Entscheidungsstichwort (Thema)
Landwirtschaftsrecht. Gemeinschaftsrecht. Marktorganisationen. Agrarmarkt. Kartoffelstärke. Stärkeunternehmen. Stärkehersteller. Erzeuger. Erzeugergemeinschaft. Beihilfe. Prämie. Ausgleichszahlung. Regelungsadressat. Bewilligungsadressat. Rücknahme. Rückforderung. Sanktion. Bestimmtheit. Verhältnismäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
Die Rücknahme eines Verwaltungsakts muss sich an denjenigen richten, zu dem der Verwaltungsakt ein Rechtsverhältnis begründet hat, sofern nicht zwischenzeitlich eine Rechtsnachfolge stattgefunden hat.
Prämien und Ausgleichszahlungen können nach dem einschlägigen Gemeinschaftsrecht nur für Kartoffeln gewährt werden, die der Stärkehersteller aufgrund eines Anbauvertrages bezieht. Ein Anbauvertrag kann nur mit einem Kartoffelerzeuger geschlossen werden, nicht mit einem Händler.
Dem Europäischen Gerichtshof wird die Frage vorgelegt, ob Art. 13 Abs. 4 VO (EG) Nr. 97/95 eingreift, wenn ein Stärkehersteller Kartoffeln aufgrund eines nicht mit einem Erzeuger geschlossenen Vertrages bezieht, die Lieferung aber nicht zu einer Überschreitung seines Unterkontingents geführt hat; ferner ob die genannte Vorschrift mit dem gemeinschaftsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz vereinbar und ob sie verhältnismäßig ist; schließlich, ob der Stärkehersteller die Unregelmäßigkeit auch dann durch Fahrlässigkeit verursacht hat, wenn die zuständige Behörde die Prämie in voller Kenntnis des Sachverhalts bewilligte.
Normenkette
EWGV 1766/92 Art. 8; EGV 1868/94 Art. 2, 4; EGV 97/95 Art. 4, 11, 13; EGV 2988/95 Art. 2, 5; MOG § 10; VwVfG § 48; KartPVO §§ 4a, 5
Verfahrensgang
Niedersächsisches OVG (Urteil vom 12.12.2002; Aktenzeichen 10 LB 167/01) |
VG Osnabrück (Urteil vom 17.05.2000; Aktenzeichen 6 A 40/99) |
Tenor
I.
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 12. Dezember 2002 teilweise geändert. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Osnabrück vom 17. Mai 2000 wird zurückgewiesen.
Die Revision der Klägerin wird zurückgewiesen, soweit das Wirtschaftsjahr 1998/99 betroffen ist.
II.
Dem Europäischen Gerichtshof werden folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
- Greift Art. 13 Abs. 4 in Verbindung mit Art. 4 Abs. 5 VO (EG) Nr. 97/95 i.d.F. der Änderungsverordnung (EG) Nr. 1125/96 ein, wenn ein als Anbauvertrag bezeichneter Vertrag geschlossen und von der zuständigen Behörde nach Art. 4 Abs. 2 und 3 der Verordnung anerkannt worden ist, der Vertrag aber nicht mit einem Kartoffelerzeuger, sondern einem Händler geschlossen wurde, der die Kartoffeln seinerseits unmittelbar oder mittelbar von Kartoffelerzeugern bezieht?
- Setzt Art. 13 Abs. 4 VO (EG) Nr. 97/95 i.d.F. der Änderungsverordnung (EG) Nr. 1125/96 voraus, dass der Stärkeunternehmer mit der Annahme der Kartoffellieferung sein Unterkontingent überschritten hat?
- Genügt die Sanktionsregelung des Art. 13 Abs. 4 VO (EG) Nr. 97/95 i.d.F. der Änderungsverordnung (EG) Nr. 1125/96 in Abgrenzung zu Art. 13 Abs. 3 dieser Verordnung den gemeinschaftsrechtlichen Bestimmtheitsanforderungen?
- Ist die in Art. 13 Abs. 4 VO (EG) Nr. 97/95 i.d.F. der Änderungsverordnung (EG) Nr. 1125/96 vorgesehene Sanktion angesichts ihrer Höhe auch bei Fällen wie dem vorliegenden im Sinne von Art. 2 Abs. 1 VO (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 zum Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft erforderlich? Ist sie in Fällen wie dem vorliegenden zum Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft angemessen?
- Ist die Unregelmäßigkeit, die Art. 13 Abs. 4 VO (EG) Nr. 97/95 i.d.F. der Änderungsverordnung (EG) Nr. 1125/96 sanktioniert, auch dann im Sinne von Art. 5 Abs. 1 VO (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 durch Fahrlässigkeit verursacht worden, wenn die Behörde die Prämie in voller Kenntnis des Sachverhalts bewilligt hat?
III.
Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Tatbestand
I.
Die Klägerin wendet sich gegen Bescheide der Beklagten, mit denen gemeinschaftsrechtliche Beihilfezahlungen zurückgefordert und Sanktionen festgesetzt wurden.
Die Klägerin ist eine von drei Herstellerinnen von Kartoffelstärke im Bundesgebiet. Neben ihrem Hauptwerk in Emlichheim im Zuständigkeitsbereich der Beklagten unterhält sie mehrere Zweigwerke, unter anderem in K.…/B.…. Dieses Werk hat sie 1995 von der seinerzeitigen Fa.… K.… S.… GmbH gepachtet. Bereits 1991 hatte sie die Anteile der Fa.… K.… S.… GmbH erworben; am 22. Mai 1997 wurde deren Verschmelzung mit der Klägerin in das Handelsregister eingetragen. Der Klägerin wurden für die Wirtschaftsjahre 1995/96, 1996/97 und 1997/98 jeweils Stärkekontingente in Höhe von 371 846 000 kg zugeteilt. Dem lag die Annahme zugrunde, das zuvor der Fa.… K.… S.… GmbH zugeteilte Kontingent stehe aufgrund des Pachtvertrages nunmehr der Klägerin zu.
Die Fa.… K.… S.… GmbH hatte auf der Grundlage von Anbau- und Lieferverträgen in den Wirtschaftsjahren 1995/96, 1996/97 und 1997/98 von der Fa.… M.… GmbH Kartoffeln bezogen. Hierzu waren der Klägerin für das Wirtschaftsjahr 1995/96 von der Landwirtschaftsverwaltung des Landes Brandenburg und für die Wirtschaftsjahre 1996/97 und 1997/98 von der Beklagten auf entsprechende Anträge hin Prämien für die Stärkeerzeugung in Gesamthöhe von etwa 61 500 DM sowie – zur Weiterleitung an die Fa.… M.… GmbH – Ausgleichszahlungen in Gesamthöhe von 172 031,08 DM bewilligt worden.
