Entscheidungsstichwort (Thema)
Feststellungsantrag. Rechtsschutzziel. Maler- und Lackiererhandwerk. Eintragungspflicht. Handwerksrolle. Tätigkeit, wesentliche. Kernbereich. Berufsfreiheit. Gefahrenabwehr. Leben und Gesundheit Dritter. Ausbildungsleistung. Gefahrgeneigtheit. verhältnismäßig. Meisterzwang. Altgesellenregelung. Reisegewerbe. EU-Ausländer. grenzüberschreitende Dienstleistungserbringung. Nah-versorgungsfunktion.
Leitsatz (amtlich)
1. Es stellt keine unverhältnismäßige Beschränkung der Grundrechte auf Berufsfreiheit dar, den selbstständigen handwerksmäßigen Betrieb eines Malers und Lackierers im stehenden Gewerbe von der Eintragung in die Handwerksrolle abhängig zu machen.
2. Es ist mit dem Gleichheitssatz vereinbar, dass Gewerbetreibenden mit einer in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder in einem Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftsraumes erworbenen Qualifikation die Ausübung eines Handwerks in Deutschland unter teilweise anderen Voraussetzungen ermöglicht wird.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3; VwGO § 43 Abs. 1, § 86 Abs. 1, § 88; BGB §§ 133, 157; HwO §§ 1, 3 Abs. 2, §§ 7b, 9; GewO § 55; EU/EWR HwV § 7; AEUV Art. 49
Verfahrensgang
OVG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 30.10.2012; Aktenzeichen 6 A 10702/12) |
VG Neustadt a.d. Weinstraße (Entscheidung vom 09.02.2012; Aktenzeichen 6 A 10702/12) |
Tenor
Die Revision wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
I
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger verschiedene Tätigkeiten aus dem Bereich des Maler- und Lackiererhandwerks ohne Eintragung in die Handwerksrolle selbstständig im stehenden Gewerbe ausüben darf.
Der Kläger legte im Jahre 1997 die Gesellenprüfung im Maler- und Lackiererhandwerk ab und war anschließend mehrere Jahre lang als angestellter Geselle tätig. Im Jahr 2007 meldete er ein Gewerbe des Holz- und Bautenschutzes an und erhielt im Jahre 2008 eine Reisegewerbekarte für das Anbieten von Leistungen des Maler- und Lackiererhandwerks.
Einen Antrag des Klägers auf Erteilung einer Ausübungsberechtigung gemäß § 7b Handwerksordnung (HwO) für das Maler- und Lackiererhandwerk vom März 2011 hatte die Handwerkskammer der Pfalz abgelehnt. Das Verwaltungsgericht hatte die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen; die Berufung wurde nicht zugelassen.
Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger festzustellen, dass er ohne Eintragung in die Handwerksrolle zur selbstständigen Ausübung der im Klageantrag genannten Tätigkeiten im stehenden Gewerbe berechtigt sei.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 9. Februar 2012 abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat das Oberverwaltungsgericht mit aufgrund mündlicher Verhandlung vom 30. Oktober 2012 ergangenem Urteil zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, ein Teil der im Feststellungsantrag aufgeführten Tätigkeiten sei für das Maler- und Lackiererhandwerk wesentlich, weshalb ihre selbstständige Ausübung im Rahmen eines stehenden Gewerbes die Eintragung in die Handwerksrolle voraussetze. Die im Klageantrag genannten Tätigkeiten Streichen und Verputzen von Fassaden sowie das ebenfalls aufgeführte Lackieren und Lasieren von Türen und Fenstern stellten wesentliche Tätigkeiten für das Maler- und Lackiererhandwerk im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 und 2 HwO dar. Sie könnten jeweils nicht in einem Zeitraum von bis zu drei Monaten erlernt werden und seien für das Maler- und Lackiererhandwerk auch nicht nebensächlich, sondern prägend und erforderten die Fertigkeiten und Kenntnisse, auf die die Ausbildung in diesem Handwerk hauptsächlich ausgerichtet sei. Die Tätigkeiten gehörten auch nicht zum Berufsbild eines zulassungsfreien Berufs, insbesondere nicht zu den Berufsbildern des Raumausstatters, des Hochbau- und Ausbaufacharbeiters, des Holz- und Bautenschutzfacharbeiters oder des Fassadenmonteurs. Das gesetzliche Erfordernis der Eintragung in die Handwerksrolle verstoße ferner nicht gegen Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG sowie die europarechtliche Niederlassungsfreiheit.
