Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundstücksrestitution. Ablösebetrag. Geldentschädigung. Aufbaukredit. Aufrechnung. Befreiung von Verbindlichkeit. Aufbaugrundschuld. Kürzung, degressive. Herausgabepflicht Berechtigter
Leitsatz (amtlich)
Eine im Zuge der Enteignung eines staatlich verwalteten Grundstücks festgesetzte Geldentschädigung, die mit grundpfandrechtlich gesicherten Aufbaukrediten verrechnet wurde, ist keine im Rahmen des Ablösebetrags anzusetzende staatliche Ausgleichsleistung oder Entschädigung i.S. von § 18 Abs. 5 Satz 1 VermG.
Der Berechtigte hat eine solche Geldentschädigung bei Rückübertragung des Grundstücks auch dann gemäß § 7 a Abs. 2 Satz 4 VermG an den Entschädigungsfonds herauszugeben, wenn für die vom staatlichen Verwalter bestellten Aufbaugrundschulden infolge nach § 18 Abs. 2 VermG vorzunehmender Abschläge kein Ablösebetrag festzusetzen ist.
Normenkette
VermG § 7a Abs. 2, § 16 Abs. 1, 5, § 18 Abs. 1-2, 5, § 18b Abs. 1, 3, 5; EntschG § 3 Abs. 4, § 6 Abs. 1
Verfahrensgang
VG Dresden (Entscheidung vom 28.07.1999; Aktenzeichen 4 K 156/96) |
Tenor
Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 28. Juli 1999 wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Revisionsverfahrens als Gesamtschuldner.
Tatbestand
I.
Die Kläger wenden sich gegen den in einem vermögensrechtlichen Rückübertragungsbescheid festgesetzten Ablösebetrag. Ihr Rechtsvorgänger Adelbert K. war zusammen mit seiner Mutter Gertrud K. je zur Hälfte Miteigentümer eines Grundstücks, das mit einem aus sechs Wohnungen bestehenden Mietshaus bebaut war. Der Miteigentumsanteil von Adelbert K. wurde im Jahr 1956 auf der Grundlage der Verordnung zur Sicherung von Vermögenswerten vom 17. Juli 1952 (GBl DDR I S. 615) in Volkseigentum überführt. Der Miteigentumsanteil von Gertrud K. wurde nach deren legaler Ausreise aus der DDR Ende 1955 in vorläufige staatliche Verwaltung genommen und vom VEB Kommunale Wohnungsverwaltung verwaltet; der Verwaltungsvermerk wurde im September 1980 gelöscht.
Zu Lasten des Miteigentumsanteils von Gertrud K. wurden – mit Eintragungsbewilligung oder auf Veranlassung des VEB – für Instandsetzungszwecke drei Aufbaugrundschulden eingetragen: im Juni 1958 in Höhe von 14 000 M, im März 1971 in Höhe von 3 200 M und im Februar 1980 in Höhe von 3 000 M. Außerdem war das Grundstück mit Hypotheken in Höhe von 10 000 M zur Sicherung privater Forderungen belastet. Nachdem die Stadtsparkasse Ende 1982 einen weiteren Kredit mangels ausreichender Sicherheit abgelehnt hatte, wurde der Anteil von Gertrud K. auf der Grundlage des Aufbaugesetzes mit Wirkung vom 1. Januar 1984 in Volkseigentum überführt. Mit Bescheid vom 24. Oktober 1984 wurde eine Entschädigung von 2 800 M festgestellt. Die Entschädigung wurde im Rahmen der Auseinandersetzung mit den volkseigenen Forderungen verrechnet. Der verbliebene Restbetrag der Aufbaukredite betrug 10 567,79 M. Die privaten Hypothekengläubiger wurden nicht befriedigt.
Der Rechtsvorgänger der Kläger ist Alleinerbe seiner 1991 verstorbenen Mutter. Er beantragte im Juli 1990 und im November 1991 die Rückübertragung des Grundstücks. Darauf veräußerte er den Rückübertragungsanspruch an die Kläger. Durch Bescheid vom 25. August 1993 übertrug die Beklagte das Grundstückseigentum an die Kläger. Zugleich setzte sie gemäß § 18 VermG einen zu hinterlegenden Ablösebetrag von 11 683,90 DM fest; hiervon waren 5 283,90 DM für die Staatsbank Berlin, insgesamt 5 000 DM für die privaten Gläubiger sowie 1 400 DM für den Entschädigungsfonds bestimmt.