Aufgrund einer Anzeige und einer Betriebsprüfung stellte die Beklagte im November 1997 fest, dass die Fa.… M.… GmbH nicht selbst Kartoffeln erzeugt sondern lediglich mit Kartoffeln handelt, die sie teils von verschiedenen Erzeugern, teils von anderen Händlern erwirbt. Daraufhin forderte die Beklagte mit Bescheid vom 15. April 1998, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 2. Juni 1998, die gewährten Ausgleichszahlungen für die Wirtschaftsjahre 1996/97 und 1997/98 in Gesamthöhe von 142 136,77 DM zurück, verhängte eine Sanktion in Gesamthöhe von 364 255,77 DM und lehnte Beihilfeanträge für das Wirtschaftsjahr 1998/99 ab. Mit weiterem Bescheid vom 14. Juli 1998 forderte sie Prämienzahlungen für die Wirtschaftsjahre 1996/97 und 1997/98 zurück. Auf den Widerspruch der Klägerin hin änderte die Beklagte dies mit Widerspruchsbescheid vom 15. März 1999 dahin, dass die Prämien nicht zusätzlich zur Sanktion zurückgefordert würden. Zugleich erhöhte sie die Sanktionsforderung für die Wirtschaftsjahre 1996/97 und 1997/98 auf zusammen 569 443,95 DM. Schließlich forderte sie für das Wirtschaftsjahr 1995/96 Ausgleichszahlungen in Höhe von 29 894,31 DM zurück und verhängte eine Sanktion in Höhe von 45 043,52 DM. Zur Begründung hieß es, Ausgleichszahlungen und Prämien dürften nach europäischem Gemeinschaftsrecht nur für Kartoffeln gezahlt werden, die ein Stärkehersteller auf der Grundlage eines Anbau- und Liefervertrages beziehe, den er mit Kartoffelerzeugern geschlossen habe. Die Fa.… M.… GmbH erzeuge jedoch nicht selbst Kartoffeln. Bei Abschluss der Verträge mit der Fa.… K.… GmbH hätten auch noch keine Unterverträge mit Kartoffelerzeugern vorgelegen, vielmehr habe die Fa.… M.… GmbH die gelieferten Kartoffeln erst später bezogen.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin im Wesentlichen geltend gemacht: Anbauverträge mit einem Händler statt unmittelbar mit den Erzeugern zu schließen, sei rechtmäßig. Es sei praktisch unmöglich, dass ein Stärkeunternehmen mit sämtlichen Kartoffelerzeugern, die teilweise weit entfernt produzierten, selbst Anbau- und Lieferverträge schließe. Daher sei die Einschaltung von Händlern oder Maklern üblich. So habe das Werk K.… schon 1992 mit der Fa.… M.… GmbH einen Generalvertrag über die Zuführung von Kartoffelerzeugern geschlossen. Die Fa.… M.… GmbH habe dann ihrerseits jeweils fristgerecht für ein Wirtschaftsjahr Unterverträge mit den einzelnen Kartoffelerzeugern geschlossen. Diese Praxis sei den brandenburgischen Behörden bekannt gewesen, mit ihnen Ende Januar 1995 sogar eingehend besprochen und von ihnen gebilligt worden. Die Rückforderungs- und Sanktionsbescheide seien daher schon aus diesem Grunde rechtswidrig. Darüber hinaus habe die Beklagte die geleisteten Ausgleichszahlungen nicht von ihr, sondern allenfalls von der Fa.… M.… GmbH zurückfordern dürfen, die insofern materiell begünstigt sei. Sie selbst habe die Beihilfeanträge insoweit erkennbar nur als deren Vertreterin gestellt und die Ausgleichszahlungen nur als Zahlstelle zur Weiterleitung entgegengenommen. Infolge der Weiterleitung sei sie auch entreichert. Die Sanktionsbescheide seien schließlich rechtswidrig, weil sie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzten. Eine Sanktion sei nicht erforderlich, da die Zwecke der Beihilferegelung ohne Abstrich erfüllt seien: Sie habe Kartoffelstärke nur innerhalb ihres Kontingents produziert, und die Ausgleichszahlungen seien tatsächlich an die Kartoffelerzeuger geflossen. Jedenfalls aber seien Sanktionen in zehnfacher Höhe der gewährten Prämien völlig überzogen.
Die Beklagte hat unter anderem entgegnet, in den maßgeblichen Verträgen mit der Klägerin sei durchweg die Fa.… M.… GmbH als Erzeugerin genannt worden. Hinweise auf Unterverträge oder auf die tatsächlichen Erzeuger habe es nicht gegeben. Soweit später Unterverträge vorgelegt worden seien, seien sie überwiegend zurückdatiert worden. Auf das Erfordernis von mit Erzeugern geschlossenen Anbauverträgen habe sie die Klägerin mit Schreiben vom 2. Februar 1995 auch ausdrücklich hingewiesen. Daher könne sich die Klägerin nicht auf das Verhalten der brandenburgischen Behörden gegenüber der K.… er Werksleitung berufen.
Mit Urteil vom 17. Mai 2000 hob das Verwaltungsgericht Osnabrück die angefochtenen Bescheide auf, soweit in ihnen die gewährten Ausgleichszahlungen zurückgefordert wurden; im Übrigen wies es die Klage ab. Die Gewährung der Ausgleichszahlungen sei allerdings rechtswidrig gewesen. Ausgleichszahlungen hätten nur auf Anbau- und Lieferverträge hin gewährt werden dürfen, die der Stärkehersteller mit Erzeugern oder Erzeugervereinigungen schließe. Daran fehle es. Die Fa.… M.… GmbH erzeuge selbst keine Kartoffeln und sei auch keine Vereinigung von Kartoffelerzeugern. Die Ausgleichszahlungen seien jedoch der Fa.… M.… GmbH und nicht der Klägerin gewährt worden, weshalb die Beklagte sie auch nur der Fa.… M.… GmbH gegenüber hätte zurückfordern dürfen. Die weitergehende Klage sei hingegen unbegründet. Dass die Klägerin auf der Grundlage von Anbau- und Lieferverträgen mit der Fa.… M.… GmbH auch für das Wirtschaftsjahr 1998/99 keine Prämie und keine Ausgleichszahlungen beanspruchen könne, stehe nach dem Bisherigen fest. Auch die Sanktion sei nicht zu beanstanden. Dem Stärkeunternehmen sei untersagt, Kartoffeln abzunehmen, die nicht durch einen Anbauvertrag gebunden sind. Werde hiergegen verstoßen, so sei der Gesamtbetrag der Prämie, die dem Stärkeunternehmen für sein Unterkontingent in dem betreffenden Wirtschaftsjahr zu zahlen sei, um das Zehnfache des festgestellten Prozentsatzes der nicht durch einen Anbauvertrag gebundenen Menge vom Gesamtstärkekontingent zu kürzen. Hiernach ergäben sich für das Wirtschaftsjahr 1995/96 ein Sanktionsbetrag von 45 043,52 DM, für das Wirtschaftsjahr 1996/97 ein solcher von 296 247,85 DM und für das Wirtschaftsjahr 1997/98 ein solcher von 273 757,47 DM, also (in etwa) wie festgesetzt. Die Sanktion verletze nicht den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Dafür sei ihre existenzbedrohende Höhe angesichts ihres Zwecks nicht ausschlaggebend. Entscheidend sei vielmehr, dass sie an Voraussetzungen geknüpft sei, die jeder Unternehmer unschwer erkennen und damit auch vermeiden könne. Auf die – strittige – Frage, ob eine Sanktion auch verschuldensunabhängig verhängt werden dürfe, komme es nicht an, da die Klägerin zumindest fahrlässig gehandelt habe. Das gelte auch für das Wirtschaftsjahr 1995/96, als sie sich nach eigenem Vortrag in Kenntnis der Problematik auf eine Auskunft der brandenburgischen Behörden verlassen habe, die angesichts des eindeutigen Gesetzeswortlauts immerhin zweifelhaft sein musste.