Mit der Revision rügt der Kläger Verfahrensmängel, darunter eine unzutreffende Auslegung des Klageantrages (§ 88 VwGO). Das Berufungsgericht habe zu Unrecht den Feststellungsantrag dahingehend ausgelegt, dass er auch „gestalterische Tätigkeiten” umfasst habe. Weiter rügt der Kläger, das Berufungsgericht habe es unterlassen, erforderliche Beweise zu erheben. In materiellrechtlicher Hinsicht gehe das angegriffene Urteil unzutreffend von einem zulassungspflichtigen Handwerk im Sinne des § 1 Abs. 2 HwO aus. Bei den im Klageantrag genannten Tätigkeiten handele es sich nicht um ein eintragungspflichtiges Maler- und Lackiererhandwerk, da nicht sämtliche Tätigkeiten aus diesem Berufsbild ausgeübt werden sollten, sondern um ein „Aliud” im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom 1. April 2004 – BVerwG 6 B 5.04 – GewArch 2004, 488) und um einen nicht in der Anlage A zur Handwerksordnung bezeichneten Beruf. Bei der Frage, ob Tätigkeiten ausgeübt werden, die für das Gewerbe wesentlich sind, habe sich das Berufungsgericht zu Unrecht allein an den in den einschlägigen Ausbildungsverordnungen vorgestellten Ausbildungsberufsbildern orientiert. Darüber hinaus bestehe auch deswegen keine Eintragungspflicht, da alle im Klageantrag genannten Tätigkeiten in frei ausübbaren Berufen enthalten seien, insbesondere den Berufen des Bauwerkabdichters, Fassadenmonteurs, Raumausstatters, Verputzers und Trockenbauers. Die Eintragungspflicht sei zudem verfassungswidrig, da der Eingriff in die Berufsfreiheit nicht durch Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt sei. Die Annahme des Berufungsgerichts, dass dem Maler- und Lackiererhandwerk für die Ausbildung des Nachwuchses eine bedeutsame Rolle zukomme, lasse sich nicht durch Fakten belegen. Auch zur Abwehr von Gefahren für Gesundheit und Leben Dritter, sei die Eintragungspflicht jedenfalls im Hinblick auf den Malerberuf unverhältnismäßig. Schließlich liege ein Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG vor.
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers beantragt,
das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 30. Oktober 2012 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 9. Februar 2012 zu ändern und festzustellen, dass der Kläger berechtigt ist, die Tätigkeiten
- Fassaden streichen mit mineralischer Fassadenfarbe, Silikat-Fassadenfarbe oder Silikon-Harz-Fassadenfarbe
- Fassaden verputzen mit Mineralputz, Silikatputz oder Silikon-Harzputz
- Fassaden mit Vollwärmeschutz dämmen
- Tapezieren von Mustertapeten, Rauhfaser oder Glasgewebe
- Wände im Innenbereich mit Füll- und Glättespachtel verspachteln
- Streicharbeiten im Gebäude-Innenbereich mit Dispersionsfarbe, Silikatfarbe oder Latexfarbe
- Lackieren von Türen und Fenstern mit Acryllasur, lösemittelhaltigem Lack oder lösemittelhaltiger Lasur
ohne Eintragung in die Handwerksrolle selbstständig im stehenden Gewerbe auszuüben.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil ebenso wie der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht, der sich am Verfahren beteiligt hat.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision hat keinen Erfolg. Das angegriffene Urteil verletzt kein Bundesrecht.
1. Das Oberverwaltungsgericht hat nicht gegen Verfahrensrecht verstoßen.
a) Die Rüge des Klägers, das Oberverwaltungsgericht habe es unterlassen, erforderliche Beweise zu erheben, ist schon nicht den Anforderungen des § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO entsprechend dargelegt worden. Danach müssen innerhalb der Frist zur Begründung der Revision die verletzte Rechtsnorm bezeichnet und substantiiert die Tatsachen vorgetragen werden, die den gerügten Verfahrensmangel schlüssig ergeben. Für die ordnungsgemäße Begründung der hier (sinngemäß) erhobenen Rüge mangelhafter Sachaufklärung (§ 86 Abs. 1 VwGO) muss dementsprechend substantiiert dargelegt werden, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und für erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären, welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern deren Berücksichtigung auf der Grundlage der Rechtsauffassung des entscheidenden Gerichts zu einem anderen Ergebnis hätte führen können. Weiterhin muss dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist, oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (Urteil vom 23. November 2005 – BVerwG 6 C 9.05 – GewArch 2006, 158).
Diesen Anforderungen wird die Revisionsbegründung nicht gerecht. Soweit sie auf den Schriftsatz zur Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung vom 18. April 2012 Bezug nimmt, enthält dieser nicht die erforderlichen Angaben. Soweit sich der Kläger auf seinen erstinstanzlichen Vortrag in dem Schriftsatz vom 5. Oktober 2011 bezogen hat, reicht dies für eine den Anforderungen des § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO genügende Darlegung bereits deshalb nicht aus, weil ein vor dem Erlass des angefochtenen Urteils des Oberverwaltungsgerichts vorgenommener Vortrag die erforderliche Auseinandersetzung mit dem erst später ergangenen Berufungsurteil naturgemäß nicht enthalten kann.
b) Das Oberverwaltungsgericht hat auch § 88 VwGO nicht missachtet. Gemäß § 88 VwGO darf das Gericht über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.
aa) Entgegen der Auffassung des Klägers hat das Oberverwaltungsgericht § 88 VwGO nicht dadurch verletzt, dass es den Feststellungsantrag auf die Gesamtheit der im Feststellungsantrag umschriebenen Tätigkeiten bezogen hat. Bei sachgerechter Auslegung des Klageantrages ergibt sich nicht, dass auch die Zulassungsfreiheit jeder einzelnen Tätigkeit festgestellt oder geklärt werden sollte, inwieweit einzeln benannte Tätigkeiten zulassungsfrei miteinander kombiniert werden können. Die Zulassungspflicht nach § 1 Abs. 2 HwO betrifft die Handwerksausübung in einem bestimmten Gewerbebetrieb. Die Aufzählung der Tätigkeiten, die der Kläger auszuüben beabsichtigt, konkretisiert das betriebliche Leistungsangebot, dessen Zulassungsfreiheit festgestellt werden soll. Dass der Kläger die aufgezählten Einzeltätigkeiten darüber hinaus auch alternativ oder in anderen Kombinationen auf ihre Zulassungsfreiheit hin geprüft wissen wollte, konnte das Oberverwaltungsgericht weder dem Klageantrag noch dem erst- und zweitinstanzlichen Klagevorbringen entnehmen. Im Streit um die Eintragungspflicht eines Handwerksbetriebes ist es aber Sache des Klägers, das beabsichtigte Gewerbe zu konkretisieren. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, diejenigen Einzeltätigkeiten zu ermitteln, mit denen ein Gewerbe (noch) eintragungsfrei betrieben werden könnte (Urteil vom 31. August 2011 – BVerwG 8 C 8.10 – BVerwGE 140, 267 Rn. 13).
