Entscheidungsstichwort (Thema)
Genehmigung von Entgelt für Terminierungen im Mobilfunknetz
Verfahrensgang
VG Köln (Urteil vom 02.10.2013; Aktenzeichen 21 K 5791/07) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 2. Oktober 2013 geändert. Der Beschluss der Bundesnetzagentur vom 30. November 2007 wird aufgehoben, soweit in dessen Ziffer 1 für das Rechtsverhältnis zwischen der Beigeladenen und der Klägerin ein höheres Verbindungsentgelt als 7,92 Cent/ Minute genehmigt wird.
Die Beklagte und die Beigeladene tragen jeweils die Hälfte der in beiden Rechtszügen angefallenen Gerichtskosten und außergerichtlichen Kosten der Klägerin; ihre eigenen außergerichtlichen Kosten tragen die Beklagte und die Beigeladene jeweils selbst.
Tatbestand
I
Rz. 1
Die Klägerin wendet sich gegen die Genehmigung des Entgelts für Terminierungen im Mobilfunknetz der Beigeladenen für den Zeitraum vom 1. Dezember 2007 bis zum 31. März 2009.
Rz. 2
Die Klägerin und die Beigeladene betreiben digitale zelluläre Mobilfunknetze nach dem GSM-Standard und nach dem UMTS-Standard, die zusammengeschaltet sind. Durch bestandskräftige Regulierungsverfügungen der Bundesnetzagentur vom 30. August 2006 wurden die Entgelte der Klägerin und der Beigeladenen für die Zugangsgewährung jeweils der Ex-ante-Entgeltgenehmigung nach Maßgabe des § 31 TKG unterworfen.
Rz. 3
Mit Beschluss vom 30. November 2007 genehmigte die Bundesnetzagentur auf der Grundlage des § 35 Abs. 3 TKG der Beigeladenen für Terminierungen in ihrem Netz ab dem 1. Dezember 2007 mit einer Befristung bis zum 31. März 2009 ein Entgelt in Höhe von 8,80 Cent/Minute. In der Begründung des Beschlusses wird ausgeführt, die von der Beigeladenen vorgelegten Kostenunterlagen hätten für eine Prüfung anhand des Maßstabs der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung nicht ausgereicht. Gleichwohl sei von einer Versagung der Entgeltgenehmigung nach § 35 Abs. 3 Satz 3 TKG wegen der damit für die Beigeladene und ihre Zusammenschaltungspartner verbundenen finanziellen Unsicherheiten abgesehen worden. Zwar habe ein Kostenmodell, das § 35 Abs. 1 TKG als alternative Methode zur Ermittlung der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung vorsehe, nicht zur Verfügung gestanden. Jedoch habe eine Vergleichsmarktbetrachtung, bei der es sich ebenfalls um eine alternative Kostenermittlungsmethode im Sinne des § 35 Abs. 1 TKG handele, durchgeführt werden können, und zwar eine solche im nationalen Rahmen, die einem internationalen Vergleich vorzuziehen sei. Als nationaler Vergleichsmarkt sei derjenige für Terminierungen im Mobilfunknetz der Betreiberin O2 herangezogen worden. Den auf diesem Markt maßgeblichen Preis stelle das Terminierungsentgelt dar, das O2 mit Beschluss vom gleichen Tag auf der Grundlage prüffähiger Kostenunterlagen für die Zeit vom 1. Dezember 2007 bis zum 31. März 2009 in Höhe von 8,80 Cent/Minute genehmigt worden sei.
Rz. 4
Mit einem weiteren Beschluss vom 30. November 2007 genehmigte die Bundesnetzagentur das Entgelt für Terminierungen in das Netz der Klägerin für die Zeit vom 1. Dezember 2007 bis zum 31. März 2009 in Höhe von 7,92 Cent/ Minute. Dieser Genehmigung liegt ebenfalls ein Tarifvergleich mit dem der O2 für den genannten Zeitraum genehmigten Terminierungsentgelt zugrunde. Die Bundesnetzagentur hat den Vergleichswert in diesem Fall jedoch durch einen Abschlag von 10 Prozentpunkten zu Lasten der Klägerin korrigiert. Hierdurch sollte neben den unterschiedlichen Frequenzausstattungen namentlich den divergierenden Mengengerüsten der O2 einerseits und der Klägerin andererseits Rechnung getragen werden, die ihrerseits zu einem nicht unwesentlichen Teil auf unterschiedlichen Markteintrittsdaten beruhten.
Rz. 5
Mit ihrer Klage hat die Klägerin die Aufhebung der gegenüber der Beigeladenen ergangenen Entgeltgenehmigung begehrt, soweit ein Entgelt für die Terminierungen im Netz der Beigeladenen von mehr als 7,92 Cent/Minute genehmigt wird. Hilfsweise hat sie die Aufhebung der Entgeltgenehmigung beantragt.
