Entscheidungsstichwort (Thema)
Teilbarkeit von Abschiebungsandrohung und Ausreisefrist. erheblicher/unerheblicher Asylfolgeantrag. gesetzliche Umwandlung der Ausreisefrist. entsprechende Anwendung bei erfolgreichem Eilrechtsschutz im Folgeverfahren. kein Einfluss des Hauptsacheverfahrens auf die Ausreisefrist
Leitsatz (amtlich)
1. In asylrechtlichen Streitigkeiten kann die Festsetzung der Ausreisefrist auch ohne die Abschiebungsandrohung zum Gegenstand eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gemacht werden.
2. Hat das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge einen Asylfolgeantrag als unerheblich abgelehnt und hat der Antrag des Ausländers nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen die Abschiebungsandrohung Erfolg, endet die ursprünglich auf eine Woche festgesetzte Ausreisefrist in entsprechender Anwendung des § 37 Abs. 2 AsylVfG einen Monat nach unanfechtbarem Abschluss des Asylfolgeverfahrens.
3. Hat der Ausländer in einem derartigen Fall nicht oder erfolglos vorläufigen Rechtsschutz in Anspruch genommen, bleibt die Festsetzung der einwöchigen Ausreisefrist auch dann unberührt, wenn das Gericht im Verfahren der Hauptsache die Voraussetzungen zu einem weiteren Asylverfahren für gegeben und den Asylfolgeantrag für „einfach” unbegründet hält. Dem Ausländer ist die Abschiebung nach § 56 Abs. 6 Satz 2 AuslG anzukündigen, wenn er für mehr als ein Jahr eine Duldung erhalten hat oder hätte erhalten müssen.
Normenkette
AuslG § 42 Abs. 3, § 50 Abs. 1, § 56 Abs. 6; AsylVfG § 34 Abs. 1, § 36 Abs. 1, 3-4, § 37 Abs. 2, § 38 Abs. 1, § 71 Abs. 1, 4
Tenor
Die Urteile des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 10. September 1998 und des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 18. Mai 2000 werden geändert, soweit sie die Aufhebung der Ausreisefrist im Bescheid des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 3. November 1997 betreffen.
Auf die Berufung wird die Klage auch insoweit abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
I.
Der aus dem Kosovo stammende Kläger ist jugoslawischer Staatsangehöriger. Er reiste 1991 nach Deutschland ein und beantragte Asyl. Zur Begründung berief er sich darauf, dass er und seine Familie als albanische Volkszugehörige von der serbischen Polizei unterdrückt und misshandelt worden seien.
Mit rechtskräftig gewordenem Bescheid vom Dezember 1993 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Bundesamt) den Asylantrag ab. Ein erster Asylfolgeantrag des Klägers aus dem Jahr 1995 blieb erfolglos. Auf einen weiteren Folgeantrag, den der Kläger mit der Verschlechterung der Situation der Albaner im Kosovo begründete, lehnte es das Bundesamt mit Bescheid vom 3. November 1997 ab, ein weiteres Asylverfahren durchzuführen, forderte den Kläger auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen und drohte ihm die Abschiebung in die Bundesrepublik Jugoslawien an.
Das Verwaltungsgericht hat den Bescheid des Bundesamts aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, ein weiteres Asylverfahren durchzuführen. Im Berufungsverfahren hat der Kläger erstmals vorgetragen, er gehöre der Volksgruppe der Roma an und habe deshalb bei einer Rückkehr Verfolgungsmaßnahmen durch die im Kosovo lebenden Albaner zu befürchten.
