Leitsatz (amtlich)
Auch bei fahrlässigen Verstößen gegen Vorschriften, die speziell der Schießsicherheit dienen, bildet Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen eine Dienstgradherabsetzung.
Verfahrensgang
Truppendienstgericht Nord (Urteil vom 15.03.2018; Aktenzeichen N 2 VL 1/17) |
Tatbestand
Rz. 1
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Rz. 2
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Rz. 3
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Rz. 13
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Entscheidungsgründe
Rz. 14
1. Nach ordnungsgemäßer Einleitung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens hat die Wehrdisziplinaranwaltschaft dem Soldaten mit Anschuldigungsschrift vom 18. Januar 2017 zur Last gelegt:
"Als verantwortlicher Sicherheitsoffizier des am... auf der Schießbahn... des Truppenübungsplatzes... stattfindenden Gefechtsschießens der 1.... in der Zeit zwischen ca. 09:20 Uhr und 09:30 Uhr, blieb er bei der schießenden ersten Halbgruppe und ließ den Kontakt zur ausweichenden zweiten Halbgruppe abreißen, obwohl er hätte wissen können und müssen, dass er aufgrund der Bestimmungen der Nummer 1415 der Zentralrichtlinie A2-222/0-0-4750 'Schießen mit Handwaffen' beziehungsweise gemäß Nummer 624 der damals gültigen Zentralen Dienstvorschrift 44/10 'Schießsicherheit' verpflichtet war, seinen Platz so zu wählen, dass er die Einhaltung der Sicherheitsbestimmungen jederzeit bei beiden Gruppen überwachen kann und per Zuruf oder Funk auf die ihm unterstellten Sicherheitsgehilfen sowie die schießende Truppe einwirken kann.
In der Folge kam es zu einer Gefährdung der inneren Schießsicherheit indem der zur zweiten Halbgruppe gehörende Zeuge Stabsgefreiter A entgegen den Sicherheitsbestimmungen der Nummer 302 in Verbindung mit Nummer 1307 der damals gültigen ZDv 44/10 'Schießsicherheit' im Stellungskampfsystem hinter der ersten Halbgruppe in Stellung ging und den Zeugen Stabsgefreiter B durch einen Schuss in den Brustbereich schwer verletzte.
Durch sein Verhalten hat der Soldat die ihm obliegenden Dienstpflichten fahrlässig verletzt...."
Rz. 15
Mit Nachtragsanschuldigungsschrift vom 2. März 2018 hat die Wehrdisziplinaranwaltschaft dem Soldaten zusätzlich vorgeworfen:
"Als verantwortlicher Sicherheitsoffizier des am... auf der Schießbahn... des Truppenübungsplatzes... stattfindenden Gefechtsschießens der 1.... in der Zeit zwischen ca. 09:20 Uhr und 09:30 Uhr,
a. unterbrach er zur Einhaltung der inneren Schießsicherheit das Schießen nicht, als sich, was er hätte erkennen können und müssen, die erste Halbgruppe im Gefahrenbereich der Waffen der zweiten Halbgruppe durch deren Ausweichen in das Stellungskampfsystem befand und obwohl er hätte erkennen können und müssen, dass er dazu nach Nummer 628 in Verbindung mit Nummer 302 der damals gültigen ZDv 44/10 'Schießsicherheit' verpflichtet war;
b. zündete er auf Höhe der ersten Halbgruppe circa 100 Meter vor dem Stellungskampfsystem einen Simulator Bodensprengpunkt, obwohl er wusste, zumindest aber hätte erkennen können und müssen, dass er gemäß der Nummer 623 der damals gültigen ZDv 44/10 'Schießsicherheit' als Angehöriger des Sicherheitspersonals während des Schießens ausschließlich die Einhaltung der inneren Schießsicherheit zu überwachen hatte und keine anderen Aufgaben wahrnehmen durfte."
Rz. 16
2. Mit Urteil vom 15. März 2018 hat die 2. Kammer des Truppendienstgerichts Nord gegen den Soldaten ein Beförderungsverbot für die Dauer von 10 Monaten verhängt und seine jeweiligen Dienstbezüge um 1/20 für die Dauer von 20 Monaten gekürzt. Von dem mit der Anschuldigungsschrift erhobenen Vorwurf sei der Soldat mangels hinreichender Konkretisierung freizustellen. Das mit der Nachtragsanschuldigungsschrift angeschuldigte Verhalten sei indes erwiesen. Zum einen stehe fest, dass kein absolutes Schießverbot angeordnet worden sei, zumal auch dies noch nicht ausgereicht hätte, um den Unfall zu vermeiden; zum anderen hätte der Soldat als Sicherheitsoffizier erkennen können und müssen, dass aus keiner der Stellungen die Bestimmungen zum Gefahrenbereich von Waffen einzuhalten gewesen seien.
Rz. 17
Der Soldat habe dadurch als nach § 10 SG verschärft haftender Vorgesetzter fahrlässig seine Pflicht verletzt, treu zu dienen (§ 7 SG), seine Untergebenen zu beaufsichtigen (§ 10 Abs. 2 SG), für sie zu sorgen (§ 10 Abs. 3 SG), seinen Vorgesetzten zu gehorchen (§ 11 Abs. 1 Satz 1 SG), die Rechte der Kameraden zu achten (§ 12 Satz 2 SG) und sich so zu verhalten, dass er der Achtung und dem Vertrauen gerecht werde, die sein Dienst als Soldat erfordere (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG).
Rz. 18
Bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme sei bedeutsam, dass der Vorwurf b. der Nachtragsanschuldigungsschrift nicht als kausal für den Schießunfall angesehen werden könne, sodass allein eine einfache Disziplinarmaßnahme zu verhängen gewesen wäre. Diese Pflichtwidrigkeit sei jedoch Teil des Anschuldigungspunktes a. der Nachtragsanschuldigungsschrift; dies ergebe sich inzident aus ihr. Hätte der Soldat das Schießen rechtzeitig unterbrochen, wäre es nicht zum Unfall gekommen. Der Soldat hätte das Schießen spätestens unterbrechen müssen, nachdem er vernommen habe, dass der Zeuge C der zweiten Halbgruppe Deckungsfeuer befohlen habe. Die Auswirkungen der Tat seien sehr schwer, weil ein Kamerad fast gestorben wäre und die Gefahr eines "Blutbades" bestanden hätte. Dem Soldaten sei allerdings seine Unerfahrenheit zugute zu halten, da er erstmals die Funktion des Sicherheitsoffiziers wahrgenommen habe. Hätten die Vorgesetzten diesen Umstand berücksichtigt, hätte der Schießunfall jedoch möglicherweise vermieden werden können. Eine Dienstgradherabsetzung sei nicht auszusprechen, weil lediglich Fahrlässigkeit vorliege. Weniger als ein Beförderungsverbot zu verhängen verbiete sich jedoch, weil keine mildernden Umstände vorlägen. Den Soldaten entlasten allerdings das Verhalten der Leitenden, welche die höhere Verantwortung getragen habe, und der Umstand, dass er seine überdurchschnittlichen Leistungen nach dem Dienstvergehen noch gesteigert habe. Unrechtseinsicht und Reue lägen nicht vor.