Rz. 6
Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Der angefochtene Beschluss sei rechtmäßig. Die Bundesnetzagentur habe ausführlich und plausibel begründet, dass die von der Beigeladenen vorgelegten Kostenunterlagen für die Bestimmung der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung nicht ausgereicht hätten. Die Behörde habe indes in ermessensfehlerfreier Entscheidung den Entgeltantrag der Beigeladenen nicht nach § 35 Abs. 3 Satz 3 TKG abgelehnt, sondern über diesen gestützt auf die Ermächtigung des § 35 Abs. 1 Satz 2 TKG entschieden. Dabei habe sie in fehlerfreier Ausübung des ihr nach § 35 Abs. 1 TKG zustehenden Auswahlermessens als alternative Methoden zur Ermittlung der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung eine nationale Vergleichsmarktbetrachtung, eine internationale Vergleichsmarktbetrachtung und die Anwendung eines Kostenmodells in Betracht gezogen, einleuchtende Gründe für das Fehlen eines Kostenmodells benannt und sich in nachvollziehbarer Weise für die erstgenannte Methode entschieden. Der Bundesnetzagentur seien bei der Anwendung der nationalen Vergleichsmarktbetrachtung keine Rechtsfehler unterlaufen. Eine Vergleichsmarktbetrachtung sei auch dann zulässig, wenn es sich bei dem Vergleichsmarkt – wie hier – um einen Monopolmarkt handele, dessen Preise nicht im freien Wettbewerb gebildet, sondern ex ante reguliert würden. Die Bundesnetzagentur habe das Entgelt für die Terminierungsleistung im Mobilfunknetz von O2 auf der Grundlage hinreichender Kostenunterlagen ermittelt. Dieses Entgelt sei für die entsprechende Leistung der Anrufzustellung auf einem Terminierungsmarkt mit weithin deckungsgleichen und im Übrigen in ihrer Unterschiedlichkeit erkannten, die Heranziehung als Vergleichsmarkt jedoch nicht ausschließenden Bedingungen tatsächlich erhoben worden. Selbst wenn das Vergleichsentgelt fehlerhaft, insbesondere überhöht genehmigt worden sein sollte, bedeute dies nicht, dass es als untaugliche, weil zu schmale Basis für einen Preisvergleich angesehen werden müsse. Für die Vergleichsmarktbetrachtung komme es auf den im Genehmigungszeitraum tatsächlich geltenden Preis und nicht auf preisbildende Faktoren wie die Kosten des Vergleichsunternehmens an. Die angefochtene Entgeltgenehmigung sei auch nicht deshalb rechtswidrig, weil die Bundesnetzagentur es unterlassen habe, den zum Vergleich herangezogenen Preis im Hinblick auf die Besonderheit des Vergleichsmarkts um einen Abschlag zu vermindern. Die Behörde habe im Rahmen ihres insoweit bestehenden Regulierungsermessens in nicht zu beanstandender Weise angenommen, dass sich die Unterschiede bei der Anzahl der in den Netzen der Beigeladenen und der O2 angeschlossenen Teilnehmer nicht erheblich ausgewirkt hätten. Für die Rechtmäßigkeit der Entgeltgenehmigung sei ohne Bedeutung, ob in Bezug auf den Umfang der terminierten Verbindungsminuten und damit verbunden der Stückkosten Unterschiede zwischen der Klägerin und der Beigeladenen bestanden hätten. Es seien nur die kostenwirksamen Unterschiede zu berücksichtigen, die zwischen dem zum Vergleich herangezogenen und dem zu beurteilenden Markt bzw. Unternehmen beständen. Dass der Beigeladenen für den fraglichen Zeitraum ein Terminierungsentgelt genehmigt worden sei, das dasjenige der Klägerin um 0,88 Cent/ Minute überschreite, stelle keinen rechtserheblichen Mangel dar. Weder aus dem nationalen Recht noch aus dem Unionsrecht folge eine Verpflichtung, die Terminierungsentgelte der nationalen Mobilfunknetzbetreiber symmetrisch, d.h. für identische Zeiträume in derselben Höhe zu genehmigen. Das Entgelt entspreche schließlich den Anforderungen des § 28 TKG, der neben § 31 TKG nur eine Preisuntergrenze ziehe.
Rz. 7
Die Klägerin macht zur Begründung ihrer von dem Verwaltungsgericht zugelassenen Revision geltend: Die Annahme, es bestehe kein Gebot zur Genehmigung symmetrischer Mobilfunkterminierungsentgelte, verstoße gegen § 31 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 TKG. Durch den Effizienzmaßstab werde ein wettbewerbsanaloger Preis vorgegeben. Dies sei ein symmetrischer, d.h. für alle vier Mobilfunknetzbetreiber identischer Preis. Hiervon gehe auch die Kommission in der sog. Terminierungsentgelteempfehlung 2009/396/EG aus. Diese Empfehlung sei mit Blick darauf, dass der Maßstab der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 TKG seinen unionsrechtlichen Ursprung in dem Gebot der Kostenorientierung gemäß Art. 13 der Zugangsrichtlinie habe, vom Verwaltungsgericht heranzuziehen gewesen. Auch die Beklagte selbst sei schon im Jahr 2010 von der Notwendigkeit eines unternehmensübergreifenden Effizienzmaßstabs ausgegangen. Hätte das Verwaltungsgericht die Geltung des Symmetriegrundsatzes zu Grunde gelegt, hätte es den angefochtenen Beschluss wegen der Abweichung von der Genehmigung der Klägerin aufheben müssen. Das vorinstanzliche Urteil erweise sich auch nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig. Namentlich könne die streitgegenständliche Genehmigung nicht auf die Annahme gestützt werden, es bestünden wesentliche kostenmäßige Unterschiede zwischen der Klägerin und der Beigeladenen. Die Beigeladene habe während der gesamten Genehmigungsperiode über Frequenzen in größerem Umfang als die Klägerin verfügt. Dabei habe ihr auch netzbezogene Infrastruktur im Bereich von 900 MHz tatsächlich zur Verfügung gestanden. Frequenzbedingte Nachteile der Beigeladenen hätten daher nicht bestanden. Die Genehmigung eines asymmetrischen Entgelts könne auch nicht mit angeblich divergierenden Mengengerüsten in den Netzen der Beigeladenen einerseits und der Klägerin andererseits gerechtfertigt werden. Durch den späteren Markteintritt bedingte Nachteile im Hinblick auf die Mengengerüste könnten nach 15-jähriger Markttätigkeit der Beigeladenen nicht mehr berücksichtigt werden. Sollten mögliche Effizienzgewinne aufgrund eines erhöhten Verkehrsvolumens abgeschöpft werden, würden weniger erfolgreiche Unternehmen durch relativ höhere Terminierungsentgelte „belohnt” und der Anreiz für dynamischen Wettbewerb um Verkehrsmengen verringert.
Rz. 8
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 2. Oktober 2013 zu ändern und den Beschluss der Bundesnetzagentur vom 30. November 2007 (Bk 3a-07-027/E 21.09.07) insoweit aufzuheben, als dort unter Ziffer 1 des Beschlusstenors ein Verbindungsentgelt für die Terminierung im Netz der Beigeladenen von mehr als 7,92 Cent/Minute genehmigt wird,
hilfsweise,
den Beschluss der Bundesnetzagentur vom 30. November 2007 (Bk 3a-07-027/E 21.09.07) aufzuheben.
Rz. 9
Die Beklagte und die Beigeladene beantragen jeweils,
die Revision zurückzuweisen.
Rz. 10
Sie verteidigen das Urteil des Verwaltungsgerichts.