Das Berufungsgericht hat das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Klage im Wesentlichen abgewiesen. Es hat den Bescheid des Bundesamts vom 3. November 1997 nur aufgehoben, soweit darin eine Ausreisefrist von einer Woche bestimmt ist. Zur Begründung hat es ausgeführt, im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung hätten die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens vorgelegen. Gleichwohl sei dem Kläger kein Asyl und kein Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG zu gewähren, auch wenn von seiner Zugehörigkeit zum Volk der Roma auszugehen sei. Angehörige der Roma seien von den serbischen Staatsorganen weder im Kosovo verfolgt worden, noch drohe ihnen außerhalb des Kosovo auf dem Gebiet der Bundesrepublik Jugoslawien politische Verfolgung. Auch von Seiten der ehemaligen Befreiungsarmee Kosovos (UCK) und den ihr nahe stehenden gesellschaftlichen Gruppierungen gehe keine politische Verfolgung aus, da sie mangels effektiver Gebietsgewalt keine staatsähnliche Macht ausüben könnten. Die Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG könne der Kläger ebenfalls nicht beanspruchen. Die Anfechtungsklage gegen die Abschiebungsandrohung sei jedoch begründet, soweit dem Kläger eine Ausreisefrist von einer Woche gesetzt worden sei. Da im maßgebenden Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens vorgelegen hätten, stehe dem Kläger nach § 38 Abs. 1 AsylVfG eine Ausreisefrist von einem Monat nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens zu. § 37 Abs. 2 AsylVfG, wonach die einwöchige Ausreisefrist kraft Gesetzes in eine Ausreisefrist von einem Monat umgewandelt werde, finde in Folgeantragsverfahren keine Anwendung. Vielmehr sei die Frist nunmehr vom Bundesamt neu festzusetzen.
Das Bundesamt macht mit der Revision geltend, das Berufungsgericht habe zu Unrecht angenommen, dass im Falle des Klägers ein weiteres Asylverfahren durchzuführen sei, da sich aus dessen Vortrag nicht einmal die Möglichkeit einer drohenden politischen Verfolgung ergebe. Die einwöchige Ausreisefrist sei jedenfalls deshalb nicht zu beanstanden, weil das Berufungsgericht nicht geprüft habe, ob der Asylantrag des Klägers als offensichtlich unbegründet hätte abgelehnt werden müssen. Schließlich hätte die Ausreisefrist auch nicht aufgehoben werden dürfen, weil der Kläger mangels Durchführung eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO während des gesamten Folgeantragsverfahrens vollziehbar ausreisepflichtig gewesen sei.
Der Kläger tritt der Revision entgegen. Ihm könne nicht entgegengehalten werden, dass er es versäumt habe, ein Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO durchzuführen, da angesichts des Abschiebestopps in den Kosovo keine Veranlassung hierzu bestanden hätte.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision der Beklagten ist begründet. Die Aufhebung der einwöchigen Ausreisefrist in dem vom Kläger angefochtenen Bescheid des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Bundesamt) verletzt Bundesrecht. Die Klage ist insgesamt abzuweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO).
1. Gegenstand der Revision ist allein die Festsetzung der einwöchigen Ausreisefrist im Bescheid des Bundesamts, durch den der Asylfolgeantrag des Klägers abgelehnt wurde. Nur insoweit hat das Berufungsgericht die Revision zugelassen und nur insoweit hat sie die Beklagte eingelegt.
Die dem zugrunde liegende Auffassung des Berufungsgerichts, prozessual könne zwischen der Ausreisefrist und der Abschiebungsandrohung getrennt werden, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Jedenfalls im Asylverfahren kann die Ausreisefrist unabhängig von der Abschiebungsandrohung zum Gegenstand einer gerichtlichen Nachprüfung gemacht werden und so auch selbständig der Revision unterliegen (ebenso VGH Mannheim, Urteil vom 11. November 1997 – VGH A 14 S 412/97 – VBlBW 1998, 271; Funke-Kaiser, in: GK-AuslR, § 50 AuslG – Stand: September 1999 – Rn. 57; Roth, in: Hailbronner, AuslR, § 36 AsylVfG – Stand: Dezember 2000 – Rn. 13; a.A., allerdings jeweils zum allgemeinen Ausländerrecht, VGH Mannheim, Beschluss vom 10. Juni 1998 – VGH 13 S 173/98 – DÖV 1998, 889; OVG Hamburg, Beschluss