Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitwirkungsrecht eines anerkannten Naturschutzverbandes;. Unterbleiben eines Planfeststellungsverfahrens. Unterhaltung einer Bundeswasserstraße. Abgrenzung zum Ausbau. Errichtung eines Parallelbauwerkes (Leitwerkes). Wiederherstellung des planfestgestellten Zustandes
Leitsatz (amtlich)
1. Stromregulierungsmaßnahmen, die den planungsrechtlichen Bestand einer Wasserstraße nicht wesentlich ändern, unterfallen nicht der Zulassungspflicht nach § 14 Abs. 1 Satz 1 WaStrG. Sie sind kein Ausbau (vgl. § 12 Abs. 2 WaStrG), sondern Unterhaltung (vgl. § 8 Abs. 1 Satz 1 WaStrG).
2. Bauarbeiten an einer Bundeswasserstraße müssen unabhängig davon, ob sie als Unterhaltung oder Ausbau zu qualifizieren sind, stets die Wasserstraße als Verkehrsweg betreffen, wenn sie auf der Grundlage des Bundeswasserstraßengesetzes durchgeführt werden sollen.
Normenkette
BNatSchG § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 4; WaStrG §§ 8, 12 Abs. 1-2, § 14
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Zwischen September/Oktober 2000 und Juli 2001 ließ die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes durch das Wasser- und Schifffahrtsamt Dresden bei Gallin am rechten Ufer der Bundeswasserstraße Elbe Bauarbeiten durchführen. Dabei wurde zwischen Flusskilometer – km – 203,87 und km 204,425 durch wasserseitigen Einbau ein Leitwerk als Parallelwerk errichtet, das an der Buhne bei Kilometer 204,425 mit dem stromabwärts noch vorhandenen Deckwerk verbunden wurde. Mit der Begründung, es handele sich um die Wiederherstellung eines ursprünglich planfestgestellten Zustandes der Bundeswasserstraße, wurden die Bauarbeiten als Unterhaltungsmaßnahme ohne vorangegangenes Planfeststellungs- oder Plangenehmigungsverfahren durchgeführt. Zur Vorbereitung der Entscheidung über diese Vorgehensweise fand am 11. April 2000 eine Erörterung statt, an der Vertreter des Wasser- und Schifffahrtsamtes Dresden, des Regierungspräsidenten in Dessau, der Kreisverwaltung Wittenberg und des Staatlichen Amtes für Umweltschutz Dessau/Wittenberg teilnahmen. Zu der Erörterung war auch der Kläger eingeladen worden, nahm jedoch mit der Begründung nicht teil, er könne von vornherein strombauliche Maßnahmen ohne vorherige Umweltverträglichkeitsprüfung nicht akzeptieren. Ausweislich des Protokolls endete die Besprechung mit der Feststellung, dass keine Einwände gegen die Durchführung der Baumaßnahme bestünden.
Am 17. Oktober 2000 beantragte der Kläger im Verfahren BVerwG 11 VR 14.00 den Erlass einer einstweiligen Anordnung und verlangte, die Beklagte zu verpflichten, die begonnenen Bauarbeiten sofort einzustellen. Diesen Antrag wies der Senat nach vorangegangener Augenscheinseinnahme durch den Berichterstatter durch Beschluss vom 27. Oktober 2000 zurück. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, bei der Errichtung des Leitwerks auf der Gründung eines jedenfalls bis 1970 bestehenden Deckwerks handele es sich rechtlich um eine Unterhaltungsmaßnahme nach § 8 WaStrG. Dass zwischen dem Leitwerk und der Uferlinie eine Flachwasserzone entstehe, die es bei dem früheren Deckwerk nicht gegeben habe, ändere daran nichts.
Am 19. April 2001 hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben. Er begehrt in erster Linie seine Beteiligung an einem nachzuholenden Planfeststellungsverfahren für die geschilderte Baumaßnahme.
