Entscheidungsstichwort (Thema)
Familienasyl. Familienasylverfahren. statusrechtliche Gleichstellung der Familienangehörigen. Stammberechtigter. Widerruf. Widerrufsverfahren. Widerrufsvoraussetzungen. Inzidentprüfung. Bindungswirkung
Leitsatz (amtlich)
Die Verwaltungsgerichte sind im Familienasylverfahren nach § 26 Abs. 2 AsylVfG weder verpflichtet noch berechtigt, Gründe für den Widerruf der Asylanerkennung des Stammberechtigten nach § 73 Abs. 1 AsylVfG zu prüfen, solange der Leiter des Bundesamts ein Widerrufsverfahren nicht eingeleitet und den betroffenen Stammberechtigten hierzu nicht angehört hat.
Normenkette
VwGO §§ 94, 121; AsylVfG § 26 Abs. 2, § 73 Abs. 1; AsylVfG a.F. §§ 6, 7 Abs. 3
Verfahrensgang
Hessischer VGH (Urteil vom 10.02.2005; Aktenzeichen 8 UE 642/02.A) |
VG Frankfurt am Main (Urteil vom 08.08.2000; Aktenzeichen 5 E 746/00.A(2)) |
Tenor
Auf die Revision des Beigeladenen zu 1 wird das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 10. Februar 2005 aufgehoben. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 8. August 2000 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 1 trägt der Kläger.
Tatbestand
I
Der Kläger, der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten (Bundesbeauftragter), wendet sich gegen die Anerkennung des Beigeladenen zu 1 als (Familien-)Asylberechtigter.
Der 1999 in Frankfurt am Main geborene Beigeladene zu 1 und dessen Vater, der 1953 in Mazar-e-Sharif/Afghanistan geborene Beigeladene zu 2, sind afghanische Staatsangehörige. Der Beigeladene zu 2 ist 1985 in das Bundesgebiet eingereist.
Mit Bescheid vom 24. Januar 1986 erkannte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge – jetzt: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge – (Bundesamt) den Beigeladenen zu 2 als Asylberechtigten an, weil er das in seiner Heimat herrschende Regime ablehne und aufgrund seiner antikommunistischen Aktivitäten Verfolgungsmaßnahmen zu befürchten habe. Im Hinblick auf die derzeitigen politischen Verhältnisse in Afghanistan lasse sich insbesondere aufgrund seiner glaubhaft gemachten oppositionellen Haltung die Gefahr einer politischen Verfolgung des Beigeladenen zu 2 nicht mit hinreichender Sicherheit ausschließen. Der Beigeladene zu 1 wurde mit Bescheid des Bundesamts vom 14. Januar 2000 gemäß § 26 Abs. 2 AsylVfG als Asylberechtigter anerkannt.
Gegen die Anerkennung des Beigeladenen zu 1 als Familienasylberechtigten hat der Bundesbeauftragte Anfechtungsklage im Wesentlichen mit der Begründung erhoben, Familienasyl könne nicht gewährt werden, weil die Asylberechtigung des Beigeladenen zu 2 zu widerrufen sei. Wegen der auf absehbare Zeit fehlenden staatlichen bzw. quasi-staatlichen Gewalt in Afghanistan könne nicht von einer politischen Verfolgung ausgegangen werden.