Entscheidungsgründe
II
Rz. 11
Die zulässige Revision der Klägerin ist mit dem Hauptantrag begründet. Das die Klage abweisende Urteil des Verwaltungsgerichts verletzt insofern Bundesrecht und stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar. Das Verwaltungsgericht hätte dem Antrag, den Beschluss der Bundesnetzagentur vom 30. November 2007 aufzuheben, soweit in diesem der Beigeladenen ein höheres Mobilfunk-Terminierungsentgelt als 7,92 Cent/Minute genehmigt wird, stattgeben müssen.
Rz. 12
Die Klage ist mit dem Hauptantrag zulässig (1.). In der Sache ist die Entgeltgenehmigung zwar nicht aus formell-rechtlichen Gründen zu beanstanden (2.). Der von dem Verwaltungsgericht nicht beanstandete Beschluss verstößt aber in materieller Hinsicht gegen die revisiblen Vorschriften aus § 31 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 und § 35 Abs. 1 und Abs. 3 des Telekommunikationsgesetzes (TKG) vom 22. Juni 2004 (BGBl. I S. 1190) in der hier anwendbaren Fassung vom 18. Februar 2007 (BGBl. I S. 106) (3.). Hierdurch wird die Klägerin in dem bezeichneten Zeitraum in ihren Rechten verletzt (4.). Die Entscheidung, den Beschluss der Bundesnetzagentur vom 30. November 2007 für das Rechtsverhältnis zwischen der Beigeladenen und der Klägerin (vgl. zur Teilbarkeit einer Entgeltgenehmigung in persönlicher Hinsicht: BVerwG, Urteil vom 25. September 2013 – 6 C 13.12 – BVerwGE 148, 48 Rn. 64 ff.) in dem beantragten Umfang aufzuheben, zu der das Verwaltungsgericht bei zutreffender Auslegung des revisiblen Rechts hätte gelangen müssen, kann der Senat selbst treffen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO).
Rz. 13
1. Die uneingeschränkte Zulässigkeit der mit dem Hauptantrag erhobenen Anfechtungsklage scheitert weder an einer fehlenden Klagebefugnis der Klägerin (a)) noch an einer mangelnden Statthaftigkeit des im Hinblick auf die Höhe des genehmigten Entgelts beschränkten Aufhebungsbegehrens (b)).
Rz. 14
a) Als Zusammenschaltungspartnerin der Beigeladenen kann die Klägerin im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO geltend machen, durch den angefochtenen Beschluss der Bundesnetzagentur in ihren Rechten verletzt zu sein. Das privatrechtliche Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin und der Beigeladenen wird durch die Entgeltgenehmigung gemäß § 37 Abs. 1 und 2 TKG unmittelbar gestaltet. Ist die Genehmigung rechtswidrig, weil das Entgelt den in § 31 Abs. 1 Satz 1 TKG bestimmten Maßstab der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung nicht einhält, kann die Klägerin den darin liegenden Eingriff in die durch Art. 2 Abs. 1 GG grundrechtlich geschützte Privatautonomie mit der Anfechtungsklage abwehren (vgl. BVerwG, Urteile vom 25. März 2009 – 6 C 3.08 – Buchholz 442.066 § 35 TKG Nr. 2 Rn. 32 und vom 25. November 2009 – 6 C 34.08 – Buchholz 442.066 § 31 TKG Nr. 1 Rn. 30).
Rz. 15
b) Die angefochtene Entgeltgenehmigung kann in dem von der Klägerin lediglich erstrebten, betragsmäßig eingeschränkten Umfang nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO teilweise aufgehoben werden. Gegen eine Teilbarkeit der Entgeltgenehmigung in diesem Sinne bestehen keine Bedenken. Sie ergeben sich insbesondere nicht daraus, dass die Bundesnetzagentur nach der Rechtsprechung des Senats bei der Ermittlung der für die Entgeltgenehmigung maßgeblichen Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung in Teilbereichen über gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbare Beurteilungsspielräume verfügt. Aus diesem Umstand kann nicht hergeleitet werden, dass die auf einen bestimmten Betrag beschränkte Teilaufhebung einer Entgeltgenehmigung ausscheiden müsste, weil nicht feststellbar wäre, ob der nicht aufgehobene Teil von der Bundesnetzagentur mit der fraglichen Entgelthöhe erlassen worden wäre. Wird eine Entgeltgenehmigung wegen der fehlerhaften Ausfüllung eines Beurteilungsspielraums aufgehoben, ist die Bundesnetzagentur durch die materielle Rechtskraft des Urteils im Sinne des § 121 VwGO nicht an dem Erlass einer neuen Genehmigung unter fehlerfreier Wahrnehmung ihres Beurteilungsspielraums gehindert (vgl. in diesem Sinne für Ermessensverwaltungsakte: Kilian, in: Sodan/Ziekow ≪Hrsg.≫, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 121 Rn. 72; Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl. 2014, § 121 Rn. 21). Kommt es in dieser Konstellation wegen eines entsprechend eingeschränkten Aufhebungsantrags nur zu einer Teilaufhebung der Entgeltgenehmigung, hat dies lediglich zur Folge, dass die Höhe des bestehengebliebenen Teils des Entgelts wegen der insoweit eingetretenen Bestandskraft der Entgeltgenehmigung bei dem Erlass der neuen Genehmigung nicht unterschritten werden darf. Ein tragfähiger Grund für den Ausschluss der teilweisen Aufhebung einer Entgeltgenehmigung liegt darin nicht (vgl. zur Teilbarkeit von Verwaltungsakten auch bei administrativen Entscheidungsspielräumen allgemein: BVerwG, Urteil vom 28. Januar 2009 – 6 C 39.07 – Buchholz 442.066 § 10 TKG Nr. 3 Rn. 44).