Beide Beteiligten haben Berufung eingelegt. Die Berufung der Beklagten hatte Erfolg, diejenige der Klägerin nicht. Mit Urteil vom 12. Dezember 2002 änderte das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht das erstinstanzliche Urteil und wies die Klage in vollem Umfang ab. Das Verwaltungsgericht habe zutreffend erkannt, dass die Gewährung von Ausgleichszahlungen rechtswidrig gewesen sei. Entgegen seiner Annahme aber habe die Beklagte die Bewilligungsbescheide gegenüber der Klägerin zurücknehmen dürfen. Die Klägerin sei Adressatin der Bewilligungsbescheide gewesen, weshalb die Rücknahme im Regelfalle ihr gegenüber zu erfolgen habe. Anderes könne nur auf der Grundlage eines wirksamen Anbauvertrages gelten, an dem es aber fehle. Die tatsächliche Weitergabe einer durch Bescheid gewährten Vergünstigung an einen Dritten mache diesen nur dann zum Begünstigten des Bescheides, wenn er auch die Zuwendungsvoraussetzungen erfülle, von deren Vorliegen der Zuwendungsbescheid ausgehe. Die Klägerin sei zur Weiterleitung der erhaltenen Ausgleichszahlungen nicht verpflichtet gewesen. Sie habe die Zahlungen zwar tatsächlich weitergeleitet und damit verbraucht. Hierfür könne sie sich indes nicht auf Vertrauensschutz berufen, weil sie die Zahlungen durch unrichtige Angaben erwirkt habe. Dass ihr insofern wohl nicht Vorsatz, sondern nur Fahrlässigkeit zur Last gelegt werden könne und obendrein auch die brandenburgische Bewilligungsbehörde ihre Sorgfaltspflicht verletzt habe, ändere nichts; denn bei gemeinschaftsrechtlichen Subventionen komme dem öffentlichen Rücknahmeinteresse grundsätzlich besonderes Gewicht zu, zumal bei der Durchsetzung der gemeinschaftsrechtlichen Wettbewerbsordnung. Auch der Entreicherungseinwand stehe der Klägerin nicht zu, da ihr die mangelnde Erzeugereigenschaft der Fa.… M.… GmbH bekannt gewesen sei. Die Klage sei aber nicht nur hinsichtlich der Rückforderung der Ausgleichszahlungen, sondern auch im Übrigen unbegründet, wie das Verwaltungsgericht insoweit zutreffend erkannt habe.
Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin. Sie wiederholt und vertieft ihr bisheriges Vorbringen.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.
Entscheidungsgründe
II.
Die Sache ist nur teilweise entscheidungsreif. Insoweit ergeht ein Teilurteil. Dabei hat die Revision hinsichtlich der Rückforderung von Ausgleichszahlungen Erfolg (1.), hinsichtlich des Wirtschaftsjahres 1998/99 hingegen nicht (2.).
1. Das Berufungsurteil verletzt Bundesrecht, soweit es die Klage gegen die Rücknahme der Bescheide über die Bewilligung von Ausgleichszahlungen und deren Rückforderung abgewiesen hat. Insoweit führt die Revision der Klägerin zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die Beklagte hat die Bewilligung von Ausgleichszahlungen unmissverständlich gegenüber der Klägerin zurückgenommen und von ihr Rückzahlung der geleisteten Zahlungen verlangt. Das war rechtswidrig. Die Beklagte hätte sich an die Fa.… M.… GmbH halten müssen.
a) Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Durchführung der Gemeinsamen Marktorganisationen – Marktorganisationengesetz (MOG) – vom 31. August 1972 (BGBl I S. 1617) i.d.F. der Bekanntmachung vom 20. September 1995 (BGBl I S. 1146), hier zuletzt geändert durch Art. 5 des Gesetzes zur Änderung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften vom 2. Mai 1996 (BGBl I S. 656), sind rechtswidrige begünstigende Bescheide in den Fällen der §§ 6 und 8, auch nachdem sie unanfechtbar geworden sind, zurückzunehmen; § 48 Abs. 2 bis 4 und § 49a des Verwaltungsverfahrensgesetzes sind anzuwenden. Gemäß § 10 Abs. 3 MOG werden zu erstattende Beträge durch Bescheid festgesetzt. “Bescheide in den Fällen der §§ 6 und 8” umfassen auch Bescheide zur Bewilligung von produktbezogenen Beihilfen (§ 6 Abs. 1 Nr. 7 MOG), die auf der Grundlage von Regelungen im Sinne des § 1 Abs. 2 MOG gewährt werden. Die in Rede stehende Ausgleichszahlung für Erzeuger von zur Stärkeherstellung bestimmten Kartoffeln wurde auf der Grundlage einer solchen Regelung gewährt, nämlich auf der Grundlage von Art. 8 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1766/92 des Rates vom 30. Juni 1992 über die gemeinsame Marktorganisation für Getreide (ABl EG Nr. L 181/21) in der jeweils maßgeblichen Fassung.
b) Die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts ist der Gegenakt zu dem aufzuhebenden Verwaltungsakt. Sie zielt auf die Beseitigung des durch diesen Verwaltungsakt begründeten Rechtsverhältnisses. Um dieses Ziel zu erreichen, muss sie sich an denjenigen richten, dem gegenüber dieses Rechtsverhältnis im Zeitpunkt der Rücknahme besteht. Das ist derjenige, dem gegenüber das Rechtsverhältnis begründet worden ist, sofern nicht zwischenzeitlich eine Rechtsnachfolge stattgefunden hat (Urteil vom 26. August 1999 – BVerwG 3 C 17.98 – Buchholz 316 § 48 VwVfG Nr. 95 = DVBl 2000, 907 = NVwZ-RR 2000, 378; vgl. Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, Rn. 242 zu § 48). Diese Grundsätze gelten nicht nur für § 48 VwVfG selbst, sondern auch für § 10 Abs. 1 MOG.
Die Klägerin meint, die zurückgenommenen Bewilligungsbescheide hätten ein Rechtsverhältnis nicht zu ihr, sondern zu der Fa.… M.… GmbH begründet, weshalb die Rücknahme auch nur dieser gegenüber hätte erfolgen dürfen. Das Berufungsgericht ist dem nicht gefolgt, weil die Fa.… M.… GmbH keine Erzeugerin von Stärkekartoffeln und daher nicht anspruchsberechtigt gewesen sei. Dem kann nicht gefolgt werden. Die Frage, mit wem die Bewilligungsbescheide ein Rechtsverhältnis begründet haben, ist unabhängig davon zu beantworten, ob sie rechtmäßig ergangen sind.