Das Verwaltungsgericht hat den Beigeladenen zu 1 nach § 65 Abs. 2 VwGO und seinen Vater, den Beigeladenen zu 2, nach § 65 Abs. 1 VwGO zum Verfahren beigeladen und die Klage abgewiesen. Von einem Widerruf der Asylanerkennung des Beigeladenen zu 2 sei nach § 73 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG wegen ihm in Afghanistan drohender existenzieller Gefahren abzusehen. Mit Urteil vom 10. Februar 2005 hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof auf die Berufung des Bundesbeauftragten das Urteil des Verwaltungsgerichts abgeändert und den Asylanerkennungsbescheid des Bundesamts vom 14. Januar 2000 aufgehoben. Zur Begründung hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, dass die Asylanerkennung des Beigeladenen zu 2 zu widerrufen sei. Die Frage des Vorliegens von Widerrufsgründen sei nach dem Wortlaut des § 26 Abs. 2 Satz 1 AsylVfG uneingeschränkt bereits im Rahmen des Verfahrens auf Gewährung von Familienasyl zu prüfen und nicht einem gesonderten, gegen den Stammberechtigten gerichteten Widerrufsverfahren vorbehalten. Angesichts des klaren Gesetzeswortlauts sei davon auszugehen, dass Familienasyl schon dann nicht gewährt werden könne, wenn die Anerkennung des Stammberechtigten zu widerrufen sei, ohne dass es darauf ankomme, ob ein Widerrufsverfahren bereits eingeleitet, der Widerruf erfolgt oder gar bestandskräftig geworden sei. Die Widerrufsvoraussetzungen des § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG lägen hinsichtlich des Beigeladenen zu 2 vor. Die Voraussetzungen für seine Asylanerkennung seien nachträglich weggefallen. Nach Erlass des Asylanerkennungsbescheides hätten sich die maßgeblichen tatsächlichen Verhältnisse in Afghanistan nach der Entmachtung des kommunistischen Regimes im April 1992 so grundlegend und dauerhaft verändert, dass asylerhebliche Verfolgungsmaßnahmen gegen den Beigeladenen zu 2 mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden könnten. Von einem Widerruf der Asylanerkennung des Beigeladenen zu 2 sei auch nicht gemäß § 73 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG abzusehen.
Die gegen dieses Urteil eingelegte Revision begründet der Beigeladene zu 1 im Wesentlichen wie folgt: Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs stehe nur die unanfechtbare Aufhebung der Asylberechtigung des Stammberechtigten, nicht aber das bloße Vorliegen von Widerrufsgründen der Gewährung von Familienasyl nach § 26 Abs. 2 AsylVfG entgegen. Dies spiegele sich auch in der neuen Vorschrift des § 73 Abs. 2a AsylVfG wider. Aufgrund der dort vorgesehenen Ermessensentscheidung sei der klare Wille des Gesetzgebers erkennbar, dass die erforderliche Prüfung nicht durch die Verwaltungsgerichte, sondern durch das Bundesamt erfolgen solle. Andernfalls sei auch ein Verstoß gegen das Gewaltenteilungsprinzip gegeben. Außerdem habe der Verwaltungsgerichtshof zu Unrecht das Vorliegen der Voraussetzungen des § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG bejaht.
Der Kläger tritt der Revision entgegen.
Das Bundesamt hat während des Revisionsverfahrens mitgeteilt, dass gegen den Beigeladenen zu 2 bisher kein auf Widerruf seiner Asylanerkennung gerichtetes Verfahren eingeleitet worden ist.
Entscheidungsgründe
II
Der Senat konnte trotz Ausbleiben des Klägers in der mündlichen Verhandlung über die Revision verhandeln und entscheiden, weil in der Ladung darauf hingewiesen worden ist (§ 102 Abs. 2 VwGO).
Die Revision des Beigeladenen zu 1 ist begründet. Das angefochtene Urteil beruht auf einer Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).
Der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten (Bundesbeauftragter) ist zwar durch die nach Art. 3 Nr. 5 i.V.m. Art. 15 Abs. 2 des Zuwanderungsgesetzes erfolgte Aufhebung des § 6 AsylVfG mit Wirkung zum 1. September 2004 als Institution aufgelöst worden. Er kann jedoch nach der Übergangsvorschrift des § 87b AsylVfG das vorliegende vor dem 1. September 2004 anhängig gewordene Verfahren als Kläger weiter betreiben.