Rz. 16
2. Der Umstand, dass die Bundesnetzagentur vor Erlass des Beschlusses vom 30. November 2007 kein nationales Konsultationsverfahren nach § 12 Abs. 1 TKG und kein unionsweites Konsolidierungsverfahren im Sinne von § 12 Abs. 2 TKG durchgeführt hat, kann nicht zum Erfolg der Klage führen. Zwar hat der Senat in objektiv-rechtlicher Hinsicht entschieden, dass die Bundesnetzagentur über die in § 10 Abs. 3, § 11 Abs. 3 und § 13 Abs. 1 Satz 1 TKG ausdrücklich geregelten Fälle hinaus gemäß § 15 i.V.m. § 12 Abs. 1 TKG auch vor dem Erlass einer Entgeltgenehmigung ein Konsultationsverfahren durchführen muss, und dem Gerichtshof der Europäischen Union die Frage nach der unionsrechtlichen Erforderlichkeit des insoweit vom nationalen Recht nicht verlangten Konsolidierungsverfahrens vorgelegt (BVerwG, Beschluss vom 25. Juni 2014 – 6 C 10.13 – BVerwGE 150, 74 Rn. 26 ff.). Der Senat hat jedoch andererseits darauf erkannt, dass weder die nationalen Vorschriften über das Konsultations- und Konsolidierungsverfahren noch Art. 6 bis 8 der Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste (ABl. L 108 S. 33) – Rahmenrichtlinie – bzw. Art. 8 und 13 der Richtlinie 2002/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über den Zugang zu elektronischen Kommunikationsnetzen und zugehörigen Einrichtungen sowie deren Zusammenschaltung (ABl. L 108 S. 7) – Zugangsrichtlinie einen individualschützenden Charakter aufweisen (vgl. im Einzelnen: BVerwG, Beschlüsse vom 10. Dezember 2014 – 6 C 16.13 – juris Rn. 30 und – 6 C 18.13 – juris Rn. 25).
Rz. 17
Die Senatsrechtsprechung wird nicht durch das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 22. Januar 2015 (C-282/13, T-Mobile Austria) in Frage gestellt. Diese Entscheidung verhält sich nicht zu der hier relevanten Frage des individualschützenden Charakters von telekommunikationsrechtlichem Verfahrensrecht. Dies ist offenkundig, lässt keinen Raum für vernünftige Zweifel und erübrigt deshalb eine Befassung des Gerichtshofs im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens.
Rz. 18
Der Gerichtshof stellt in dem genannten Urteil fest, dass sich Art. 4 der Rahmenrichtlinie als Ausprägung des Grundsatzes eines effektiven Rechtsschutzes nicht nur auf den Adressaten der Entscheidung einer nationalen Regulierungsbehörde bezieht, sondern auch auf die übrigen Anbieter elektronischer Kommunikationsnetze oder -dienste, die Wettbewerber dieses Adressaten sein können, sofern die fragliche Entscheidung geeignet ist, sich auf ihre Marktstellung auszuwirken (EuGH, Urteil vom 22. Januar 2015 – C-282/13, T-Mobile Austria – Rn. 37). Voraussetzung dafür, dass ein Wettbewerber in diesem Sinne als Betroffener nach Art. 4 der Rahmenrichtlinie angesehen werden kann, ist jedoch, dass er sich – jedenfalls auch – auf eine materielle Rechtsposition des Unionsrechts stützen kann. Dass der Gerichtshof dieses Normverständnis, das seinem – in Bezug genommenen – Urteil vom 21. Februar 2008 – C-426/05, Tele 2 Telecommunication – Rn. 31, 32 und 36) zu Grunde liegt, nicht aufgegeben hat, also einem Wettbewerber die Stellung eines Betroffenen nach Art. 4 der Rahmenrichtlinie nicht allein auf Grund einer verfahrensrechtlichen Position einräumt, ergibt sich daraus, dass er sich entscheidend auf die im konkreten Fall einschlägige, materiell wettbewerbsschützende Bestimmung des Art. 5 Abs. 6 der Richtlinie 2002/20/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über die Genehmigung elektronischer Kommunikationsnetze und -dienste (ABl. L 108 S. 21) – Genehmigungsrichtlinie – stützt (EuGH, Urteil vom 22. Januar 2015 – C-282/13, T-Mobile Austria – Rn. 34 f., 41 ff.).
Rz. 19
3. In der Sache hat das Verwaltungsgericht zwar nicht dadurch gegen die revisiblen Vorschriften aus § 31 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 und § 35 Abs. 1 und 3 TKG verstoßen, dass es die Entscheidung der Bundesnetzagentur, für die Bestimmung der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung seitens der Beigeladenen überhaupt eine Vergleichsmarktbetrachtung anzustellen, nicht beanstandet (a)) und (b)), eine Inzidentkontrolle des als Vergleichsentgelt herangezogenen regulierten Entgelts der Mobilfunknetzbetreiberin O2 abgelehnt (c)) und das Entgelt der Beigeladenen nicht in gleicher Höhe wie dasjenige der Klägerin genehmigt hat (d)). Das Verwaltungsgericht hat jedoch unter Verletzung der bezeichneten telekommunikationsrechtlichen Vorschriften verkannt, dass die Bundesnetzagentur nicht allein auf den Markt für Anrufzustellungen im Mobilfunknetz von O2 als Vergleichsmarkt bzw. auf das dort genehmigte Entgelt als Vergleichsentgelt abstellen durfte (e)).
Rz. 20
a) Die Bundesnetzagentur musste die beantragte Entgeltgenehmigung nicht nach § 35 Abs. 3 Satz 3 TKG versagen, obwohl die Kostenunterlagen im Sinne des § 33 TKG, die die Beigeladene mit ihrem Entgeltantrag vorgelegt hatte, nach der mit Revisionsrügen nicht angegriffenen Feststellung des Verwaltungsgerichts zur Bestimmung der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung nicht ausreichten. Das Verwaltungsgericht hat es zu Recht nicht als ermessensfehlerhaft bewertet, dass die Regulierungsbehörde wegen der im Fall der Genehmigungsversagung drohenden finanziellen Unsicherheiten für die Beigeladene und ihre Wettbewerber auf der Grundlage des § 35 Abs. 1 Satz 2 TKG auf eine alternative Methode zur Ermittlung der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 TKG zurückgegriffen hat.