Der Widerspruch der Kläger gegen die 5 000 DM übersteigende Festsetzung des Ablösebetrags blieb erfolglos. Ihrer Klage hat das Verwaltungsgericht stattgegeben, soweit sie sich gegen den zugunsten der Staatsbank Berlin festgesetzten, inzwischen auf die Kreditanstalt für Wiederaufbau übergegangenen Teil des Ablösebetrags richtete. In den Entscheidungsgründen heißt es: Die Aufbaugrundschulden seien vom VEB als staatlichem Verwalter bestellt worden. Die mit dem Nennbetrag von 14 000 M eingetragene Aufbaugrundschuld sei ein der Aufbauhypothek vergleichbares Grundpfandrecht zur Sicherung von Baukrediten; sie sei aufgrund der in § 18 Abs. 2 VermG bestimmten jährlichen Abschläge von 5 % seit Eintragung inzwischen erloschen. Wäre ein Restbetrag verblieben, hätte der im Enteignungszeitpunkt bereits getilgte Betrag abgezogen werden müssen. Dagegen hätten die Kläger den zugunsten des Entschädigungsfonds festgesetzten Betrag in Höhe von 1 400 DM zu hinterlegen. Nach § 18 b VermG könne der Gläubiger den auf sein früheres Recht entfallenden Teil des Ablösebetrags nicht verlangen, soweit er an den Entschädigungsfonds oder an den Berechtigten herauszugeben sei. Die Stadtsparkasse als Gläubigerin habe für den Verlust ihres Rechts die verrechnete Geldentschädigung erhalten. Der Herausgabeanspruch sei daher insoweit auf den Entschädigungsfonds übergegangen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Senat zugelassene Revision der Kläger. Sie führen zur Begründung aus, dass eine Enteignungsentschädigung nicht als Ablösebetrag festgesetzt werden dürfe, sondern bei Rückübertragung des Grundstücks an den Verfügungsberechtigten herauszugeben sei, wenn sie dem Berechtigten aus Anlass des Vermögensverlusts tatsächlich zugeflossen sei. An dieser Voraussetzung fehle es, da die Geldentschädigung nicht an ihre Rechtsvorgängerin ausgezahlt worden sei.
Die Beklagte tritt der Revision entgegen. Allerdings geht sie in der Sache davon aus, dass die Aufbaugrundschuld im Nennbetrag von 14 000 M vom staatlichen Verwalter bestellt und gemäß § 18 Abs. 2 VermG abgezinst sei. Der Berechtigte solle nach den Regelungen der § 7 a und § 18 VermG im Fall der Rückübertragung so gestellt sein, wie er stehen würde, wenn er sein Eigentum nicht verloren hätte. Demgemäß sei bei Erlöschen der Forderungen infolge der Regelung des § 18 Abs. 2 VermG die Enteignungsentschädigung nicht in Ansatz zu bringen, weil der Berechtigte tatsächlich keinen Vermögensvorteil erlangt habe.
Nach Ansicht des Oberbundesanwalts hat das Verwaltungsgericht zu Unrecht angenommen, dass die aus Anlass des Eigentumsverlusts festgesetzte Geldentschädigung auf den Entschädigungsfonds übergegangen sei.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unbegründet. Das angegriffene Urteil verletzt zwar Bundesrecht (1), stellt sich aber aus anderen Gründen als richtig dar (2).
1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur noch die in dem angefochtenen Bescheid ausgesprochene Verpflichtung der Kläger, den Betrag von 1 400 DM zugunsten des Entschädigungsfonds zu hinterlegen. Das Verwaltungsgericht sieht die Rechtsgrundlage dieser Verpflichtung in § 18 Abs. 1 i.V.m. § 18 b VermG. Diese Ansicht ist in zweifacher Hinsicht bundesrechtswidrig.
a) Gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 VermG hat der Berechtigte, dem ein Grundstück im Wege der Einzelrestitution zurückübertragen wird, für die bei Überführung des Grundstücks in Volkseigentum untergegangenen dinglichen Rechte im Regelfall einen in dem Rückübertragungsbescheid festzusetzenden Ablösebetrag zu hinterlegen. Der Ablösebetrag ergibt sich aus der Summe der Einzelbeträge, die für die jeweiligen Rechte nach Maßgabe des § 18 Abs. 2 bis 5 VermG zu bestimmen und in Deutsche Mark umzurechnen sind. Andere als die in § 18 Abs. 2 bis 4 a VermG genannten Rechte sind bei der Ermittlung des Ablösebetrags nicht zu berücksichtigen. Der Gläubiger eines früheren dinglichen Rechts an dem Grundstück oder sein Rechtsnachfolger (Begünstigter) kann von der Hinterlegungsstelle die Herausgabe desjenigen Teils des Ablösebetrags, mit dem sein früheres Recht berücksichtigt worden ist, verlangen, soweit dieser nicht an den Entschädigungsfonds oder an den Berechtigten herauszugeben ist (§ 18 b Abs. 1 Satz 1 VermG). Der Anspruch des Begünstigten geht auf den Entschädigungsfonds über, soweit der Begünstigte für den Verlust seines Rechts Ausgleichszahlungen oder eine Entschädigung vom Staat erhalten hat, oder dem Schuldner die dem Recht zugrunde liegende Forderung von staatlichen Stellen der DDR erlassen worden ist (§ 18 b Abs. 1 Satz 2 VermG).
Nach den revisionsrechtlich bindenden Feststellungen des Verwaltungsgerichts war der Nennbetrag des im Jahr 1958 eingetragenen Grundpfandrechts von 14 000 M infolge der degressiven Kürzung gemäß § 18 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 VermG auf Null herabgesetzt; für die vom Verwaltungsgericht nicht erörterten anderen beiden Aufbaugrundschulden ergibt sich – für die im Februar 1980 aufgenommene Grundschuld in Höhe von 3 000 DM unter Berücksichtigung der Tilgungsleistungen – nichts anderes. Da die bei Überführung des Grundstücks in Volkseigentum festgesetzte Geldentschädigung mit Aufbaukrediten verrechnet wurde und für die in Rede stehenden Aufbaugrundschulden kein Ablösebetrag festzusetzen war, fehlte es in Bezug auf die Geldentschädigung an einem entsprechenden Herausgabeanspruch des Begünstigten, der gemäß § 18 b Abs. 1 Satz 2 VermG auf den Entschädigungsfonds hätte übergehen können. Der die Forderungszuständigkeit des Entschädigungsfonds regelnde § 18 b Abs. 5 VermG setzt voraus, dass dem Begünstigten ein Anspruch auf Herausgabe eines auf sein Recht entfallenden Teils des Ablösebetrags zusteht (§ 18 b Abs. 1 Satz 1 VermG). Dieser Anspruch geht zur Zahlungsvereinfachung auf den Entschädigungsfonds über, wenn der Tatbestand des § 18 b Abs. 1 Satz 2 VermG erfüllt ist. Ist das entsprechende Recht nach Maßgabe des § 18 Abs. 2 VermG nicht zu berücksichtigen, kommt ein Übergang der ihm zugrunde liegenden Forderung auf den Entschädigungsfonds nicht in Betracht. Darauf hat der Oberbundesanwalt zutreffend hingewiesen.
b) Mit Bundesrecht unvereinbar ist darüber hinaus die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass eine bei Überführung eines staatlich verwalteten Grundstücks in Volkseigentum festgesetzte und mit Aufbaukrediten verrechnete Geldentschädigung im Fall der Rückübertragung des Grundstücks den Vorschriften der §§ 18 ff. VermG unterfalle.
Nach § 9 des Entschädigungsgesetzes vom 25. April 1960 (GBl DDR I S. 257) ging das Eigentum an Grundstücken und Gebäuden, das auf der Grundlage des § 14 des Aufbaugesetzes entzogen wurde, mit dem Zeitpunkt der Inanspruchnahme in das Eigentum des Volkes über; gleichzeitig erloschen die dinglichen Rechte. Hieran knüpft die bereits erwähnte Regelung des § 18 Abs. 1 Satz 1 VermG über die Hinterlegung eines Ablösebetrags an. Bei Anwendung dieser Vorschrift beantwortet sich die Frage, ob eine zur Befriedigung von Gläubigern gemäß § 10 des Entschädigungsgesetzes verwendete Geldentschädigung bei der Berechnung des Ablösebetrags zu berücksichtigen ist, nach § 18 Abs. 5 Satz 1 VermG. Danach sind bei der Berechnung der für den Ablösebetrag anzusetzenden Einzelbeträge Ausgleichsleistungen auf das dingliche Recht oder eine diesem Recht zugrunde liegende Forderung oder eine Entschädigung, die der frühere Gläubiger des Rechts „vom Staat” erhalten hat, nicht in Abzug zu bringen. Der Berechtigte wird also von Verbindlichkeiten, die bei Überführung des Grundstücks in Volkseigentum aus staatlichen Mitteln abgelöst wurden, nicht befreit. Die Vorschrift bezweckt, eine Bereicherung des Berechtigten zu vermeiden, die im Rückübertragungsfall durch eine derartige Entschuldung aus fremdem Vermögen bewirkt würde. Dieser Zweck entspricht dem auf dem Gedanken des Vorteilsausgleichs beruhenden wieder gutmachungsrechtlichen Grundsatz, dass der Rückübertragungsberechtigte nicht mehr zurückerhalten darf, als er verloren hat (vgl. Urteil vom 16. Juli 1998 – BVerwG 7 C 29.97 – Buchholz 428 § 18 VermG Nr. 4; BTDrucks 12/2480, S. 50).
