Entscheidungsstichwort (Thema)
Beamter. Hochschullehrer. Nebentätigkeit. Pflicht zur Abführung erzielter Vergütungen
Leitsatz (amtlich)
Für die Zuordnung einer Nebentätigkeit zum öffentlichen Dienst reicht es aus, dass der Empfänger der von dem Beamten erbrachten Leistung eine juristische Person des öffentlichen Rechts ist (wie bisherige stRspr).
Normenkette
GG Art. 33 Abs. 5; LBG RP §§ 71a, 72; NebVO § 9
Verfahrensgang
OVG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 19.03.2002; Aktenzeichen 2 A 11842/01) |
VG Mainz (Urteil vom 24.10.2001; Aktenzeichen 7 K 1114/99.MZ) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 19. März 2002 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
I.
Der Kläger ist Fachhochschulprofessor der Besoldungsgruppe C 3. Vom 1. Juli 1996 bis 18. Januar 1999 war er im Rahmen eines privatrechtlichen Anstellungsverhältnisses bei der Wirtschaftsprüferkammer in D.… ohne Genehmigung des Dienstherrn beschäftigt. Die Tätigkeit war vorwiegend beratender Natur und umfasste insbesondere Stellungnahmen zu geplanten Steuergesetzen, die Mitwirkung bei den Anhörungen im Finanzausschuss des Deutschen Bundestags sowie die Beratung von Kammermitgliedern zu Fragen des Steuerrechts, des wirtschaftlichen Prüfungswesens und der Rechnungslegung. Der mit der Wirtschaftsprüferkammer geschlossene Anstellungsvertrag sah eine Bruttopauschalvergütung vor, die 1996 monatlich 10 000 DM zuzüglich einer jährlichen Sonderzuwendung von 5 000 DM und seit 1. Januar 1997 monatlich 13 900 DM zuzüglich einer jährlichen Sonderzuwendung von 13 200 DM betrug.
Mit Bescheiden vom 25. März 1999 und 30. Mai 2000 forderte der Beklagte die Ablieferung eines Teils der erzielten Nebeneinnahmen in Höhe von 404 375,71 DM zuzüglich 26 835,44 DM Verzugszinsen. Der dagegen gerichtete Widerspruch blieb erfolglos.
Das Verwaltungsgericht hat den Ablieferungsbetrag um Reisekosten gemindert und die Bescheide des Beklagten aufgehoben, soweit ein höherer Ablieferungsbetrag als 318 206,79 DM zuzüglich Verzugszinsen festgesetzt worden war. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.
Das Oberverwaltungsgericht hat das erstinstanzliche Urteil geändert und den Beklagten verpflichtet, über die Zinsforderung nach Maßgabe der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts neu zu entscheiden. Im Übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:
Der Kläger sei zur Ablieferung verpflichtet, weil er die Vergütungen im Rahmen einer Nebentätigkeit im öffentlichen Dienst erzielt habe. Das zutreffend angewendete Landesrecht sei mit höherrangigem Recht vereinbar. Die Ablieferung dürfe sich an den Bruttoeinkünften orientieren.
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Er beantragt,
das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 19. März 2002 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Mainz vom 24. Oktober 2001, soweit es nicht rechtskräftig ist, sowie die Bescheide des Beklagten vom 25. März 1999 und 30. Mai 2000 und die Widerspruchsbescheide vom 15. September 1999 und 3. Juli 2000 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision des Klägers ist unbegründet.
Das Berufungsgericht hat die berufliche Tätigkeit des Klägers für die Wirtschaftsprüferkammer zutreffend als Nebentätigkeit im öffentlichen Dienst gewertet. Nebentätigkeit eines Beamten ist nach § 71a Abs. 1 Satz 1 Landesbeamtengesetz Rheinland-Pfalz (LBG) in der hier maßgeblichen Fassung vom 20. Juli 1998 (GVBl S. 205) die Ausübung eines Nebenamts oder einer Nebenbeschäftigung. Nebenbeschäftigung ist jede nicht zu einem Haupt- oder Nebenamt gehörende Tätigkeit innerhalb oder außerhalb des öffentlichen Dienstes (§ 71a Abs. 3 LBG). Gemäß § 72 Abs. 1 Satz 1 LBG ist Nebentätigkeit im öffentlichen Dienst jede für den Bund, ein Land oder andere Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts in der Bundesrepublik Deutschland oder für Verbände von solchen ausgeübte Nebentätigkeit. Diese Bestimmungen sind auch auf den Kläger als Beamten des Landes anzuwenden. Das Hochschulrecht enthält keine abweichenden Regelungen.
