Entscheidungsstichwort (Thema)
Teilflächenentschädigung. Teilgrundstück. Entschädigung. vorhandener Einheitswert. Ersatzeinheitswert. Hilfswert
Leitsatz (amtlich)
Ist ein Grundstück, für das ein Einheitswert festgestellt wurde, nach der Schädigung geteilt worden, ist für die Berechnung der Entschädigung für ein Teilgrundstück, soweit keine anderen Gründe für die Ermittlung eines Hilfswertes nach § 3 Abs. 3 Satz 1 EntschG vorliegen, der flächenmäßig anteilige Einheitswert zugrunde zu legen.
Normenkette
EntschG § 3 Abs. 1-3
Verfahrensgang
VG Potsdam (Urteil vom 18.07.2005; Aktenzeichen 9 K 3261/02) |
Tenor
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 18. Juli 2005 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 6 646,79 € festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde des Beklagten ist unbegründet. Das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts weist weder die geltend gemachte Divergenz auf (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) noch kommt der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zu (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
1. Der Beklagte stützt seine Nichtzulassungsbeschwerde zum einen darauf, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts, das ihn zur Gewährung einer höheren Entschädigung an die Klägerin verurteilt hat, vom Beschluss des Senats vom 24. September 2002 – BVerwG 3 B 139.02 – (ZOV 2002, 367) abweiche. Auf der Grundlage der bis zum In-Kraft-Treten des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Entschädigungsgesetzes und anderer Vorschriften (Entschädigungsrechtsänderungsgesetz – EntschRÄndG) vom 10. Dezember 2003 (BGBl I S. 2471) geltenden Fassung von § 3 EntschG hatte der Senat dort für den Fall, dass erst nach der Schädigung aus einem ursprünglich unselbständigen Teilgrundstück ein rechtlich selbständiges Grundstück wurde, für das vor der Schädigung dementsprechend auch kein gesonderter Einheitswert festgestellt worden war, unter anderem angenommen, dass in erster Linie ein auf das unbebaute Teilgrundstück bezogener Ersatzeinheitswert im Sinne des § 3 Abs. 2 EntschG und in zweiter Linie ein Hilfswert im Sinne des § 3 Abs. 3 EntschG ermittelt werden müsse. Der Beklagte, der im angefochtenen Bescheid einen Hilfswert nach § 3 Abs. 3 EntschG für das Teilgrundstück errechnet hat, sieht eine Abweichung von diesem Beschluss darin, dass das Verwaltungsgericht stattdessen von dem für das Gesamtgrundstück festgestellten Einheitswert ausgegangen ist und ihn für die Berechnung der Entschädigung entsprechend dem Anteil der Fläche des zu entschädigenden Grundstücksteils an der Gesamtfläche angesetzt hat.
Eine die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO eröffnende Divergenz liegt dann vor, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten, die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (vgl. Beschluss vom 21. Juni 1995 – BVerwG 8 B 61.95 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 18). Einer Revisionszulassung wegen Divergenz steht entgegen, dass es zu der gerügten Abweichung nicht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift gekommen ist. Gegenstand der damaligen Nichtzulassungsbeschwerde war § 3 EntschG in der bis zum In-Kraft-Treten des Entschädigungsrechtsänderungsgesetzes geltenden Fassung. Dagegen ist § 3 EntschG hier in der seit dem 17. Dezember 2003 geltenden geänderten Fassung anzuwenden. Durch Art. 1 Nr. 2 EntschRÄndG wurde an § 3 Abs. 1 Satz 1 EntschG der folgende Halbsatz angefügt: “sind nur Teilflächen eines Grundstücks zu entschädigen, richtet sich der Vervielfältiger nach der Nutzungsart des Gesamtgrundstücks zum Zeitpunkt der Schädigung”. Mit dieser Klarstellung hat der Gesetzgeber auf den Beschluss des Senats vom 24. September 2002 reagiert und der dort vertretenen Rechtsauffassung die Grundlage entzogen (vgl. BTDrucks 15/1180 S. 18).
2. Ebenso wenig weist die Rechtssache die vom Beklagten geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung auf (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Für klärungsbedürftig hält der Beklagte sinngemäß die Frage, ob nach der erwähnten Gesetzesänderung bei einer Teilflächenentschädigung der für die Bemessungsgrundlage heranzuziehende Einheitswert nunmehr durch flächenmäßige Aufteilung des zuletzt festgestellten (Gesamt-) Einheitswertes nach § 3 Abs. 1 EntschG gebildet werde und eine Hilfswertberechnung nach § 3 Abs. 3 EntschG ausscheide.
