Tenor
Die Klagen werden abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen tragen die Kläger zu je einem Drittel.
Tatbestand
I.
Die Kläger wenden sich gegen den Planfeststellungsbeschluss der Beklagten zur Beseitigung des Bahnübergangs km 91,7 (Ortslage Genthin, Poststraße) der Eisenbahnstrecke 6110 (Eilsleben) – Magdeburg – Berlin. Dieser Bahnübergang war bereits Gegenstand eines anderen Planfeststellungsbeschlusses, den die Beklagte am 1. Dezember 1994 für das Bauvorhaben Ausbaustrecke Helmstedt – Magdeburg – Berlin (Ausbau und Elektrifizierung) erließ. Darin hieß es u.a.:
„Aus Gründen der Sicherheit und der Abwicklung des Verkehrs ist es erforderlich, den Bahnübergang (km 91,730) durch eine Verbindungsstraße zur B 1 für den Kfz-Verkehr sowie durch eine Eisenbahnüberführung über einen Fuß- und Radweg zu ersetzen.
Ersatzmaßnahmen zur Vorbereitung der Schließung des Bahnübergangs sind Bestandteil der Kreuzungsvereinbarung zwischen der DB AG, vertreten durch die Planungsgesellschaft Deutsche Einheit mbH, dem Straßenbauamt Magdeburg und der Stadt Genthin vom 04.07.1994/01.09.1994/07.10.1994.
Der Bahnübergang Poststraße (km 91,730) ist bis zur Fertigstellung der unten aufgeführten Ersatzmaßnahmen mit einer EBÜT-80-Anlage als Zwischenlösung auszurüsten.”
Als Ersatzmaßnahmen nannte der Planfeststellungsbeschluss vom 1. Dezember 1994 den Neubau einer Eisenbahnüberführung über einen Fuß- und Radweg am Streckenkilometer 91,820, den Bau von beiderseitigen Rampen, die Verlängerung der Eisenbahnüberführung (km 91,820) durch eine Straßenüberführung des Schwarzen Weges, den Bau einer Verbindungsstraße zwischen B 107 und B 1, die Anbindung der alten B 107 und den Bau von Gehwegen beiderseits der zu bauenden Verbindungsstraße zwischen B 107 und B 1. Diese Ersatzmaßnahmen waren Gegenstand der erwähnten Kreuzungsvereinbarung.
Im Oktober 1998 beantragte die Beigeladene die Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens für die Beseitigung des Bahnübergangs Poststraße. Innerhalb der bis zum 18. Februar 1999 laufenden Einwendungsfrist gingen folgende von den Klägern unterzeichnete Schreiben ein:
Der Kläger zu 1 wies unter dem Briefkopf der IGK (Interessengemeinschaft der Genthiner Kaufleute) als deren Vorstandsmitglied „im Auftrag der IGK” auf folgende Nachteile für die Einzelhändler der Innenstadt hin:
- weitere Wege für die Bevölkerung,
- für ältere Bürger größeres Angstpotential bei Durchquerung der Tunnel,
- Verödung der Innenstadt,
- Zweiteilung der Stadt.
Die Klägerin zu 2 wandte ein, sie müsse aufgrund der Schließung des Bahnübergangs nunmehr täglich die dreifache Wegstrecke zur Arbeit zurücklegen. Die dafür entstehenden Mehrkosten sei sie nicht bereit zu tragen. Ferner sei die Notfallrettung nicht sichergestellt. Schließlich bliebe Fußgängern nur die Benutzung des Tunnels in der Magdeburger Straße, der aus Hygiene- und Sicherheitsgründen weder ihrer schulpflichtigen Tochter noch ihrer über siebzigjährigen Mutter zuzumuten sei. Mangels hinreichender Infrastruktur im Stadtteil südlich der Planstrecke ergäben sich für sie auch Probleme der Versorgung ihrer Familie.
Der Kläger zu 3 wies darauf hin, dass eine Schließung des Bahnübergangs nicht mehr erforderlich sei, nachdem die Bahnstrecke nicht mehr als Höchstgeschwindigkeitsstrecke vorgesehen sei. Im Übrigen erfolge ein Verlust der kurzen Wege zur Innenstadt, deren Belebung nicht gelingen werde. Ferner verwies er auf das mangelnde Sicherheitsgefühl älterer Bürger und Frauen bei der Benutzung des Tunnels.