Zur Begründung der Klage trägt der Kläger vor, im Bereich von km 203,87 bis km 203,93, also auf einer Länge von etwa 60 m, sei ein Leitwerk neu geschaffen worden. Zwischen km 203,93 und km 204,425 sei das früher vorhandene Deckwerk durch ein Leitwerk ersetzt worden. Diese Maßnahmen seien schon deswegen planfeststellungsbedürftig, weil jedenfalls im Bereich von km 203,87 bis km 203,93 auch ursprünglich ein Deck- oder Leitwerk nicht vorhanden gewesen sei. Mindestens insoweit handele es sich folglich um einen Ausbau des Wasserweges.
Davon abgesehen könne im Übrigen die Baumaßnahme insgesamt nicht als Unterhaltung der Bundeswasserstraße qualifiziert werden. Für die Abgrenzung von Unterhaltung und Ausbau im Wasserstraßenrecht könne nicht isoliert auf die Regelungen des Bundeswasserstraßengesetzes Bezug genommen werden. Vielmehr müsse der wesentlich erweiterte Ausbaubegriff des Wasserhaushaltsrechts jedenfalls ergänzend berücksichtigt werden. Ein Ausbau im Sinne von § 31 Abs. 1 des Wasserhaushaltsgesetzes liege damit schon dann vor, wenn der Zustand des Gewässers einschließlich seiner Ufer in einer für den Wasserhaushalt (Wasserstand, Wasserabfluss, Selbstreinigungsvermögen), für die Schifffahrt, für die Fischerei oder in sonstiger Hinsicht bedeutsamen Weise verändert würden. Werde hingegen – wie von der Beklagten – die Abgrenzung mit einer rein schifffahrtsfunktionalen Interpretation vollzogen, so blieben in unvertretbarer Weise die Beziehungen des Wasserweges zu seinem Umfeld mit den charakteristischen naturräumlichen Gegebenheiten unberücksichtigt.
Die Baumaßnahme beinhalte zwangsläufig eine gravierende Umgestaltung des vorhandenen Zustandes. Sie komme einer Begradigung eines außergewöhnlich strukturreichen Elbufers nahe, das in seiner Vielfalt zumindest auf der Elbstrecke zwischen tschechischer Grenze und Magdeburg einmalig sei. Die zu erwartende Strukturverarmung werde sich voraussichtlich auf den Lebensraum von Flora und Fauna schwerwiegend und nachhaltig auswirken. Diese Wirkung werde vor allem dadurch eintreten, dass der Bau des Leitwerks bei Mittel- und Niedrigwasser die zwischen Leitwerk und Uferlinie bestehende Flachwasserzone von der Flussströmung abschneide. Dies werde alsbald zu einer Verschlammung und allmählichen Verlandung des genannten Bereiches führen. Allein durch den Einbau von Vertiefungen in das vorgesehene Leitwerk könne diese Wirkung nicht behoben werden.
Dass es sich bei den Bauarbeiten um eine Unterhaltungsmaßnahme handeln solle, könne schließlich auch nicht damit gerechtfertigt werden, dass in dem beschriebenen Bereich der Bundeswasserstraße früher ein Deckwerk vorhanden gewesen sei. Dies sei deswegen nicht möglich, weil sich das Gewässer, seine Benutzer und die Pflanzen- und Tierwelt an ihm seit Jahrzehnten auf den neuen Zustand eingestellt hätten. Es müsse folglich bei der Abgrenzung von Unterhaltung einerseits und Ausbau andererseits an die seit Jahrzehnten entwickelten naturräumlichen Gegebenheiten angeknüpft werden.
Schließlich ergebe sich aus den Vorgaben des europäischen Rechts die Notwendigkeit einer FFH-Verträglichkeitsuntersuchung zur Klärung der naturschutzfachlichen Gegebenheiten.