Wer Regelungsadressat eines Verwaltungsakts ist, ist im Wege der Auslegung zu ermitteln. Hierzu sind in erster Linie die Bestimmungen im Verwaltungsakt selbst heranzuziehen; ergänzend kann auf die Umstände zurückgegriffen werden, unter denen der Verwaltungsakt erlassen wurde, namentlich auf einen vorangegangenen Antrag oder auf die zugrundeliegenden Rechtsnormen. Entscheidend ist, wie der Empfänger den Verwaltungsakt verstehen musste. Bei Anlegung dieser Maßstäbe ist das Verwaltungsgericht zu der Würdigung gelangt, dass die Fa.… M.… GmbH als der angenommene Erzeuger der Stärkekartoffeln Regelungsadressat der Bewilligung von Ausgleichszahlungen, die Klägerin hingegen nur ihr Stellvertreter und Empfangsbote war. Das trifft zu. Nach Art. 8 Abs. 2 VO (EWG) Nr. 1766/92 stehen die Ausgleichszahlungen den Erzeugern der Kartoffeln zu, nicht hingegen dem stärkeerzeugenden Unternehmen. Die Erzeuger der Kartoffeln sind damit die alleinigen materiell Begünstigten. Das Gemeinschaftsrecht lässt offen, ob die Ausgleichszahlungen direkt an sie zu erfolgen haben oder unter Vermittlung des Stärkeherstellers erfolgen können. So lässt etwa Art. 11 Abs. 1 Buchstabe a der Durchführungs-Verordnung (EG) Nr. 97/95 der Kommission vom 17. Januar 1995 (ABl EG Nr. L 16/3) im Unterschied zu Buchstabe b offen, wer den dort angesprochenen Nachweis zu führen hat, der Kartoffelerzeuger oder der Stärkehersteller. Das nationale Recht stellt beide Wege zur Verfügung, macht jedoch unmissverständlich klar, dass bei Einschaltung des Stärkeherstellers dieser nur als Stellvertreter des Kartoffelerzeugers auftritt. So bestimmt § 4a Abs. 1 der Kartoffelstärkeprämienverordnung vom 25. August 1976 (BGBl I S. 2585) i.d.F. der Dritten Änderungsverordnung vom 23. August 1993 (BGBl I S. 1512), dass sich der Kartoffelerzeuger bei dem Antrag auf Gewährung der Ausgleichszahlung durch den Stärkehersteller vertreten lassen kann und dass die Vertretungsbefugnis in diesem Falle auch die Entgegennahme der Ausgleichszahlung an den Kartoffelerzeuger umfasst; die Vertretungsbefugnis ist durch schriftliche Vollmacht nachzuweisen. Hierauf haben die Beteiligten im vorliegenden Verfahren ersichtlich Bezug genommen: Die Klägerin hat Ausgleichszahlungen für die Fa.… M.… GmbH beantragt und mit dem Antrag Anbauverträge vorgelegt, in denen ihr für die Antragstellung und die Entgegennahme der Zahlungen Vollmacht erteilt wurde. Daraufhin wurden Ausgleichszahlungen “für die Kartoffelerzeuger” bewilligt und überdies bestimmt, dass die Klägerin an sie erfolgende Zahlungen an die Kartoffelerzeuger weiterzuleiten habe. Dass die begünstigten Kartoffelerzeuger in den Bescheiden nicht näher identifiziert wurden, schadet nicht, macht namentlich die Bescheide nicht unbestimmt (vgl. § 37 Abs. 1 VwVfG), weil – und sofern – der jeweils Gemeinte aus den in Bezug genommenen Anbauverträgen ohne weiteres bestimmbar war.
Ist hiernach der Stärkehersteller nur Vertreter des materiell Begünstigten, so ist er selbst zwar Bekanntmachungsadressat, nicht jedoch Regelungsadressat der Bewilligungsbescheide, und zwar auch nicht zugleich und neben dem Kartoffelerzeuger. Die Behörde kann daher die Bewilligungsbescheide nur gegenüber dem jeweiligen Kartoffelerzeuger bzw. demjenigen, den sie als Kartoffelerzeuger behandelt hat, zurücknehmen, nicht jedoch (auch) gegenüber dem Stärkehersteller. Das wäre auch unbillig. § 10 Abs. 1 MOG i.V.m. § 48 Abs. 2 VwVfG macht die Zulässigkeit einer Rücknahme von einer Bewertung des Vertrauens des Begünstigten in den Bestand des Bewilligungsbescheides abhängig. Damit ist jedoch der materiell Begünstigte gemeint, nicht ein Dritter, der lediglich als Zahlstelle fungiert hat (vgl. Urteil vom 26. August 1999, a.a.O. ≪S. 6 f.≫). Es kommt daher auf das Vertrauen des Kartoffelerzeugers bzw. hier desjenigen, den die Behörde als solchen behandelt hat, und auf sein Verhalten an; das Verhalten des Stärkeherstellers ist nur insofern erheblich, als er es sich zurechnen lassen muss.
Damit unterscheidet sich der vorliegende Fall von demjenigen, der dem Urteil des Senats vom 26. August 1999 (a.a.O.) zugrunde lag. Dort war eine Subvention an den Gesellschafter einer GmbH mit der Zweckbestimmung gewährt worden, die Summe in die Gesellschaft einzubringen, was geschah. Der Gesellschafter war selbst Regelungsadressat des Subventionsbescheides; die Gesellschaft wurde nur dadurch einbezogen, dass sie infolge der Bestimmung des Subventionszweckes zur Drittbegünstigten der Zuwendung wurde. Der Senat hat es gebilligt, die Subvention in solchen Fällen nicht nur von dem Regelungsadressaten, sondern auch von dem Drittbegünstigten zurückzufordern. Im vorliegenden Fall wurden die Ausgleichszahlungen hingegen nicht der Klägerin, sondern den Kartoffelerzeugern gewährt; die Weiterleitungspflicht der Klägerin ergab sich nicht aus einer Zweckbestimmung im Bewilligungsbescheid, sondern aus dem der Stellvertretung zugrundeliegenden Auftragsverhältnis mit den Kartoffelerzeugern.
c) Die Beklagte scheint nicht zu verkennen, dass sie die Klägerin als bloße Stellvertreterin nicht für jede Rechtswidrigkeit der ergangenen Bewilligungsbescheide einstehen lassen kann – einschließlich solcher Umstände, die außerhalb ihres Einfluss- und Verantwortungsbereichs liegen. Sie bringt freilich Gründe für ein öffentliches Interesse daran vor, auch den Stärkehersteller bis zu einem gewissen Grade für die Rückzahlung zu Unrecht bewilligter Ausgleichszahlungen haften zu lassen. Hierfür fehlt es indessen an der erforderlichen Ermächtigungsgrundlage. § 10 Abs. 1 Satz 2 MOG kommt hierfür nicht in Betracht. Diese Bestimmung ermächtigt lediglich den Verordnungsgeber dazu, unter näher bestimmten Voraussetzungen eine Ermächtigungsgrundlage für die Verpflichtung Dritter zu schaffen, enthält diese Ermächtigungsgrundlage aber nicht schon selbst. Auch in der Kartoffelstärkeprämienverordnung findet sich eine derartige Ermächtigungsgrundlage nicht. Daher bedarf keiner Entscheidung, ob und unter welchen Voraussetzungen der Verordnungsgeber eine Befugnis der Behörde vorsehen dürfte, für Fälle des § 4a KartPVO eine Eigenhaftung des Stärkeherstellers vorzusehen.
2. Die Revision hat hingegen keinen Erfolg, soweit die Klägerin die Verpflichtung der Beklagten zur Gewährung einer Ausgleichszahlung und einer Prämie für das Wirtschaftsjahr 1998/99 begehrt. Insoweit haben Verwaltungsgericht und Oberverwaltungsgericht die Klage mit der Begründung abgewiesen, das Begehren beziehe sich nicht auf Anbauverträge mit einem Kartoffelerzeuger oder einer Erzeugergemeinschaft. Das steht mit Bundesrecht und europäischem Gemeinschaftsrecht im Einklang.
a) Prämien und Ausgleichszahlungen können nur für Kartoffeln gewährt werden, die der Stärkehersteller aufgrund eines Anbauvertrages bezieht.