An der Klärungsbedürftigkeit in einem Revisionsverfahren fehlt es aber dann, wenn sich die Rechtsfrage durch Auslegung der maßgeblichen Rechtsvorschriften anhand der anerkannten Auslegungskriterien ohne weiteres beantworten lässt (Beschluss vom 31. Juli 1987 – BVerwG 5 B 49.87 – Buchholz 436.0 § 69 BSHG Nr. 14). So liegt die Sache hier im Sinne der vom Verwaltungsgericht vertretenen Auffassung. Die Frage, wann ein Hilfswert zu berechnen ist, wird in § 3 Abs. 3 Satz 1 EntschG geregelt. Danach ist eine Hilfswertberechnung dann vorzunehmen, wenn weder ein Einheitswert noch ein Ersatzeinheitswert vorhanden ist oder zwischen dem Bewertungszeitpunkt und der Schädigung Veränderungen der tatsächlichen Verhältnisse des Grundstücks eingetreten sind, die zu einer Abweichung um mehr als ein Fünftel, mindestens aber 1 000 Deutsche Mark führen. Nachdem das Verwaltungsgericht keine relevanten Veränderungen der tatsächlichen Verhältnisse zwischen dem Bewertungszeitpunkt und der Schädigung festgestellt hat, war auf den zum Stichtag 1. Januar 1935 festgestellten Einheitswert abzustellen, obwohl er das Gesamtgrundstück und nicht nur dessen hier in Rede stehende Teilfläche betraf.
§ 3 Abs. 3 Satz 1 EntschG sieht eine Hilfswertberechnung bei vorhandenem Einheitswert oder Ersatzeinheitswert nur für den Fall vor, dass die Veränderungen der tatsächlichen Verhältnisse des Grundstücks zwischen dem Bewertungszeitpunkt und der Schädigung eingetreten sind. Veränderungen der Verhältnisse des Grundstücks nach dem Zeitpunkt der Schädigung werden damit ausdrücklich ausgeblendet. Das gilt auch in Ansehung des Einheitswertes. Wurde für das (Gesamt-) Grundstück vor der Schädigung ein Einheitswert festgestellt und wurde das Grundstück erst danach geteilt, ist für eine Teilflächenentschädigung der Einheitswert entsprechend dem Anteil der zu entschädigenden Teilfläche an der Gesamtfläche heranzuziehen. In einer solchen nur anteiligen Berücksichtigung des Einheitswertes liegt dabei – entgegen der Auffassung des Beklagten – noch keine Hilfswertberechnung. Soweit dem Beschluss des Senats vom 24. September 2002 etwas anderes zu entnehmen ist, kann daran wegen der zwischenzeitlichen Änderung von § 3 Abs. 1 Satz 1 EntschG nicht festgehalten werden, nach der für den zu wählenden Vervielfältiger die Nutzungsart des Gesamtgrundstücks zum Zeitpunkt der Schädigung maßgeblich ist. Die Gesetzesbegründung hebt hervor, dass es vorrangig auf die Beschaffenheit und den Wert des Grundvermögens zu diesem Zeitpunkt ankommen soll, und spricht sich ausdrücklich dagegen aus, sämtliche bis zum Stichtag 3. Oktober 1990 zu berücksichtigende Einzelheiten – also auch nach der Schädigung eingetretene Wertveränderungen – vollständig zu berücksichtigen (BTDrucks 15/1180 S. 18). Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass es nicht nur für den bei einer Teilflächenentschädigung zugrunde zu legenden Vervielfältiger, sondern auch für den Rückgriff auf einen vorhandenen Einheitswert auf die Verhältnisse des Grundstücks zum Zeitpunkt der Schädigung ankommen soll. Wenn der Gesetzgeber für den Vervielfältiger auf das zum Schädigungszeitpunkt noch ungeteilte Gesamtgrundstück und dessen Nutzung abstellt, kann für Berücksichtigungsfähigkeit eines für das Gesamtgrundstück festgestellten Einheitswert schon aus Gründen der Systemgerechtigkeit nichts anderes gelten.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 und 2 sowie § 52 Abs. 3 GKG.
Unterschriften
Kley, Liebler, Prof. Dr. Rennert
Fundstellen
Haufe-Index 1550924 |
DVBl. 2006, 1461 |