bb) Mit seiner Annahme, die im Feststellungsantrag genannten Tätigkeiten „Fassaden Streichen” und „Streicharbeiten im Gebäude-Innenbereich” bezögen sich auch auf eine gestalterische Betätigung, hat das Oberverwaltungsgericht § 88 VwGO ebenfalls nicht verletzt.
Das Gericht muss das wirkliche Rechtsschutzziel von Amts wegen ermitteln. Insoweit sind die für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden Grundsätze (§§ 133, 157 BGB) anzuwenden. Wesentlich ist der geäußerte Parteiwille, wie er sich aus den prozessualen Erklärungen und sonstigen Umständen ergibt. Ist der Kläger bei der Fassung des Klageantrages anwaltlich vertreten worden, kommt der Antragsformulierung gesteigerte Bedeutung für die Ermittlung des tatsächlich Gewollten zu (Beschluss vom 12. März 2012 – BVerwG 9 B 7.12 – DÖD 2012, 190). Gemessen an diesen Grundsätzen hat das Oberverwaltungsgericht das Klagebegehren zutreffend ausgelegt. Es geht zu Recht davon aus, dass der Kläger Veranlassung hatte, seinen Antrag ggf. entsprechend einzuschränken bzw. zu präzisieren, nachdem das Verwaltungsgericht den Klageantrag so verstanden hatte, dass zu den Tätigkeiten „Fassaden Streichen” und „Streicharbeiten im Gebäude-Innenbereich” auch gestalterische Tätigkeiten gehören sollten. Da der anwaltlich vertretene Kläger dieser vom Verwaltungsgericht vorgenommenen Auslegung des Klagebegehrens nicht entgegengetreten ist, muss er sich an seinem Klageantrag festhalten lassen.
2. Zu Recht hat das Oberverwaltungsgericht angenommen, dass die selbstständige Ausübung der im Klageantrag bezeichneten Tätigkeiten im stehenden Gewerbe als zulassungspflichtiges Handwerk der Eintragungspflicht gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 HwO unterfällt.
a) Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 HwO ist der selbstständige Betrieb eines zulassungspflichtigen Handwerks als stehendes Gewerbe nur den in der Handwerksrolle eingetragenen natürlichen und juristischen Personen und Personengesellschaften gestattet. Ein Gewerbebetrieb ist ein Betrieb eines zulassungspflichtigen Handwerks, wenn er handwerksmäßig betrieben wird und ein Gewerbe vollständig umfasst, das in der Anlage A zur Handwerksordnung aufgeführt ist, oder Tätigkeiten ausgeübt werden, die für dieses Gewerbe wesentlich sind (wesentliche Tätigkeiten), § 1 Abs. 2 Satz 1 HwO. Keine wesentlichen Tätigkeiten sind nach § 1 Abs. 2 Satz 2 HwO insbesondere solche, die in einem Zeitraum von bis zu drei Monaten erlernt werden können (Nr. 1), die zwar eine längere Anlernzeit verlangen, aber für das Gesamtbild des betreffenden zulassungspflichtigen Handwerks nebensächlich sind und deswegen nicht die Fertigkeiten und Kenntnisse erfordern, auf die die Ausbildung in diesem Handwerk hauptsächlich ausgerichtet ist (Nr. 2), oder die nicht aus einem zulassungspflichtigen Handwerk entstanden sind (Nr. 3).
Das Oberverwaltungsgericht hat zutreffend angenommen, dass das Streichen und Verputzen von Fassaden sowie das Lackieren und Lasieren von Türen und Fenstern als wesentliche Tätigkeiten im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 und 2 HwO anzusehen sind.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist eine Tätigkeit wesentlich, wenn sie nicht nur fachlich zu dem betreffenden Handwerk gehört, sondern gerade den Kernbereich dieses Handwerks ausmacht und ihm sein essentielles Gepräge verleiht. Arbeitsvorgänge, die aus der Sicht des vollhandwerklich arbeitenden Betriebes als untergeordnet erscheinen, also lediglich einen Randbereich des betreffenden Handwerks erfassen, können demnach die Annahme eines handwerklichen Betriebes nicht rechtfertigen. Dies trifft nicht nur auf Arbeitsvorgänge zu, die wegen ihres geringen Schwierigkeitsgrades keine qualifizierten Kenntnisse und Fertigkeiten voraussetzen. Vielmehr gehören hierzu auch solche Tätigkeiten, die zwar anspruchsvoll, aber im Rahmen des Gesamtbildes des entsprechenden Handwerks nebensächlich sind und deswegen nicht die Kenntnisse und Fertigkeiten verlangen, auf welche die einschlägige handwerkliche Ausbildung hauptsächlich ausgerichtet ist (Urteile vom 3. September 1991 – BVerwG 1 C 55.88 – Buchholz 451.45 § 1 HwO Nr. 22 und vom 25. Februar 1992 – BVerwG 1 C 27.89 – Buchholz 451.45 § 1 HwO Nr. 23).