Rz. 19
3. Gegen das Urteil haben der Soldat uneingeschränkt und die Wehrdisziplinaranwaltschaft maßnahmebeschränkt Berufung eingelegt.
Rz. 20
Der Soldat trägt im Wesentlichen vor, das Truppendienstgericht habe zu Unrecht einen Ursachenzusammenhang zum Schießunfall als mit angeschuldigt angenommen. Zur Annahme des Truppendienstgerichts, er hätte das Schießen unterbrechen müssen, nachdem er vernommen habe, dass der Gruppenführer der zweiten Halbgruppe Deckungsfeuer befohlen habe, finde sich in der Sachverhaltsdarstellung des Urteils nichts.
Rz. 21
Die Wehrdisziplinaranwaltschaft trägt im Wesentlichen vor, die ausgeurteilte Dauer des Beförderungsverbotes von nur zehn Monaten sei gesetzlich unzulässig. Im Übrigen habe das Truppendienstgericht die gegen den Soldaten sprechenden Umstände zu gering und die für ihn sprechenden zu stark gewichtet. Nach den einschlägigen Bestimmungen sei der Sicherheitsoffizier dem Leitenden des Schießens für die Sicherheit verantwortlich, sodass sich der Soldat nicht darauf habe verlassen dürfen, dass die Leitende ihn mit überwache. Auch die Leistungen des Soldaten erlangten kein besonderes Gewicht, zumal er weder Reue noch Einsicht gezeigt habe.
Rz. 22
Die zulässige Berufung der Wehrdisziplinaranwaltschaft ist begründet, die zulässige Berufung des Soldaten unbegründet.
Rz. 23
Da das Rechtsmittel der Wehrdisziplinaranwaltschaft zum Nachteil des Soldaten und vom Soldaten in vollem Umfang eingelegt worden ist, hat der Senat im Rahmen der Anschuldigung eigene Tat- und Schuldfeststellungen getroffen und ein Dienstvergehen festgestellt, das erstinstanzlich unzutreffend geahndet worden ist. Das ausgeurteilte Beförderungsverbot von zehn Monaten konnte schon deshalb keinen Bestand haben, weil es gemäß § 60 Abs. 2 Satz 1 WDO mindestens ein Jahr hätte betragen müssen.
Rz. 24
1. Die Annahme des Truppendienstgerichts, die Anschuldigungsschrift sei unbestimmt, und die Nachtragsanschuldigungsschrift zu a. schließe auch die in der Anschuldigungsschrift bezeichneten Folgen mit ein, trifft nicht zu.
Rz. 25
Gemäß § 123 Satz 3 i.V.m. § 107 Abs. 1 WDO dürfen zum Gegenstand der Urteilsfindung nur solche Pflichtverletzungen gemacht werden, die in der Anschuldigungsschrift dem Soldaten als Dienstvergehen zur Last gelegt worden sind. Die Anschuldigungsschrift muss dabei gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 WDO die Tatsachen, in denen ein schuldhaftes Dienstvergehen erblickt wird, und die Beweismittel geordnet darstellen. Der dem Soldaten gegenüber erhobene Vorwurf muss in der Anschuldigungsschrift so deutlich und klar formuliert sein, dass dieser sich mit seiner Verteidigung darauf einstellen kann. Bei Zweifeln über Gegenstand und Umfang des zur Last gelegten Fehlverhaltens ist die Anschuldigungsschrift aus der Sicht des Empfängers, wie sie bei objektiver Betrachtungsweise zu verstehen ist, auszulegen. Verbleiben insoweit Zweifel, fehlt es an einer wirksamen Anschuldigung im Sinne des § 99 Abs. 1 WDO (vgl. BVerwG, Urteile vom 16. Mai 2013 - 2 WD 1.12 - juris Rn. 30 m.w.N. und vom 20. März 2014 - 2 WD 5.13 - juris Rn. 35).
Rz. 26
a) Nach Maßgabe dessen ist die Anschuldigungsschrift nicht unbestimmt und der Soldat somit zu Unrecht aus prozessualen Gründen von der Anschuldigung freigestellt worden.
Rz. 27
Aus dem Ermittlungsergebnis, das zur Auslegung der Anschuldigungsformel mit herangezogen werden darf (BVerwG, Urteil vom 15. Mai 2014 - 2 WD 3.13 - juris Rn. 26), folgt hinreichend deutlich, dass dem Soldaten vorgeworfen wird, keinen Standort aufgesucht zu haben, von dem aus für ihn eine Sichtverbindung zur zweiten Halbgruppe bestanden hätte. Verlangt worden ist von ihm, einen "Platz in der Nähe der schießenden Soldaten" (S. 7 der Anschuldigungsschrift) aufzusuchen. Eine weitere, insbesondere positive Präzisierung des korrekten Verhaltens ist nicht erforderlich, weil es Aufgabe der Anschuldigungsschrift ist, dem Soldaten sein Fehlverhalten vorzuwerfen, nicht aber das Verhalten, das von ihm zu verlangen gewesen wäre.
Rz. 28
b) Die Annahme des Truppendienstgerichts, bei der Nachtragsanschuldigung zu a. seien hingegen ebenfalls die bereits in der Anschuldigungsschrift mit dem Tatvorwurf einbezogenen Folgen der Pflichtverletzung mit zum Gegenstand der Nachtragsanschuldigung gemacht worden, beruht demgegenüber auf einer zu weiten Auslegung des Angeschuldigten. Eine solche "inzidente" Anschuldigung (S. 17 Abs. 1 Urteil des Truppendienstgerichts) tragen weder Wortlaut noch die Begründung der Nachtragsanschuldigungsschrift. Zwar hat die Wehrdisziplinaranwaltschaft auf Seite 2 der Nachtragsanschuldigungsschrift einen Verstoß auch gegen jene Normen zitiert, die in der Anschuldigungsschrift erwähnt sind; gleichzeitig heißt es in ihr jedoch auch, mit ihr werde etwas "zusätzlich" (S. 1) bzw. würden "zusätzliche Vorwürfe" (S. 4), mithin etwas nicht bereits von der Anschuldigungsschrift Erfasstes angeschuldigt. In der Anschuldigungsschrift ist aber bereits die Folge der Pflichtverletzung - die lebensgefährliche Verletzung des Stabsgefreiten B - angeschuldigt worden, sodass dies gerade dagegen spricht, sie in der Nachtragsanschuldigungsschrift als erneut angeschuldigt anzusehen. Für die Ausklammerung der Folge und für eine Beschränkung auf rein formale Verstöße gegen Vorschriften spricht zudem die Formulierung auf Seite 3 der Nachtragsanschuldigungsschrift, durch sein Verhalten habe der Soldat jeweils gegen die "zur Tatzeit geltende Befehls- und Vorschriftenlage" verstoßen. Dem entspricht ebenso die Formulierung, in der Nachtragsanschuldigungsschrift werde "nunmehr" (S. 3) abgestellt "auf die sich schon aus den Vorschriften ergebende Verpflichtung zum Abbruch des Schießens bei fehlender überblickbarer Geschehensabläufe" (S. 4). Auslegungsmethodisch wäre zudem inkonsistent, warum das Truppendienstgericht nur zum Anschuldigungspunkt a. einen kausalen Zusammenhang zwischen vorgeworfener Handlung und dem Schießunfall als "inzident angeschuldigt" betrachtet, nicht aber auch beim Anschuldigungspunkt b. Damit ist die "inzidente" Auslegung des Anschuldigungspunktes a. durch das Truppendienstgericht nicht "evident" (S. 17, 1. Absatz des Urteils) und die deshalb bestehenden Zweifel wirken sich zu Gunsten des Soldaten aus.