Der Kläger beantragt,
- die Beklagte zu verpflichten, für die Maßnahme „Streichlinienregulierung Gallin – Elbe-km 203,85 bis 204,90” im Sinne der Projektbeschreibung des Wasser- und Schifffahrtsamtes Dresden vom 4. Februar 2000 die Beteiligung des Klägers in einem bundeswasserstraßenrechtlichen Planfeststellungsverfahren vorzunehmen;
hilfsweise,
festzustellen, dass die Beklagte für die Maßnahme „Streichlinienregulierung Gallin – Elbe-km 203,85 bis 204,90” im Sinne der Projektbeschreibung des Wasser- und Schifffahrtsamtes Dresden vom 4. Februar 2000 den Kläger im Rahmen eines bundeswasserstraßenrechtlichen Planfeststellungsverfahrens hätte beteiligen müssen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie macht geltend, die Errichtung des Leitwerks sei eine Unterhaltungsmaßnahme gemäß § 8 Abs. 1 und 4 WaStrG. Die Abgrenzung zwischen verkehrsbezogener Unterhaltung und verkehrsbezogenem Ausbau einer Bundeswasserstraße sei allein nach den Regelungen des Bundeswasserstraßengesetzes zu bestimmen. Hier werde das Leitwerk nahezu vollständig auf der Gründung eines früher vorhandenen Deckwerks errichtet. Für diese Unterhaltungsmaßnahme stehe dem Kläger kein Beteiligungsrecht nach den gesetzlichen Bestimmungen zu. Im Übrigen sei den Belangen des Naturhaushaltes von Seiten der Beklagten dadurch Rechnung getragen worden, dass bei der Unterhaltungsmaßnahme die schonendste Variante nach Abwägung aller umweltrelevanten Belange unter Einbeziehung der zuständigen Landesbehörden und anerkannten Naturschutzverbände des Landes Sachsen-Anhalt gewählt worden sei. Zur Optimierung der Ausgestaltung des Leitwerks sei das Einvernehmen mit den zuständigen Landesbehörden hergestellt worden. Ein Monitoring-Verfahren werde dazu beitragen, negative Entwicklungen für Fauna und Flora rechtzeitig zu erkennen und ggf. steuernd einzugreifen. Der Kläger werde daran auch weiter beteiligt werden.
Der Oberbundesanwalt beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich am Verfahren und tritt inhaltlich der Position der Beklagten bei. Er macht geltend, bereits aus den Kompetenzregeln des Grundgesetzes folge, dass die Abgrenzung von Unterhaltung und Ausbau im Wasserstraßenrecht allein mit Hilfe der Kriterien des Bundeswasserstraßengesetzes vorgenommen werden dürfe.
Entscheidungsgründe
II.
Die Klage hat keinen Erfolg. Bei den Stromregulierungsarbeiten an der Elbe bei Gallin handelte es sich im Sinne des § 8 Bundeswasserstraßengesetz – WaStrG – um Unterhaltungsmaßnahmen. Bereits aus diesem Grund kann der Kläger weder seine Beteiligung an einem nachträglich durchzuführenden Planfeststellungsverfahren noch die Feststellung verlangen, dass die Beklagte verpflichtet gewesen wäre, ihn an einem vorher durchzuführenden Planfeststellungsverfahren zu beteiligen.
A. Die erstinstanzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts ergibt sich aus § 5 Abs. 1 Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz – VerkPBG –. Der erforderliche unmittelbare Bezug zu einem Planfeststellungs- oder Plangenehmigungsverfahren für ein Vorhaben nach § 1 VerkPBG ist gegeben, wenn – wie hier – darüber gestritten wird, ob den Bauarbeiten ein solches Verfahren hätte vorausgehen müssen (vgl. Beschluss vom 21. Januar 1994 – BVerwG 7 VR 12.93 – NVwZ 1994, 370 = Buchholz 407.3 § 5 VerkPBG Nr. 1; Beschluss vom 7. Juli 1995 – BVerwG 11 VR 11.95 – Buchholz 406.401 § 29 BNatSchG Nr. 7).