vom 30. Juli 1997 – OVG Bs VI 42/97 – InfAuslR 1998, 28 ≪29≫; OVG Münster, Beschluss vom 19. September 1996 – OVG 18 B 3505/95 – NWVBl 1997, 108 ≪109≫; vgl. auch die Rechtsprechung des BVerwG zum AuslG 1965, Urteil vom 29. April 1983 – BVerwG 1 C 4.83 – Buchholz 402.241 2. AsylBeschlG Nr. 2; Urteil vom 5. Mai 1982 – BVerwG 1 C 182.79 – Buchholz 402.24 § 2 AuslG Nr. 32). Eine untrennbare Verknüpfung zwischen der Fristsetzung für die Ausreisepflicht und der Abschiebungsandrohung besteht nach der geltenden Rechtslage grundsätzlich nicht. Die Ausreisefrist kann nach § 42 Abs. 3 Satz 1 AuslG unabhängig von einer Abschiebungsandrohung festgesetzt werden. Auch die Abschiebungsandrohung kann unter bestimmten Voraussetzungen (§ 50 Abs. 5, § 49 Abs. 2 Satz 1 AuslG) ohne Bestimmung einer Ausreisefrist ergehen. Nach § 50 Abs. 1 Satz 1 AuslG, der im Asylverfahren gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG entsprechend anzuwenden ist, soll die Abschiebung allerdings „unter Bestimmung einer Ausreisefrist angedroht werden”. Damit wird dem Ausländer vor der Abschiebung eine entsprechende Frist zur Abwicklung seiner beruflichen und persönlichen Verhältnisse im Bundesgebiet und zur freiwilligen Ausreise eingeräumt, sofern dies nicht nach § 50 Abs. 5 AuslG entbehrlich ist. Aus § 50 Abs. 1 Satz 1 AuslG folgt aber nicht, dass die Abschiebungsandrohung selbst rechtswidrig ist und notwendig aufgehoben werden muss, wenn die Fristsetzung ihrerseits rechtswidrig ist. Wird die zusammen mit einer Abschiebungsandrohung verfügte Ausreisefrist als rechtswidrig aufgehoben, ist die verbleibende Abschiebungsandrohung zwar nach der gesetzlichen Konzeption des § 50 Abs. 1 Satz 1 AuslG unvollständig, behält aber gleichwohl ihren Regelungsgehalt. Die Abschiebung kann lediglich nicht vollzogen werden, bevor die Behörde erneut eine Frist gesetzt hat und diese abgelaufen ist. An der Möglichkeit, die Ausreisefrist einer gesonderten gerichtlichen Überprüfung zu unterziehen, ohne gleichzeitig auch die Abschiebungsandrohung anzufechten, ändert dies nichts. Die selbständige Angreifbarkeit der Ausreisefrist entspricht im Übrigen dem Beschleunigungszweck, der das Asylverfahren generell prägt (vgl. dazu Urteil vom 21. März 2000 – BVerwG 9 C 41.99 – BVerwGE 111, 77 ≪79 f.≫; Urteil vom 11. November 1997 – BVerwG 9 C 13.96 – BVerwGE 105, 322 ≪326 ff.≫). Sie ermöglicht es, das Verfahren auf Einwendungen gegen die Ausreisefrist zu beschränken, wenn um die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung selbst nicht (mehr) gestritten wird.
2. Das Berufungsgericht hat die einwöchige Ausreisefrist zu Unrecht aufgehoben. Dem Kläger steht keine einmonatige Ausreisefrist zu, auch wenn nach der insoweit rechtskräftigen Berufungsentscheidung geklärt ist, dass die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens gegeben waren.
Nach Auffassung des Bundesamts lagen bei dem Asylfolgeantrag des Klägers die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Asylverfahrens nach § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht vor. Folgerichtig hat es deshalb mit der Abschiebungsandrohung eine Ausreisefrist von einer Woche festgesetzt (§ 71 Abs. 4, § 34 Abs. 1 Satz 1, § 36 Abs. 1 AsylVfG). Die gegen den Ablehnungsbescheid erhobene Klage hat die Ausreisefrist nicht unterbrochen (§ 50 Abs. 4 Satz 1 AuslG), weil sie die Vollziehbarkeit weder der Ausreisepflicht noch der Abschiebungsandrohung entfallen ließ (§ 75 AsylVfG). Will der Ausländer in einem solchen Fall den Ablauf der Ausreisefrist verhindern und der Vollziehbarkeit der Abschiebungsandrohung begegnen, muss er binnen einer Woche vorläufigen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen die Abschiebungsandrohung beantragen (§ 71 Abs. 4 i.V.m. § 36 Abs. 3, 4 AsylVfG). Tut er dies – wie der Kläger – nicht, läuft die Ausreisefrist ab und er bleibt während des gesamten Klageverfahrens vollziehbar ausreisepflichtig. Das gilt auch dann, wenn das Gericht entgegen der Auffassung des Bundesamts die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG als gegeben, den Folgeantrag mithin als „erheblich” ansieht (zu dieser Terminologie vgl. BVerwGE 111, 77), das Asylbegehren im Ergebnis aber für unbegründet hält.
