Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Aktenzeichen 3 B 95.1716) |
Tenor
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 2. November 1999 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 84 000 DM festgesetzt.
Gründe
Die auf die Zulassungsgründe der Rechtsgrundsätzlichkeit, § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, und der Verletzung des gerichtlichen Verfahrensrechts, § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
Das Berufungsgericht hat die auf Art. 40 Abs. 1 Nr. 6 des Bayerischen Beamtengesetzes – BayBG – gestützte Entlassung des Klägers aus dem Beamtenverhältnis für rechtswidrig erachtet, weil sich nicht habe feststellen lassen, dass der Kläger in der fraglichen Zeit zwischen August 1992 und März 1994 physisch in der Lage gewesen sei, einen Entschluss zur Rückverlegung seines Wohnsitzes nach Deutschland zu fassen und in die Tat umzusetzen, und weil außerdem seine damals gestellten Anträge auf Verlängerung der Genehmigung des Auslandsaufenthalts für das Schuljahr 1992/1993 ermessensfehlerhaft abgelehnt und für das Schuljahr 1993/1994 unter Hinweis auf die inzwischen ausgesprochene Entlassung zu Unrecht nicht beschieden worden sei. Soweit der Beklagte geklärt wissen will,
steht der Zulassung der Revision entgegen, dass das Berufungsurteil auf eine weitere, die Entscheidung selbständig tragende Begründung gestützt ist, gegen die von der Beschwerde kein durchgreifender Zulassungsgrund geltend gemacht worden ist. Ist ein Urteil nebeneinander auf mehrere je selbständig tragende Begründungen gestützt, so kann die Revision nur dann zugelassen werden, wenn im Hinblick auf jede dieser Begründungen ein Zulassungsgrund geltend gemacht wird und vorliegt (stRspr, vgl. Beschluss vom 9. April 1981 – BVerwG 8 B 44.81 – Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 197 m.w.N.). Die hinsichtlich der zweiten Begründung von der Beschwerde als rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig aufgeworfene Frage,
ob es unter dem Blickwinkel des Art. 19 Abs. 4 GG im Rahmen der Prüfung des Tatbestandes des Art. 40 Abs. 1 Nr. 6 BayBG darauf ankommt, ob ein gestellter Antrag auf Verlängerung einer Aufenthaltsnahme bzw. –beibehaltung materiell ermessensfehlerfrei abgelehnt wurde,
ist jedoch durch die Rechtsprechung des beschließenden Senats geklärt. Nach dieser Rechtsprechung ist es im Rechtsstreit eines Beamten gegen seine Entlassung aus dem Beamtenverhältnis wegen ungenehmigter Wohnsitznahme oder –beibehaltung im Ausland unerheblich, ob die oberste Dienstbehörde einen Antrag auf Erteilung der Zustimmung zum dauernden Aufenthalt im Ausland rechtswidrig abgelehnt hat. Auch in einem solchen Fall kann sich der Betroffene im Rechtsstreit gegen den Entlassungsbescheid nicht mit Erfolg auf die Rechtswidrigkeit der Versagung der Zustimmung berufen, wenn er es versäumt hat, sich gegen diese Versagung mit dem von der Rechtsordnung zur Verfügung gestellten Rechtsbehelf zu wehren (BVerwGE 25, 263 ≪267≫). Dieser besteht in der – vom Kläger auch erhobenen – Klage auf Verurteilung zur Erteilung der abgelehnten oder unterlassenen Genehmigung eines weiteren Aufenthalts im Ausland (vgl. BVerwG a.a.O.).
Damit erweist sich auch die hinsichtlich der zweiten Begründung weiterhin aufgeworfene Frage,
ob hinsichtlich eines wiederholten Verlängerungsantrags nach Ablauf des bislang bewilligten Auslandsaufenthalts und darauf folgender Entlassung nach Art. 40 Abs. 1 Nr. 6 BayBG ein Rechtsschutzinteresse des Beamten auf Verbescheidung besteht,
nicht rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig. Kann der wegen ungenehmigten Auslandsaufenthalts entlassene Beamte sich auf die Rechtswidrigkeit der Entlassung wegen eines ihm zustehenden Anspruchs auf Genehmigung dieses Aufenthalts nur dann berufen, wenn der Dienstherr in einem Verpflichtungsrechtsstreit zur Genehmigungserteilung verurteilt worden ist, kann dem Beamten auch solange ein rechtliches Interesse an der Bescheidung eines Antrags auf Genehmigung nicht abgesprochen werden, als der Entlassungsbescheid noch nicht bestandskräftig ist.
