Oberverwaltungsgericht dann über die Berufung durch Beschluss entscheiden, wenn es sie einstimmig für begründet oder einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Ist das sich auf die Begründetheit oder Unbegründetheit der Berufung beziehende Einstimmigkeitserfordernis (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Januar 1998 - 3 B 1.98 - Buchholz 310 § 130a VwGO Nr. 19 S. 11 f.) erfüllt, steht die Entscheidung, ob ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss befunden wird, im Ermessen des Gerichts. Die Vorschrift enthält keine expliziten materiellen Vorgaben für die richterliche Entscheidung, ob von der Durchführung der mündlichen Verhandlung abgesehen wird oder nicht.
Rz. 4
Die Grenzen des dem Berufungsgericht eingeräumten Ermessens sind weit gezogen. Das Revisionsgericht kann die Entscheidung für die Durchführung des vereinfachten Berufungsverfahrens nur darauf überprüfen, ob das Oberverwaltungsgericht von seinem Ermessen fehlerfrei Gebrauch gemacht hat (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 12. März 1999 - 4 B 112.98 - Buchholz 310 § 130a VwGO Nr. 35 S. 5 m.w.N. und vom 25. September 2003 - 4 B 68.03 - NVwZ 2004, 108 ≪109≫). Ein Absehen von einer mündlichen Verhandlung ist seitens des Revisionsgerichts nur zu beanstanden, wenn es auf sachfremden Erwägungen oder einer groben Fehleinschätzung des Berufungsgerichts beruht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 3. Februar 1999 - 4 B 4.99 - Buchholz 310 § 130a VwGO Nr. 33 S. 2 m.w.N.) oder wenn im konkreten Fall Art. 6 Abs. 1 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gebietet.
Rz. 5
Auch wenn § 130a VwGO keine ausdrücklichen Einschränkungen enthält, hat das Berufungsgericht bei der Ermessensausübung zu berücksichtigen, dass sich die Entscheidung aufgrund mündlicher Verhandlung im System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes nach der Ausgestaltung des Prozessrechts als gesetzlicher Regelfall und Kernstück auch des Berufungsverfahrens erweist (§ 125 Abs. 1 i.V.m. § 101 Abs. 1 VwGO). Bei der Ermessensentscheidung gemäß § 130a Satz 1 VwGO dürfen die Funktionen der mündlichen Verhandlung und ihre daraus erwachsende Bedeutung für den Rechtsschutz nicht aus dem Blick geraten. Das Gebot, im Rahmen einer mündlichen Verhandlung die Rechtssache auch im Interesse der Ergebnisrichtigkeit mit den Beteiligten zu erörtern, wird umso stärker, je schwieriger die vom Gericht zu treffende Entscheidung ist. Mit dem Grad der Schwierigkeit der Rechtssache wächst daher zugleich auch das Gewicht der Gründe, die gegen die Anwendung des § 130a VwGO und für die Durchführung einer mündlichen Verhandlung sprechen (vgl. dazu BVerwG, Urteile vom 21. März 2000 - 9 C 39.99 - BVerwGE 111, 69 ≪74≫ und vom 30. Juni 2004 - 6 C 28.03 - BVerwGE 121, 211 ≪214≫). Die Grenzen von § 130a Satz 1 VwGO sind erreicht, wenn im vereinfachten Berufungsverfahren ohne mündliche Verhandlung entschieden wird, obwohl die Sache in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht außergewöhnlich große Schwierigkeiten aufweist (BVerwG, Urteil vom 30. Juni 2004 - 6 C 28.03 - BVerwGE 121, 211 ≪213≫); abzustellen ist insoweit auf die Gesamtumstände des Einzelfalles (BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 2010 - 10 C 13.09 - BVerwGE 138, 289 Rn. 24).
Rz. 6
2. Daran gemessen war die Durchführung des vereinfachten Berufungsverfahrens nach § 130a VwGO hier nicht ermessensfehlerhaft.
Rz. 7
a) Das Berufungsgericht hat die Beteiligten zu seiner Absicht, durch Beschluss nach § 130a VwGO zu entscheiden, mit Verfügung vom 14. März 2019 vorab gehört und dabei auf seine Rechtsprechung zu der Rückkehrgefährdung syrischer Staatsangehöriger hingewiesen, in welcher das Berufungsgericht die auch in diesem Verfahren maßgeblichen zentralen Tatsachen- und Rechtsfragen unter Auseinandersetzung mit gegenläufiger obergerichtlicher Rechtsprechung eingehend behandelt und entschieden hat. Der Kläger ist daraufhin zwar der beabsichtigten Verfahrensweise mit Schriftsatz vom 26. März 2019 entgegengetreten und hat seinen Sachvortrag ergänzt. Dieser Vortrag, den das Berufungsgericht in der Sache ersichtlich zur Kenntnis genommen und erwogen hat, gab dem Berufungsgericht keinen Anlass, von einer Entscheidung nach § 130a VwGO abzusehen oder die Ermessensentscheidung über das Absehen zu ergänzen.