Rz. 29
2. Verfahrensfehler liegen nicht vor, insbesondere hat der Soldat ausweislich der erstinstanzlichen Sitzungsniederschrift durch seinen Verteidiger erklären lassen, auf die Einlassungsfrist zur Nachtragsanschuldigung zu verzichten.
Rz. 30
3. Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass der angeschuldigte Sachverhalt im Wesentlichen zutrifft.
Rz. 31
a) Nach § 91 Abs. 1 Satz 1 WDO i.V.m. § 261 StPO hat das Gericht über das Ergebnis der Beweisaufnahme nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung zu entscheiden. Dabei kommt es allein darauf an, ob der Tatrichter die persönliche Überzeugung von einem bestimmten Sachverhalt erlangt hat oder nicht. Der Begriff der Überzeugung schließt die Möglichkeit eines anderen, auch gegenteiligen Geschehensablaufes nicht aus; denn im Bereich der vom Tatrichter zu würdigenden Tatsachen ist der menschlichen Erkenntnis ein absolut sicheres Wissen über den Tathergang verschlossen. Die für die Überführung eines Angeschuldigten erforderliche persönliche Gewissheit des Tatrichters erfordert ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit, demgegenüber vernünftige Zweifel nicht mehr aufkommen. Dabei ist - insbesondere bei einem Indizienbeweis - keine "mathematische" Gewissheit erforderlich. Darum können rein abstrakte oder theoretische Zweifel, für die es keine reale Grundlage gibt, das für die Verurteilung nach der Lebenserfahrung ausreichende Maß an Sicherheit nicht in Frage stellen. Der Beweis muss jedoch mit lückenlosen, nachvollziehbaren logischen Argumenten geführt sein (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. März 2019 - 2 WD 13.18 - juris Rn. 12 m.w.N.).
Rz. 32
b) Nach Maßgabe dieser Grundsätze steht auf der Grundlage der Einlassungen des Soldaten sowie der glaubhaften Aussagen der Zeugen Oberstabsgefreiter A, Oberstabsgefreiter B, Hauptfeldwebel d. R. C, Hauptmann D, Oberstabsgefreiter E, Hauptgefreiter d. R. F, Oberstabsgefreiter G, Hauptgefreiter d. R. H, Hauptgefreiter d. R. I, Feldwebel d. R. J, Major K, Major L, Hauptmann M und der durch Verlesung eingeführten erstinstanzlichen Aussagen des Oberstabsgefreiten N und des Hauptgefreiten O fest:
Rz. 33
Der Soldat war für das am... durchgeführte Gefechtsschießen auf der in West-Ost-Richtung ausgelegten Bahn... des Truppenübungsplatzes... erstmals als Sicherheitsoffizier eingesetzt.
Rz. 34
aa) Am... wurde das Gefechtsschießen dort zunächst geprobt. Entsprechend dem "gedachten Verlauf" führte die gesamte Halbgruppe unter Führung des Zeugen C entlang des Schotterweges der Schießbahn eine Patrouille durch. Nach 100 Meter wurde sie durch einen vom Soldaten gezündeten Sprengsatz "angesprengt", ohne dass die Zeugin D, die ebenfalls erstmals als Leitende des Schießens eingesetzt war, dagegen einschritt. Die gesamte Halbgruppe verteilte sich anschließend auf das Gelände der südlich vom Schotterweg befindlichen Schießbahn, auf der zum Teil hüfthoher Schnee lag. Die Halbgruppe ging anschließend dazu über, halbgruppenweise unter gegenseitiger Deckung um jeweils einige Meter versetzt nach hinten westlich in das Stellungskampfsystem der Schießbahn auszuweichen (überschlagendes Zurückweichen). Jeweils abwechselnd feuerten die Soldaten der Halbgruppe mit Übungsmunition auf die den Feind simulierenden, etwa 100 Meter von ihnen entfernt installierten Klappfallscheiben, die vom am unteren (westlichen) Ende der Gefechtsbahn liegenden Turm aus, auf Anweisung der sich in ihm aufhaltenden Leitenden des Schießens, betätigt wurden. Der hohe Schnee führte dazu, dass einige Soldaten ausrutschten.
Rz. 35
bb) Wegen des Risikos, das sich dadurch für das am nächsten Tag geplante Schießen dann mit scharfer Munition abzeichnete, entschied die Zeugin D nach Rücksprache mit dem Soldaten und dem Zeugen C den taktischen Ablauf des Schießens für den... abzuändern. Die Abänderung bestand darin, dass sich die Halbgruppe nach dem vom Soldaten vorgenommenen Ansprengen nicht mehr vollständig im Gelände auffächern sollte, sondern eine Halbgruppe unter der Führung des Zeugen C (erste Halbgruppe) auf der Schießbahn verbleiben und sich die andere Halbgruppe unter Führung des Zeugen A (zweite Halbgruppe) über den Schotterweg in das westlich gelegene Stellungskampfsystem der Schießbahn zurückziehen sollte.
Rz. 36
cc) Am... fand die Schießübung mit scharfer Munition in der veränderten Weise statt. Der ersten (vorderen) Halbgruppe gehörte der Zeuge B an, der zweiten (hinteren) Halbgruppe der Zeuge A. Der Soldat blieb nach dem von ihm durchgeführten Ansprengen auf der Höhe der ersten Halbgruppe stehen, etwa zehn Meter entfernt vom Zeugen C, der Funkkontakt zum Zeugen A hatte und jenem taktische Befehle erteilte. Ein Funkkontakt des Soldaten zur Leitenden des Schießens im Turm bestand nicht. Die Entfernung des Soldaten zum Stellungskampfsystem betrug etwa 100 Meter. Der Sicherheitsgehilfe E hatte vom Stellungskampfsystem aus keinen Sichtkontakt zum Soldaten. Der Soldat sah von seiner Position aus nur einen der für die Soldaten der hinteren Halbgruppe zuständigen Sicherheitsgehilfen E, I und H.
Rz. 37
dd) Nicht alle als Schützen eingesetzten Mitglieder der zweiten Halbgruppe fanden sogleich den Eingang in das Stellungskampfsystem. Der Soldat A bezog rechts im Stellungskampfsystem, links neben dem Zeugen G, Stellung. Der Zeuge C forderte den Zeugen A über Funk dreimal auf, Deckungsfeuer zu geben. Dieser feuerte daraufhin kurz hintereinander dreimal mit seinem G 36 auf die zu diesem Zeitpunkt vor der ersten Halbgruppe aufgeklappten Klappfallscheiben, deren Aufklappen nach Aussage des Zeugen C nicht geplant war und deren Abklappen die Zeugin D befohlen hatte, sobald sie vom Turm aus festgestellt hatte, dass sie aufgerichtet waren. Einer der von dem Zeugen A abgegebenen Schüsse verletzte den in Schießhaltung knienden Zeugen B zwischen 9:20 Uhr und 9:30 Uhr im Brustbereich lebensgefährlich. Der Zeuge B wurde fünf Tage ins künstliche Koma versetzt und verbrachte eineinhalb Tage auf der Intensivstation, 20 Tage auf Station und einen Monat krank zu Hause. Seitdem muss er alle sechs Monate zur Kontrolle, weil er noch kleine Splitter im Körper hat. Der Zeuge G gab keinen Schuss ab. Nach Abgabe der Schüsse unterbrach der Zeuge J die Schießübung. Dieser Zeuge war lediglich als Führer des nachfolgend geplanten Rennens (Beobachter) zugegen.