Rz. 21
b) Der Entscheidungsspielraum, der der Bundesnetzagentur bei einer auf § 35 Abs. 1 Satz 2 TKG gestützten Entgeltregulierung im Hinblick auf die Auswahl der in § 35 Abs. 1 Satz 1 TKG genannten Methoden der Vergleichsmarktbetrachtung (Nr. 1) und des Kostenmodells (Nr. 2) als Alternativen für eine Ermittlung der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung auf Grund von Kostenunterlagen zusteht, ist nicht als ein auf der Tatbestandsseite der Norm angesiedelter Beurteilungsspielraum, sondern als ein die Rechtsfolgen betreffendes Ermessen zu qualifizieren (BVerwG, Beschlüsse vom 10. Dezember 2014 – 6 C 16.13 – juris Rn. 33 und – 6 C 18.13 – juris Rn. 28). Dieses Auswahlermessen der Regulierungsbehörde war hier nicht in der Weise reduziert, dass nur die Anwendung eines Kostenmodells in Betracht gekommen wäre. Dies ergibt sich schon in tatsächlicher Hinsicht daraus, dass der Behörde nach Feststellung des Verwaltungsgerichts innerhalb der von ihr nach § 31 Abs. 6 Satz 3 TKG einzuhaltenden Entscheidungsfrist von zehn Wochen kein solches Modell zur Verfügung stand. Darüber hinaus sind in rechtlicher Hinsicht die Vergleichsmarktbetrachtung und die Anwendung eines Kostenmodells nach § 35 Abs. 1 TKG prinzipiell gleichrangig. Art. 13 Abs. 2 Satz 2 der Zugangsrichtlinie sieht die Vergleichsmarktbetrachtung ebenfalls ausdrücklich vor (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 10. Dezember 2014 – 6 C 16.13 – juris Rn. 33 und – 6 C 18.13 – juris Rn. 28).
Rz. 22
c) Das Verwaltungsgericht hat es zu Recht auch abgelehnt, im Rahmen der Klage gegen die auf Basis einer Vergleichsmarktbetrachtung erteilte Entgeltgenehmigung der Beigeladenen in eine inzidente Überprüfung des für die Mobilfunknetzbetreiberin O2 auf der Grundlage von Kostenunterlagen festgesetzten Vergleichsentgelts am Maßstab der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung einzutreten.
Rz. 23
Die Vergleichsmarktbetrachtung hat ihren Ursprung im allgemeinen Wettbewerbsrecht (vgl. etwa: BGH, Beschlüsse vom 16. Dezember 1976 – KVR 2/76 – BGHZ 68, 23 ≪33≫, vom 12. Februar 1980 – KVR 3/79 – BGHZ 76, 142 ≪150 ff.≫ und vom 28. Juni 2005 – KVR 17/04 – BGHZ 163, 282 ≪291 ff.≫). In Anlehnung hieran (BVerwG, Urteil vom 23. Juni 2010 – 6 C 36.08 – Buchholz 442.066 § 38 TKG Nr. 2 Rn. 22) wird sie in § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TKG als Vergleich von Preisen solcher Unternehmen beschrieben, die entsprechende Leistungen auf vergleichbaren, dem Wettbewerb geöffneten Märkten anbieten, wobei die Besonderheiten der Vergleichsmärkte zu berücksichtigen sind. Vergleichsobjekt sind demnach die auf den jeweiligen Märkten zu beobachtenden Preise und nicht die Kosten, die den dort tätigen Unternehmen entstehen. Diese Kosten spielen bei einer Vergleichsmarktbetrachtung nur dann eine Rolle, wenn sie Ausdruck struktureller Marktunterschiede sind, denen durch Abschläge oder Zuschläge auf das Vergleichsentgelt Rechnung getragen werden kann und muss. Dies leuchtet unmittelbar ein, wenn die Vergleichsmarktbetrachtung gemäß § 38 Abs. 2 Satz 3 TKG im Rahmen der nachträglichen Entgeltregulierung der Prüfung einer etwaigen Missbräuchlichkeit der Entgelte anhand der Maßstäbe des § 28 TKG dient. Nichts anderes gilt indes, wenn im Verfahren der Ex-ante-Entgeltgenehmigung die Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung auf der Grundlage von § 35 Abs. 1 Satz 2 TKG durch eine Vergleichsmarktbetrachtung ermittelt werden. Hier wird durch die Vergleichsmarktbetrachtung nicht lediglich ein Preis gefunden, der dann noch – quasi in einem weiteren Schritt – auf seine Übereinstimmung mit den Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung hin zu überprüfen wäre. Vielmehr entspricht der ermittelte Vergleichspreis nach der Vorstellung des Gesetzgebers ohne Weiteres dem Maßstab der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung (in diesem Sinne: BVerwG, Beschlüsse vom 10. Dezember 2014 – 6 C 16.13 – juris Rn. 55, 59 und – 6 C 18.13 – juris Rn. 50, 54 sowie zuvor bereits: BVerwG, Urteil vom 25. September 2013 – 6 C 13.12 – BVerwGE 148, 48 Rn. 23; zu den Zusammenhängen insgesamt: Groebel, in: Säcker, ≪Hrsg.≫, TKG, 3. Aufl. 2013, § 35 Rn. 3, 19 ff.).
Rz. 24
Die inzidente Kostenkontrolle des Vergleichsentgelts liefe hier darauf hinaus, ein Strukturelement der Vergleichsmarktbetrachtung als Methode zur Bestimmung der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung, nämlich die Übernahme eines gegebenenfalls um Abschläge oder Zuschläge korrigierten Vergleichsentgelts als Abbild der effizienten Kosten, jedenfalls zum Teil durch eine Kosteneffizienzprüfung auf der Grundlage von Kostenunterlagen – und zwar der Unterlagen eines Wettbewerbers des Adressaten der Entgeltgenehmigung – zu ersetzen und auf diese Weise eine spezifische Mischform der beiden Methoden zu etablieren, deren Anwendung auf das gerichtliche Verfahren beschränkt wäre. Eine solche in ihrem Anwendungsbereich beschränkte Mischform der Kostenermittlungsmethoden ist im Telekommunikationsgesetz nicht vorgesehen und wäre schon deshalb im Hinblick auf ihre Voraussetzungen und Bedingungen gänzlich unbestimmt.