Im Fall des Klägers ist die Ausreisefrist eine Woche nach Bekanntgabe der Abschiebungsandrohung in dem ablehnenden Bescheid des Bundesamts abgelaufen. Unabhängig davon, ob das Bundesamt den Folgeantrag des Klägers zu Recht oder zu Unrecht als unerheblich angesehen hat, hat diese Frist zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) keine nachteiligen Rechtswirkungen mehr gegenüber dem Kläger entfaltet. Ihre Aufhebung durch das Berufungsgericht war schon deshalb nicht berechtigt.
Der Kläger kann aber auch nicht mit Erfolg geltend machen, ihm stehe nach dem rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens eine einmonatige Ausreisefrist zu, weil das Berufungsgericht den Folgeantrag für erheblich gehalten habe. Soweit der damals für das Asylrecht zuständige 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts in dem Urteil vom 10. Februar 1998 – BVerwG 9 C 28.97 – (BVerwGE 106, 171 ≪175≫) die Auffassung vertreten hat, in einem solchen Fall sei die Ausreisefrist von einer Woche zwar nicht „obsolet”, könne aber nicht aufrechterhalten werden, hält der erkennende Senat an dieser Rechtsauffassung nicht fest.
Die ursprünglich verfügte Wochenfrist ist nicht kraft Gesetzes in entsprechender Anwendung des § 37 Abs. 2 AsylVfG in eine Ausreisefrist umgewandelt worden, die einen Monat nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens endet. Ebenso wenig verschafft § 38 Abs. 1 AsylVfG dem Kläger einen Anspruch darauf, dass das Bundesamt nunmehr noch eine einmonatige Ausreisefrist festsetzt.
Nach § 37 Abs. 2 AsylVfG endet in den Fällen, in denen das Bundesamt den Asylantrag als offensichtlich unbegründet abgelehnt und gemäß §§ 34, 36 Abs. 1 AsylVfG eine Abschiebungsandrohung mit einwöchiger Ausreisefrist erlassen hat, die Ausreisefrist einen Monat nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens, sofern das Verwaltungsgericht zuvor einem Antrag des Asylbewerbers nach § 80 Abs. 5 VwGO stattgegeben hat. Die entsprechende Anwendung dieser Vorschrift auf Fälle wie den vorliegenden scheitert nach Ansicht des Berufungsgerichts schon daran, dass die Regelung selbst dann nicht für Folgeantragsverfahren gilt, wenn der Asylbewerber – anders als der Kläger – erfolgreich einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen die Abschiebungsandrohung gestellt hat. Der Gesetzgeber habe nämlich in § 71 Abs. 4 AsylVfG bewusst von einer Bezugnahme auf § 37 AsylVfG abgesehen, wie sich aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift ergebe.
Dieser Auffassung kann sich der erkennende Senat nicht anschließen. Zwar ist der Hinweis des Berufungsgerichts zutreffend, dass der unerhebliche Folgeantrag nach dem Rechtszustand vor dem 1. Juli 1992 (vgl. § 14 Abs. 1 AsylVfG a.F.) generell und damit auch hinsichtlich des vorläufigen Rechtsschutzes wie ein unbeachtlicher Asylantrag behandelt wurde, während das geltende Recht von einer derartigen Gleichsetzung absieht. Daraus folgt, dass die Sonderregelung für unbeachtliche Asylanträge in § 37 Abs. 1 AsylVfG für unerhebliche Folgeanträge nicht gilt (vgl. Urteil vom 7. März 1995 – BVerwG 9 C 264.94 – Buchholz 402.25 § 33 AsylVfG Nr. 12). Dies rechtfertigt indes nicht den Schluss, der Gesetzgeber habe nunmehr für das Folgeantragsverfahren bewusst auch auf die Sonderregelung zum vorläufigen Rechtsschutz, wie sie in § 37 Abs. 2 AsylVfG enthalten ist, verzichten wollen. Aus § 71 Abs. 4 AsylVfG ergibt sich vielmehr das Gegenteil. Danach sind gerade die speziellen, von den allgemeinen prozessrechtlichen Bestimmungen abweichenden Regelungen des § 36 Abs. 3 und 4 AsylVfG über Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO bei unbeachtlichen und offensichtlich unbegründeten Asylanträgen auf unerhebliche Folgeanträge entsprechend anzuwenden. Die Vorschrift des § 37 Abs. 2 AsylVfG regelt die Rechtsfolgen eines erfolgreichen Eilantrags und steht deshalb in einem engen inneren Zusammenhang mit den vorangehenden Regelungen in § 36 Abs. 3 und 4 AsylVfG. Es ist kein sachlicher Grund erkennbar, weshalb der Gesetzgeber diesen Zusammenhang für das Folgeantragsverfahren hätte auflösen sollen. Die Regelung in § 37 Abs. 2 AsylVfG wird mit der darin angeordneten Rechtsfolge – Verlängerung der Ausreisefrist bis zum Ablauf eines Monats nach Verfahrensabschluss – am ehesten der Fallgestaltung eines erfolgreichen Eilantrags gegen einen als unerheblich abgelehnten Folgeantrag gerecht. Dass § 37 Abs. 2 AsylVfG nicht ausdrücklich in § 71 Abs. 4 AsylVfG aufgeführt ist, ist mithin unschädlich.
Die Anwendung des § 37 Abs. 2 AsylVfG auf Asylfolgeanträge führt auch in der Sache zu sinnvollen Ergebnissen. Der erfolgreiche Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen eine Abschiebungsandrohung, die auf einen vom Bundesamt als unerheblich abgelehnten Folgeantrag ergangen ist, führt jedenfalls dazu, dass die Abschiebung nicht vollzogen werden darf. Braucht der Folgeantragsteller danach während des Hauptsacheverfahrens keine Abschiebung zu befürchten, ist es folgerichtig, auch ihn in den Genuss der Regelung des § 37 Abs. 2 AsylVfG kommen zu lassen und ihm nach rechtskräftiger Ablehnung seines Asylbegehrens eine Ausreisefrist von einem Monat einzuräumen.
Unterlässt es der Ausländer hingegen – wie der Kläger –, vorläufigen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO in Anspruch zu nehmen, oder ist er damit erfolglos, bleibt er bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Asylrechtsstreits vollziehbar ausreisepflichtig. Auch die Abschiebung ist nicht ausgesetzt. Selbst wenn das Verwaltungsgericht im Hauptsacheverfahren die Voraussetzungen zum Wiederaufgreifen des Asylverfahrens nach § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG für gegeben hält und das Asylfolgebegehren als im Ergebnis unbegründet abweist, ändert dies nichts an der Vollziehbarkeit der vom Bundesamt nach § 71 Abs. 4 AsylVfG verfügten Abschiebungsandrohung. Denn auch in diesem Fall steht die Erheblichkeit des Folgeantrags erst mit der Rechtskraft der Gerichtsentscheidung im Hauptsacheverfahren fest. Daraus für den Bescheid des Bundesamts in Erwägung zu ziehende Rechtsfolgen könnten ebenfalls erst danach wirksam werden. Auf diese Situation ist § 37 Abs. 2 AsylVfG auch nicht entsprechend anwendbar (im Ergebnis ebenso Beschluss vom 17. Februar 1986 – BVerwG 1 B 30.86 – DVBl 1986, 518 zur früheren Rechtslage bei offensichtlich unbegründeten Asylanträgen).
Einer Analogie steht zum einen entgegen, dass es sich bei § 37 Abs. 2 AsylVfG um eine Sonderregelung handelt, die die erforderlichen Konsequenzen aus der Änderung des Aufenthaltsstatus eines Ausländers zieht, die dieser mit einem erfolgreichen Eilverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO erstritten hat. Auf das Hauptsacheverfahren ist die Regelung nicht übertragbar, da dort weder während des Verfahrens noch nach dessen rechtskräftigem Abschluss die aufenthaltsrechtliche Stellung des Ausländers durch eine vom Bundesamt abweichende Beurteilung der offensichtlichen Unbegründetheit des Asylbegehrens oder der Erheblichkeit des Folgeantrags geändert wird.