Rz. 38
Sicherheitsgehilfe für den Zeugen A war der in dieser Funktion erstmals eingesetzte Zeuge H, der sich zum Zeitpunkt der Schussabgabe nicht auf jenen konzentrierte, weil er sich nach anderen Schützen umschaute, für die er ebenfalls als Sicherheitsgehilfe eingeteilt war. Der Zeuge H hatte keine Kenntnis davon, dass sich der Ablauf des Schießens gegenüber der Übung am Vortag geändert hatte und fand das Vorgehen ungeordnet. Er wusste auch nichts von einem für die zweite Halbgruppe generell bestehenden Feuerverbot. Belehrt worden war er vom Zeugen J, der, von dem für den Zeugen G als Sicherheitsgehilfen eingesetzten Zeugen I, als für die Sicherheitsgewährleistung mitverantwortlich angesehen wurde. Der Zeuge I war seinerzeit erstmals oder jedenfalls zumindest eines der ersten Male als Sicherheitsgehilfe eingesetzt.
Rz. 39
ee) Ein generelles Feuerverbot, das erst geendet hätte, wenn - wie es die Leitende in der Berufungshauptverhandlung und erstinstanzlich auch der Soldat behauptet haben - alle Soldaten wieder in das Stellungskampfsystem eingerückt wären, bestand zur Überzeugung des Senats nicht.
Rz. 40
Selbst der Soldat hat nunmehr und abweichend von seiner erstinstanzlichen Einlassung in der Berufungshauptverhandlung ausgeführt, er wisse nicht mehr, ob ein absolutes Schießverbot bestanden habe. An ein generelles Schießverbot konnten sich zudem nicht mehr erinnern der Zeuge A, der gerade aufgefordert worden war, Deckungsfeuer zu geben. Auch der Zeuge C konnte sich nicht an ein generelles Schießverbot für die hintere Halbgruppe erinnern, was mit seiner sonstigen Aussage stimmig ist, den Zeugen A gerade aufgefordert zu haben, Deckungsfeuer zu geben. Der als weiterer Sicherheitsgehilfe eingesetzte Zeuge E hat ebenfalls in der Berufungshauptverhandlung ausgeführt, er sei davon ausgegangen, dass Feuer frei gegeben worden sei. Ebenso hat der Zeuge N nach der in die Berufungshauptverhandlung eingeführten erstinstanzlichen Aussage erklärt, sich nicht daran erinnern zu können, ob es ein Schießverbot gegeben habe. In diesem Sinne findet sich ebenfalls die in die Berufungshauptverhandlung eingeführte erstinstanzliche Aussage des Zeugen O, auch er könne sich nicht daran erinnern, ob die Sicherheitsgehilfen zu einem Feuerverbot der zweiten Halbgruppe eingewiesen worden seien, daran erinnere er sich nicht mehr; zu einem ausdrücklichen Feuerverbot "ohne Wenn und Aber" könne er nichts sagen. Der Zeuge G hat eindeutig erklärt, von der Anordnung eines Feuerverbots sei ihm nichts bekannt gewesen. Auch der Zeuge H hat ausgesagt, er wisse nichts von einem generellen Feuerverbot. Der als Sicherheitsgehilfe eingeteilte Zeuge I hat zudem erklärt, er hätte auch schießen lassen. Er sei davon ausgegangen, dass im hinteren Bereich kein grundsätzliches Feuerverbot bestanden habe.
Rz. 41
ff) Ebenso steht fest, dass der Soldat die Aufforderungen des Zeugen C an den Zeugen A, er solle Deckungsfeuer geben, zur Kenntnis genommen hat. Zwar hat der Soldat in der Berufungshauptverhandlung ausgeführt, er könne nicht mehr sagen ob der Zeuge C Deckungsfeuer angefordert habe; erstinstanzlich hatte er jedoch noch ausdrücklich zunächst erklärt, er habe öfter die über Funk gestellte Frage gehört, ob die Sicherung und die Deckung liege. Etwa 10 Meter hinter dem Zeugen C stehend habe er den Funkkontakt von diesem mit der zweiten Halbgruppe mitgehört und dort etwas im Sinne von "Deckungsfeuer" gehört, was genau, könne er nicht sagen. Erst auf Nachfrage seines Verteidigers hat er sodann (erstinstanzlich) erklärt, konkret habe er das Wort Deckungsfeuer vom Zeugen C nicht gehört. Da das Aussageverhalten des Soldaten erst von dem Zeitpunkt schwankte, zu dem ihm vermittelt wurde, dass sich die Kenntnis von den Äußerungen des Zeugen C für ihn negativ auswirken konnte, ist der Senat davon überzeugt, dass dessen ursprüngliche Aussage der Wahrheit entspricht, öfter die über Funk gestellte Frage des Zeugen C gehört zu haben, ob die Sicherung stehe und die Deckung liege. Zudem hat dieser Zeuge ausgesagt, seinerzeit lauter gesprochen zu haben.
Rz. 42
gg) Zur Überzeugung des Senats steht des Weiteren fest, dass der Soldat die ihm unterstellten Sicherheitsgehilfen nicht umfassend und nicht eindeutig in den operativen Ablauf eingewiesen hat, was sogar dazu führte, dass der Sicherheitsgehilfe I den Zeugen J als Mitverantwortlichen für die Sicherheitsgewährung ansah, obwohl dieser als Leiter des nachfolgenden Rennens lediglich "stiller Beobachter" war.
Rz. 43
Für die Einweisung der Schützen war der Zeuge C und für die Einweisung der Sicherheitsgehilfen der Soldat zuständig. Dem Zeugen J unterstellt waren einige Sicherheitsgehilfen, welche er am Tag der Übung nach eigener Aussage nur in die grundlegenden Regelungen zur Sicherheit generell - vor allem zum 30 Grad-Winkel - einwies, wobei er die Sicherheitsgehilfen zur Einweisung im Übrigen an den Sicherheitsoffizier verwies. Nach der in die Berufungshauptverhandlung eingeführten erstinstanzlichen Aussage des Zeugen N erfolgte durch den Sicherheitsoffizier aber ebenfalls nur eine allgemeine Sicherheitseinweisung (etwa über den 30 Grad-Winkel). Der Zeuge C hat schließlich erstinstanzlich erklärt, der Soldat habe die Halbgruppe grundsätzlich in die Grenzen eingewiesen, es sei um den Sicherungsbereich von 30 Grad gegangen und ab wann die Waffen geladen werden sollten. Wenn er sich nicht täusche, sei der Soldat auch bei der Befehlsausgabe anlässlich der Einweisung der Änderung des taktischen Verlaufs und des Ausweichens dabei gewesen. Ob der Soldat die Halbgruppe komplett in den (geänderten) taktischen Verlauf eingewiesen habe, könne er nicht mehr sagen. Der Zeuge F hat schließlich ausgeführt, es sei ihm unklar, ob er über die Veränderung des Schießablaufs aufgeklärt worden sei. Der seinerzeit erstmals als Sicherheitsgehilfe - für den Zeugen A - eingeteilte Zeuge H hat zudem erklärt, er habe keine Kenntnis davon gehabt, dass sich der Ablauf gegenüber dem Vortag geändert habe; deshalb sei auch der Ablauf der Übung ungeordnet verlaufen. Ferner hat der Zeuge H erklärt, von dem Zeugen J belehrt worden zu sein. Der Zeuge G hat schließlich ausgesagt, es habe eine (nur) generelle Befehlseinweisung gegeben und seine vorgerichtliche Aussage bestätigt, dass der - nach eigener Aussage - erstmals als Sicherheitsgehilfe eingeteilte Zeuge H ihm gegenüber geäußert habe, sie - die Schützen - sollten besser auf ihn aufpassen als er auf sie. Der Zeuge H hat die darin zum Ausdruck kommende Unsicherheit bei der Wahrnehmung seiner Funktion als Sicherheitsgehilfe in der Berufungshauptverhandlung auch bestätigt. Der als Sicherheitsgehilfe eingesetzte Zeuge I hat zudem ausgesagt, er sei am Tag vor der Übung über den Ablauf grob informiert worden. Zudem nahm er, dem im Übrigen kein vollständiger Flaggensatz zur Verfügung gestanden hat, auch an, dass der Zeuge J für die Sicherheitsgewährung mit verantwortlich gewesen sei.
Rz. 44
4. Der Soldat hat damit fahrlässig ein Dienstvergehen nach § 23 SG begangen.
Rz. 45
a) Der in der Anschuldigungsschrift angeschuldigte Verstoß gegen die Gehorsamspflicht nach § 11 Abs. 2 Satz 2 SG liegt vor, weil der Soldat entgegen Nr. 624 Satz 2 der ZDv 44/10 seinen Platz nicht so gewählt hat, dass er die Einhaltung der Sicherheitsbestimmungen für die Waffen und Munition, für die er eingesetzt war, überwachen und per Zuruf oder Funk auf das ihm unterstellte Sicherheitspersonal einwirken konnte. Dabei bildet die ZDv 44/10 nicht lediglich eine dienstliche Weisung, sondern einen Befehl, weil er "i.V." des Bundesministeriums der Verteidigung durch den seinerzeitigen Staatssekretär erlassen wurde (vgl. BVerwG, Urteil vom 2. Oktober 2013 - 2 WD 33.12 - juris Rn. 52 m.w.N.). Als Folge dessen schoss der Zeuge A fahrlässig dem Stabsgefreiten B in den Brustbereich und verletzte ihn dadurch so schwer, dass dieser operiert werden musste und über gut zwei Monate keinen Dienst verrichten konnte. Ein absolutes Feuerverbot, das den Standort des Soldaten hätte rechtfertigen können, bestand nach den Feststellungen des Senats nicht.
Rz. 46
aa) Grundsätzlich steht dem jeweiligen Sicherheitsoffizier ein Einschätzungsspielraum bei der Frage zu, welchen Standort er im Sinne der Nr. 624 Satz 2 der ZDv 44/10 wählt. Dies folgt aus dem Umstand, dass dessen Auswahl in hohem Maße durch militärfachliche Faktoren bestimmt wird, die sich einer rechtlichen Überprüfung weitgehend entziehen. Gerade in Anerkennung dieses Spielraums geht der Senat davon aus, dass der Soldat von einem Verstoß gegen Nr. 624 Satz 2 der ZDv 44/10 nicht bereits deshalb freigestellt werden kann, weil es von vornherein notwendig gewesen wäre, gemäß Nr. 621 (3) der ZDv 44/10 einen weiteren Sicherheitsoffizier zu bestellen. Er verlangt den Einsatz von Sicherheitsoffizieren bei jeder Teileinheit dann, wenn sie beim "Schießen aufgrund der räumlichen Trennung von einem Sicherheitsoffizier nicht überwacht werden kann". Gegen die Notwendigkeit eines weiteren Sicherheitsoffiziers spricht zunächst die Aussage des Hauptmann M. Er hat ausgesagt, ein zweiter Sicherheitsoffizier sei nach seiner Einschätzung bei der Übung nicht nötig, weil gut eingewiesenes Personal diese Aufgabe erfülle. Ebenso hat Major K ausgeführt, bei Übungsschießen auf dieser Schießbahn gebe es immer nur einen Sicherheitsoffizier, dem jedoch - je nach Übung - eine gewisse Anzahl an Gehilfen zur Seite stünde. Auch bei voller Nutzung der Schießbahn, die an jenem Tag allerdings nur zur Hälfte genutzt worden sei, sei nur ein Sicherheitsoffizier erforderlich, weil sich ein Sicherheitsoffizier stark auf seine Gehilfen verlassen können müsse. Die Gehilfen ihrerseits müssten auf die Schützen einwirken können. Der Sicherheitsoffizier sei für die Einteilung der Gehilfen verantwortlich und führe vorher eine Einweisung durch. Im besten Fall erkläre er jedem einzelnen Gehilfen, was er tun müsse.
Rz. 47
bb) Auch bei Anerkennung eines Spielraums lagen jedoch Umstände vor, die diesen dahingehend reduzierten, dass jedenfalls der vom Soldaten (so) gewählte Standort nicht mehr im Sinne der Nr. 624 ZDv 44/10 geeignet war, die Einhaltung der Sicherheitsbestimmungen für die Waffen und Munition, für die er eingesetzt war, zu überwachen und auf das ihm unterstellte Sicherheitspersonal effektiv einzuwirken. Dass der Soldat behauptet, seine Stimme trage über eine Distanz von etwa hundert Metern, ist dabei schon deshalb unglaubhaft, weil die in seiner Nähe stehenden Schützen der ersten Halbgruppe wegen des Gewehrfeuers Gehörschutz tragen mussten.
Rz. 48
Hauptmann M hat ausgesagt, sich im vorderen Bereich aufzuhalten, sei für den Sicherheitsoffizier ungünstig. Von hinten habe man einen besseren Überblick, zumal vorliegend auch keine Funkverbindung zu den Gehilfen bestanden habe. Ein Sicherheitsoffizier müsse sich in der Nähe der Schießbahn befinden und solle seinen Platz dort wählen, wo die größte Gefahr sei. Hier habe die höchste Kritikalität hinten gelegen. Zwar hat Major L dem widersprochen und Major K ausgeführt, es komme immer auf die Person und auf die jeweilige Übung an, wie sich der Sicherheitsoffizier positionieren und Verbindung mit seinem Sicherheitspersonal halten müsse. Die meisten Sicherheitsoffiziere stünden in dieser Schießbahn hinten oder in der Mitte. Damit werden jedoch bedeutsame Umstände ausgeblendet, die den Einschätzungsspielraum des Soldaten reduzierten. Zunächst zündete der Soldat selbst - wie gesondert angeschuldigt und disziplinarrechtlich zu würdigen - den Bodensprengpunkt, wodurch er hinsichtlich seines Aufenthaltsortes einen Zwangspunkt gesetzt hat, der nicht durch Sicherheits-, sondern taktische Überlegungen bestimmt war und ihn - wie im Untersuchungsbericht des Bundesamtes für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr... angedeutet (S. 5) - von seiner Sicherungsaufgabe ablenkte. Darüber hinaus durfte er im konkreten Fall auch nicht darauf vertrauen, dass die Sicherheitsgehilfen die durch seinen etwa 100 Meter entfernt vom Stellungskampfsystem gewählten Standort entstehenden Sicherheitsdefizite würden kompensieren können. Denn ausweislich der vom Senat getroffenen Tatsachenfeststellungen steht fest, dass jedenfalls ein Teil der gerade für die zweite, mit scharfer Munition ausgestatteten Halbgruppe zuständigen Sicherheitsgehilfen weder von ihm selbst umfassend eingewiesen war noch über Erfahrungen in dieser Funktion verfügte. Damit liegt ein Verstoß gegen Nr. 628, 8. Spiegelstrich ZDv 44/10 vor, demzufolge Sicherheitsoffiziere sicherzustellen haben, dass Sicherheitsgehilfen in ihre Aufgaben eingewiesen sind. Die Aufgabeneinweisung schließt auch ein, sie über den konkreten operativen Ablauf der Übung und nicht nur über allgemein zu beachtende Sicherheitsgrundsätze zu informieren.
Rz. 49
Insbesondere der als Sicherheitsgehilfe für den - die Verletzung des Zeugen B unmittelbar herbeiführenden - Zeugen A eingesetzte Zeuge H hat glaubhaft ausgesagt, diese Funktion erstmals wahrgenommen zu haben, wobei er sich auf A nicht habe konzentrieren können, weil er sich nach anderen Schützen umgeschaut habe. Derselbe Zeuge hat ebenfalls ausgesagt, keine Kenntnis davon gehabt zu haben, dass sich der Ablauf des Schießens gegenüber der Übung am Vortag geändert habe. Belehrt worden sei er vom Zeugen J, der wiederum ausgesagt hat, er habe am Tag der Übung einige der Sicherheitsgehilfen in die grundlegenden Regelungen zur Sicherheit nur generell - vor allem zum 30 Grad-Winkel - eingewiesen und zur Einweisung im Übrigen an den Sicherheitsoffizier - also den Soldaten - verwiesen. Dazu hat der Zeuge N wiederum ausgeführt, der Sicherheitsoffizier habe nur eine allgemeine Sicherheitseinweisung (etwa über den 30 Grad-Winkel) vorgenommen. Der Zeuge C hat ebenfalls ausgeführt, der Soldat habe die Halbgruppe grundsätzlich in die Grenzen eingewiesen. Ob der Soldat die Halbgruppe komplett in den (geänderten) taktischen Verlauf eingewiesen habe, könne er nicht mehr sagen. Der Zeuge F hat schließlich ausgeführt, es sei ihm unklar, ob er über die Veränderung des Schießablaufs aufgeklärt worden sei. Der Zeuge H hat erklärt, vom Zeugen J belehrt worden zu sein. Der als Schütze eingesetzte Zeuge G hat schließlich ausgesagt, es habe eine (nur) generelle Befehlseinweisung gegeben und seine vorgerichtliche Aussage bestätigt, dass der erstmals als Sicherheitsgehilfe eingeteilte Zeuge H ihm gegenüber geäußert habe, sie - die Schützen - sollten besser auf ihn aufpassen als er auf sie. Der im Stellungskampfsystem, also bei der zweiten Halbgruppe, als Sicherheitsgehilfe eingesetzte Zeuge I hat zudem ausgesagt, er sei am Tag vor der Übung über den Ablauf grob informiert worden. Seine Aussage, er sei davon ausgegangen, dass der Zeuge J für die Sicherheitsgewährung mit verantwortlich gewesen sei, rundet schließlich das Bild von besonderer Konfusion als Folge einer - wie auch im Untersuchungsbericht des Bundesamtes für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr... (auf S. 6) festgestellten - unzulänglichen Kommunikation bei der Einweisung in den konkreten operativen Übungsverlauf ab, für die allein der Soldat verantwortlich war. Dieser hat sich seinerzeit augenscheinlich eher als Schiedsrichter oder als ein Akteur der Übung betrachtet.
Rz. 50
Der Soldat handelte auch fahrlässig. Fahrlässig handelt ein Soldat, wenn es ihm bei Beachtung der ihm objektiv nach seiner Dienststellung und den Umständen des Falles obliegenden Sorgfalt und nach seinen subjektiven Fähigkeiten und Kenntnissen möglich gewesen wäre, den Eintritt der Pflichtverletzung vorherzusehen und zu vermeiden (vgl. BVerwG, Urteile vom 19. Februar 2004 - 2 WD 14.03 - BVerwGE 120, 166 ≪174≫ und vom 21. Dezember 2010 - 2 WD 13.09 - Buchholz 449 § 7 SG Nr. 54 Rn. 23). Der Soldat war als Sicherheitsoffizier eingeteilt und er hätte deshalb mit der Vorschriftenlage vertraut sein müssen (vgl. Nr. 627, 1. Spiegelstrich der ZDv 44/10). Auch liegen in seiner Person keine Umstände vor, die - ausgehend vom subjektiven Fahrlässigkeitsmaßstab - dazu führen müssten, niedrigere Anforderungen an die Vorausseh- und Vermeidbarkeit zu stellen (zum subjektiven Element: Thomas Fischer, StGB, Kommentar, 66. Aufl. 2019, § 15 Rn. 17).
Rz. 51
Der Soldat hat damit zugleich die Pflicht zum treuen Dienen nach § 7 SG, die Pflicht zur Dienstaufsicht nach § 10 Abs. 2 SG, zur Sorge für Untergebene nach § 10 Abs. 3 SG sowie die Wohlverhaltenspflicht nach § 17 Abs. 2 Satz 1 SG fahrlässig verletzt. Ob eine Verletzung der Kameradschaftspflicht nach § 12 Satz 2 SG hinter dem Verstoß nach § 10 Abs. 3 SG zurücktritt, kann dahingestellt bleiben, weil die Schwere des Dienstvergehens dadurch nicht mehr in einer die Zumessungsentscheidung bedeutsamen Weise beeinflusst würde.
Rz. 52
b) Der Soldat hat zudem mit dem in der Nachtragsanschuldigungsschrift beschriebenen und vom Senat festgestellten Verhalten weitere Pflichtverletzungen fahrlässig begangen.
Rz. 53
aa) Dadurch, dass nicht der Soldat, sondern der Zeuge J das Schießen unterbrochen hat, obwohl der Soldat hätte erkennen können, dass die nach Nr. 628, 302 geforderte Schießsicherheit (durch Wahrung des 30 Grad-Winkels) nicht bestand, verstieß er erneut gegen die Gehorsamspflicht nach § 11 Abs. 2 Satz 2 SG i.V.m. Nr. 628, 12. Spiegelstrich der ZDv 44/10. Danach war er verpflichtet, die innere Schießsicherheit einzuhalten, welche nicht gegeben war, weil sich die Angehörigen der ersten Halbgruppe durch die Angehörigen der zweiten Halbgruppe gem. Kapitel 3 der ZDv 44/10 im Gefahrenbereich aufhielten. Spätestens zu dem Zeitpunkt, zu dem der Soldat von der mehrfach geäußerten und nach den Feststellungen des Senats auch zur Kenntnis genommenen Aufforderung des Zeugen C an den Zeugen A hörte, Deckungsfeuer zu geben, hätte er das Übungsschießen unterbrechen müssen.
Rz. 54
Dass es dem Soldaten bei Beachtung der ihm nach seiner Dienststellung und den Umständen des Falles obliegenden Sorgfalt und nach seinen subjektiven Fähigkeiten und Kenntnissen möglich gewesen wäre, die Pflichtverletzung vorherzusehen und zu vermeiden und er somit fahrlässig handelte, wurde bereits dargelegt.
Rz. 55
Da die Folgen des Befehlsverstoßes im Rahmen der Nachtragsanschuldigungsschrift nicht mit angeschuldigt worden sind, liegen insoweit jedoch keine weiteren Verstöße - etwa gegen die Pflicht zum treuen Dienen nach § 7 SG, die Pflicht zur Dienstaufsicht nach § 10 Abs. 2 SG, zur Sorge für Untergebene nach § 10 Abs. 3 SG sowie gegen die Wohlverhaltenspflicht nach § 17 Abs. 2 Satz 1 SG - vor.
Rz. 56
bb) Des Weiteren hat der Soldat durch die eigenhändig vorgenommene Zündung des Bodensprengpunktes gegen § 11 Abs. 2 Satz 2 SG i.V.m. Nr. 623 Satz 1 ZDv 44/10 verstoßen, weil er neben der Funktion als Sicherheitsoffizier keine anderen, ihn von dieser Funktion ablenkenden Aufgaben hätte wahrnehmen dürfen.
Rz. 57
Der Soldat handelte auch damit - was allein angeschuldigt worden ist - fahrlässig. Seine Einlassung, er habe angenommen, die Leitende habe von seinem Vorgehen wegen seines entsprechenden Verhaltens auch am Vortag gewusst und sei nicht eingeschritten, sodass er auch für den Folgetag eine Genehmigung angenommen habe, lässt seine Schuld nicht entfallen. Ein solcher Irrtum würde sich als Verbotsirrtum nach § 17 StGB und nicht als Tatbestandsirrtum nach § 16 Abs. 1 Satz 1 StGB darstellen. Die Abgrenzung, ob ein Irrtum über die Genehmigungsfähigkeit einen Tatbestands- oder Verbotsirrtum darstellt, nimmt der Senat danach vor, ob die Tat ihren Unwert nur aus dem Fehlen der Genehmigung eines im allgemeinen sozialadäquaten Verhaltens herleitet - dann Tatbestandsirrtum - oder ob es sich um ein grundsätzlich wertwidriges Verhalten handelt, das im Einzelfall nur aufgrund einer Genehmigung erlaubt ist - dann Verbotsirrtum -. Nach Maßgabe dessen lag beim Soldaten ein Verbotsirrtum vor, weil kein Zweifel daran bestand, dass der Sicherheitsoffizier - so ausdrücklich auch Nr. 623 Satz 1 der ZDv 44/10 - während des Schießens keine anderen Aufgaben wahrnehmen darf.
Rz. 58
Die damit aufgeworfene Frage nach der Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums ist auch rechtlich von Bedeutung, weil nur bei einem unvermeidbaren Irrtum die Schuld als Element, das den Tatbestand des Dienstvergehens konstituiert entfällt, während bei einem vermeidbaren Irrtum der Tatbestand eines Dienstvergehens unberührt bleibt und er lediglich beim "Maß der Schuld" (§ 38 Abs. 1 WDO) Berücksichtigung finden kann (vgl. zu allem: BVerwG, Urteil vom 13. September 2011 - 2 WD 15.10 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 33 Rn. 34).
Rz. 59
Ob ein Verbotsirrtum vermeidbar oder unvermeidbar war, bestimmt sich nach der vom Soldaten nach seiner Amtsstellung (Status, Dienstposten) und seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten (Vorbildung, dienstlicher Werdegang) zu fordernden Sorgfalt unter Berücksichtigung ihm zugänglicher Informationsmöglichkeiten. Das Bewusstsein der Pflichtwidrigkeit setzt dabei in der Regel keine juristisch genaue Kenntnis der verletzten Rechtsvorschriften und Verwaltungsanordnungen voraus. Es genügt, wenn der Soldat Umfang und Inhalt seiner auf diese Regelungen beruhenden Dienstpflichten im weitesten Sinne erfasst. Davon ist im Regelfall aufgrund der Ausbildung des Soldaten auszugehen. Im Zweifel wird von einem Soldaten erwartet, dass er sich bei seiner Dienststelle rechtzeitig über Umfang und Inhalt seiner Dienstpflichten erkundigt. Dies gilt vorliegend vor allem deshalb, als der Soldat zum einen gemäß Nr. 627 der ZDv 44/10 ausdrücklich verpflichtet war, die Sicherheitsbestimmungen dieser Dienstvorschrift zu kennen, und zum anderen die nach Satz 2 der Nr. 623 ZDv 44/10 bestehenden Ausnahmen ersichtlich abschließend waren.
Rz. 60
5. Bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist von der von Verfassungs wegen allein zulässigen Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts auszugehen. Diese besteht ausschließlich darin, dazu beizutragen, einen ordnungsgemäßen Dienstbetrieb wiederherzustellen und/oder aufrechtzuerhalten ("Wiederherstellung und Sicherung der Integrität, des Ansehens und der Disziplin in der Bundeswehr", vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 28. März 2018 - 2 WD 13.18 - juris Rn. 23 m.w.N.). Bei Art und Maß der Disziplinarmaßnahme sind nach § 58 Abs. 7 i.V.m. § 38 Abs. 1 WDO Eigenart und Schwere des Dienstvergehens und seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des Soldaten zu berücksichtigen. Im Einzelnen geht der Senat von einem zweistufigen Prüfungsschema aus:
Rz. 61
a) Auf der ersten Stufe bestimmt er im Hinblick auf das Gebot der Gleichbehandlung vergleichbarer Fälle sowie im Interesse der rechtsstaatlich gebotenen Rechtssicherheit und Voraussehbarkeit der Disziplinarmaßnahme eine Regelmaßnahme für die in Rede stehende Fallgruppe als "Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen". Danach bildet bei Verstößen gegen die hier im Zentrum der Würdigung stehende Gehorsamspflicht - je nach Schwere des Verstoßes - eine Gehaltskürzung, ein Beförderungsverbot oder auch eine Dienstgradherabsetzung den Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen, wobei bei einer Kombination von Pflichtverletzungen den Umständen des Falles auf der zweiten Stufe der Zumessungserwägungen Rechnung getragen wird. Dabei hat der Senat das disziplinare Gewicht eines Ungehorsams umso höher eingestuft, je größer die dadurch drohenden Gefahren für ein bedeutsames Rechtsgut, insbesondere Leib und Leben von Kameraden, sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Juni 2016 - 2 WD 2.16 - juris Rn. 43 m.w.N.). Vor diesem Hintergrund hat der Senat schon bei fahrlässigen Verletzungen von Sorgfaltspflichten nur im Umgang mit Munition ein Beförderungsverbot zum Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen genommen (BVerwG, Urteil vom 19. Mai 2016 - 2 WD 13.15 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 51 Rn. 61). Bei fahrlässigen Verstößen gegen Vorschriften, die speziell die Schießsicherheit und damit Leib und Leben von Menschen und somit Rechtswerte mit Verfassungsrang betreffen (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG), bildet Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen somit eine Dienstgradherabsetzung (§ 58 Abs. 1 Nr. 4, § 62 WDO).