Rz. 8
Dies entspricht auch der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), wonach dann keine mündliche Verhandlung durchgeführt werden muss, wenn die Rechtssache keine Tatsachen- oder Rechtsfragen aufwirft, die sich nicht unter Heranziehung der Akten und der schriftlichen Erklärungen der Parteien angemessen lösen lassen (EuGH, Urteil vom 26. Juli 2017 - C-348/16 [ECLI:EU:C:2017:591], Moussa Sacko - Rn. 47 m.w.N.). Für die Berufungsinstanz gelten jedenfalls keine strengeren Maßstäbe (vgl. dazu EGMR, Urteil vom 29. Oktober 1991 - Nr. 22/1990/213/275, Helmers - NJW 1992, 1813).
Rz. 9
b) Auch die vom Kläger auf die Anhörung des Berufungsgerichts zur beabsichtigten Vorgehensweise nach § 130a VwGO gestellten Beweisanträge zur gezielten Verfolgung von Kurden durch islamistische Gruppen in der Region Afrin und zu fehlenden Existenzsicherungsmöglichkeiten des Klägers außerhalb Afrins stehen einer Entscheidung nach § 130a VwGO nicht entgegen. Allein der Umstand, dass nach der Anhörungsmitteilung zum vereinfachten Berufungsverfahren nach § 130a VwGO ein neuer Schriftsatz eingeht und ein neues Beweismittel angekündigt wird, verpflichtet das Gericht nicht, mündlich zu verhandeln. Das Gericht ist in derartigen Fällen auch nicht verpflichtet, dem Kläger vorab die Gründe für die beabsichtigte Nichtberücksichtigung des angekündigten Beweismittels mitzuteilen (BVerwG, Beschluss vom 4. April 2003 - 1 B 244.02 - Buchholz 310 § 130a VwGO Nr. 62 m.w.N.). Der Anspruch auf rechtliches Gehör bezieht sich nur auf entscheidungserhebliches Vorbringen; er verpflichtet das Gericht nicht, Ausführungen zur Kenntnis zu nehmen oder zu erörtern, auf die es aus seiner Sicht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ankommt (BVerwG, Beschluss vom 2. Mai 2018 - 6 B 69.17 - juris Rn. 6 m.w.N.). Bei Beweisangeboten muss das Berufungsgericht diese auf ihre Rechtserheblichkeit prüfen und den Kläger grundsätzlich durch eine erneute Anhörungsmitteilung auf das beabsichtigte Festhalten am Verfahren nach § 130a VwGO hinweisen. Von einem entsprechenden Hinweis darf das Gericht jedoch in verfahrensfehlerfreier Weise absehen, wenn es auf das angebotene Beweismittel mangels Entscheidungserheblichkeit gar nicht ankommt, wobei die materiell-rechtliche Auffassung des Berufungsgerichts für die Beurteilung der Entscheidungserheblichkeit maßgeblich ist (BVerwG, Beschlüsse vom 4. April 2003 - 1 B 244.02 - Buchholz 310 § 130a VwGO Nr. 62 und vom 2. März 2010 - 6 B 72.09 - Buchholz 310 § 130a VwGO Nr. 80 Rn. 8 jeweils m.w.N.). Hält das Berufungsgericht an einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 130a VwGO fest, ohne eine Vorabentscheidung über einen gestellten Beweisantrag zu treffen, muss aus den Entscheidungsgründen seines Beschlusses ersichtlich sein, dass es die Ausführungen des Beteiligten zur Kenntnis genommen und seine Beweisanträge vorher auf ihre Rechtserheblichkeit geprüft hat. Insoweit korrespondiert der Verzicht auf eine Vorabentscheidung über einen Beweisantrag mit der Pflicht des Berufungsgerichts, die Erheblichkeit der Beweiserhebung vor der Entscheidung zu prüfen und sich in den Entscheidungsgründen damit auseinanderzusetzen (BVerwG, Beschluss vom 2. Mai 2018 - 6 B 69.17 - juris Rn. 6 m.w.N.).