Für die Ausgleichszahlungen an die Kartoffelerzeuger ergibt sich dies schon aus der einschlägigen Ratsverordnung selbst. Der Anspruch des Kartoffelerzeugers beurteilt sich für das Wirtschaftsjahr 1998/99 nach Art. 8 Abs. 2 VO (EWG) Nr. 1766/92 des Rates in der Fassung der Änderungsverordnung (EG) Nr. 1863/95 des Rates vom 17. Juli 1995 (ABl EG Nr. L 179/1); die Klägerin darf diesen Anspruch, wie gezeigt, als Stellvertreterin des Kartoffelerzeugers, aber auf Zahlung an sich zur Weiterleitung an diesen, geltend machen (§ 5 – vormals § 4a – KartPVO i.d.F. der Bekanntmachung vom 17. Juli 1997, BGBl I S. 1815). Gemäß Art. 8 Abs. 2 Buchstabe b VO (EWG) Nr. 1766/92 wird der Ausgleich nur für die Kartoffelmenge gewährt, die durch einen Vertrag gebunden ist, welcher zwischen Kartoffelerzeuger und kartoffelstärkeerzeugendem Unternehmen im Rahmen des Letzterem zugeteilten Unterkontingents gemäß Art. 2 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1868/94 geschlossen wurde. Damit ist ein Anbauvertrag im Sinne von Art. 4 der in Bezug genommenen Verordnung (EG) Nr. 1868/94 des Rates vom 27. Juli 1994 (ABl EG Nr. L 197/4) gemeint. Diese Verordnung hat die Kartoffelstärkeerzeugung kontingentiert: Durch Art. 2 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1868/94 wurde jedem Erzeugermitgliedstaat ein Kontingent für die Kartoffelstärkeerzeugung zugeteilt, das der Mitgliedstaat nach Art. 2 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1868/94 in Unterkontingente für die Stärkehersteller mit Sitz in seinem Gebiet aufzuteilen hat. Um sicherzustellen, dass die Unterkontingente nicht überschritten werden, wurden die Stärkehersteller verpflichtet, Kartoffeln nur auf der Grundlage von Anbauverträgen zu beziehen, die vor dem jeweiligen Wirtschaftsjahr abgeschlossen werden müssen und in der Summe der Liefermengen das Unterkontingent des Stärkeherstellers nicht überschreiten dürfen (vgl. Art. 4 VO/EG Nr. 1868/94 des Rates sowie Art. 4 der Durchführungs-Verordnung/EG Nr. 97/95 der Kommission vom 17. Januar 1995, ABl EG Nr. L 16/3, i.d.F. der Änderungsverordnung/EG Nr. 1125/96 der Kommission vom 24. Juni 1996, ABl EG Nr. L 150/1).
Auch der Anspruch des Stärkeherstellers auf Gewährung einer Prämie setzt einen solchen Anbauvertrag voraus. Der Anspruch auf Prämie beruht für das Wirtschaftsjahr 1998/99 auf Art. 5 VO (EG) Nr. 1868/94 des Rates i.d.F. der Änderungsverordnung (EG) Nr. 1284/98 des Rates vom 16. Juni 1998 (ABl EG Nr. L 178/3). Hiernach erhalten die Unternehmen, die Kartoffelstärke bis zu der Höchstkontingentsmenge erzeugen, eine Prämie, sofern sie den Kartoffelerzeugern den Mindestpreis nach Art. 8 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 1766/92 gezahlt haben. Zur näheren Durchführung bestimmt Art. 11 Abs. 1 Buchstabe b zweiter Gedankenstrich VO (EG) Nr. 97/95 der Kommission hierzu, dass die Zahlung der Prämie den Nachweis voraussetzt, dass die betreffende Stärke aus Kartoffeln gewonnen worden ist, die im Rahmen eines Anbauvertrages gemäß Art. 4 erzeugt wurden.
b) Ein Anbauvertrag kann nur mit einem Kartoffelerzeuger geschlossen werden, nicht hingegen mit einem Händler. Das sagt Art. 4 VO (EG) Nr. 1868/94 des Rates ausdrücklich. Dementsprechend definiert Art. 1 Buchstabe e VO (EG) Nr. 97/95 der Kommission den Anbauvertrag als einen zwischen einem Erzeuger und dem Stärkeunternehmen geschlossenen Vertrag. Hiernach ist zwar nicht verboten, Vermittler einzuschalten. Diese dürfen Verträge mit dem Stärkehersteller aber nur als Vertreter des Kartoffelerzeugers schließen und nicht im eigenen Namen. Damit soll sichergestellt werden, dass der Mindestpreis und die Ausgleichszahlung den Kartoffelerzeugern selbst ungeschmälert zufließen. Vergütungen für den Vermittler dürfen das nicht mindern.
Nichts anderes gilt, soweit Art. 1 Buchstaben d und e VO (EG) Nr. 97/95 Erzeugervereinigungen Erzeugern gleichstellt. Art. 1 Buchstabe d VO (EG) Nr. 97/95 definiert eine Erzeugervereinigung als Vereinigung natürlicher oder juristischer Personen, die von ihren Mitgliedern erzeugte Kartoffeln in ihrem Namen und für ihre Rechnung im Rahmen eines in ihrem Namen geschlossenen Anbauvertrages an ein Stärkeunternehmen liefert. Für eine Erzeugervereinigung ist schon nach dem Wortlaut der Vorschrift kennzeichnend, dass sie Mitglieder hat; nur dann kann auch sinnvoll von einer “Vereinigung” gesprochen werden. Den Vorinstanzen ist daher darin zuzustimmen, dass eine Erzeugervereinigung auf eine gewisse Dauer angelegt sein und eine mitgliedschaftliche Organisationsstruktur aufweisen muss, wie dies etwa bei einer Genossenschaft der Fall ist. Das ist so eindeutig, dass es insoweit nicht der Einholung einer Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs nach Art. 234 EG bedarf (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 – Rs. 283/81 CILFIT – Slg. 1982, 3415 ≪Rn. 16≫). Nicht entschieden zu werden braucht, ob eine Erzeugervereinigung im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 97/95 obendrein den Zweck verfolgen muss, die Erzeugnisse ihrer Mitglieder gemeinsam zu vermarkten und die Erzeugung und das Angebot der ihr angehörenden Erzeuger gemeinsam den Erfordernissen des Marktes anzupassen, wie dies für Erzeugervereinigungen oder Erzeugergemeinschaften vorausgesetzt wird, die als solche anerkannt und dann – in bestimmten Mitgliedstaaten, freilich nicht in Deutschland – nach Maßgabe etwa der Verordnung (EG) Nr. 952/97 des Rates vom 20. Mai 1997 (ABl EG Nr. L 142/30) oder der Verordnung (EG) Nr. 2759/1999 der Kommission vom 22. Dezember 1999 (ABl EG Nr. L 331/51) aus Gemeinschaftsmitteln gefördert werden können.
c) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts beruft sich die Klägerin für ihre Prämien- und Ausgleichszahlungsforderung auf Anbauverträge, die die Fa.… M.… GmbH im eigenen Namen mit ihr geschlossen hat und in denen diese Gesellschaft als Erzeugerin bezeichnet wird. Das Berufungsgericht hat ferner festgestellt, dass die Fa.… M.… GmbH nicht selbst Kartoffeln erzeugt, sondern von Dritten bezieht und dass diese Dritten nicht Mitglieder (Gesellschafter) der Fa.… M.… GmbH sind, zumal auch diese Dritten nicht sämtlich selbst Kartoffeln erzeugen, sondern teilweise ihrerseits nur damit handeln. Dann aber besteht der behauptete Prämien- und Ausgleichszahlungsanspruch nicht. Die Vorinstanzen haben die Klage insoweit mit Recht abgewiesen.
III.
Soweit die angefochtenen Bescheide gegen die Klägerin für die drei Wirtschaftsjahre 1995/96, 1996/97 und 1997/98 jeweils eine Sanktion in zehnfacher Höhe desjenigen Anteils an der ihr jeweils gewährten Gesamtprämie festsetzen, der dem Anteil der Lieferungen der Fa.… M.… GmbH an sämtlichen Kartoffellieferungen an die Klägerin entsprach, ist das Verfahren auszusetzen. Nach Art. 234 Abs. 3 EG sind dem Europäischen Gerichtshof die im Tenor bezeichneten Fragen zur Gültigkeit und zur Auslegung des Art. 13 Abs. 4 VO (EG) Nr. 97/95 in der Fassung der Änderungsverordnung (EG) Nr. 1125/96 zur Vorabentscheidung vorzulegen, weil von ihrer Beantwortung die Entscheidung des Rechtsstreits insoweit abhängt und die Beurteilung des Gemeinschaftsrechts zweifelhaft ist.
1. a) Art. 13 Abs. 4 VO (EG) Nr. 97/95, auf dessen ersten Gedankenstrich die Sanktion gestützt ist, lautet:
(4) Wird festgestellt, dass das Verbot gemäß Artikel 4 Absatz 5 nicht eingehalten wurde, so wird die für das Unterkontingent gewährte Prämie folgendermaßen gekürzt:
- Ergibt sich aus der Kontrolle, dass die vom Stärkeunternehmen angenommene Menge 10 % ihres Unterkontingents nicht überschreitet, so wird der Gesamtbetrag der dem Stärkeunternehmen für das betreffende Wirtschaftsjahr zu zahlenden Prämien um das Zehnfache des festgestellten Prozentsatzes (ursprünglicher Wortlaut: des Überschreitungsprozentsatzes) gekürzt;
- überschreitet die nicht durch Anbauverträge gebundene Menge den im ersten Gedankenstrich genannten Grenzwert, so wird für das betreffende Wirtschaftsjahr keine Prämie gewährt. Außerdem wird das Stärkeunternehmen im folgenden Wirtschaftsjahr von der Prämienzahlung ausgeschlossen.
Der in Bezug genommene Art. 4 Abs. 5 der Verordnung lautet:
Es ist dem Stärkeunternehmen untersagt, Kartoffellieferungen anzunehmen, die nicht durch einen Anbauvertrag gebunden sind.
Die Auslegung dieser Bestimmungen ist zweifelhaft. Es ist unklar, ob Art. 13 Abs. 4 VO (EG) Nr. 97/95 auch dann eingreift, wenn ein als Anbauvertrag bezeichneter Vertrag geschlossen und von der zuständigen Behörde nach Art. 4 Abs. 2 und 3 der Verordnung anerkannt worden ist, der Vertrag aber nicht mit einem Kartoffelerzeuger, sondern einem Händler geschlossen wurde, der die Kartoffeln seinerseits unmittelbar oder mittelbar von Kartoffelerzeugern bezieht. Ferner ist unklar, ob Art. 13 Abs. 4 VO (EG) Nr. 97/95 voraussetzt, dass der Stärkeunternehmer mit der Annahme der Kartoffellieferung sein Unterkontingent überschritten hat.
Dem bloßen Wortlaut nach hat die Klägerin die Voraussetzungen, an deren Vorliegen Art. 13 Abs. 4 VO (EG) Nr. 97/95 die Sanktion knüpft, erfüllt: Sie hat Kartoffellieferungen angenommen, die nicht durch einen Anbauvertrag im Sinne von Art. 1 Buchstabe e VO (EG) Nr. 97/95 gebunden waren. Die in Rede stehenden Kartoffellieferungen waren zwar durch als Anbauverträge bezeichnete Verträge gebunden; die Verträge waren jedoch nicht mit einem Erzeuger oder einer Erzeugervereinigung geschlossen, sondern mit einem Händler, der die Kartoffeln seinerseits unmittelbar oder über weitere Händler mittelbar von Kartoffelerzeugern bezog.
Durch die Annahme dieser Kartoffellieferungen hat die Klägerin jedoch ihr Unterkontingent nicht überschritten. Die den Lieferungen zugrunde liegenden Verträge wurden vielmehr den zuständigen Behörden nach Art. 4 Abs. 2 VO (EG) Nr. 97/95 vorgelegt und nach Art. 4 Abs. 3 VO (EG) Nr. 97/95 auf das Unterkontingent der Klägerin verbucht. Das wirft die Frage auf, ob die Sanktion nach Art. 13 Abs. 4 VO (EG) Nr. 97/95 auch in einem derartigen Fall eingreift. Diese Frage stellt sich zum einen deshalb, weil das Verhalten der Klägerin schon den Tatbestand der anderen Sanktion nach Art. 13 Abs. 3 VO (EG) Nr. 97/95 verwirklicht und es zweifelhaft erscheint, ob beide Sanktionen nebeneinander eingreifen. Die Frage stellt sich zum anderen aber auch deshalb, weil sich in einem Fall wie dem vorliegenden die Höhe der Sanktion nicht zweifelsfrei angeben lässt. Nach der ursprünglichen Fassung des Art. 13 Abs. 4 VO (EG) Nr. 97/95 – zu der im Übrigen die Nachfolgeverordnung zur Verordnung (EG) Nr. 97/95 wieder zurückgekehrt ist (vgl. Art. 11 Abs. 4 erster Gedankenstrich der Verordnung/EG Nr. 2236/2003 der Kommission vom 23. Dezember 2003, ABl EG Nr. L 339/45) – sollte die Sanktion darin bestehen, dass der Gesamtbetrag der dem Stärkeunternehmen für das betreffende Wirtschaftsjahr zu zahlenden Prämien um das Zehnfache des Überschreitungsprozentsatzes gekürzt wird. Ein “Überschreitungsprozentsatz” aber setzt eine Überschreitung voraus. Damit ist offensichtlich die Überschreitung des dem Stärkeunternehmen zugewiesenen Unterkontingents gemeint. Es erscheint daher zweifelhaft, ob die Sanktionsbestimmung eingreifen kann, wenn es zu einer Überschreitung des Unterkontingents gar nicht gekommen ist.
b) Nach Auffassung des Senats spricht viel dafür, die beschriebenen Zweifel im Wege einer Auslegung der Sanktionsvorschrift zu beheben, die sich an deren Zweck orientiert.
Dem 8., 9. und 10. Erwägungsgrund zur Verordnung (EG) Nr. 97/95 lassen sich zwei Motive für die Sanktionsbestimmungen in Art. 13 der Verordnung entnehmen, die jeweils einer der in Art. 13 Abs. 3 und Abs. 4 vorgesehenen Sanktionen ohne Überschneidung zuzuordnen sind.
Zum einen dient Art. 13 VO (EG) Nr. 97/95 dem Erzeugerschutz. Hierzu ist es dem 9. Erwägungsgrund zufolge unerlässlich, dass der Mindestpreis gemäß Artikel 8 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1766/92 für alle Kartoffeln gezahlt wird. Deshalb müssen Sanktionen für alle Fälle festgelegt werden, in denen der Mindestpreis nicht gezahlt wird. Dem trägt die Sanktionsbestimmung des Art. 13 Abs. 3 VO (EG) Nr. 97/95 Rechnung. Die dort vorgesehene Sanktion ist verwirkt, wenn das Stärkeunternehmen die in Art. 11 Abs. 1 Buchstabe b zweiter Gedankenstrich genannten Verpflichtungen nicht eingehalten hat. Nach Art. 11 Abs. 1 Buchstabe b zweiter Gedankenstrich muss das Stärkeunternehmen nachweisen, dass es den Mindestpreis gezahlt hat.
Zum anderen dienen die Sanktionsbestimmungen dem Kontingentschutz. Das lässt sich dem 4. Erwägungsgrund entnehmen, wonach durch Festlegungen über den Inhalt von Anbauverträgen erreicht werden soll, dass keine Verträge für Mengen abgeschlossen werden können, die über das Unterkontingent des Unternehmens hinausgehen. Nach dem 10. Erwägungsgrund ist zu gewährleisten, dass die über das Unterkontingent eines Unternehmens hinaus erzeugte Kartoffelstärke ohne Ausfuhrerstattung ausgeführt wird. Das vornehmliche Mittel, um eine derartige Überschreitung des Unterkontingents zu verhindern, ist das Verbot, Kartoffellieferungen anzunehmen, die nicht durch einen Anbauvertrag gebunden sind (Art. 4 Abs. 5); denn anhand der Summe der in allen Anbauverträgen vorgesehenen Mengen stellt die Behörde fest, ob das Unterkontingent des Stärkeunternehmens eingehalten oder überschritten ist (Art. 4 Abs. 3). Dies hat der 9. Erwägungsgrund im Auge, wenn Sanktionen für alle Fälle festgelegt werden sollen, in denen die Unternehmen Kartoffeln annehmen, die nicht durch einen Anbauvertrag gebunden sind. Dementsprechend sieht Art. 13 Abs. 4 VO (EG) Nr. 97/95 eine besondere – und besonders schwere – Sanktion vor, wenn das Verbot gemäß Art. 4 Abs. 5 nicht eingehalten wurde, wenn also das Stärkeunternehmen Kartoffellieferungen annimmt, die nicht durch einen Anbauvertrag gebunden sind.
Dient aber die Sanktionsbestimmung in Art. 13 Abs. 4 VO (EG) Nr. 97/95 vor allem dem Kontingentschutz, so spricht vieles dafür, ihren Tatbestand nur dann als verwirklicht anzusehen, wenn das Stärkeunternehmen Kartoffellieferungen völlig ohne Anbauvertrag – auch ohne fehlerhaften Anbauvertrag – annimmt. Nur in solchen Fällen droht nämlich eine Überschreitung des dem Stärkeunternehmen zugewiesenen Unterkontingents. Diese Gefahr besteht hingegen nicht, wenn das Stärkeunternehmen Kartoffellieferungen annimmt, die durch einen als Anbauvertrag bezeichneten Vertrag gebunden sind, der der zuständigen Behörde nach Art. 4 Abs. 2 der Verordnung vorgelegt und von dieser nach Art. 4 Abs. 3 der Verordnung auf das Unterkontingent des Stärkeunternehmens verbucht wurde, selbst wenn dieser Vertrag fehlerhaft ist, also etwa nicht mit Kartoffelerzeugern oder einer Erzeugergemeinschaft, sondern mit einem Händler geschlossen wurde. Dieser Fehler gefährdet zwar die Interessen der Kartoffelerzeuger und zieht daher die Sanktion aus Art. 13 Abs. 3 VO (EG) Nr. 97/95 nach sich. Er gefährdet aber nicht das Ziel des Kontingentschutzes, weshalb eine Anwendung (auch) der Sanktion aus Art. 13 Abs. 4 VO (EG) Nr. 97/95 nicht gerechtfertigt wäre.
2. Sollte sich die Sanktionsbestimmung des Art. 13 Abs. 4 VO (EG) Nr. 97/95 nicht in der hier für richtig gehaltenen Weise von der anderen Sanktionsbestimmung des Art. 13 Abs. 3 VO (EG) Nr. 97/95 abgrenzen lassen, so stellt sich die weitere Frage, ob Art. 13 Abs. 4 VO (EG) dann mit den Anforderungen vereinbar ist, die nach Art. 2 der Verordnung (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 des Rates vom 18. Dezember 1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften (ABl EG Nr. L 312/1) an gemeinschaftsrechtliche Sanktionsbestimmungen allgemein zu stellen sind. Insofern ist zum einen zweifelhaft, ob die Sanktionsregelung des Art. 13 Abs. 4 VO (EG) Nr. 97/95 in Abgrenzung zu Art. 13 Abs. 3 dieser Verordnung den gemeinschaftsrechtlichen Bestimmtheitsanforderungen genügt. Zum anderen ist zweifelhaft, ob die in Art. 13 Abs. 4 VO (EG) Nr. 97/95 vorgesehene Sanktion angesichts ihrer Höhe auch bei Fällen wie dem vorliegenden im Sinne von Art. 2 Abs. 1 VO (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 zum Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft erforderlich und ob sie hierzu angemessen ist.
a) Die Verordnung (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 enthält eine Rahmenregelung für verwaltungsrechtliche Maßnahmen und Sanktionen bei Unregelmäßigkeiten in Bezug auf das Gemeinschaftsrecht. Die Vereinnahmung von Prämien für Kartoffellieferungen, für die kein Anbauvertrag im Sinne von Art. 4 VO (EG) Nr. 97/95 vorlag, ist eine Unregelmäßigkeit in diesem Sinne (vgl. EuGH, Urteil vom 1. Juli 2004 – Rs. C-295/02, Gerken – Rn. 49). Die Verordnung (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 unterscheidet zwischen verwaltungsrechtlichen Maßnahmen (Art. 4) und verwaltungsrechtlichen Sanktionen (Art. 5). Während eine verwaltungsrechtliche Maßnahme sich auf den Entzug des rechtswidrig erlangten Geldbetrags – ggf. zuzüglich Zinsen – beschränkt, besteht eine Sanktion in der Auferlegung eines zusätzlichen Nachteils. Art. 13 Abs. 4 VO (EG) Nr. 97/95 sieht die Pflicht zur Zahlung des Zehnfachen der erhaltenen (anteiligen) Prämie vor. Es handelt sich daher um eine Sanktion im Sinne von Art. 5 VO (EG, EURATOM) Nr. 2988/95.
Nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 VO (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 darf eine verwaltungsrechtliche Sanktion nur verhängt werden, wenn sie in einem Rechtsakt der Gemeinschaften vor dem Zeitpunkt der Unregelmäßigkeit vorgesehen wurde. Darin liegt nicht nur das Gebot der Vorherigkeit der Sanktionsnorm, sondern auch das Gebot ihrer Bestimmtheit: Die Sanktion muss in einem Rechtsakt der Gemeinschaft vor dem Zeitpunkt der Unregelmäßigkeit so eindeutig und zweifelsfrei bestimmt sein, dass jeder Adressat zuvor wissen kann, welches Verhalten als Unregelmäßigkeit angesehen wird und mit welcher Sanktion es bedroht ist. Damit greift die Vorschrift die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs auf, derzufolge eine verwaltungsrechtliche Sanktion voraussetzt, dass ihre Voraussetzungen im Gemeinschaftsrecht eindeutig bestimmt sind (EuGH, Urteil vom 13. Februar 1996 – Rs. C-143/93, Van Es Douane Agenten – Slg. 1996, I-431 ≪Rn. 27≫; Urteil vom 17. Juli 1997 – Rs. C-354/95, National Farmers Union – Slg. 1997, I-4590 ≪Rn. 57≫). Auch das Bundesverwaltungsgericht hat seiner bisherigen Rechtsprechung stets ein dahingehendes Gebot zugrunde gelegt und dieses auch aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit hergeleitet (vgl. Urteile vom 11. Juli 1985 – BVerwG 7 C 36.82 und 7 C 49.84 – Buchholz 451.55 Subventionsrecht Nrn. 80 ≪S. 37≫ und 81 ≪S. 43≫).