Mit Beschluss vom 26. Februar 2001 stellte das Eisenbahn-Bundesamt den Plan für die Beseitigung des Bahnübergangs Poststraße fest. Die Einwendungen wurden zurückgewiesen. Eine Teilung der Stadt werde aufgrund angemessener Querungsmöglichkeiten für Fußgänger, Radfahrer, Behinderte und für den Kraftfahrzeugverkehr nicht bewirkt. Die Umwege seien unwesentlich und jedenfalls hinzunehmen. Die Wahrung von Sauberkeit und Sicherheit im Ortsverbindungstunnel sei Aufgabe des zuständigen Baulastträgers. Für die Notfalldienste entstünden keine oder zumutbare Umwege, zumal das Risiko geschlossener Eisenbahnschranken entfalle. Eine Verschlechterung der Bedingungen für den Einzelhandel sei nicht zu befürchten. Eine angemessene Verkehrsanbindung sämtlicher Einzelhandelsgeschäfte an das öffentliche Straßenverkehrsnetz bleibe erhalten. Für die Kunden könnten lediglich geringe und zumutbare Umwege eintreten. Eine Existenzgefährdung von Gewerbetreibenden sei nicht erkennbar und auch nicht nachvollziehbar dargestellt worden. Änderungen aus der Verkehrslage hätten die Gewerbetreibenden im Übrigen hinzunehmen.
Gegen den bis einschließlich 23. April 2001 ausgelegten Planfeststellungsbeschluss haben die Kläger am 23. Mai 2001 Klage erhoben. Zur Begründung geben sie im Wesentlichen ihre Einwendungen wieder und stützen sich im Übrigen auf folgende Argumente: Der Planfeststellungsbeschluss enthalte eine offensichtliche und ergebnisrelevante Verletzung des Abwägungsgebots nach § 18 Abs. 1 Satz 2 AEG. Die vorhandenen Bahnübergänge hätten bisher eine Teilung der Stadt durch die Bahnstrecke verhindert. Sicherheitsgründe sprächen nicht für die Beseitigung der Bahnübergänge. Bei einer optimalen Anpassung der Geschwindigkeit der Züge hätten die Bahnübergänge auch sicherheitstechnisch ausgereicht, zumal hier im Notfall auch Rettungsfahrzeuge die Bahnstrecke queren könnten. Die Ersatzmaßnahmen führten nicht zu angemessenen Querungsmöglichkeiten. Nachteile ergäben sich insbesondere für behinderte Menschen und für Kraftfahrzeuge. Transport- und Versorgungswege verlängerten sich, die Notfall- und Katastrophenversorgung sei nicht mehr gewährleistet. Der öffentliche Personennahverkehr werde durch die Schließung stark beeinträchtigt. Darüber hinaus komme es zu Wettbewerbsverzerrungen zum Nachteil der innerstädtischen Einzelhändler zugunsten großflächiger Einkaufscenter am Stadtrand. Die Innenstadt drohe zu veröden. Mit all diesen Einwendungen habe sich der Planfeststellungsbeschluss allenfalls pauschal auseinander gesetzt, statt – wie es geboten gewesen sei – die Betroffenheit jedes einzelnen Klägers zu prüfen und abzuwägen.
Die Kläger beantragen,
den Planfeststellungsbeschluss der Beklagten vom 26. Februar 2001 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Kläger zu 1 sei mit seinem Vorbringen präkludiert, weil er Einwendungen nicht selbst oder als Inhaber seiner Firma, sondern für die Interessengemeinschaft der Genthiner Kaufleute erhoben habe. Jedenfalls sei er nicht in seinen Rechten verletzt. Anhaltspunkte für eine Existenzgefährdung seien nicht erkennbar. Ein Anspruch auf Beibehaltung von bestehenden Wegebeziehungen bestehe nicht. Negative Veränderungen der wirtschaftlichen Situation, die auf einer Veränderung der Verkehrslage beruhten, müsse ein Gewerbetreibender hinnehmen.
Die Klägerin zu 2 führe keine rechtlich geschützten eigenen Belange an. Auch für sie bestehe kein Anspruch auf Beibehaltung bestehender Wegebeziehungen. Anhaltspunkte dafür, dass die Benutzung des Ortsverbindungstunnels unzumutbar wäre, seien nicht erkennbar. Geschäfte des täglichen Bedarfs befänden sich auch im südlichen Stadtteil in unmittelbarer Nähe der Wohnung der Klägerin zu 2, so dass die Versorgung ihrer Familie nicht gefährdet sei.
Auch der Kläger zu 3 werde nicht in subjektiven Rechten verletzt. Einwendungen gegen die Planrechtfertigung könne er mangels eigener Betroffenheit nicht erheben. In jedem Fall sei die Planrechtfertigung gegeben, weil es grundsätzlich planungsrechtlich aus Gründen der Sicherheit und Abwicklung des Verkehrs geboten sei, Bahnübergänge zu beseitigen. Im Übrigen stütze sich der Kläger auf Belange, die eine Beziehung zu seiner Person vermissen ließen.
Die Beigeladene beantragt ebenfalls,
die Klage abzuweisen.
Auch sie hält den Kläger zu 1 mit seiner Klage für präkludiert. Jedenfalls sei er nicht in subjektiven Rechten verletzt. Auch eine Verletzung subjektiver Rechte der Kläger zu 2 und 3 sei nicht erkennbar.