Rz. 10
Diesen Anforderungen genügt der angefochtene Beschluss. Die Begründung der Berufungsentscheidung lässt (noch) erkennen, dass das Berufungsgericht die Beweisanträge des Klägers zur Kenntnis genommen und auf ihre Rechtserheblichkeit geprüft hat. Nach seiner materiell-rechtlichen Auffassung ist der vom Kläger angebotene Beweis zur gezielten Verfolgung von Kurden durch islamistische Gruppen in der Region Afrin nicht entscheidungserheblich. Auf den Geburtsort des Klägers in der Region Afrin sei nicht abzustellen, weil er seinen Lebensmittelpunkt zuletzt in Aleppo hatte (BA S. 9). Das Berufungsgericht musste sich danach mangels Entscheidungserheblichkeit nicht veranlasst sehen, von der beabsichtigten Vorgehensweise einer Entscheidung im Beschlusswege nach § 130a VwGO wegen des Beweisantrages Abstand zu nehmen oder den Kläger im Rahmen einer zweiten Anhörung auf diesen Umstand hinzuweisen. Entsprechendes gilt hinsichtlich des Beweisantrags zu den fehlenden Existenzsicherungsmöglichkeiten des Klägers außerhalb Afrins, bei dem es sich lediglich um einen mit dem ersten Antrag im Zusammenhang angeführten - zudem unkonkreten - Beweisantrag handelt. Aus den genannten Gründen bleibt auch die mit der Beschwerde erhobene Rüge, das Berufungsgericht habe den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt, indem es "den Beweisantrag zu einer Verfolgung des Klägers in seiner Herkunftsregion Afrin übergangen" habe (S. 8 der Beschwerdebegründung), ohne Erfolg.
Rz. 11
c) Ebenso wenig gebot Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK vorliegend die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Die Norm findet auf den vorliegenden Rechtsstreit keine direkte Anwendung. Dem Wortlaut nach gilt Art. 6 Abs. 1 EMRK nur für Streitigkeiten über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen und für strafrechtliche Anklagen. Auch wenn der Anwendungsbereich nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte über das nationale Wortlautverständnis hinausgeht, werden jedenfalls Verfahren aus dem Kernbereich des öffentlichen Rechts, wozu auch das Asylrecht zählt, weiterhin nicht davon erfasst (BVerwG, Urteile vom 21. März 2000 - 9 C 39.99 - BVerwGE 111, 69 ≪74≫, vom 14. März 2002 - 1 C 15.01 - BVerwGE 116, 123 ≪125≫ und vom 27. Oktober 2015 - 1 C 32.14 - BVerwGE 153, 162 ≪168 f.≫; Beschluss vom 16. Juni 1999 - 9 B 1084.98 - Buchholz 310 § 130a VwGO Nr. 40; jeweils m.w.N.). Davon unberührt bleibt, dass die vom EGMR zu Art. 6 Abs. 1 EMRK entwickelten Anforderungen bei konventionskonformer Anwendung im Rahmen der Ermessensausübung nach § 130a VwGO vom Berufungsgericht zu berücksichtigen sind.
Rz. 12
d) Das nach nationalem Recht in konventionskonformer Auslegung eröffnete Ermessen, ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zu entscheiden, war hier auch nicht mit Blick auf Unionsrecht eingeschränkt oder ausgeschlossen. Weder Art. 46 Richtlinie 2013/32/EU, der das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf vor einem Gericht gegen die einen Antrag auf internationalen Schutz ablehnende Entscheidung vorsieht, noch eine andere Bestimmung der Richtlinie sieht die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem mit dem Rechtsbehelf befassten Gericht vor (EuGH, Urteil vom 26. Juli 2017 - C- 348/16 - Rn. 28). Es besteht eine Pflicht der Mitgliedstaaten, die erforderlichen Rechtsbehelfe zu schaffen, damit in den vom Unionsrecht erfassten Bereichen ein wirksamer Rechtsschutz gewährleistet ist. Diese Pflicht entspricht dem in Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) verankerten Grundsatz, wonach jede Person, deren durch das Recht der Union garantierte Rechte oder Freiheiten verletzt worden sind, das Recht hat, bei einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen, sodass der Begriff des "wirksamen Rechtsbehelfs" im Sinne des Art. 46 Richtlinie 2013/32/EU im Einklang mit Art. 47 GRC zu bestimmen ist (EuGH, Urteil vom 26. Juli 2017 - C-348/16 - Rn. 30 f. m.w.N.). Art. 47 GRC ist wiederum im Lichte der Rechtsprechung des EGMR zu Art. 6 Abs. 1 EMRK auszulegen, da Art. 47 Abs. 1 und 2 GRC den Art. 6 Abs. 1 und Art. 13 EMRK entsprechen (Art. 52 Abs. 3 GRC). Insoweit hat der EuGH unter Bezugnahme auf den EGMR bereits festgestellt, dass sich aus Art. 6 Abs. 1 EMRK keine absolute Verpflichtung zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung ergibt und eine solche Verpflichtung auch nicht aus Art. 47 Abs. 2 oder einer anderen Bestimmung der GRC folgt (EuGH, Urteil vom 26. Juli 2017 - C-348/16 - Rn. 40 m.w.N.). Jedenfalls dann, wenn das Gericht der Auffassung ist, dass es seiner Verpflichtung zur umfassenden ex-nunc-Prüfung des Rechtsbehelfs nach Art. 46 Abs. 3 Richtlinie 2013/32/EU allein auf der Grundlage des Akteninhalts einschließlich der Niederschrift oder des Wortprotokolls der persönlichen Anhörung des Antragstellers nachkommen kann, kann es die Entscheidung treffen, den Antragsteller im Rahmen des Rechtsbehelfs nicht anzuhören und von einer mündlichen Verhandlung abzusehen (EuGH, Urteil vom 26. Juli 2017 - C-348/16 - Rn. 44).