Allerdings deutet schon der Wortlaut des § 18 Abs. 5 Satz 1 VermG darauf hin, dass von ihm nur solche Ausgleichsleistungen und Entschädigungen an den früheren Gläubiger erfasst werden sollen, die materiell den Staatshaushalt belasteten, sei es – wie hier – den Staatshaushalt der DDR oder denjenigen der Bundesrepublik, soweit Lastenausgleich gezahlt wurde (vgl. Kleene-Debring, in: Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus, VermG, § 18 Rn. 91). Diese Voraussetzung ist bei einer Befriedigung des Gläubigers aus der Enteignungsentschädigung nicht erfüllt, da die Entschädigung als Äquivalent des Grundstücks der Sache nach dem Vermögen des enteigneten Eigentümers entstammt. Eine solche Geldentschädigung aus dem Vermögen des Schuldners kann darum nicht als Leistung angesehen werden, die der frühere Gläubiger im Sinne des § 18 Abs. 5 Satz 1 VermG „vom Staat” erhalten hat. Der Umstand allein, dass der Staat die Funktion einer Auszahlungsstelle wahrgenommen hat, genügt für die Anwendung der Vorschrift nicht.
Dass § 18 Abs. 5 Satz 1 VermG eine dem Gläubiger gutgebrachte Enteignungsentschädigung des Schuldners nicht als staatliche Ausgleichsleistung oder Entschädigung versteht, wird durch dessen Satz 2 bestätigt. Danach gilt die Vorschrift entsprechend, soweit dem Schuldner die durch das dingliche Recht gesicherte Forderung von staatlichen Stellen der Deutschen Demokratischen Republik erlassen worden ist. Diese Regelung betrifft Fälle, in denen volkseigene Forderungen, die die festgesetzte Enteignungsentschädigung überstiegen, den in der DDR lebenden Schuldnern erlassen wurden (vgl. § 11 des Entschädigungsgesetzes i.V.m. § 7 der Ersten Durchführungsbestimmung vom 30. April 1960 ≪GBl DDR I S. 336≫). Im Gegenzug wurden die erlassenen volkseigenen Forderungen den früheren Gläubigern (Sparkassen) gemäß § 14 der Zweiten Durchführungsbestimmung zum Entschädigungsgesetz vom 30. April 1960 ≪GBl DDR I S. 338≫) aus dem Staatshaushalt erstattet, wenn es sich um Forderungen aus dem Eigengeschäft der Sparkassen handelte, die in deren Bilanz auszuweisen waren (vgl. Kuhlmey/Wittmer, in: Rädler/Raupach/Bezzenberger, Vermögen in der ehemaligen DDR, § 18 b VermG Rn. 22 c bis e). Auf derartige staatliche Leistungen zur Befriedigung der früheren Gläubiger, die nicht dem Vermögen des Berechtigten zuzurechnen und darum nicht wie Tilgungsleistungen in Abzug zu bringen sind, zielt § 18 Abs. 5 Satz 1 VermG. Sie stehen dem Entschädigungsfonds zu, weil sie aus dem Staatsvermögen stammen und nach dem gesetzlichen Regelungskonzept wieder dorthin zurückkehren sollen.