Die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung bestimmt sich nach der durch das Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes geänderten Rechtslage. Da das Berufungsgericht, wenn es jetzt entschiede, diese Rechtsänderung mangels besonderer Übergangsregelungen zu beachten hätte (vgl. § 77 Abs. 1 AsylVfG), ist die neue Rechtslage auch für die Entscheidung des Revisionsgerichts maßgeblich (stRspr, vgl. zuletzt etwa Urteil des Senats vom 1. November 2005 – BVerwG 1 C 21.04 – DVBl 2006, 511 = ZAR 2006, 107).
Zu Unrecht hat der Verwaltungsgerichtshof die auf § 26 Abs. 2 AsylVfG gestützte Anerkennung des Beigeladenen zu 1 als Asylberechtigter als rechtswidrig und die Beanstandungsklage des Bundesbeauftragten deshalb als begründet angesehen. Nach Satz 1 dieser Vorschrift werden die bei Antragstellung minderjährigen ledigen Kinder eines Asylberechtigten auf Antrag als asylberechtigt anerkannt, wenn die Anerkennung des Ausländers als Asylberechtigter unanfechtbar ist und diese Anerkennung nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen ist.
Danach steht dem Beigeladenen zu 1 ein Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter zu. Er ist das Kind eines unanfechtbar als Asylberechtigter anerkannten Ausländers. Den erforderlichen Antrag hat er innerhalb eines Jahres nach seiner Geburt – mithin gemäß § 26 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG rechtzeitig – gestellt und war im Zeitpunkt der Antragstellung auch minderjährig und ledig.
Der Beigeladene zu 1 erfüllt auch die weiteren Voraussetzungen des § 26 Abs. 2 AsylVfG. Zu Unrecht hat der Verwaltungsgerichtshof ihm entgegengehalten, die Asylanerkennung seines Vaters, des Beigeladenen zu 2, sei – was hier allein in Betracht kommt – zu widerrufen. Der Verwaltungsgerichtshof war nicht berechtigt, Gründe für einen derartigen Widerruf zu prüfen, da der Leiter des Bundesamts – wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist – ein Widerrufsverfahren bisher nicht eingeleitet und den Vater des Beigeladenen zu 1 als betroffenen Stammberechtigten hierzu nicht angehört hat.
Zwar ist dem Verwaltungsgerichtshof in der Ablehnung der auch von der Revision vertretenen Auffassung zu folgen, dass der Widerruf erst nach dessen Unanfechtbarkeit zu berücksichtigen sei (vgl. Marx, AsylVfG, 6. Auflage 2005, § 26 Rn. 48 ff.; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 10. Mai 1999 – 5a K 2978/96.A – InfAuslR 2000, 39 f.). Die gesetzliche Regelung wäre dann nämlich insoweit überflüssig, weil die erloschene Asylberechtigung ohnehin kein Asylrecht vermitteln kann.
Der Verwaltungsgerichtshof durfte aber dem Beigeladenen zu 1 das begehrte Familienasyl nicht mit der Begründung versagen, dass die Asylanerkennung seines Vaters gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG zu widerrufen sei, ohne dass es darauf ankomme, ob ein Widerrufsverfahren bereits eingeleitet sei. Damit hat sich der Verwaltungsgerichtshof zu Unrecht als befugt angesehen, das Vorliegen von Widerrufsgründen hinsichtlich des Stammberechtigten im Familienasylverfahren nach § 26 Abs. 2 AsylVfG uneingeschränkt inzident zu prüfen (UA S. 10 ff.; so auch VGH München, Beschluss vom 11. September 2001 – 9 B 00.31496 – InfAuslR 2002, 261; OVG Münster, Beschluss vom 2. Juli 2001 – 14 A 2621/01.A – juris; OVG Lüneburg, Beschluss vom 1. März 2001 – 8 L 1117/99 – DVBl 2001, 672; OVG Koblenz, Urteil vom 23. November 2000 – 12 A 11485/00 – NVwZ-RR 2001, 341 f.; vgl. demgegenüber Hailbronner, Ausländerrecht, § 26 AsylVfG Rn. 26; Renner, Ausländerrecht, 8. Auflage 2005, § 26 AsylVfG Rn. 8). Er hat insoweit nicht hinreichend berücksichtigt, dass die Entscheidung, ob ein solches Widerrufsverfahren einzuleiten und durchzuführen ist, nach § 73 Abs. 4 AsylVfG dem Leiter des Bundesamts oder einem von ihm beauftragten Bediensteten obliegt. Diese Aufgabenzuweisung des Gesetzgebers ist auch bei der Auslegung der Bestimmungen über die Gewährung von Familienasyl zu beachten. Hieraus folgt, dass die Verwaltungsgerichte im Familienasylverfahren weder verpflichtet noch berechtigt sind, Gründe für den Widerruf der Asylanerkennung des Stammberechtigten zu prüfen, solange der Leiter des Bundesamts ein Widerrufsverfahren nicht eingeleitet und den betroffenen Stammberechtigten hierzu nicht angehört hat.