Rz. 13
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe hat die Beschwerde keine Gründe aufgezeigt, wonach das Berufungsgericht unter unionsrechtlichen Gesichtspunkten verpflichtet gewesen wäre, eine mündliche Verhandlung durchzuführen. Weder hat sie dargelegt, dass eine Entscheidung ohne persönliche Anhörung des Klägers vor dem Berufungsgericht nicht möglich gewesen wäre, noch war eine mündliche Verhandlung nach dem den Beteiligten bekannten Stand der Rechtsprechung des Berufungsgerichts aufgrund der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage erforderlich. Das Berufungsgericht hat sich mit den entscheidungserheblichen tatsächlichen und rechtlichen Fragen nicht erstmals, sondern nach früherer Klärung in vorangegangenen - anderen - Verfahren auseinander gesetzt.
Rz. 14
e) Das Ermessen des Berufungsgerichts, im vereinfachten Berufungsverfahren nach § 130a VwGO zu entscheiden, war auch nicht dadurch eingeschränkt, dass bereits die Entscheidung des Verwaltungsgerichts ohne mündliche Verhandlung ergangen ist. Denn wenn die Beteiligten - wie hier - in der ersten Instanz Gelegenheit zu einer mündlichen Verhandlung hatten und sie - aus welchen Gründen auch immer - freiwillig und ausdrücklich auf eine mündliche Verhandlung verzichtet haben (§ 101 Abs. 2 VwGO), steht dem Berufungsgericht die Möglichkeit einer Entscheidung durch Beschluss nach § 130a VwGO grundsätzlich offen (BVerwG, Urteil vom 22. Januar 1998 - 2 C 4.97 - Buchholz 310 § 161 VwGO Nr. 113 und Beschluss vom 12. September 2018 - 1 B 50.18 - juris Rn. 24). Der von der Beschwerde angeführte ausnahmsweise mögliche Widerruf eines Verzichts auf die Durchführung der mündlichen Verhandlung bei wesentlicher Veränderung der Prozesslage steht vorliegend nicht im Raum, weil der Verzicht des Klägers ausschließlich das erstinstanzliche und nicht das Berufungsverfahren betraf. Auch die in diesem Zusammenhang angeführte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht auf Antrag nach § 495a Satz 2 ZPO (BVerfG, Kammerbeschluss vom 2. März 2017 - 2 BvR 977/16 - NJW-RR 2017, 690) ist auf den vorliegenden Fall schon deshalb nicht übertragbar, weil das erstinstanzliche Gericht hier nicht einen zwingenden Anspruch auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung übergangen, sondern aufgrund eines wirksamen Verzichts des Klägers im schriftlichen Verfahren entschieden hat.
Rz. 15
II. Soweit die Beschwerde in der Berufungszulassung durch das Oberverwaltungsgericht einen Bundesrechtsverstoß sieht, weil die Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht auf der von der Beklagten geltend gemachten Divergenz beruhe, genügt sie schon deshalb nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO, weil sie keinen dem herangezogenen Rechtssatz widerstreitenden Rechtssatz benennt, den die Zulassungsentscheidung oder der angefochtene Beschluss aufgestellt hätte, und so allenfalls eine (vermeintlich) fehlerhafte Rechtsanwendung im Einzelfall durch die Zulassungsentscheidung rügt. Ungeachtet dessen handelt es sich bei der Berufungszulassung um eine unanfechtbare Vorentscheidung des Berufungsgerichts, die nicht zu einer Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO führen kann (BVerwG, Beschluss vom 30. Januar 2004 - 1 B 9.04 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 3 VwGO Nr. 32 m.w.N.).
Rz. 16
III. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).
Rz. 17
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG; Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor.
Fundstellen
Dokument-Index HI13371406 |