Um die Leistungen, die der Kläger auf der Grundlage des Anstellungsvertrages bei der Wirtschaftsprüferkammer erbracht hat, als “Nebentätigkeit im öffentlichen Dienst” zu qualifizieren, kommt es nach § 72 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 LBG ausschließlich auf die Rechtsform desjenigen an, für den die Tätigkeit ausgeübt wird – der im Rechtssinne Empfänger der Leistung ist. Das ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift, die Einschränkungen etwa im Hinblick auf die rechtliche Grundlage der ausgeübten Nebentätigkeit, auf ein Abhängigkeitsverhältnis, auf die Art der Tätigkeit, auf den Zweck oder auf die Finanzierung der öffentlichen Einrichtung nicht vorsieht. Die weite Fassung des Begriffs des öffentlichen Dienstes in § 72 LBG entspricht dem Sinn und der Zielsetzung der Bestimmung. Danach sollen das Überhandnehmen von Nebenbeschäftigungen zum Nachteil des Hauptamtes und Doppelzahlungen aus öffentlichen Haushalten vermieden werden (vgl. BVerfGE 55, 207 ≪234≫).
Die Wirtschaftsprüferkammer ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Wirtschaftsprüferordnung – WPO). Für die Zuordnung der Wirtschaftsprüferkammer zum öffentlichen Dienst ist es unerheblich, dass es sich um eine berufsständische Einrichtung handelt, die sich aus den Beiträgen der Mitglieder und nicht aus allgemeinen Steuermitteln finanziert. Maßgebend sind nicht die Finanzierungsquellen, sondern die Ausgestaltung als öffentlich-rechtliche Organisationsform mit den sich daraus ergebenden Konsequenzen für den Haushalt, das Personalwesen und die Aufgabenstruktur.
Die Wirtschaftsprüferkammer war auch Empfängerin der vom Kläger im Rahmen der Nebentätigkeit erbrachten Leistungen. Zu ihr bestand das Vertragsverhältnis, aus dem sich die Leistungspflicht und das Entgelt ergaben. Dass die Tätigkeit des Klägers auch einzelnen Mitgliedern der Kammer zugute kam, berührt das vertragliche Leistungsverhältnis nicht.
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die grundsätzliche Pflicht zur Ablieferung von Nebentätigkeitsvergütungen bestehen nicht (vgl. BVerfGE 55, 207 ≪236 ff.≫). Die Einschränkung der Nebenverdienstmöglichkeiten des Beamten im öffentlichen Dienst entspricht dem Alimentationsprinzip und der einheitlichen und umfassenden Dienstleistungspflicht des Beamten (vgl. BVerfGE 55, 207 ≪238 m.w.N.≫). Für die ihm im öffentlichen Dienst insgesamt obliegende Pflichterfüllung hat der Beamte nur einmal den Anspruch auf angemessenen Unterhalt in Gestalt der Dienstbezüge. Er soll öffentliche Kassen nicht doppelt in Anspruch nehmen. Insoweit haben die Ablieferungsvorschriften die gleiche Zielrichtung und Funktion wie die Vorschriften über die Anrechnung von Einkommen aus einer Verwendung im öffentlichen Dienst auf die Versorgungsbezüge. Darauf hat auch bereits das Bundesverfassungsgericht hingewiesen (vgl. BVerfGE 55, 207 ≪239≫; vgl. auch Urteil vom 21. Dezember 1982 – BVerwG 6 C 68.78 – BVerwGE 66, 324 f.). Es hat in ständiger Rechtsprechung die Unterscheidung, ob der Beamte Nebeneinkünfte aus öffentlichen Kassen oder aus einer anderweitigen Beschäftigung erzielt, für verfassungsgemäß gehalten (vgl. BVerfGE 27, 364 ≪374≫; 33, 44 ≪51≫). Die öffentlichen Mittel als Ganzes betrachtet sollen nicht dadurch doppelt belastet werden, dass dem Beamten sowohl Besoldung als auch zusätzlich eine Vergütung für seine Tätigkeit im öffentlichen Dienst gezahlt wird. Alle öffentlichen Rechtsträger wirtschaften letztlich mit öffentlichen Mitteln, d.h. mit solchen Mitteln, die ihnen wegen ihrer öffentlichen Aufgabe aus dem Staatshaushalt oder auf Grund eigener öffentlich-rechtlich geregelter Einnahmebefugnis zugeflossen sind (vgl. Urteil vom 3. Oktober 1985 – BVerwG 6 C 56.84 – BVerwGE 72, 135 ≪140≫). Es kommt auch nicht darauf an, ob es sich bei der Vergütung einer Nebentätigkeit im öffentlichen Dienst um eine Alimentierung handelt, die nur bei einer Besoldung (oder Versorgung) des Beamten vorliegt oder – wie hier – um das Entgelt für eine vertraglich geschuldete Leistung (vgl. Urteil vom 16. Juli 1984 – BVerwG 6 C 45.82 – Buchholz 238.41 § 53 SVG Nr. 4 S. 6 f.). Der Dienstherr genügt seiner Alimentationspflicht gegenüber dem Beamten, wenn er diesem die ihm zustehende Besoldung zahlt und andere Bezüge, die die öffentliche Hand aufgrund eines zweiten Beschäftigungsverhältnisses an den Beamten leistet, bis zu den Höchstgrenzen der Nebentätigkeitsverordnung, zur Entlastung seines öffentlichen Haushalts einfordert (vgl. auch Urteil vom 16. Juli 1984, a.a.O. S. 6).