Zwar mag der Wortlaut des § 26 Abs. 2 AsylVfG ein Verständnis der Vorschrift in dem Sinne nahe legen, dass bereits das objektive Vorliegen von Widerrufsgründen hinsichtlich des Stammberechtigten ausreicht, um Familienasyl unabhängig von der Einleitung eines Widerrufsverfahrens zu versagen. Einer solchen Auslegung stehen aber neben dem erwähnten gesetzessystematischen Erfordernis der Berücksichtigung von § 73 Abs. 4 AsylVfG die Entstehungsgeschichte und der Zweck der gesetzlichen Regelung des Familienasyls sowie Gründe der Verfahrensökonomie entgegen.
Die Einführung des Familienasyls im Jahre 1990 bezweckte ausdrücklich die Entlastung des Bundesamts und der Verwaltungsgerichtsbarkeit (vgl. den Bericht des Innenausschusses des Deutschen Bundestages, BTDrucks 11/6960, S. 29 f. zu der Vorläuferbestimmung des § 7a Abs. 3 AsylVfG, die durch Art. 3 Nr. 3 des Gesetzes zur Neuregelung des Ausländerrechts vom 9. Juli 1990 ≪BGBl I S. 1354≫ eingeführt und durch das Änderungsgesetz vom 12. Oktober 1990 ≪BGBl I S. 2170≫ in Kraft gesetzt wurde). Auch wenn der Gesetzgeber damals vor allem die Entlastung von der Prüfung eigener Verfolgungsgründe der Familienangehörigen vor Augen hatte, wäre es mit dem angestrebten Entlastungszweck unvereinbar, wenn die Gerichte statt dessen gehalten wären, generell die – meist schwierigeren – Widerrufsvoraussetzungen bei dem Stammberechtigten zu prüfen. Vielmehr entspricht es der Verfahrensökonomie, die Gerichte von dieser Prüfung zu entbinden, solange kein Widerrufsverfahren eingeleitet und der betroffene Stammberechtigte hierzu noch nicht gehört worden ist.