Die Rüge, das Berufungsgericht habe verfahrensfehlerhaft, nämlich unter Verletzung seiner Aufklärungspflicht, von der Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens zur Frage der Fähigkeit des Klägers, zwecks amtsärztlicher Untersuchung nach Deutschland zu reisen, abgesehen, ist unbegründet. Der in der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichtshofs durch einen Beamten mit der Befähigung zum Richteramt vertretene Beklagte hat dort keinen förmlichen Beweisantrag auf Einholung eines weiteren Gutachtens gestellt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist ein Gericht trotz Geltung des Untersuchungsgrundsatzes wegen der Mitwirkungspflicht der Beteiligten bei der Sachverhaltsermittlung grundsätzlich nicht zu einer Beweisaufnahme verpflichtet, die ein durch einen Rechtsanwalt oder – wie hier – durch einen Beamten mit der Befähigung zum Richteramt vertretener Beteiligter nicht ausdrücklich beantragt hat (Beschluss vom 19. September 1997 – BVerwG 3 B 180.97 – Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 285; Beschluss vom 26. Juni 1975 – BVerwG 6 B 4.75 – Buchholz 232 § 26 BBG Nr. 17 S. 9 m.w.N.). Daran ändert auch nichts, dass der Beklagte, wie die Beschwerde vorträgt, im Verlaufe des Rechtsstreits mehrfach die „Einholung eines Obergutachtens” angeregt hatte (vgl. auch Beschluss vom 27. Juli 1983 – BVerwG 9 B 541.82 – Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 146).
Das dem Tatsachengericht bei der Bestimmung von Art und Zahl einzuholender Sachverständigengutachten nach § 98 VwGO in Verbindung mit den §§ 404, 412 ZPO zustehende Ermessen wird nur dann verfahrensfehlerhaft ausgeübt, wenn das Gericht von der Einholung eines weiteren Gutachtens absieht, obwohl sich ihm die Notwendigkeit dieser zusätzlichen Beweiserhebung hätte aufdrängen müssen (stRspr; vgl. auch Beschluss vom 30. März 1995 – BVerwG 8 B 167.94 – Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 48 S. 5 f. m.w.N.). Das ist der Fall, wenn die Grundvoraussetzungen für die Verwertbarkeit bereits vorliegender Gutachten – sei es im Allgemeinen oder sei es mit Blick auf die besonderen Verhältnisse des konkreten Streitfalles – nicht gegeben sind, weil Gutachten oder gutachterliche Stellungnahmen offen erkennbare Mängel aufweisen, namentlich von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgehen oder unlösbare Widersprüche enthalten, wenn Zweifel an der Sachkunde oder Unparteilichkeit der Gutachter bestehen (stRspr; vgl. u.a. Beschlüsse vom 4. Dezember 1991 – BVerwG 2 B 135.91 – Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 238 S. 67 m.w.N. und vom 30. März 1995, a.a.O. S. 6). Ein Tatsachengericht ist dagegen nicht allein schon deshalb verpflichtet, ein weiteres Gutachten einzuholen oder in sonstige Ermittlungen einzutreten, weil ein Beteiligter ein bereits vorliegendes Gutachten als Erkenntnisquelle für unzureichend hält.
Einen Mangel des vom Berufungsgericht eingeholten psychiatrischen Gutachtens, der dessen Verwertbarkeit in Frage stellt, zeigt die Beschwerde nicht auf.
Wegen des Umstandes, dass die gutachterliche Einschätzung des Gutachters Prof. Dr. B. über die Fähigkeit des Klägers, in der Zeit zwischen August 1992 und März 1994 einen Entschluss zur Rückkehr nach Deutschland zu fassen und auch zu realisieren, aus Mangel an gesicherten medizinischen Befunden und genauen Feststellungen zum damaligen Gesundheitszustand des Klägers höchst unsicher geblieben ist, brauchte sich dem Berufungsgericht die Heranziehung eines weiteren Gutachters – der vor denselben Schwierigkeiten wie Prof. Dr. B. gestanden hätte – nicht aufzudrängen.
Entgegen dem Vorbringen der Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof aus dem Gutachten Prof. Dr. B. auch nicht die Überzeugung gewonnen, der Kläger sei damals zur Rückkehr unfähig gewesen. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich vielmehr unter dem Eindruck der Ausführungen des Gutachters gehindert gesehen, eine Überzeugung über Bestehen oder Fehlen der Fähigkeit des Klägers zur Rückkehr nach Deutschland zu gewinnen (vgl. UA S. 13, 15 und 19).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO; die Festsetzung des Streitwertes ergibt sich aus § 13 Abs. 4 Satz 1 Buchst. a) i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG (pauschalierter Jahresbetrag der Dienstbezüge nach der Besoldungsgruppe A 12 BBesG zuzüglich 8 000 DM als „Regelstreitwert” nach § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG).
Unterschriften
Dr. Silberkuhl, Dawin, Dr. Bayer
Fundstellen