Das Landesrecht begegnet auch insoweit keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, als § 9 Satz 1 Nr. 2 Nebentätigkeitsverordnung – NebVO – in der hier einschlägigen Fassung vom 15. Juli 1997 (GVBl S. 252) zwar eine wissenschaftliche Forschungstätigkeit, nicht aber eine wissenschaftliche Lehrtätigkeit von der Ablieferungspflicht ausnimmt. Denn der Dienstherr hat einen weiten Gestaltungsspielraum darin, in welchen Tätigkeitsbereichen er Nebentätigkeiten seiner Beamten überhaupt zulässt, sie anzeigepflichtig gestaltet oder erhaltene Vergütungen der teilweisen Ablieferungspflicht unterwirft (vgl. Beschluss vom 14. August 2002 – BVerwG 2 B 9.02 – Buchholz 237.8 § 71a RhPLBG Nr. 1 S. 2 m.w.N.).
Verfassungsrecht hindert den Dienstherrn auch nicht daran, die Ablieferung des Bruttobetrags der dem Kläger zugeflossenen Nebentätigkeitsvergütung zu fordern. Insbesondere steht dem die Fürsorgepflicht des Dienstherrn nicht entgegen. Was für die Rückforderung überzahlter Dienst- und Versorgungsbezüge gilt (vgl. dazu BVerfGE 46, 97 ≪115 ff.≫), muss erst recht für die Ablieferung der Vergütung für eine nicht genehmigte Nebentätigkeit gelten. Die Ablieferungspflicht bezieht sich auf die Einnahmen, die dem Beamten – unter Berücksichtigung der Abzüge gemäß § 8 Abs. 3 NebVO – als Bruttobeträge zustehen. § 8 Abs. 1 NebVO bezeichnet die Höchstgrenzen nach den Bruttobeträgen. Zudem hätte es der Regelung, welche mit der Erzielung der Einnahmen im Zusammenhang stehende Aufwendungen abzusetzen sind (§ 8 Abs. 3 NebVO), nicht bedurft, wenn auch weitere Werbungskosten und die persönliche Steuerlast abzugsfähig sind. Dass der Kläger seiner Verpflichtung nach § 8 Abs. 4 Satz 2 NebVO, die abzuführenden Beträge innerhalb eines Monats nach Erhalt zu entrichten, nicht nachgekommen ist, führt nicht dazu, dass er ausschließlich die ihm letztlich verbliebenen Nettoeinnahmen abzuführen hat. Einem Beamten obliegt es, selbst einen steuerlichen Ausgleich beim Finanzamt herbeizuführen. Welche der verschiedenen steuerrechtlichen Möglichkeiten er geltend machen kann oder muss, ist in diesem Zusammenhang unbeachtlich (vgl. dazu auch Beschluss vom 22. März 1985 – BVerwG 2 B 67.84 – Buchholz 232 § 69 BBG Nr. 8 S. 2 m.w.N.).
Über die Ablieferung war nicht gemäß § 96 Abs. 2 Satz 3 LBG unter Billigkeitsgesichtspunkten zu entscheiden. Diese Vorschrift bezieht sich auf die Rückforderung von Zahlungen, die der Dienstherr erbracht hat. Sie erfasst nicht Zahlungen, die auf der nebentätigkeitsrechtlichen Ablieferungspflicht beruhen. Härten, die sich insoweit ergeben können, sind in Anwendung der allgemeinen Vorschriften zu berücksichtigen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Unterschriften
Dr. Silberkuhl, Prof. Dawin, Dr. Kugele, Groepper, Dr. Bayer
Fundstellen
Haufe-Index 981795 |
ZTR 2004, 110 |
DÖD 2004, 79 |
PersV 2004, 186 |
NPA 2004, 0 |