Nach diesem Maßstab gehört das Verbringen von Farben oder Lacken und Lasuren auf Oberflächen zum Kernbereich des Maler- und Lackiererhandwerks. Das Oberverwaltungsgericht hat zu Recht für die Beantwortung der Frage, ob die ausgeübten Tätigkeiten zu den „wesentlichen Tätigkeiten” des betroffenen Handwerks gehören, die Verordnung über die Berufsausbildung im Maler- und Lackierergewerbe vom 3. Juli 2003 – MalerLackAusbV – (BGBl I S. 1064) nebst dem beigefügten Ausbildungsrahmenplan herangezogen. Nach der Rechtsprechung des Senats können die in den einschlägigen Ausbildungsverordnungen veröffentlichten (Ausbildungs-)Berufsbilder für die Frage der fachlichen Zugehörigkeit einer Tätigkeit zu einem handwerksfähigen Gewerbe herangezogen werden. Sie enthalten erläuternde Einzelheiten über das Arbeitsgebiet und die zu dessen Bewältigung benötigten Fertigkeiten und Kenntnisse (Urteil vom 31. August 2011 – BVerwG 8 C 9.10 – BVerwGE 140, 276 Rn. 20; vgl. auch Detterbeck, Handwerksordnung, 4. Aufl. 2008, § 1 Rn. 75).
Nach § 5 Nr. 12 MalerLackAusbV ist das Herstellen, Bearbeiten, Behandeln und Gestalten von Oberflächen Gegenstand der Berufsausbildung zum(r) Bauten- und Objektbeschichter(in), die gemäß § 2 Abs. 1, 2 und 4 MalerLackAusbV eine Vorstufe für den Ausbildungsberuf Maler(in) und Lackierer(in) darstellt. Ferner sieht § 5 Nr. 10 und 11 MalerLackAusbV vor, dass in der Ausbildung Fertigkeiten und Kenntnisse im Be- und Verarbeiten von Werk-, Hilfs- und Beschichtungsstoffen sowie von Bauteilen (Nr. 10) und dem Prüfen, Bewerten und Vorbereiten von Untergründen (Nr. 11) zu vermitteln sind. Diese Tätigkeiten erfordern jeweils eine Anlernzeit von mehr als drei Monaten (§ 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 HwO). Nach dem einschlägigen Ausbildungsrahmenplan (Anlage 1 I. und II. zu § 7 MalerLackAusbV) betragen die zeitlichen Richtwerte für das Herstellen, Bearbeiten, Behandeln und Gestalten von Oberflächen 29 Wochen, für das Be- und Verarbeiten von Werk-, Hilfs- und Beschichtungsstoffen sowie Bauteilen 18 Wochen und für das Prüfen, Bewerten und Vorbereiten von Untergründen 20 Wochen. Die vorgenannten Tätigkeiten sind auch weder nach § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 HwO für das Gesamtbild des Maler- und Lackiererhandwerks nebensächlich noch aus einem nicht zulassungspflichtigen Handwerk entstanden (§ 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 HwO).
b) Entgegen dem Vorbringen der Revision entfällt die Eintragungspflicht auch nicht deshalb, weil der Kläger durch das Herausgreifen einzelner Tätigkeiten aus dem Katalog der möglichen Betätigungen im Maler- und Lackiererhandwerk nicht den Beruf des Malers und Lackierers im Sinne der Anlage A zur Handwerksordnung, sondern einen anderen Beruf ausübte. Zwar ist es nach der vom Kläger angeführten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom 1. April 2004 – BVerwG 6 B 5.04 – GewArch 2004, 488) möglich, dass durch eine Reduzierung auf einzelne Betätigungen der Kernbereich des Handwerks verlassen wird, so dass eine minderhandwerkliche Tätigkeit vorliegen kann. Hieraus folgt jedoch nicht, dass jede von dem gesamten Spektrum des jeweiligen Berufsbildes abweichende Kombination von Tätigkeiten zur Folge hat, dass für dieses Gewerbe keine Eintragungspflicht mehr besteht. Vielmehr ist im Einzelfall zu prüfen, ob und inwieweit die (jeweils) angestrebten Tätigkeiten den Kernbereich des Handwerks ausmachen und ihm sein essentielles Gepräge verleihen, was hier aus den dargelegten Gründen der Fall ist.
c) Das Oberverwaltungsgericht hat ferner zutreffend angenommen, dass die Erheblichkeitsgrenze nach § 3 Abs. 2 HwO für die Frage der Wesentlichkeit einer Tätigkeit für ein zulassungspflichtiges Handwerk keine Bedeutung hat. Entgegen der Auffassung der Revision kommt es für die Frage, ob Tätigkeiten ausgeübt werden, die für das betreffende Gewerbe wesentlich sind, nicht darauf an, ob sie während eines Jahres die durchschnittliche Arbeitszeit eines ohne Hilfskräfte in Vollzeit arbeitenden Betriebes übersteigen (vgl. § 3 Abs. 2 HwO). Denn das Wesentlichkeitsmerkmal ist ein qualitatives, nicht ein quantitatives Kriterium, weshalb es unerheblich ist, welchen zeitlichen Umfang die betreffenden Arbeiten im Rahmen des Gewerbebetriebes haben (Urteil vom 31. August 2011 – BVerwG 8 C 9.10 – juris Rn. 22 ≪insoweit nicht veröffentlicht in BVerwGE 140, 276≫).
d) Der Einwand der Revision, die bezeichneten Tätigkeiten könnten für das Berufsbild des Malers und Lackierers nicht wesentlich sein, weil sie nach anderen Berufsbildern zulassungs- und eintragungsfrei ausgeübt werden dürften, überzeugt nicht. Zwar kann eine Tätigkeit nicht dem Kernbereich eines Handwerks zuzuordnen sein, wenn sie als zulassungsfreies Handwerk oder handwerksähnliches Gewerbe der Anlage B zur Handwerksordnung unterfällt. Dies ist hier aber nicht der Fall.
Das (Ausbildungs-)Berufsbild des zulassungsfreien Handwerks des Raumausstatters (§ 18 Abs. 2 Satz 1 HwO i.V.m. Anlage B Abschnitt I Nr. 27 zur Handwerksordnung) umfasst zwar ausweislich der Verordnung über die Berufsausbildung zum Raumausstatter/zur Raumausstatterin vom 18. Mai 2004 – RaumAAusbV – (BGBl I S. 980) unter anderem das Be- und Verarbeiten von Werk- und Hilfsstoffen (§ 4 Nr. 10 RaumAAusbV), das Prüfen, Vorbereiten und Bearbeiten von Untergründen (§ 4 Nr. 12 RaumAAusbV), das Behandeln von Oberflächen (§ 4 Nr. 14 RaumAAusbV) und das Gestalten, Bekleiden und Beschichten von Wand- und Deckenflächen (§ 4 Nr. 19 RaumAAusbV). Das Oberverwaltungsgericht ist aber zutreffend davon ausgegangen, dass diese Tätigkeiten bereits deshalb nicht mit denen nach § 5 Nr. 10 bis 12 MalerLackAusbV identisch sind, weil sie sich – im Gegensatz zum Maler- und Lackiererhandwerk – ausschließlich auf Innenräume beziehen.
Zum Berufsbild des Fassadenmonteurs gehören zwar das Auftragen von Putzen (§ 5 Nr. 13 der Verordnung über die Berufsausbildung zum Fassadenmonteur/zur Fassadenmonteurin vom 19. Mai 1999 – FMontAusbV – ≪BGBl I S. 997≫ sowie das Behandeln von Oberflächen ≪§ 5 Nr. 14 FMontAusbV≫). Dieser Ausbildungsberuf erfasst aber nicht das das Maler- und Lackiererhandwerk prägende Anstreichen von Fassaden sowie das Lackieren und Lasieren von Türen und Fenstern (insbesondere unter Beachtung gestalterischer Gesichtspunkte).
Das Aufgabenspektrum des Trockenbaumonteurs/der Trockenbaumonteurin ist auf das Herstellen, Sanieren und Instandsetzen von Trockenbaukonstruktionen für den Innen- und Außenbereich gerichtet (vgl. § 63 Nr. 8 und 9 der Verordnung über die Berufsausbildung in der Bauwirtschaft vom 2. Juni 1999 – BauWiAusbV – 1999 – ≪BGBl I S. 1102≫, zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 20. Februar 2009 ≪BGBl I S. 399≫). Eine Überschneidung mit dem Maler- und Lackiererhandwerk besteht nicht.
Die Tätigkeit des Bauwerksabdichters/der Bauwerksabdichterin umfasst ausweislich der einschlägigen Verordnung über die Berufsausbildung zum Bauwerksabdichter/zur Bauwerksabdichterin vom 24. April 1997 – BauwAbdAusbV – (BGBl I S. 946) zwar auch das Ausführen von Putzarbeiten (§ 5 Nr. 11 BauwAbdAusbV). Nach der Konkretisierung in Teil I Nr. 11 des Ausbildungsrahmenplanes sind darunter jedoch bloße Ausbesserungsarbeiten zu verstehen.
Soweit sich der Kläger schließlich auf den Beruf des Verputzers bezogen hat, hat das Oberverwaltungsgericht zu Recht darauf hingewiesen, dass es ein eigenständig geregeltes Berufsbild des Verputzers nicht gibt, sondern die Verputzertätigkeit verschiedenen Bauberufen, u.a. dem zulassungspflichtigen Stukkateurhandwerk (Anlage A Nr. 9 zur Handwerksordnung), zugeordnet ist (vgl. auch VGH München, Beschluss vom 10. April 2006 – 22 ZB 05.2622 – GewArch 2007, 125).
Sind das Streichen und Verputzen von Fassaden sowie das Lackieren bzw. Lasieren von Türen und Fenstern für das Maler- und Lackiererhandwerk wesentliche Tätigkeiten, so kommt es nicht mehr darauf an, ob die übrigen von dem Kläger angestrebten Tätigkeiten wesentliche Tätigkeiten gemäß § 1 Abs. 2 HwO sind. Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 HwO genügt für ein Vollhandwerk, dass mindestens eine wesentliche Tätigkeit ausgeübt wird (vgl. Detterbeck, a.a.O., § 1 Rn. 68). Aus demselben Grund bedarf es auch keiner Gesamtbetrachtung nach § 1 Abs. 2 Satz 3 HwO.
3. Einen Verfassungsverstoß hat das Oberverwaltungsgericht zu Recht verneint.
a) Zu Unrecht meint der Kläger, das Wesentlichkeitsmerkmal in § 1 Abs. 2 HwO verletze das rechtsstaatliche Gebot der Bestimmtheit einer Norm (Art. 20 Abs. 3 GG).
Das Bestimmtheitsgebot verlangt vom Normgeber, die Rechtsvorschriften so genau zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist (BVerfG, Beschluss vom 18. Mai 2004 – 2 BvR 2374/99 – BVerfGE 110, 370 ≪396≫; BVerwG, Urteil vom 1. Dezember 2005 – BVerwG 10 C 4.04 – NVwZ 2006, 589). Die Notwendigkeit der Auslegung einer Begriffsbestimmung nimmt der Norm noch nicht die Bestimmtheit. Es genügt, wenn die Betroffenen die Rechtslage anhand objektiver Kriterien erkennen und ihr Verhalten danach ausrichten können (BVerfG, Beschluss vom 18. Mai 1988 – 2 BvR 579/84 – BVerfGE 78, 205 ≪212≫; BVerwG, Urteil vom 16. Juni 1994 – BVerwG 4 C 2.94 – BVerwGE 96, 110 ≪111≫). Diesen Anforderungen genügt § 1 Abs. 2 HwO i.V.m. der Anlage A zur Handwerksordnung.
Wie oben (2.a) gezeigt, ist es möglich, das Berufsbild des Malers und Lackierers unter Rückgriff auf die einschlägige Ausbildungsverordnung ausreichend genau zu beschreiben. Für die Beurteilung einzelner Tätigkeiten stellt das Gesetz in § 1 Abs. 2 Satz 2 und 3 HwO ausreichend konkrete Maßstäbe bereit.
b) § 1 Abs. 1 und 2 i.V.m. §§ 7 ff. HwO sind, soweit sie die Ausübung des Maler- und Lackiererhandwerks betreffen, mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar.
Es kann offenbleiben, ob § 7 HwO mit den persönlichen Eintragungsvoraussetzungen eine subjektive Berufswahlbeschränkung oder eine Berufsausübungsregelung normiert, da auch bei Annahme einer Berufsausübungsregelung die Intensität des Eingriffs nicht hinter der einer subjektiven Berufswahlbeschränkung zurückbliebe und daher an die verfassungsrechtliche Rechtfertigung des Eingriffs dieselben Anforderungen zu stellen wären (vgl. Urteil vom 31. August 2011 – BVerwG 8 C 9.10 – BVerwGE 140, 276 Rn. 31).
Eingriffe in das Grundrecht der Berufsfreiheit sind nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG nur auf der Grundlage einer gesetzlichen Regelung erlaubt, die den Anforderungen der Verfassung an grundrechtsbeschränkende Gesetze genügt. Dies ist der Fall, wenn die eingreifende Norm kompetenzgemäß erlassen worden ist, durch hinreichende, der Art der betroffenen Betätigung und der Intensität des jeweiligen Eingriffs Rechnung tragende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt wird und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht (BVerfG, Beschluss vom 19. Juli 2000 – 1 BvR 539/96 – BVerfGE 102, 197 ≪213≫).
Der Gesetzgeber verfolgte bei der Neuregelung der Zulassungspflicht für das Handwerk im Wesentlichen zwei Ziele: Zum einen bezweckte er die Abwehr von Gefahren für Leben und Gesundheit Dritter durch unsachgemäße Ausübung von Handwerken mit entsprechendem Gefährdungspotenzial, deren fachgerechte Ausübung deswegen in der Regel eine besonders gründliche handwerkliche Ausbildung erfordert (vgl. BTDrucks 15/1206 S. 22). Zum anderen hat der Gesetzgeber auch für das neue Recht an dem Ziel der Sicherung der besonderen Ausbildungsleistung des Handwerks für die gewerbliche Wirtschaft festgehalten (BR-Plenarprotokoll 795/2003 S. 517).
Ob das Oberverwaltungsgericht zu Recht angenommen hat, dass auch die Sicherung der besonderen Ausbildungsleistung des Handwerks die streitgegenständliche Berufsbeschränkung zu rechtfertigen vermag, kann hier dahinstehen. Diese ist jedenfalls verhältnismäßig in Bezug auf den anderen Gemeinwohlzweck, Gesundheitsgefahren für Dritte abzuwenden. Auch wenn das Oberverwaltungsgericht keine Feststellungen zur Gefahrgeneigtheit des Maler- und Lackiererhandwerks getroffen hat, ist der Senat nach § 137 Abs. 2 VwGO nicht gehindert, die Gefahrgeneigtheit aufgrund allgemeinkundiger Tatsachen zu bejahen. Allein aus der nachträglichen Aufnahme des Maler- und Lackiererhandwerks in die Anlage A zur Handwerksordnung aufgrund der Empfehlung des Vermittlungsausschusses kann nicht gefolgert werden, dass die Zulassungspflicht ausschließlich der Sicherung der Ausbildungsleistung des Maler- und Lackiererhandwerks Rechnung tragen sollte (BTDrucks 15/2246 S. 4). Denn aus den Gesetzesmaterialien geht nicht hervor, dass die nachträgliche Aufnahme des Maler- und Lackiererhandwerks in die Anlage A zur Handwerksordnung allein darauf zurückzuführen war. Die Gefahrgeneigtheit des Maler- und Lackiererhandwerks ergibt sich daraus, dass Maler und Lackierer beim „Herstellen, Bearbeiten, Behandeln und Gestalten von Oberflächen” (§ 5 Nr. 12 MalerLackAusbV) mit gesundheitsgefährlichen Stoffen umgehen. Die zum Einsatz kommenden Farben und Lacke können bei nicht ordnungsgemäßer Verwendung zu Gesundheitsgefahren für Dritte führen (vgl. auch: Stober, GewArch 2003, 393 ≪395≫). Beispielsweise können Dritten erhebliche Gesundheitsschäden drohen, wenn bei der Ausführung von Oberflächenbehandlungen notwendige Trocken- und Lüftungszeiten nicht eingehalten werden oder für Gebäudeinnenbereiche ungeeignete Farben oder Lacke aufgetragen werden. Zudem sind mit der Verwendung hochentzündlicher Lösungsmittel Brandgefahren verbunden. Nr. I/3 (Buchstabe d) der Anlage 1 zu § 7 MalerLackAusbV sieht dementsprechend vor, dass im Rahmen der gesamten Ausbildungszeit Fertigkeiten und Kenntnisse bezüglich des vorbeugenden Brandschutzes zu vermitteln sind. Der Einwand des Klägers, dass im Handwerk ausschließlich mit im allgemeinen Handel erhältlichen Produkten gearbeitet werde, greift nicht durch. Denn mit dem Kauf dieser Produkte werden die zur Gefahrenabwehr und -vermeidung erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten nicht vermittelt und erworben. Die erlaubte Selbstgefährdung bei der häuslichen, nicht gewerblichen Verwendung von gesundheitsgefährlichen Farben und Lacken schließt die Geeignetheit der Anforderungen an das selbständige Führen eines niedergelassenen Handwerks nicht aus.