B. Im Ausgangspunkt kommt als rechtliche Grundlage für das Begehren des Klägers allein § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. September 1998 (BGBl S. 2994) in Betracht. Danach steht dem Kläger als Naturschutzverband in Planfeststellungsverfahren über Vorhaben, die mit Eingriffen in Natur und Landschaft im Sinne des § 8 BNatSchG verbunden sind, ein Mitwirkungsrecht zu. Dieses beinhaltet das Gebot substantieller Anhörung (vgl. dazu: BVerwGE 75, 214/227; 105, 348/349/350).
Aus landesrechtlichen Vorschriften kann der Kläger keine Erweiterung dieser Rechtsstellung für sich herleiten. So eröffnet eine durch Landesrecht eröffnete Verbandsklage nicht das Recht, gegen Verwaltungsakte von Bundesbehörden zu klagen (BVerwGE 92, 263 ff.; BVerwG, Urteil vom 5. März 1997 – BVerwG 11 A 14.96 – ≪Buchholz 406.401 § 29 BNatSchG Nr. 13≫). Ebenso wenig kann der Kläger folglich aus Landesrecht seine Beteiligung an einem nach Bundesrecht durchzuführenden Planfeststellungsverfahren oder sonstigen Maßnahmen verlangen.
Das (Bundes-)Gesetz zur Umsetzung der UVP-Änderungsrichtlinie, der IVU-Richtlinie und weiterer EG-Richtlinien zum Umweltschutz vom 27. Juli 2001 (BGBl I. S. 1950) hat – abgesehen davon, dass es erst am 3. August 2001 und damit nach Beendigung der hier streitigen Strombauarbeiten in Kraft getreten ist (vgl. Art. 25 des Gesetzes) – die Rechte des Klägers nicht über den § 29 BNatSchG hinaus verstärkt; denn zusätzliche oder weitergehende Beteiligungsrechte von Naturschutzverbänden sieht das Gesetz nicht vor.
Schließlich ergibt sich entgegen der Auffassung des Klägers auch aus der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABl EG vom 22. Juli 1992 Nr. L 206/7) – FFH-Richtlinie – kein weitergehendes Mitwirkungsrecht des Klägers (vgl. dazu auch: BVerfG, Beschluss vom 10. Mai 2001 – BVerfG 1 BvR 481/01 und BvR 518/01 – ≪NVwZ 2001, S. 1148≫). Wird nämlich zu Gunsten des Klägers unterstellt, dass die streitige Baumaßnahme in einem potentiellen FFH-Gebiet stattgefunden hat und ein Projekt im Sinne von Art. 6 Abs. 3 FFH-Richtlinie darstellt, so hat dies bei Annahme einer unmittelbaren Wirkung der Richtlinie (hinsichtlich Art. 6 FFH-Richtlinie verneint im Urteil vom 27. Oktober 2000 – BVerwG 4 A 18.99 – BVerwGE 112, 140 = DVBl 2001, 386 = NuR 2001, 216) zur Folge, dass eine FFH-Verträglichkeitsuntersuchung mit Öffentlichkeitsbeteiligung hätte stattfinden müssen. Daraus folgt indessen – noch – kein Mitwirkungsrecht des Klägers, weil dieses – wie dargelegt – ein Planfeststellungsverfahren voraussetzt. Dass wiederum die FFH-Verträglichkeitsprüfung notwendigerweise in einem Planfeststellungsverfahren hätte stattfinden müssen, bestimmt die FFH-Richtlinie nicht. Auch sonst gibt es dafür keinen rechtlichen Anhalt.
Soweit der Kläger mit seinem Schriftsatz vom 3. Dezember 2001 angeregt hat, dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften gemäß Art. 234 EGV im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens die Frage vorzulegen,
ob eine Auslegung und Anwendung nationalen Rechts der FFH-Richtlinie noch gerecht werde, die bei Unterhaltungsmaßnahmen an einer Wasserstraße generell und ohne Prüfung naturschutzfachlicher Gesichtspunkte aus Bestandsschutzerwägungen heraus eine FFH-Verträglichkeitsuntersuchung ausschließe und bei der Abgrenzung zwischen Ausbau- und Unterhaltungsmaßnahmen auf eine verkehrsfunktionale und Naturschutzaspekte unberücksichtigt lassende Betrachtung abstelle,
folgt der Senat dem nicht. Wird die Frage nämlich im Sinne der Klage verneint, so verändert dies die rechtliche Stellung des Klägers im vorliegenden Verfahren nicht, weil sich daraus keine Pflicht der Beklagten ableiten lässt, den Kläger nach § 29 BNatSchG in einem Planfeststellungsverfahren zu beteiligen. Kommt es aber für den Ausgang des Rechtsstreits auf die Beantwortung der Frage nicht an, so ergibt sich auch aus Art. 234 Abs. 3 EGV keine Vorlagepflicht des Senats.
C. Wie bereits im Beschluss des einstweiligen Anordnungsverfahrens vom 27. Oktober 2000 (BVerwG 11 VR 14.00 – ≪Buchholz 445.5 § 8 WaStrG Nr. 10≫) qualifiziert der Senat auch nach erneuter Überprüfung der Sach- und Rechtslage im Hauptsacheverfahren die streitigen Stromregulierungsarbeiten als Unterhaltung im Sinne von § 8 WaStrG.
1. § 8 Abs. 1 Satz 1 WaStrG definiert die Unterhaltung einer Binnenwasserstraße als Erhaltung eines ordnungsgemäßen Zustandes für den Wasserabfluss und die Erhaltung der Schiffbarkeit. Unterhaltung steht damit im Gegensatz zu einem Ausbau der Wasserstraße, den § 12 Abs. 2 Satz 1 WaStrG als Maßnahme zur wesentlichen Umgestaltung einer Bundeswasserstraße, eines oder beider Ufer, die über die Unterhaltung hinausgehen und die Bundeswasserstraße als Verkehrsweg betreffen, beschreibt. Muss der Ausbau nach seiner Definition über die Unterhaltung hinausgehen, so gibt es keine Maßnahmen, die zugleich Ausbau und Unterhaltung sind (Wiedemann, ZfW 1967, S. 83; Friesecke, Bundeswasserstraßengesetz Kommentar, 4. Aufl. 1999, § 12 Rn. 10).
Das Bundeswasserstraßengesetz regelt Unterhaltung und Ausbau lediglich im Hinblick auf die Verkehrsfunktion der Bundeswasserstraßen. Dies kommt in den Begriffsbestimmungen deutlich zum Ausdruck (§ 8 Abs. 1 Satz 1: „für die Erhaltung der Schiffbarkeit”; § 12 Abs. 2 Satz 1: „die Bundeswasserstraße als Verkehrsweg betreffen”) und hat seinen Grund in der Kompetenzordnung des Grundgesetzes. Die dem Bund in Art. 74 Nr. 21 GG zugewiesene Gesetzgebungskompetenz für die Seewasserstraßen und die dem allgemeinen Verkehr dienenden Binnenwasserstraßen rechtfertigen nämlich keine wasserrechtlichen, also die Angelegenheiten der allgemeinen Wasserwirtschaft ordnenden Vorschriften, sondern nur Regelungen, die sich auf die Wasserstraßen als Verkehrswege beziehen (BVerfGE 15, 1/9; 21, 312 ff.; BVerwGE 87, 181/184). Von der Beklagten durchgeführte Bauarbeiten an einer Bundeswasserstraße müssen deshalb stets, seien es Unterhaltungs- oder Ausbauarbeiten, einen schifffahrtsfunktionalen Zusammenhang aufweisen. Betreffen sie hingegen die Wasserstraße nicht als Verkehrsweg, können sie nur von den dann zuständigen Behörden auf der Grundlage der allgemeinen Wassergesetze durchgeführt werden.
Daraus ist abzuleiten, dass dem Kläger nicht gefolgt werden kann, wenn er anstrebt, bei der Abgrenzung von Unterhaltung und Ausbau nach dem Bundeswasserstraßengesetz in Ergänzung zu § 12 Abs. 2 Satz 1 WaStrG auf Kriterien des allgemeinen Wasserrechts, insbesondere auf den weiteren Ausbaubegriff des § 31 Abs. 1 Satz 1 Wasserhaushaltsgesetz – WHG – zurückzugreifen. Eine solche Vorgehensweise würde vielmehr die bereits verfassungsrechtlich gebotene Trennung der Entscheidungs- und Verwaltungsebenen des Wasserrechts aus dem Blick verlieren.
Soweit der Kläger dazu geltend macht, die Beschränkung des Wasserstraßenrechts auf eine schifffahrtsfunktionale Betrachtungsweise lasse in nicht zu verantwortender Weise umwelt- und naturschutzfachliche Aspekte außer Acht, ist dem entgegenzuhalten, dass § 14 Abs. 1 Satz 1 WaStrG für das Planfeststellungsverfahren und § 8 Abs. 1 Satz 2 und 3 WaStrG für Unterhaltungsmaßnahmen die Berücksichtigung der entsprechenden Belange zwingend vorsieht. Darüber hinaus bestimmt § 4 WaStrG, dass die Bedürfnisse der Landeskultur und der Wasserwirtschaft bei der Verwaltung – zu der auch die Unterhaltung gehört –, dem Ausbau und dem Neubau von Bundeswasserstraßen imEinvernehmen mit den Ländern zu wahren sind (vgl. dazu auch § 14 Abs. 3 WaStrG zum Einvernehmen in der Planfeststellung).
2. Der Unterhaltung (vgl. § 8 Abs. 1 Satz 1 WaStrG) dienen Maßnahmen, die den bestimmungsmäßigen Zustand der Wasserstraße wiederherstellen. Durch den Ausbau wird im Unterschied dazu dieser Zustand geändert, nämlich wesentlich umgestaltet (vgl. § 12 Abs. 2 WaStrG). Welches der bestimmungsmäßige Zustand einer Wasserstraße ist, wird bei Bundeswasserstraßen regelmäßig durch entsprechende behördliche Zulassungsentscheidungen festgelegt. Eine Stromregulierungsmaßnahme, die diesen planungsrechtlichen Bestand nicht wesentlich ändert, unterfällt nicht (erneut) einer Zulassungspflicht (vgl. § 14 Abs. 1 Satz 1 WaStrG). Sie ist aus diesem Grunde kein Ausbau, sondern Unterhaltung. Das gilt auch für Maßnahmen, die ihrem Umfang nachfaktisch einem Neubau gleichkommen, weil die planungsrechtlich zulässigen Anlagen – mangels regelmäßiger Unterhaltung oder aus sonstigen Gründen – zwischenzeitlich zerstört worden sind. Etwas anderes ist nur dann anzunehmen, wenn die Zerstörung der Anlagen zur Folge hatte, dass der planungsrechtliche Bestand funktionslos geworden ist; erst dann lebt nämlich insoweit die Zulassungspflicht wieder auf. Das Anknüpfen an den Planungszustand entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats zum Fachplanungsrecht, insbesondere zum Schienenwegerecht. Auch hier ist – etwa für die Frage der Änderung eines Schienenweges im Sinne des § 18 Abs. 1 Satz 1 Allgemeines Eisenbahngesetz – stets von dem Zustand einer vorangegangenen Planfeststellung auszugehen (vgl. BVerwGE 107, 350 ff.; 111, 108 ff. jeweils m.w.N.).
3. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Senats, über die in der mündlichen Verhandlung im Übrigen Einigkeit zwischen den Beteiligten erzielt werden konnte, bestand der erstmals noch im neunzehnten Jahrhundert und zuletzt 1938 geänderte planfestgestellte Zustand des rechten Ufers der Elbe bei Gallin aus einer Stromregulierungsmaßnahme, die zwischen Stromkilometer 203 bis 203,9 und 204,9 bis 205,3 zahlreiche Buhnen sowie zwischen Stromkilometer 203,93 bis 204,8 ein Deckwerk aufwies.