Zudem besteht bei Zugrundelegung der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen über das Vorliegen von Widerrufsgründen bei dem Stammberechtigten. Der Leiter des Bundesamts wäre nämlich an eine vom Verwaltungsgericht im Familienasylprozess vorgenommene Beurteilung der Widerrufsvoraussetzungen hinsichtlich des Stammberechtigten nicht gebunden. Das Verwaltungsgericht entschiede mit Bindungswirkung nach § 121 VwGO lediglich für die Beteiligten des Rechtsstreits über die Gewährung von Familienasyl, während das Vorliegen der in Rede stehenden Widerrufsvoraussetzungen nur als Vorfrage geprüft würde (so OVG Lüneburg, a.a.O.; VGH Mannheim, Beschluss vom 12. Januar 1993 – A 14 S 1175/91 – ESVGH 43, 157; vgl. zur Reichweite der Bindungswirkung nach § 121 VwGO auch die Urteile vom 10. Mai 1994 – BVerwG 9 C 501.93 – BVerwGE 96, 24 ≪26 f.≫ und vom 18. September 2001 – BVerwG 1 C 4.01 – BVerwGE 115, 111 ≪114 ff.≫). Abgesehen davon, dass Mehrfachprüfungen nicht der Verfahrensökonomie entsprechen, wäre es möglich, dass der Leiter des Bundesamts ungeachtet des Ausgangs des Klageverfahrens eine hiervon abweichende Entscheidung trifft, die im Übrigen weitere Verfahren (Folgeantrag des Stammberechtigten, Widerruf nach § 73 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG) auslösen könnte. So besteht auch die Möglichkeit, dass das begehrte Familienasyl im Klageverfahren versagt wird, die Anerkennung des Stammberechtigten aber dennoch nicht widerrufen wird. Die Folge wären unterschiedliche Statusrechte innerhalb der Familie. Dies stünde im Widerspruch zu der vom Gesetzgeber im Interesse einer besseren Integration angestrebten statusrechtlichen Gleichstellung der Familienangehörigen (vgl. Bericht des Innenausschusses des Deutschen Bundestages, a.a.O.). Hingegen würde die vom Berufungsgericht befürwortete Inzidentprüfung entgegen der Ansicht der Revision nicht gegen das Gewaltenteilungsprinzip verstoßen. Auch kann die Revision aus § 73 Abs. 2a AsylVfG nichts zu ihren Gunsten herleiten.
Anders stellt sich die Situation für die Gerichte in Fällen dar, in denen ein Widerrufsverfahren hinsichtlich des Stammberechtigten bereits eingeleitet worden ist. Hier liegt es nahe, das Familienasylverfahren nach § 94 VwGO bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Widerruf auszusetzen (vgl. VGH Mannheim, a.a.O.; Hailbronner, a.a.O.; Renner, a.a.O.), damit die Verfestigung unterschiedlicher Statusrechte vermieden wird (vgl. zum Verwaltungsverfahren die Anmerkung der Redaktion des Bundesamts im Einzelentscheider-Brief 2001, Nr. 5, S. 6 mit dem Hinweis, dass nach der derzeitigen Dienstanweisung-EE “Familienasyl” das Asylverfahren der Familienangehörigen ausgesetzt wird, bis der Außenstellenleiter entschieden hat, dass kein Widerrufsverfahren durchgeführt wird bzw. bis in einem durchzuführenden Widerrufsverfahren der Bescheid ergeht). Der Verwaltungsgerichtshof hat insoweit zu Unrecht die Vorgreiflichkeit der Entscheidung über den Widerruf verneint (UA S. 11). Keiner weiteren Prüfung und Entscheidung bedarf, was im Familienasylprozess – auch wenn er nicht ausgesetzt worden sein sollte – zu gelten hat, wenn das Bundesamt nach Einleitung eines Widerrufsverfahrens nicht in angemessener Zeit entscheidet.
Nach allem hat die Revision des Beigeladenen zu 1 bereits deshalb Erfolg, weil der Verwaltungsgerichtshof mangels Einleitung eines Widerrufsverfahrens und Anhörung des Beigeladenen zu 2 nicht berechtigt war, das Vorliegen von Widerrufsgründen zu prüfen. Damit kann offen bleiben, ob der Verwaltungsgerichtshof zu Recht angenommen hat, dass die Voraussetzungen des § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG hinsichtlich des Beigeladenen zu 2 vorliegen und von dem Widerruf nicht nach Satz 3 abzusehen ist (vgl. hierzu auch Urteil vom 1. November 2005 – BVerwG 1 C 21.04 – a.a.O.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO. Gerichtskosten werden nach § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert bestimmt sich nach § 30 RVG.
Unterschriften
Eckertz-Höfer, Dr. Mallmann, Hund, Richter, Prof. Dr. Dörig
Fundstellen
BVerwGE 2007, 27 |
InfAuslR 2006, 390 |
ZAR 2006, 325 |
BayVBl. 2006, 704 |
DVBl. 2006, 1193 |
FamRBint 2006, 72 |