Die an die Zulassungspflicht anknüpfende Regelung der persönlichen Eintragungsvoraussetzungen, die grundsätzlich den Großen Befähigungsnachweis (§ 7 HwO) oder eine sechsjährige qualifizierte Berufserfahrung mit mindestens vierjähriger Leitungsfunktion nach Ablegen der Gesellenprüfung (§ 7b HwO) verlangt, ist zur Abwehr von Gefahren für Leben und Gesundheit von Dritten schon deshalb geeignet, weil hierdurch der gewünschte Erfolg gefördert werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. Juli 2007 – 1 BvR 2186/06 – BVerfGE 119, 59 ≪84≫). Die Qualifikationsanforderungen an die Ausbildung tragen zur Erreichung des Gemeinwohlziels der Gefahrenabwehr bei. Ein Betriebsinhaber oder Betriebsleiter mit meisterhafter Sachkunde oder qualifizierter Berufserfahrung als Altgeselle ist in der Lage, bei der Ausübung des Handwerks selbst Gefahren zu vermeiden und die im Betrieb Mitarbeitenden dazu anzuleiten und zu beaufsichtigen. Die berufsbeschränkende Regelung ist auch zur Gefahrenabwehr erforderlich. Dem Gesetzgeber steht bei der Beurteilung dessen, was er zur Verwirklichung der von ihm verfolgten Gemeinwohlzwecke für erforderlich halten darf, ein weiter Einschätzungs- und Prognosespielraum zu, der erst dann überschritten ist, wenn die gesetzgeberischen Entscheidungen so fehlsam sind, dass sie vernünftigerweise keine Grundlage für derartige Maßnahmen abgeben können (BVerfG, Beschluss vom 3. Juli 2007 a.a.O. S. 85 f.). Solche „fehlsamen” Erwägungen sind jedenfalls in Bezug auf die Gefahrgeneigtheit des Maler- und Lackiererhandwerks nicht zu erkennen. Die Beschränkungsregelung ist schließlich auch verhältnismäßig im engeren Sinne. Weil die erforderliche Befähigung alternativ durch eine berufspraktische Qualifizierung nach der Altgesellenregelung nachgewiesen werden kann, ist die Grenze der Zumutbarkeit nicht überschritten (vgl. Urteil vom 31. August 2011 – BVerwG 8 C 9.10 – BVerwGE 140, 276 Rn. 37).
c) Der Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG ist ebenfalls nicht verletzt.
aa) Dass das Eintragungserfordernis nicht für eine handwerkliche Betätigung im Reisegewerbe (§§ 55 f. GewO) gilt, sondern nur für eine handwerkliche Betätigung im stehenden Gewerbe, ist im Hinblick auf das gesetzgeberische Ziel der Gefahrenabwehr für Dritte nicht willkürlich und erfolgt nicht ohne sachlichen Grund. Zwischen der handwerklichen Betätigung im Reisegewerbe einerseits und im stehenden Gewerbe andererseits bestehen strukturelle Unterschiede, die es nach der Wertung des Gesetzgebers (vgl. BTDrucks 15/1481 S. 19) rechtfertigen, für das stehende Gewerbe neben der persönlichen auch die fachliche Eignung des Betriebsinhabers/Betriebsleiters zu verlangen, während im Reisegewerbe die persönliche Zuverlässigkeit genügt (Urteil vom 31. August 2011 – BVerwG 8 C 9.10 – a.a.O. Rn. 39; Beschluss vom 1. April 2004 – BVerwG 6 B 5.04 – GewArch 2004, 488 ≪489≫). Im Reisegewerbe werden in der Regel nur handwerklich weniger aufwändige und weniger komplizierte Arbeiten durchgeführt, die deshalb mit einem geringeren Gefahrenpotenzial verbunden sind. Da es im Reisegewerbe nur begrenzt möglich ist, Aufträge auf Vorrat zu akquirieren, werden handwerkliche Tätigkeiten regelmäßig nicht in dem Umfang angeboten, der für einen Handwerksbetrieb im stehenden Gewerbe typisch ist, denn ohne verlässliche Auftragsstruktur ist die personelle und sachliche Ausstattung des Betriebes nur in begrenztem Umfang möglich.