Rz. 25
d) Das Verwaltungsgericht hat ferner nicht dadurch gegen § 31 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 und § 35 Abs. 1 und 3 TKG verstoßen, dass es die Abweichung des der Beigeladenen genehmigten Mobilfunk-Terminierungsentgelts von dem der Klägerin genehmigten Entgelt, das wegen der Vornahme eines Abschlags auf das herangezogene Vergleichsentgelt um 0,88 Cent/Minute niedriger ist, nicht beanstandet hat. Die Einwände der Klägerin, es bestehe eine gesetzliche Pflicht zur Genehmigung „symmetrischer” Entgelte und es gebe jedenfalls keine wesentlichen kostenmäßigen Unterschiede zwischen den D-Netz- und den E-Netz-Betreibern, können nicht zum Erfolg der Klage führen. Abgesehen davon, dass nach der Rechtsprechung des Senats aus dem Effizienzbegriff des § 31 Abs. 1 Satz 1 TKG keine Rechtspflicht zur Genehmigung „symmetrischer” Entgelte hergeleitet werden kann (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 10. Dezember 2014 – 6 C 16.13 – juris Rn. 50 ff. und – 6 C 18.13 – juris Rn. 45 ff.), wäre ein Verstoß gegen eine solche Rechtspflicht in der vorliegenden Fallkonstellation schon im Ansatz nicht festzustellen. Gegenstand des angefochtenen Beschlusses der Bundesnetzagentur ist nicht die der Klägerin, sondern allein die der Beigeladenen erteilte Entgeltgenehmigung. Im Rahmen der Vergleichsmarktbetrachtung hat die Bundesnetzagentur das auf dem Vergleichsmarkt – hier dem Markt für die Terminierung in das Mobilfunknetz der O2 – erhobene Entgelt ohne Abschlag auf die Beigeladene übertragen und damit die Entgelte der Beigeladenen und der O2 für denselben Zeitraum in gleicher Höhe, mithin „symmetrisch” genehmigt. Ob bei der Genehmigung des Entgelts für die Terminierung in das Mobilfunknetz der Klägerin ein Abschlag auf das Vergleichsentgelt der O2 vorgenommen werden durfte, wodurch zugleich eine entsprechende „Asymmetrie” zwischen den der Klägerin und der Beigeladenen jeweils genehmigten Entgelte entsteht, ist in diesem Zusammenhang nicht entscheidungserheblich. Den entsprechenden Einwänden der Klägerin kann ausschließlich in ihrem eigenen Entgeltgenehmigungsverfahren bzw. dem – beim Verwaltungsgericht noch anhängigen – Klageverfahren nachgegangen werden, mit dem sie die Verpflichtung der Bundesnetzagentur zur Genehmigung höherer eigener Mobilfunk-Terminierungsentgelte begehrt.
Rz. 26
e) Das Verwaltungsgericht hätte jedoch darauf erkennen müssen, dass die Bundesnetzagentur die Beurteilungsspielräume, die ihr im Rahmen einer auf einer Vergleichsmarktbetrachtung beruhenden Entgeltgenehmigung zustehen (aa)), bei der Genehmigung des Mobilfunk-Terminierungsentgelts der Beigeladenen fehlerhaft ausgefüllt hat, weil sie ausschließlich auf den Markt für Anrufzustellungen im Mobilfunknetz der Betreiberin O2 als Vergleichsmarkt und auf das dort genehmigte Entgelt als Vergleichsentgelt abgestellt (bb) und unter Verstoß gegen verfahrensrechtliche Vorgaben von der Vornahme eines Korrekturabschlags abgesehen (cc)) hat.
Rz. 27
aa) Der Bundesnetzagentur steht, wenn sie auf der Grundlage von § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 TKG eine Vergleichsmarktbetrachtung zum Zweck der Ermittlung der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung anstellt, sowohl für die Entscheidung, welche Märkte sie als Vergleichsbasis heranzieht, als auch für die Entscheidung, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Vergleichsmärkte Abschläge bzw. Zuschläge auf das Vergleichsentgelt anzusetzen sind, ein Beurteilungsspielraum zu. Diese regulierungsbehördlichen Beurteilungsspielräume knüpfen an den Umstand an, dass die Vergleichsmarktbetrachtung als Methode zur Ermittlung der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung ein komplexes, mehrphasiges Verfahren darstellt, das erstens mit der bewertenden Feststellung beginnt, welche Märkte mit dem relevanten Markt im Wesentlichen vergleichbar sind, das auf dieser Grundlage zweitens eine Auswahlentscheidung hinsichtlich derjenigen Märkte erfordert, welche zur Ermittlung des Vergleichspreises heranzuziehen sind, das drittens gegebenenfalls eine gestaltende Entscheidung dahingehend verlangt, in welcher Höhe das ermittelte Vergleichsentgelt etwa durch Zu- oder Abschläge zu korrigieren ist, um strukturelle Marktunterschiede auszugleichen, und in dem es viertens unter Umständen einer ebenfalls gestaltenden Entscheidung darüber bedarf, ob bzw. inwieweit das ermittelte Vergleichsentgelt um einen Sicherheitszuschlag (weiter) zu erhöhen ist (vgl. die ausführliche Begründung in: BVerwG, Beschlüsse vom 10. Dezember 2014 – 6 C 16.13 – juris Rn. 35 ff. und – 6 C 18.13 – juris Rn. 30 ff.).
Rz. 28
bb) Das Verwaltungsgericht hätte es als Überschreitung des regulierungsbehördlichen Beurteilungsspielraums für die Vergleichsmarktidentifizierung und Vergleichsmarktauswahl beanstanden müssen, dass die Bundesnetzagentur den Markt für Anrufzustellungen im Mobilfunknetz von O2 als alleinigen Vergleichsmarkt herangezogen und dementsprechend das Mobilfunk-Terminierungsentgelt von O2 als Vergleichsentgelt ohne Weiteres auf die Beigeladene übertragen hat. Dass die Klägerin insoweit keine Einwände erhoben hat, ist für den Erfolg der Revision ohne Belang. Nach § 137 Abs. 3 Satz 2 VwGO ist das Bundesverwaltungsgericht an die geltend gemachten Revisionsgründe nicht gebunden. Der Revisionskläger kann die Prüfung daher nicht auf bestimmte materielle Mängel beschränken und erreichen, dass das Bundesverwaltungsgericht nur eine bestimmte, ihn interessierende Rechtsfrage entscheidet.