2. Gleichwohl hat das Verwaltungsgericht die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die Kläger sind zur Herausgabe der Geldentschädigung an den Entschädigungsfonds verpflichtet.
a) Nach § 7 a Abs. 2 VermG hat der Berechtigte eine Gegenleistung oder eine Entschädigung, die ihm aus Anlass des Vermögensverlusts tatsächlich zugeflossen ist, im Fall der Rückübertragung des Eigentums an den Verfügungsberechtigten (Satz 1) oder, wenn die Gegenleistung oder die Entschädigung aus dem Staatshaushalt der DDR erbracht wurde, an den Entschädigungsfonds (Satz 4) herauszugeben. Diese Vorschrift regelt speziell und abschließend die Fälle der Rückabwicklung einer Geldentschädigung, die dem Eigentümer als Ausgleich für die Enteignung geleistet wurde. Eine solche Leistung ist dem Eigentümer aus Anlass des Vermögensverlusts auch dann tatsächlich zugeflossen, wenn er dadurch von persönlichen Verbindlichkeiten befreit wurde (vgl. Urteil vom 6. April 1995 – BVerwG 7 C 5.94 – BVerwGE 98, 137 ≪146≫). Eine Schuldbefreiung fand statt durch Aufrechnung der Geldentschädigung gegen Forderungen, die den mit Überführung des Grundstücks in Volkseigentum untergegangenen Aufbaugrundschulden zugrunde lagen. Die so verwendete und ihm dadurch tatsächlich zugeflossene Geldentschädigung hat der Berechtigte zum Zweck des Vorteilsausgleichs bei Rückübertragung des Grundstücks gemäß § 7 a Abs. 2 Satz 4 VermG an den Entschädigungsfonds abzuführen (ebenso Meyer-Seitz, in: Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus, a.a.O., § 7 a Rn. 56; wohl auch Kuhlmey/Wittmer, a.a.O., § 7 a VermG Rn. 25, § 18 b VermG Rn. 22 b; a.A. Wasmuth, in: Rechtshandbuch Vermögen und Investitionen in der ehemaligen DDR, § 7 a VermG Rn. 59; Hartkopf, Zum Verhältnis von Ablösesumme ≪§ 18 VermG≫ und Herausgabe der Gegenleistung ≪§ 7 a VermG≫ nach VermG und EALG, OV spezial 1996, 225).
b) Die Pflicht zur Herausgabe der bei der Überführung des Grundstücks in Volkseigentum geleisteten Geldentschädigung an den Entschädigungsfonds besteht auch dann, wenn staatliche Stellen die Entschädigung mit Aufbaukrediten verrechnet haben, die als Folge der Abschlagsregelung des § 18 Abs. 2 VermG heute nach § 18 b Abs. 3 Satz 2 VermG als erloschen gelten würden; denn diese Regelung ändert nichts daran, dass seinerzeit mit Tilgungswirkung auf eine bestehende Forderung geleistet wurde. Wie solche Tilgungsleistungen zu berücksichtigen sind, regelt § 18 Abs. 2 Satz 4 VermG abschließend: Sie können von dem Betrag abgezogen werden, der sich nach Abzug der Abschläge nach § 18 Abs. 2 Satz 2 VermG ergibt. Eine darüber hinausgehende Anrechnung sieht das Gesetz nicht vor. Sie fände aber statt, dürfte die Tilgungsleistung in dem Umfang, in dem sie auf den die angeordnete Kürzung übersteigenden Teil der Forderung erbracht worden ist, mit anderen infolge der Rückgabe des Vermögenswerts entstehenden Gegenforderungen verrechnet werden. Eine solche Gesamtverrechnung würde der nachträglichen Bewertung des Geschehensablaufs durch das Vermögensgesetz nicht gerecht. Der Gesetzgeber hat durch die „Wiederbelebung” der damaligen Rechte in Form eines Ablösebetrags deren Berechtigung nach Maßgabe der Vorschriften zur Berechnung dieses Betrages anerkannt. Er hat dem Berechtigten keine Rückforderungsansprüche eingeräumt, soweit dieser seinerzeit mehr an Tilgungsleistungen erbracht hat, als er aus heutiger Sicht zahlen müsste, sondern sich darauf beschränkt, die Schuld um die Abschläge nach § 18 Abs. 2 Satz 2 VermG zu reduzieren und dabei in § 18 Abs. 2 Satz 4 VermG sicherzustellen, dass bereits erbrachte Leistungen ungeachtet der angeordneten Kürzungen ihre Tilgungswirkung behalten. Eine darüber hinausgehende Verrechnung damaliger Tilgungsleistungen mit anderen sich infolge der Restitution ergebenden Gegenansprüchen würde demgegenüber zu einer vom Gesetzgeber gerade nicht gewollten Rückerstattung führen.