Entscheidungsgründe
II.
Die Klage ist unbegründet. Die Kläger sind durch den angefochtenen Planfeststellungsbeschluss nicht in ihren Rechten verletzt.
Hinsichtlich des Klägers zu 1 spricht manches dafür, dass er mit seinem Vorbringen gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 AEG präkludiert ist. Werden namens einer Bürgerinitiative, die keine juristische Person ist, Einwendungen erhoben, bestehen im Grundsatz keine Bedenken diese Einwendungen zugleich denjenigen Personen zuzurechnen, die das Einwendungsschreiben für die Bürgerinitiative unterzeichnet haben. Wenn allerdings im Namen der Bürgerinitiative typische Jedermann-Einwendungen (vgl. BVerwGE 60, 297 ≪301≫; Beschluss vom 13. März 1995 – BVerwG 11 VR 5.95 – Buchholz 445.5 § 17 WaStrG Nr. 3 S. 3) erhoben werden, so sind die Unterzeichner des Einwendungsschreibens dennoch mit Einwendungen, die ihre eigenen Belange betreffen, ausgeschlossen. Dies muss sich der Kläger zu 1 im vorliegenden Fall möglicherweise entgegenhalten lassen. Denn in dem von ihm unterzeichneten Schreiben vom 1. Februar 1999 wurden zwar „Nachteile für die Einzelhändler der Innenstadt” geltend gemacht. Dass der Kläger zu 1 von diesen Nachteilen persönlich betroffen ist, wird aber nicht einmal durch die Angabe einer Geschäftsadresse deutlich gemacht. Die Frage eines eventuellen Einwendungsausschlusses kann jedoch dahinstehen; denn der angefochtene Planfeststellungsbeschluss verletzt weder die Rechte des Klägers zu 1 noch die der übrigen Kläger. Zunächst ist davon auszugehen, dass die Anlieger einer Straße keinen Anspruch darauf haben, dass eine bisher gegebene Verkehrslage aufrechterhalten wird. Hat eine Planung die Verschlechterung der für ein Grundstück bisher bestehenden Verkehrsverhältnisse zur Folge, so wird der Anlieger dadurch in aller Regel nicht in seinen Rechten verletzt. Ganz allgemein ist ein etwaiges Vertrauen in den Bestand oder Fortbestand einer bestimmten Markt- oder Verkehrslage regelmäßig kein rechtlich geschützter Belang (vgl. grundlegend Beschluss vom 9. November 1979 – BVerwG 4 N 1.78, 4 N 2-4.79 – BVerwGE 59, 87 ≪102 f.≫). Das Vorbringen der Kläger ist nicht geeignet, gegenüber diesen allgemeinen Grundsätzen gleichwohl ein eigenes schutzwürdiges Interesse an der Aufrechterhaltung der bisherigen Verkehrsbeziehungen darzulegen. Soweit sie überhaupt eigene Belange geltend machen, hat der Planfeststellungsbeschluss zudem in nicht zu beanstandender Weise hierzu Stellung genommen und diese Belange mithin „abgearbeitet”. So werden die Umwege für Kraftfahrzeuge, Radfahrer und Fußgänger angesichts der Ersatzmaßnahmen als unwesentlich bezeichnet, unzumutbare Bedingungen insbesondere für Kranke und Behinderte wegen der behindertengerechten Gestaltung der Ersatzmaßnahmen verneint, auf die Zuständigkeit anderer Behörden für den Zustand der Tunnel und der Aufzüge sowie die Sicherheit und Strafverfolgung verwiesen, Beeinträchtigungen für den Rettungsdienst insbesondere unter Hinweis auf den Wegfall des Risikos geschlossener Schranken bestritten und Verschlechterungen für den öffentlichen Personennahverkehr sowie den Einzelhandel verneint. Dass das Eisenbahn-Bundesamt insoweit von unrichtigen Sachverhaltsannahmen ausgegangen wäre, ist nicht erkennbar. Soweit die Kläger weitergehende, auf ihre Person bezogene Begründungen der Auffassung des Eisenbahn-Bundesamtes vermissen, ist darauf hinzuweisen, dass sie in den Einwendungsschreiben die von ihnen verteidigten Interessen nur pauschal benannt haben und schon deshalb nur eine ebenso pauschale Prüfung im Planfeststellungsverfahren erwarten konnten (vgl. BVerwGE 60, 297 ≪311≫; 80, 207 ≪220≫). Dies gilt auch für die Klägerin zu 2, deren Einwendung spezifizierte Angaben über die von ihr beklagte längere Wegstrecke zur Arbeit vermissen lässt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1, § 162 Abs. 3 VwGO, § 100 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Hien, Dr. Storost, Kipp, Vallendar, Gatz
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 05.12.2001 durch Oertel Justizobersekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen