Entscheidungsstichwort (Thema)
Bestätigungsmerkmal, deutsche Sprache als – für deutsche Volkszugehörigkeit. deutsche Sprache als Bestätigungsmerkmal für deutsche Volkszugehörigkeit. Gesetzesänderung, rückwirkende – in Bezug auf die Voraussetzungen für die deutsche Volkszugehörigkeit
Normenkette
BVFG § 6 Abs. 2, §§ 15, 100a
Verfahrensgang
Niedersächsisches OVG (Urteil vom 05.08.2002; Aktenzeichen 13 LB 1918/01) |
VG Hannover (Entscheidung vom 26.06.1996; Aktenzeichen 5 A 842/96) |
Tenor
Das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 5. August 2002 wird aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Tatbestand
I.
Die 1964 in Tadschikistan geborene Klägerin ist russische Volkszugehörige. 1993 reiste sie mit ihrem damaligen Ehemann A.…S.…, dem Kläger des Revisionsverfahrens BVerwG 5 C 35.02, im Wege des Aufnahmeverfahrens in die Bundesrepublik Deutschland ein. Den Antrag der Klägerin vom September 1993 auf Ausstellung einer Ehegatten-Spätaussiedlerbescheinigung nach § 15 Abs. 2 BVFG lehnte der Landkreis H.… mit Bescheid vom 31. Juli 1995 im Hinblick auf den ihren damaligen Ehemann betreffenden ablehnenden Bescheid gleichen Datums ab. Widerspruch und Klage blieben erfolglos. Das Berufungsgericht hat den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts geändert, die Verwaltungsentscheidungen aufgehoben und die Beklagte (Rechtsnachfolgerin des Landkreises H.…) verpflichtet, der Klägerin eine Bescheinigung als Ehegattin eines Spätaussiedlers auszustellen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Klägerin, die im Zeitpunkt der Aufenthaltnahme Ehegattin eines Spätaussiedlers gewesen sei, stehe eine Bescheinigung nach § 15 Abs. 2 BVFG zu. Die Spätaussiedlereigenschaft ihres damaligen Ehemannes A.…S.… ergebe sich aus dessen Berufungsurteil.
Gegen das der Berufung der Klägerin stattgebende Urteil richtet sich die Revision der Beklagten mit der Rüge der Verletzung von § 15 Abs. 2 i.V.m. § 7 Abs. 2 BVFG und dem Begehren, das Berufungsurteil aufzuheben und die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das Berufungsurteil.
Entscheidungsgründe
II.
Das Berufungsurteil ist aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). Denn das Berufungsurteil verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) und zu einer Entscheidung in der Sache sind noch tatsächliche Ermittlungen erforderlich.
Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, Anträge auf Spätaussiedlerbescheinigungen von Personen, die vor In-Kraft-Treten des Spätaussiedlerstatusgesetzes im Wege des Aufnahmeverfahrens eingereist sind, seien auch unter dem Gesichtspunkt der gesetzlichen Anforderungen an die deutsche Sprache noch nach § 6 Abs. 2 BVFG in seiner Fassung vor dem In-Kraft-Treten des Spätaussiedlerstatusgesetzes zu bescheiden, ist mit Bundesrecht nicht vereinbar. In seinem Urteil vom selben Tag im Revisionsverfahren BVerwG 5 C 35.02 des ehemaligen Ehemannes der Klägerin hat der Senat seine Rechtsprechung bestätigt, dass nach § 100a BVFG, der die Anwendung des nach dem 7. September 2001 geltenden Rechts auch auf Anträge nach § 15 Abs. 1 BVFG bestimmt und sich dabei erkennbar auf die Änderung des § 6 Abs. 2 BVFG durch das Spätaussiedlerstatusgesetz bezieht, – jedenfalls unter dem Gesichtspunkt der gesetzlichen Anforderungen an die deutsche Sprache – für die Prüfung der Frage, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Ausstellung der Bescheinigung vorliegen, von § 6 Abs. 2 BVFG n.F. auszugehen ist (BVerwGE 116, 114). Das hat im Verfahren des ehemaligen Ehemannes der Klägerin zu einer Zurückverweisung an das Oberverwaltungsgericht geführt, damit dieses tatsächliche Feststellungen zu der Frage treffen kann, ob der frühere Ehemann der Klägerin im Zeitpunkt der Aussiedlung aufgrund familiärer Vermittlung zumindest ein einfaches Gespräch auf Deutsch führen konnte.
Auch im Verfahren der Klägerin ist eine Zurückverweisung geboten, weil ihr eine Bescheinigung nach § 15 Abs. 2 BVFG nur dann zusteht, wenn ihrem ehemaligen Ehemann als Spätaussiedler eine Bescheinigung nach § 15 Abs. 1 BVFG zusteht. Dabei hält der Senat an seiner Rechtsprechung fest, dass die durch § 100a BVFG angeordnete Geltung der Neufassung des § 6 Abs. 2 BVFG wegen der Abhängigkeit der Rechte des Ehegatten wie der der Abkömmlinge vom Spätaussiedlerstatus der Bezugsperson auch die Bescheidung von Anträgen nach § 15 Abs. 2 BVFG erfasst (Senatsurteil vom 12. März 2002 – BVerwG 5 C 28.01 – ≪Buchholz 412.3 § 6 BVFG Nr. 98 = ZfS 2003, 206≫). Allerdings kann daraus nicht über den Anwendungsbereich des § 100a i.V.m. §§ 15, 6 Abs. 2 BVFG hinaus weitergehend auf eine generelle Abhängigkeit der Rechte von Ehegatten und Abkömmlingen nicht nur von der Spätaussiedlereigenschaft der Bezugsperson, sondern auch von deren Bescheinigung geschlossen werden.
Unterschriften
Dr. Säcker, Schmidt, Dr. Rothkegel, Dr. Franke, Prof. Dr. Berlit
Fundstellen