Dem lässt sich nicht entgegenhalten, dass die unbeschränkte Pflicht zur Rückzahlung der zur Tilgung des Aufbaukredits verwendeten Enteignungsentschädigung dazu führe, dass der Berechtigte schlechter gestellt sei, als er ohne den Eigentumsverlust stehen würde, weil er dann die vom staatlichen Verwalter bestellten Aufbaugrundschulden nur in dem sich aus § 18 Abs. 2 VermG ergebenden Umfang übernehmen müsste (vgl. § 16 Abs. 1 i.V.m. Abs. 5 Satz 1 VermG). Ein solcher Vergleich blendet die maßgeblichen Unterschiede der jeweiligen Sachverhalte aus; denn wenn keine Enteignung stattgefunden hat und die Wiederherstellung der alten Eigentumslage nicht erforderlich ist, stellen sich die damit verbundenen Probleme einschließlich der Frage, wie eine verrechnete Enteignungsentschädigung rückabzuwickeln ist, von vornherein nicht. Auf der anderen Seite führt auch in den Fällen, in denen keine Enteignung stattgefunden hat, die mit § 18 Abs. 2 Satz 4 VermG nahezu wortgleiche Regelung des § 16 Abs. 5 Satz 2 VermG dazu, dass in der Vergangenheit erbrachte Tilgungsleistungen, die den Ablösebetrag übersteigen, nicht erstattet werden. Die Rückforderung einer Entschädigungsleistung nach § 7 a Abs. 2 Satz 1 VermG, deren seinerzeitige Verrechnung mit Aufbaukrediten eine den heute festzusetzenden Ablösebetrag übersteigende Tilgungswirkung zur Folge hatte, ist daher keine Schlechterstellung des Enteigneten; vielmehr wäre der Verzicht auf eine solche Rückforderung eine nicht zu rechtfertigende Privilegierung gegenüber – aus heutiger Sicht – „überflüssigen” und damit „verlorenen” Tilgungsleistungen, die unter Inanspruchnahme anderer Vermögensgegenstände des betroffenen Grundstückseigentümers auf solche Forderungen erbracht worden sind.
Ebenso wenig gebietet die in § 6 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 2 des Entschädigungsgesetzes – EntschG – getroffene Regelung eine andere Entscheidung. Diese Vorschrift bestimmt, dass bei der Berechnung der Entschädigung zu berücksichtigende Gegenleistungen oder Entschädigungen dem Berechtigten als zugeflossen gelten, wenn sie mit „rechtsbeständigen”, also mit solchen Verbindlichkeiten des Berechtigten verrechnet wurden, die er auch in einem Rechtsstaat zu erfüllen gehabt hätte (vgl. BTDrucks 12/4887, S. 35 f.). Hieraus lässt sich im Umkehrschluss ableiten, dass eine seinerzeit gewährte Enteignungsentschädigung nicht anzurechnen ist, wenn sie mit diskriminierenden Forderungen aus Aufbaugrundschulden verrechnet wurde, die der gezielten Herbeiführung einer Überschuldung dienten (vgl. Rodenbach, in: Rädler/Raupach/Bezzenberger, a.a.O., § 6 EntschG Rn. 9; Kessen, in: Motsch/Rodenbach/Löffler/Schäfer/Zilch, EALG, § 6 EntschG Rn. 30; Hahnefeld, in: Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus, a.a.O., § 6 EntschG Rn. 20 f.). Diese auf das Entschädigungsrecht zugeschnittene Vorschrift ist auf den Fall der Rückgabe des Vermögenswerts in Natur, für den das Vermögensgesetz eine vergleichbare Regelung nicht getroffen hat, nicht übertragbar. Anders als bei der Restitution handelt es sich bei der Zuerkennung einer Entschädigung gerade nicht um eine Rückabwicklung des Eigentumsentzugs mit der sich daraus ergebenden Pflicht zur Rückgewähr einer erhaltenen Gegenleistung, sondern um eine Wiedergutmachung in Geld, die im Regelfall weit unter dem derzeitigen Verkehrswert des von der Schädigung betroffenen Vermögensgegenstandes liegt. Die Unterschiedlichkeit dieser Sachverhalte, insbesondere die bei der Bemessung der Entschädigung im Vordergrund stehenden Billigkeitserwägungen, rechtfertigt eine entsprechend differenzierte Berücksichtigung seinerzeit verrechneter Gegenleistungen für den Eigentumsentzug.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Unterschriften
Gödel, Kley, Herbert, Richter am Bundesverwaltungsgericht Postier ist wegen Urlaubs verhindert, seine Unterschrift beizufügen. Gödel, Neumann
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 05.04.2001 durch Nöpel Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
BuW 2001, 783 |
ZAP 2001, 1070 |
NJ 2001, 497 |