Rz. 29
Eine der Maßgaben, auf deren Einhaltung die behördliche Ausfüllung eines Beurteilungsspielraums im Verwaltungsprozess zu überprüfen ist, besteht darin, dass die Behörde von einem richtigen Verständnis des anzuwendenden Gesetzesbegriffs ausgegangen sein muss. Den gesetzlichen Begriff des Vergleichsmarkts, der sich aus der bereits genannten Umschreibung der Vergleichsmarktbetrachtung in § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TKG ergibt, hat die Bundesnetzagentur durch ihr alleiniges Abstellen auf den Markt für Anrufzustellungen im Mobilfunknetz von O2 verkannt.
Rz. 30
Zwar ist zwischen den Beteiligten nicht umstritten, dass die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TKG zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt insoweit erfüllt waren, als die Mobilfunk-Terminierungsmärkte von O2 und der Beigeladenen in einem Großteil ihrer Rahmenbedingungen übereinstimmten und auf ihnen entsprechende Leistungen erbracht wurden.
Rz. 31
Im Ausgangspunkt zutreffend und insoweit von dem Verwaltungsgericht zu Recht unbeanstandet ist die Bundesnetzagentur ferner davon ausgegangen, dass – wie im Fall des Mobilfunk-Terminierungsmarkts von O2 gegeben – auch monopolistisch strukturierte und darüber hinaus ihrerseits regulierte Märkte vergleichbare Märkte im Sinne des § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TKG sein können. Ersteres rechtfertigt sich aus der Überlegung, dass Marktkräfte nicht nur auf der Anbieterseite, sondern auch auf der Nachfragerseite wirken (BVerwG, Urteil vom 23. Juni 2010 – 6 C 36.08 – Buchholz 442.066 § 38 TKG Nr. 2 Rn. 26; vgl. auch: BVerwG, Urteil vom 2. April 2008 – 6 C 15.07 – BVerwGE 131, 41 Rn. 32 ff.) und ist bereits nach allgemeinem Wettbewerbsrecht nicht ausgeschlossen (BGH, Beschlüsse vom 21. Oktober 1986 – KVR 7/85 – NJW-RR 1987, 554 ≪555≫ und vom 28. Juni 2005 – KVR 17/04 – BGHZ 163, 282 ≪292≫; Fuchs/Möschel, in: Immenga/Mestmäcker ≪Hrsg.≫, Wettbewerbsrecht, Bd. 2, GWB, Teil 1, 5. Aufl. 2014, § 19 Rn. 269). Letzteres wollte der Gesetzgeber über den Rechtsstand des allgemeinen Wettbewerbsrechts hinaus durch die Formulierung der dem Wettbewerb geöffneten Märkte gezielt zulassen (BT-Drs. 15/2316 S. 69). Voraussetzung für das eine wie für das andere ist jedoch, dass wenigstens eine schmale Basis für die Vergleichbarkeit der Entgelte besteht (BVerwG, Urteil vom 23. Juni 2010 – 6 C 36.08 – Buchholz 442.066 § 38 TKG Nr. 2 Rn. 27).
Rz. 32
Dass eine solche auch nur schmale Basis im vorliegenden Fall nicht bestand, haben sowohl die Bundesnetzagentur als auch das Verwaltungsgericht verkannt: Infolge der Betrachtung nur eines Markts – des Mobilfunk-Terminierungsmarkts von O2 – mit nur einem Vergleichsentgelt fehlte es an einem Korrektiv in Form weiterer in die Vergleichsanalyse eingehender Werte. Es handelte sich bei dem Vergleichsentgelt von O2 seinerseits um ein reguliertes Entgelt, dass die Behörde nach vorheriger Kostenprüfung gleichzeitig mit den darauf bezogenen Entgelten der Beigeladenen und weiterer Wettbewerber festgesetzt hatte. Wegen der fehlenden Bestandskraft der Genehmigung des Vergleichsentgelts stand dieses von Anfang an unter dem Vorbehalt einer von O2 im Klageweg erreichten Anhebung, die in Anbetracht des Umstands, dass bei der Entgeltfestsetzung gewichtige Kostenpositionen in Gestalt der historischen Kosten der UMTS-Lizenz und eines höheren Kapitalkostenansatzes nicht berücksichtigt worden waren, ein erhebliches Ausmaß erreichen konnte. Dieser Vorbehalt barg, da eine spätere Anhebung des Vergleichsentgelts von O2 nicht mehr auf die Entgelte der Beigeladenen und weiterer Wettbewerber mit einer Belastung durch vergleichbare, unternehmensübergreifende Kostenpositionen würde übertragen werden können, zugleich die Gefahr einer erheblichen Wettbewerbsverzerrung in sich.
Rz. 33
Der Bundesnetzagentur hat ausweislich der Begründung der angegriffenen Entgeltgenehmigung nicht vor Augen gestanden, dass der eingeschränkte Charakter der hier durchgeführten Vergleichsmarktbetrachtung deren Funktionsfähigkeit zur Ermittlung der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung außer Kraft setzen musste. Die Regulierungsbehörde hat nicht erkannt, dass sie zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung, das heißt, nachdem sie sich gegen eine Ablehnung des Entgeltantrags der Beigeladenen wegen nicht hinreichender Kostenunterlagen und für eine Ermittlung der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung im Wege der Vergleichsmarktbetrachtung entschieden hatte, eine breitere Basis für den Tarifvergleich hätte schaffen müssen. Je breiter diese Basis angelegt gewesen wäre, umso weniger Relevanz wäre im Fall regulierter Entgelte der Problematik der möglicherweise fehlenden Bestandskraft der jeweiligen Entgeltgenehmigungen zugekommen. Nach Lage der Dinge konnte eine solche breitere Basis nur durch eine – jedenfalls zusätzliche – Betrachtung internationaler Vergleichsmärkte hergestellt werden (zu den insoweit im Rahmen des regulierungsbehördlichen Beurteilungsspielraums zu beachtenden Vorgaben: BVerwG, Beschlüsse vom 10. Dezember 2014 – 6 C 16.13 – juris Rn. 48 ff. und – 6 C 18.13 – juris Rn. 43 ff.).