Dieser planungsrechtliche Bestand ist nicht funktionslos geworden. Allein der tatsächliche Umstand, dass das Deckwerk im Bereich zwischen Flusskilometer 203,93 und 204,4 durch Manövertätigkeit von Panzern der Roten Armee in den Jahren nach 1970 zerstört worden ist, vermochte den Planungsbestand nicht zu ändern. Soweit in dem genannten Abschnitt zur Aufrechterhaltung der Schiffbarkeit Buhnen errichtet wurden, lag darin nicht etwa eine Abkehr von dem planungsrechtlichen Bestand, sondern angesichts der Fortdauer von Flussdurchfahrtsübungen eine Behelfsmaßnahme, der keine Planungsänderung vorausging (vgl. dazu den Bericht des VEB WBU Magdeburg vom 14. Juli 1980).
Schließlich kann nicht davon gesprochen werden, dass die bezeichnete Stromregulierung im Bereich Gallin infolge der zu verzeichnenden Zerstörungen und Beschädigungen für die weiter als Wasserstraße gewidmete Elbe funktionslos geworden wäre. Denn immerhin wurde die Schiffbarkeit erhalten oder mittels der Buhnen zwischen Kilometer 203,93 und 204,4 alsbald wiederhergestellt.
Lagen damit zwischen der Zerstörung des planfestgestellten Zustandes etwa ab 1970 und seiner Wiederherstellung ab Herbst 2000 30 Jahre, so ergibt sich auch daraus nicht, dass es sich nicht mehr um Unterhaltung, sondern um einen Ausbau handeln muss. Zwar kann sich eine solche Folge durch Zeitablauf im Einzelfall durchaus ergeben (vgl. dazu bereits den Beschluss des Senats vom 27. Oktober 2000 im einstweiligen Anordnungsverfahren; auch Friesecke a.a.O. § 8 Rn. 2), weil die langdauernde Verfestigung eines faktischen Zustandes die Funktionslosigkeit der Planfeststellung zur Folge haben kann (vgl. dazu auch Breuer, Öffentliches und privates Wasserrecht, 2. Auflage 1987, Rn. 642); doch liegen die dafür erforderlichen Voraussetzungen nicht vor. Der Zeitraum von 1970 bis jedenfalls 1990 konnte zur Funktionslosigkeit schon deswegen nicht führen, weil eine Wiederherstellung des planungsrechtlichen Bestandes in dieser Zeit an Eingriffen der Besatzungsmacht scheiterte. Seit dem Zeitpunkt, an dem diese Eingriffe endeten, ist aber nur ein Zeitraum von etwa zehn Jahren vergangen. Wenn in dieser Zeitspanne Unterhaltungsmaßnahmen unterblieben sind, reicht dies keinesfalls aus, um die Annahme zu rechtfertigen, die nunmehr zuständige Bundeswasserstraßenverwaltung habe den Planungsbestand insoweit als obsolet betrachtet.
4. Ist mithin für die Abgrenzung von Unterhaltung und Ausbau der zuvor bezeichnete planfestgestellte Zustand mit dem Ist-Zustand nach Beendigung der Arbeiten zu vergleichen, so ist nicht zu verkennen, dass es insoweit keine völlige Kongruenz gibt. Das Parallelbauwerk ist am rechten Ufer stromaufwärts von Kilometer 203,93 bis etwa 203,87 oder 88 um maximal 60 Meter verlängert worden, und es handelt sich nunmehr in dem Bereich bis zur Anknüpfung an das noch vorhandene alte Deckwerk bei Kilometer 204,425 nicht mehr um ein Deck-, sondern um ein Leitwerk mit einer zwischen Leitwerk und Uferlinie entstandenen Flachwasserzone. Auch diese Abweichung ermöglicht es jedoch nicht, eine wesentliche Umgestaltung des Ufers einer Bundeswasserstraße und damit einen Ausbau nach § 12 Abs. 2 Satz 1 WaStrG festzustellen. Da es definitionsgemäß keine Maßnahmen gibt, die zwischen Ausbau und Unterhaltung liegen (ohne 1.), ist hier eine „gesteigerte Unterhaltung” (Friesecke a.a.O. § 12 Rn. 10) anzunehmen, die ebenfalls zulassungsfrei ist.