Zum anderen fehlt es an der für die entsprechende Anwendung der Vorschrift im Hauptsacheverfahren erforderlichen Regelungslücke. Der im Asylverfahrensgesetz vorgesehenen längeren Ausreisefrist von einem Monat (§ 38 Abs. 1, § 37 Abs. 2 AsylVfG) bedarf der Ausländer nach der rechtskräftigen Ablehnung seines Asylbegehrens in diesen Fällen nicht. Die Ausreisefrist soll es dem Ausländer ermöglichen, seine beruflichen und persönlichen Lebensverhältnisse im Bundesgebiet abzuwickeln und einer Abschiebung durch eine freiwillige Ausreise zuvorzukommen (Urteil vom 22. Dezember 1997 – BVerwG 1 C 14.96 – NVwZ-RR 1998, 454 = Buchholz 402.240 § 50 AuslG 1990 Nr. 3; Begründung des Regierungsentwurfs zu § 42 Abs. 3 AuslG, BTDrucks 11/6321 S. 70 f.). Darüber hinaus gewährleistet die Ausreisefrist, dass der Ausländer den durch Art. 19 Abs. 4 GG garantierten wirksamen Rechtsschutz erlangen kann (Urteil vom 22. Dezember 1997, a.a.O.; Urteil vom 12. Juni 1979 – BVerwG 1 C 70.77 – Buchholz 402.24 § 10 AuslG Nr. 65). Mit der Rechtskraft des sein Asylbegehren in der Sache ablehnenden Urteils hat der Ausländer seine Rechtsschutzmöglichkeiten ausgeschöpft; die Einräumung einer weiteren Frist aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes ist nicht geboten. Musste der Ausländer während des gesamten Asylrechtsstreits mit seiner Abschiebung rechnen, besteht grundsätzlich auch kein Bedürfnis auf Einräumung einer weiteren Ausreisefrist zur Abwicklung seiner persönlichen Lebensverhältnisse im Bundesgebiet. Insoweit unterscheidet sich seine Lage in rechtlicher Hinsicht wesentlich von derjenigen des vom Bundesamt abgelehnten Asylantragstellers, dessen Klage – wie im Fall des § 38 Abs. 1, § 75 AsylVfG – aufschiebende Wirkung entfaltet und ihm so die Gestattungswirkung des Asylantrags während des Rechtsstreits sichert (§§ 55, 67 Abs. 1 Nr. 6 AsylVfG). In vergleichbarer Weise ist der Aufenthalt des Ausländers im Bundesgebiet während des Hauptsacheverfahrens gesichert, wenn sein Asylbegehren als offensichtlich unbegründet oder – wie hier – sein Folgeantrag als unerheblich abgelehnt wurde, er jedoch mit Erfolg ein Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO betrieben hat. Dem trägt § 37 Abs. 2 AsylVfG Rechnung, der in diesen Fällen die Ausländer jenen gleichstellt, deren Ausreisefrist nach § 38 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG einen Monat nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens endet.
Auch der Rückgriff auf § 38 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG führt in Fällen wie dem vorliegenden entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht zu einem Anspruch des Ausländers auf die einmonatige Ausreisefrist. Die Vorschrift betrifft nämlich eine in Voraussetzungen und Rechtsfolgen andere Fallgestaltung. Sie bezieht sich auf die in § 38 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG genannten „sonstigen Fälle”, in denen das Bundesamt den Asylantrag nicht als unbeachtlich oder offensichtlich unbegründet, sondern lediglich als „einfach” unbegründet ablehnt. Hier beträgt die dem Ausländer zu setzende Ausreisefrist einen Monat. Erhebt der Ausländer Klage, hat diese hinsichtlich der gemäß § 34 AsylVfG, § 50 AuslG erlassenen Abschiebungsandrohung aufschiebende Wirkung (§ 75 AsylVfG). Die Vollziehbarkeit seiner Ausreisepflicht ist also für die Dauer des Rechtsstreits ausgesetzt. Sie entsteht erst wieder mit dem unanfechtbaren, für den Ausländer negativen Abschluss des Asylverfahrens. Auf diesen Zeitpunkt verschiebt § 38 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG den Beginn der einmonatigen Ausreisefrist und zieht damit die notwendige Folgerung aus der Tatsache, dass bis dahin die Abschiebungsandrohung samt Ausreisepflicht nicht vollziehbar war. Diese Notwendigkeit besteht in den Fällen, in denen – wie hier – der Ausländer während des gesamten Verfahrens ohnehin vollziehbar ausreisepflichtig war, nicht. § 38 Abs. 1 AsylVfG bietet keine Anhaltspunkte dafür, dass dem Ausländer gerade dann ein Anspruch auf Neufestsetzung der Ausreisefrist von einem Monat eingeräumt und damit unmittelbar nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens eine erneut mit Rechtsmitteln angreifbare Behördenentscheidung herbeigeführt werden soll. Der Gesetzgeber war nicht gehindert, den Ausländer, dessen Folgeantrag vom Bundesamt als unerheblich abgelehnt wurde und bei dem erst am Ende des Hauptsacheverfahrens feststeht, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen, anders zu behandeln als den, bei dem das Bundesamt ein weiteres Asylverfahren durchgeführt hat, oder auch den, der gegen die Ablehnung des Folgeantrags als unerheblich mit Erfolg vorläufigen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO in Anspruch genommen hat. Denn ihre aufenthaltsrechtliche Stellung während des Hauptsacheverfahrens unterscheidet sich, wie gezeigt, wesentlich voneinander.