Rz. 62
b) Auf der zweiten Stufe ist zu prüfen, ob im Einzelfall im Hinblick auf die Bemessungskriterien des § 38 Abs. 1 WDO und die Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts Umstände vorliegen, die eine Milderung oder Verschärfung gegenüber der auf der ersten Stufe in Ansatz gebrachten Regelmaßnahme gebieten. Dabei ist vor allem angesichts der Eigenart und Schwere des Dienstvergehens sowie dessen Auswirkungen zu klären, ob es sich im Hinblick auf die be- und entlastenden Umstände um einen schweren, mittleren oder leichten Fall der schuldhaften Pflichtverletzung handelt. Liegt kein mittlerer, sondern ein höherer bzw. niedrigerer Schweregrad vor, ist gegenüber dem Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen die zu verhängende Disziplinarmaßnahme nach "oben" bzw. nach "unten" zu modifizieren. Zusätzlich sind die gesetzlich normierten Bemessungskriterien für die Bestimmung der konkreten Sanktion zu gewichten, wenn die Maßnahmeart, die den Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen bildet, dem Wehrdienstgericht - wie vorliegend - hinsichtlich des Disziplinarmaßes einen Spielraum eröffnet (BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2015 - 2 WD 11.14 - juris Rn. 52 m.w.N.).
Rz. 63
aa) Nach diesen Maßstäben begründet die Verwirklichung der mit den Vorschriften gerade abzuwehren versuchten Gefahr in Gestalt der lebensgefährlichen Verletzung des Zeugen B und dessen mehrmonatiger Dienstausfall unter den Gesichtspunkten Eigenart, Schwere und Folgen des Dienstvergehens einen jeweils erschwerenden Umstand; desgleichen, dass der Soldat zusätzlich die mit der Nachtragsanschuldigungsschrift angeschuldigten Pflichtverletzungen begangen hat, er sich als Oberfeldwebel in einer Vorgesetztenfunktion (§ 10 Abs. 1 SG) befand und er jedenfalls aus einem Auslandseinsatz ausgeplant werden musste.
Rz. 64
Den Übergang zur milderen Maßnahmeart des Beförderungsverbots nach § 60 WDO gebietet jedoch seine gemäß § 38 Abs. 1 WDO einzustellende Persönlichkeit in Form einer beeindruckenden Nachbewährung. Der Soldat hat - wie seine Vorgesetzten formulieren - den "Kopf nicht in den Sand" gesteckt, sondern trotz des nach den Beobachtungen seiner Vorgesetzten ihn ersichtlich bedrückenden Dienstvergehens seine schon bis dahin überzeugenden Leistungen noch erheblich gesteigert. Während er nach dem Dienstvergehen in seiner planmäßigen Beurteilung vom 23. September 2015 für die Aufgabenerfüllung auf seinem Dienstposten noch einen Durchschnittswert von "6,11" erhielt, weist die planmäßige Beurteilung vom 3. Mai 2017 einen Durchschnittswert von "7" und die vom 19. Juni 2018 datierende Sonderbeurteilung von "6,8" aus. In der Berufungshauptverhandlung hat der aktuelle Disziplinarvorgesetzte zudem ausgeführt, von den ihm unterstellten Oberfeldwebeln gehöre der Soldat zu den drei Ersten und dessen Durchschnittswert liege aktuell bei "7,3" bzw. "7,4".
Rz. 65
bb) Beim Umfang des Beförderungsverbots ist zwar regelmäßig zunächst vom gesetzlichen Höchstmaß von vier Jahren auszugehen (§ 60 Abs. 2 Satz 1 WDO), weil diese Maßnahmeart vorliegend überhaupt nur wegen des Vorliegens einer Nachbewährung als klassischer Milderungsgrund zum Tragen kommt. Es liegen indes auch hier zahlreiche mildernde Umstände vor, die zu dessen Reduzierung führen müssen. Dazu gehört, dass der Soldat seinerzeit erstmals als Sicherheitsoffizier eingesetzt und somit unerfahren war und er in der Folgezeit diese Funktion gleichwohl mehrfach erneut und dann ohne Beanstandung wahrgenommen hat. Hinzu kommt, dass sowohl die Leitende des Schießens als auch der Schütze A - ausweislich der gegen sie ergangenen Urteile des Truppendienstgerichts Nord - und ebenso der Zeuge C nicht unmaßgeblich dazu beigetragen haben, dass es zu dem Schießunfall kam, und dem Soldaten bei alledem unerfahrene Sicherheitsgehilfen zugewiesen waren. Im Untersuchungsbericht des Bundesamtes für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr... ist denn auch (auf S. 6) insoweit zutreffend von einer "Verkettung vieler individueller Fehler Einzelner" und einem ganzheitlichen Versagen der für die innere Schießsicherheit verantwortlichen Sicherheitsorganisation als Ursache für den Schießunfall die Rede. Schließlich hat der Soldat Reue gezeigt, sodass ein Beförderungsverbot auszusprechen war, das mit einem Monat unter dem gegen die Leitende des Schießens ausgesprochenen Beförderungsverbot liegt.
Rz. 66
Eine weitere Milderung war unter dem Gesichtspunkt der überlangen Dauer des gerichtlichen Verfahrens hingegen nicht geboten (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. März 2019 - 2 WD 13.18 - Rn. 32). Die gerichtliche Verfahrensdauer war nicht überlang, da über die unter dem 18. Januar 2017 erhobene Anschuldigung vom Truppendienstgericht bereits am 15. März 2018 entschieden wurde, was angesichts der umfangreichen Beweisaufnahme bemerkenswert zeitnah war. Auch der Zeitraum zwischen förmlicher Aufnahme der disziplinaren Vorermittlungen im Juli 2015 und dem Erlass der Einleitungsverfügung vom 18. Februar 2016 war angesichts dessen angemessen (dazu jüngst BVerwG, Urteil vom 18. Juli 2019 - 2 WD 19.18 - Rn. 42 ff.).
Rz. 67
cc) Mit dem Beförderungsverbot war gemäß § 58 Abs. 4 Satz 2 WDO eine Kürzung der Bezüge zu verbinden, weil erkennbar war, dass es keine Auswirkungen auf den weiteren dienstlichen Werdegang des Soldaten haben würde. Der Senat ist auch insoweit dem Antrag des Bundeswehrdisziplinaranwalts gefolgt und hat für den Zeitraum des Beförderungsverbots eine zeitgleiche Kürzung um 1/15 für angemessen gehalten. Er hat dabei berücksichtigt, dass der Soldat seine Familie finanziell allein unterhält.
Rz. 68
6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 139 Abs. 1 Satz 2 Halbs.1, § 139 Abs. 2 WDO. Die Beschränkung der Kosten folgt aus dem Umstand, dass dort drei Verfahren gemeinsam verhandelt wurden.
Fundstellen
Dokument-Index HI13401915 |