Rz. 34
Ein exekutiver Beurteilungsspielraum ist im Verwaltungsprozess weiterhin daraufhin zu überprüfen, ob die Behörde die gültigen Verfahrensbestimmungen eingehalten hat. Dies hat hier die Bundesnetzagentur jedenfalls insoweit versäumt, als sie vor dem Erlass der Entgeltgenehmigung für die Beigeladene kein nationales Konsultationsverfahren durchgeführt hat, wozu sie, wie bereits erwähnt, nach § 15 TKG i.V.m. § 12 Abs. 1 TKG objektiv-rechtlich verpflichtet gewesen wäre. Auf den Umstand, dass diese Vorschrift keinen individualschützenden Charakter hat, kommt es für die Frage der verfahrensfehlerfreien Ausfüllung des Beurteilungsspielraums nicht an (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 10. Dezember 2014 – 6 C 16.13 – juris Rn. 73 und – 6 C 18.13 – juris Rn. 68).
Rz. 35
cc) Das Verwaltungsgericht hätte ferner nicht als rechtmäßig bestätigen dürfen, dass die Bundesnetzagentur keinen Abschlag zu Lasten der Beigeladenen auf das Vergleichsentgelt von O2 vorgenommen hat. Durch diese Entscheidung hat die Regulierungsbehörde den Beurteilungsspielraum, der ihr, wie dargelegt, im Rahmen einer Vergleichsmarktbetrachtung in Bezug auf die Korrekturbedürftigkeit eines Vergleichsentgelts wegen Besonderheiten der Vergleichsmärkte auf Grund struktureller Marktunterschiede zusteht, nicht fehlerfrei wahrgenommen. Es ist grundsätzlich nicht ausgeschlossen, dass die Bundesnetzagentur nach der (Teil-)Aufhebung des angefochtenen Beschlusses der Beigeladenen eine neue Entgeltgenehmigung auf Grund einer Vergleichsmarktbetrachtung erteilt und in deren Rahmen das Vergleichsentgelt beurteilungsfehlerfrei mit einem der Klägerin zu gute kommenden Abschlag belegt.
Rz. 36
Zwar hat das Verwaltungsgericht die Begründung des angefochtenen Beschlusses zu Recht nicht beanstandet, soweit dort im Zusammenhang mit der Untersuchung der Vergleichbarkeit der Märkte ausgeführt wird, die Zahl der in den Netzen der Beigeladenen einerseits und der O2 andererseits angeschlossenen Teilnehmer sei mit Anteilen von derzeit 15,1 % bzw. 13 % der Mobilfunkendkunden vergleichbar, so dass in dieser Hinsicht keine wesentlichen kostenmäßigen Unterschiede bestünden. Diese Erwägungen der Beschlusskammer waren unter den konkreten Umständen ausreichend. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats muss sich die Regulierungsbehörde in der Begründung ihrer Entscheidung nicht mit Gesichtspunkten befassen, die nicht vorgetragen worden sind und sich auch nicht aufdrängen (vgl. BVerwG, Urteile vom 25. September 2013 – 6 C 13.12 – BVerwGE 148, 48 Rn. 43 und vom 11. Dezember 2013 – 6 C 23.12 – Buchholz 442.066 § 21 TKG Nr. 4 Rn. 33). Um einen solchen Fall handelt es sich hier, zumal im Rahmen einer Vergleichsmarktbetrachtung offensichtlich nicht alle kostenrelevanten Unterschiede mit letzter Genauigkeit beziffert werden können. Hinzu kommt, dass es auch an hinreichenden Anhaltspunkten dafür fehlt, dass die geringfügig unterschiedlichen Marktanteile der Beigeladenen und der O2 auf strukturelle Marktunterschiede zurückzuführen sind. Bei beiden Unternehmen handelt es sich um sog. E-Netz-Betreiber mit einer 1 800-MHz-Frequenzerstausstattung. Dass der im Vergleich mit O2 geringfügig größere Marktanteil der Beigeladenen noch neun Jahre nach dem Markteintritt von O2 (1998) allein auf die vier Jahre frühere Geschäftsaufnahme der Beigeladenen (1994) zurückzuführen gewesen sein sollte, erscheint dem Senat fernliegend (vgl. in diesem Zusammenhang auch BVerwG, Beschluss vom 25. Februar 2015 – 6 C 33.13 – und Urteil vom 25. Februar 2015 – 6 C 37.13 – in Bezug auf die Unterschiede zwischen O2 und den sog. D-Netz-Betreibern).
Rz. 37
Die Bundesnetzagentur ist jedoch bei der Ausfüllung ihres Beurteilungsspielraums auch insoweit der gerichtlich überprüfbaren Maßgabe der Einhaltung der gültigen Verfahrensbestimmungen nicht gerecht geworden. Wie bereits in Bezug auf den regulierungsbehördlichen Beurteilungsspielraum für die Vergleichsmarktidentifizierung und Vergleichsmarktauswahl festgestellt, liegt in der fehlenden Durchführung eines nationalen Konsultationsverfahrens nach § 15 TKG i.V.m. § 12 Abs. 1 TKG auch hinsichtlich des Beurteilungsspielraums für die Berücksichtigung von Besonderheiten der Vergleichsmärkte in Gestalt von Abschlägen oder Zuschlägen eine Verfehlung der gerichtlich überprüfbaren Anforderung, die gültigen Verfahrensbestimmungen einzuhalten.
Rz. 38
4. Die Klägerin wird durch den aus den dargelegten Gründen rechtswidrigen Beschluss der Bundesnetzagentur vom 30. November 2007 im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO in ihren Rechten verletzt, da – wie sich aus den Darlegungen im Rahmen der Klagebefugnis ergibt – wegen der gemäß § 37 Abs. 1 und 2 TKG privatrechtsgestaltenden Wirkung der Entgeltgenehmigung ein Eingriff in ihre durch Art. 2 Abs. 1 GG grundrechtlich geschützte Privatautonomie vorliegt.
Rz. 39
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 154 Abs. 3, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO und § 162 Abs. 3 VwGO.
Unterschriften
Neumann, Dr. Heitz, Dr. Möller, Hahn, Prof. Dr. Hecker
Fundstellen
Haufe-Index 7744857 |
CR 2016, 269 |