Asylbewerber, deren Folgeantrag nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat und die auch nicht die Aussetzung der Abschiebung im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes erreicht haben, müssen allerdings nicht notwendig mit einer jederzeitigen Abschiebung rechnen. Ihren schutzwürdigen Interessen an einer ausreichenden Frist zur Vorbereitung auf die Aufenthaltsbeendigung wird durch § 56 Abs. 6 Satz 2 AuslG Rechnung getragen. Nach dieser Vorschrift ist einem Ausländer, der länger als ein Jahr geduldet war, die für den Fall des Erlöschens der Duldung durch Ablauf der Geltungsdauer oder durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Duldung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Damit soll aus rechtsstaatlichen Gründen dem Ausländer die Möglichkeit gegeben werden, sich rechtzeitig auf die Aufenthaltsbeendigung einzustellen und seine persönlichen Angelegenheiten zu ordnen (vgl. Urteil vom 22. Dezember 1997, a.a.O.). Hat der Ausländer während des Asylrechtsstreits eine länger als ein Jahr dauernde Duldung erhalten, etwa deshalb, weil eine Abschiebung in den Herkunftsstaat aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht möglich oder nach § 54 AuslG ausgesetzt war (§ 55 Abs. 2 AuslG), muss ihm also die Abschiebung nach Maßgabe des § 56 Abs. 6 Satz 2 AuslG von der für die Abschiebung zuständigen Landesbehörde vorher angekündigt werden. Eine entsprechende Pflicht zur Ankündigung der Abschiebung besteht in Anwendung des Rechtsgedankens aus § 56 Abs. 6 AuslG auch dann, wenn der Ausländer trotz vollziehbarer Ausreisepflicht und Abschiebungsandrohung während des Asylrechtsstreits nicht abgeschoben, die ihm in diesem Fall zustehende Duldung (Urteil vom 21. März 2000 – BVerwG 1 C 23.99 – BVerwGE 111, 62) aber nicht erteilt wurde (vgl. Hailbronner, AuslR, § 56 AuslG – Stand: Oktober 1997 – Rn. 17).
Bleibt danach die einwöchige Ausreisefrist davon unberührt, ob das Verwaltungsgericht im Hauptsacheverfahren anders als das Bundesamt die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens für gegeben hält und ob es den Asylantrag zudem als nur „einfach” unbegründet ablehnt, braucht es diese Fragen allein im Hinblick auf die „richtige” Ausreisefrist nicht zu entscheiden, wenn sie ansonsten offen bleiben können. Das steht in Einklang mit dem Ziel des Gesetzes, den gerichtlichen Asylrechtsstreit zu vereinfachen und beschleunigen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; einer Änderung der Kostenentscheidung des Berufungsgerichts bedurfte es nicht. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 83 b Abs. 2 AsylVfG.
Unterschriften
Dr. Paetow, Dr. Mallmann, Richter, Beck, Dr. Eichberger
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 03.04.2001 durch Battiege Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 600448 |
BVerwGE, 122 |
DÖV 2001, 865 |
InfAuslR 2001, 357 |
ZAR 2001, 180 |
AuAS 2001, 177 |
DVBl. 2001, 1522 |