Was zunächst die Verlängerung angeht, muss dieser Aspekt im Zusammenhang damit eingeordnet werden, dass die Stromregulierung im Abschnitt Gallin sich auf eine Ausdehnung von insgesamt mehr als zwei Kilometern erstreckt (Flusskilometer 203,3 bis 205,4). Es kann also nicht allein der Bereich des zerstörten Deckwerks betrachtet werden. So gesehen erweist sich die Verlängerung als eine geringfügige Abweichung, für die davon abgesehen eine besondere schifffahrtsfunktionale Dimension nicht ersichtlich ist.
Soweit kein Deck-, sondern ein Leitwerk (wieder-)hergestellt worden ist, muss bedacht werden, dass diese Abweichung nicht durch Gründe der Schiffbarkeit, also der wasserwegerechtlichen Umstände, sondern allein dadurch verursacht worden ist, dass die Beklagte bei der Unterhaltung nach § 8 WaStrG den besonderen Verpflichtungen nach § 8 Abs. 1 Satz 2 und 3 WaStrG Rechnung tragen wollte, für die sie im Übrigen das Einvernehmen nach § 4 WaStrG erzielt hatte. Vor allem kann dadurch erwartet werden, dass gerade die Belange, um deren Schutz es dem Kläger geht, nämlich die seit 1970 entstandene Situation im Uferbereich, möglichst weitgehend erhalten und geschützt werden können. Dies haben in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat Sachverständige der Bundesanstalt für Wasserbau und der Bundesanstalt für Gewässerkunde im Einzelnen dargelegt, ohne dass der Kläger dem – in der Verhandlung – widersprochen hätte. Unter diesen Vorzeichen kann die in der Abweichung liegende Umgestaltung des rechten Ufers nicht als wesentlich bezeichnet werden. Insbesondere erfüllt das Leitwerk seine Funktion für die Bundeswasserstraße in eben der Weise, wie dies ein wiederhergestelltes Deckwerk getan hätte.
D. Scheitert die Klage daran, dass der Kläger seine Beteiligung nur in einem Planfeststellungsverfahren durchsetzen kann und dass ein solches hier nicht stattzufinden hatte, so hatte der Senat nicht darüber zu befinden, welche Verpflichtungen der Beklagten aufzuerlegen gewesen wären, wenn sich eine Planfeststellungsbedürftigkeit der Bauarbeiten nachträglich ergeben hätte. Immerhin sind angesichts der hier zu verzeichnenden Umstände (Klageerhebung kurze Zeit vor Beendigung der Arbeiten, ökologische Istzustandserfassung und Wirkungsabschätzung durch die Bundesanstalt für Gewässerkunde vor und während der Unterhaltungsarbeiten) Zweifel daran angebracht, ob der Kläger zur Sicherung seines Rechts auf substantielle Anhörung aus § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BNatSchG im Sinne seines Hauptantrages die Nachholung eines vollständigen Planfeststellungsverfahrens hätte erreichen können.
E. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Unterschriften
Hien, Dr. Storost, Kipp, Vallendar, Gatz
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 05.12.2001 durch Oertel Justizobersekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 706629 |
BVerwGE, 294 |
NVwZ 2002, 470 |
IBR 2002, 441 |
DÖV 2002, 963 |
NuR 2002, 357 |
DVBl. 2002, 566 |
UPR 2002, 193 |
ZfW 2002, 161 |