bb) Art. 3 Abs. 1 GG ist auch nicht dadurch verletzt, dass Gewerbetreibenden mit einer in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder in einem Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftsraumes erworbenen Qualifikation die Ausübung eines Handwerks in Deutschland unter teilweise anderen Voraussetzungen ermöglicht wird. Mit § 7b HwO wird deutschen Handwerkern ein vergleichbar einfacher Weg in das zulassungspflichtige Handwerk geebnet wie EU-Ausländern aufgrund der EU/EWR-Handwerk-Verordnung (EU/EWR HwV) vom 20. Dezember 2007 (BGBl I S. 3075). Nach Inkrafttreten der sogenannten Altgesellenregelung wird deutschen Handwerkern für den Marktzugang in zeitlicher, fachlicher und finanzieller Hinsicht jedenfalls nicht deutlich mehr abverlangt als ihren ausländischen EU-Konkurrenten (vgl. hierzu im Einzelnen: Urteil vom 31. August 2011 – BVerwG 8 C 9.10 – a.a.O. Rn. 45). Die Vorschriften der EU/EWR-Handwerk-Verordnung mussten bindende unionsrechtliche Vorgaben für die Zulassung im EU/EWR-Ausland Qualifizierter in nationales Recht umsetzen. Die hierdurch eingeschränkte Gestaltungsfreiheit des deutschen Gesetzgebers zwingt diesen aber nicht zu einer vollständig deckungsgleichen innerstaatlichen Parallelregelung.
Soweit EU/EWR-Angehörigen ohne Niederlassung in Deutschland eine grenzüberschreitende Dienstleistungserbringung mit deutlich niedrigerer Qualifikation erlaubt wird (§ 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HwO i.V.m. § 7 EU/EWR HwV), liegt ebenfalls keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung vor. Es ist davon auszugehen, dass wegen der Nahversorgungsfunktion des Handwerks eine ernsthafte Konkurrenz mit Handwerkern aus anderen EU-Staaten in erster Linie lediglich in grenznahen Gebieten in Betracht kommt (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 5. Dezember 2005 – 1 BvR 1730/02 – GewArch 2006, 71 = juris Rn. 21). Mangels bundesweiter Bedeutung der grenzüberschreitenden Dienstleistungserbringung fällt eine etwaige Ungleichbehandlung demnach nicht ins Gewicht.
d) Der Kläger rügt zu Unrecht eine Verletzung des Gebots der Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG).
Die Rechtsanwendung durch die Verwaltungsgerichte führte nicht dazu, dass der Kläger mit seinem Anliegen kein Gehör gefunden hätte mit der Folge, dass die Feststellung seines Rechts von vornherein ausgeschlossen gewesen wäre. Der Kläger sieht einen solchen Mangel darin, dass das Oberverwaltungsgericht die Berufung im vorliegenden Rechtsstreit aus Gründen zurückgewiesen habe, die zu jenen Gründen in Widerspruch stünden, aus denen es den Antrag auf Zulassung der Berufung im Vorprozess abgelehnt hatte. Ungeachtet der Frage, ob mit diesem Vortrag überhaupt eine Verletzung von Art. 19 Abs. 4 GG begründet werden könnte, hat das Oberverwaltungsgericht Koblenz mit Beschluss vom 19. April 2012 (GewArch 2013, 38) die Ablehnung des Antrages auf Zulassung der Berufung im Vorprozess damit begründet, dass der Kläger die nach § 7b Abs. 1 Nr. 2 HwO erforderlichen vier Jahre in leitender Stellung nicht nachgewiesen habe, während die Verwaltungsgerichte im vorliegenden Fall die Frage zu beantworten hatten, ob die selbstständige Ausübung der im Klageantrag bezeichneten Tätigkeiten im stehenden Gewerbe als zulassungspflichtiges Handwerk der Eintragungspflicht gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 HwO unterfällt.
4. Die Niederlassungsfreiheit nach Art. 49 AEUV ist mangels grenzüberschreitenden Bezugs nicht berührt (vgl. Urteil vom 31. August 2011 – BVerwG 8 C 9.10 – a.a.O. Rn. 47). Entgegen der Ansicht der Revision ergibt sich aus der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs kein Verzicht auf dieses Erfordernis. Dies gilt auch für die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 8. März 2011 – Rs. C-34/09, Ruiz Zambrano – (NJW 2011, 2033), die nur für den Bereich des Aufenthaltsrechts sowie des Arbeitsmarktzugangs gilt, ein Verbot der Ausweisung von Unionsbürgern aus dem Gebiet der Europäischen Union postuliert und allein den Kernbereich der Unionsbürgerschaft vom Erfordernis des Grenzübertritts befreit.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Unterschriften
Prof. Dr. Dr. h.c. Rennert, Dr. Deiseroth, Dr. Hauser, Dr. Held-Daab, Dr. Rudolph
Fundstellen
Haufe-Index 6991923 |
BVerwGE 2014, 265 |
IBR 2014, 510 |
DÖV 2014, 848 |
GewArch 2014, 317 |
JZ 2014, 522 |
NJ 2014, 11 |
VR 2014, 359 |
DVBl. 2014, 3 |
RdW 2014, 400 |