Die in Art. 13 Abs. 4 VO (EG) Nr. 97/95 vorgesehene Sanktion begegnet diesbezüglich wegen ihres unklaren Verhältnisses zu der anderen Sanktion des Art. 13 Abs. 3 VO (EG) Nr. 97/95 Bedenken (vgl. oben 1.). Es steht nicht zweifelsfrei fest, ob der Stärkeunternehmer in einem Fall wie dem vorliegenden die Sanktion nach Absatz 3, diejenige nach Absatz 4 oder gar beide Sanktionen nebeneinander verwirkt hat. Er kann daher die möglichen Sanktionsfolgen seines Verhaltens nicht im Voraus abschätzen. Die Vorhersehbarkeit nachteiliger Rechtsfolgen aber ist ein wichtiger rechtsstaatlicher Grundsatz.
b) Nach Art. 2 Abs. 1 VO (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 werden verwaltungsrechtliche Sanktionen eingeführt, wenn sie erforderlich sind, um die ordnungsgemäße Anwendung des Gemeinschaftsrechts sicherzustellen. Sie müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein, um einen angemessenen Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft zu gewährleisten. Auch diese Sätze greifen die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zum gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auf. Hiernach verlangt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit besonders im Bereich der gemeinsamen Agrarmarktorganisation die Prüfung, welchen Zweck eine Maßnahme verfolgt, ob sie der Bedeutung dieses Zwecks entspricht, also angemessen ist, und ob sie erforderlich ist, um diesen Zweck zu erreichen (EuGH, Urteil vom 21. Januar 1992 – Rs. C-319/00, Pressler – Slg. 1992, I-203 ≪Rn. 12≫; Urteil vom 28. April 1994 – Rs. C-433/92 und C-434/92, Frick und Murr – Slg. 1994, I-1543 ≪Rn. 29≫; vgl. auch Urteil vom 22. Dezember 1994 – BVerwG 3 C 27.93 – Buchholz 451.90 Europ. Wirtschaftsrecht Nr. 137 ≪S. 43≫). Allerdings hat sich der Europäische Gerichtshof gelegentlich auch auf die Prüfung der Geeignetheit und der Erforderlichkeit der Maßnahme beschränkt und ist auf den weiteren Gesichtspunkt ihrer Angemessenheit nicht eingegangen. Selbst dann aber hat er verlangt, dass die Sanktionen nach der Schwere der Verfehlung und nach dem Grad des Verschuldens abgestuft sind (Urteil vom 17. Juli 1997 a.a.O. ≪Rn. 53≫; vgl. Art. 2 Abs. 3 VO/EG, EURATOM Nr. 2988/95).
Sofern die in Art. 13 Abs. 4 VO (EG) Nr. 97/95 normierte Sanktion dazu dient, eine Überschreitung des ihm zugeteilten Unterkontingents durch den Stärkehersteller zu verhindern, ist unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nichts zu erinnern. Zweifellos wirkt sie abschreckend und ist in diesem Sinne geeignet, eine Überschreitung des Kontingents zu verhindern und damit den finanziellen Interessen der Gemeinschaft zu dienen. Sie erscheint – auch in ihrer gravierenden (zehnfachen) Höhe – zu diesem Zweck auch als erforderlich; dem Stärkehersteller soll jede Neigung genommen werden, es darauf ankommen zu lassen, ob eine Unregelmäßigkeit bei den nur stichprobenartig möglichen Kontrollen aufgedeckt wird oder nicht. Schließlich ist die Sanktion angesichts des gebotenen Schutzes der finanziellen Interessen der Gemeinschaft auch angemessen, zumal Art. 13 Abs. 4 zweiter Gedankenstrich VO (EG) Nr. 97/95 die maximale Höhe der Sanktion auf die Gesamtsumme der dem Unternehmen in dem betreffenden Wirtschaftsjahr gezahlten und im folgenden Wirtschaftsjahr zu beanspruchenden Prämien begrenzt. Offen bleiben kann, ob die Sanktion in sich nochmals nach dem Grad des Verschuldens hätte abgestuft werden müssen, wie die Klägerin unter Hinweis auf Art. 2 Abs. 3 VO (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 meint.
Sollte die in Art. 13 Abs. 4 VO (EG) Nr. 97/95 vorgesehene Sanktion aber auch für Fälle wie den vorliegenden gelten, in denen es zu einer Überschreitung des Unterkontingents nicht gekommen ist und nicht kommen konnte, bestünden Bedenken, ob die Sanktion den Anforderungen aus Art. 2 Abs. 1 VO (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 genügt. Ihr Zweck läge in einem solchen Fall allein im Schutz der Kartoffelerzeuger, die bei Zwischenschaltung von Händlern oder Maklern Gefahr laufen, nicht in den ungeschmälerten Genuss des Mindestpreises und der Ausgleichszahlungen zu gelangen. Es ist schon zweifelhaft, ob dieser Schutzzweck – so billigenswert er als solcher ist – zu den finanziellen Interessen der Gemeinschaft zählt, die Art. 2 Abs. 1 VO (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 zum alleinigen Maßstab für die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit einer Sanktion nimmt. Hinzu kommt, dass die in ihrer Höhe drastische Sanktion für diesen Schutzzweck kaum als erforderlich erscheint, zumal die zusätzliche Sanktion des Art. 13 Abs. 3 VO (EG) Nr. 97/95 im Wesentlichen dasselbe Ziel verfolgt, und dass sie für diesen Schutzzweck auch kaum angemessen sein dürfte, sondern als erheblich übersetzt angesehen werden müsste.
3. Ist davon auszugehen, dass der (objektive) Tatbestand Art. 13 Abs. 4 VO (EG) Nr. 97/95 den vorliegenden Fall erfasst, so ist in subjektiver Hinsicht zweifelhaft, ob die Unregelmäßigkeit, welche die Vorschrift sanktioniert, auch dann im Sinne von Art. 5 Abs. 1 VO (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 durch Fahrlässigkeit verursacht worden ist, wenn die Behörde die Prämie in voller Kenntnis des Sachverhalts bewilligt hat.
Der Tatbestand des Art. 13 Abs. 4 VO (EG) Nr. 97/95 enthält – abweichend von Art. 13 Abs. 3 – kein Verschuldenselement. Insofern ist indes auf Art. 5 Abs. 1 VO (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 zurückzugreifen. Hiernach können Unregelmäßigkeiten nur dann zu Sanktionen führen, wenn sie vorsätzlich begangen oder durch Fahrlässigkeit verursacht werden.
Hinsichtlich der Wirtschaftsjahre 1996/97 und 1997/98 hat die Klägerin in diesem Sinne schuldhaft gehandelt. Die Prämien und Ausgleichszahlungen für diese beiden Wirtschaftsjahre hat sie bei der Beklagten beantragt. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war ihr hierbei der Umstand, dass die Fa.… M.… GmbH keine Erzeugerin und auch keine mitgliedschaftlich organisierte Vereinigung von Erzeugern war, positiv bekannt. Insofern hat sie vorsätzlich gehandelt. Sollte sie sich in der rechtlichen Bewertung dieses Sachverhalts geirrt haben, so beruhte dieser Rechtsirrtum doch zumindest auf Fahrlässigkeit. Nach den weiteren Feststellungen des Berufungsgerichts war die Geschäftsleitung der Klägerin von der Beklagten – der für Niedersachsen zuständigen Behörde – auf Anfrage hin mit Schreiben vom 2. Februar 1995 ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass mit jedem Erzeuger ein Einzelvertrag abgeschlossen werden müsse und dass Anbauverträge mit Handelspartnern, die keine selbst angebauten Kartoffeln liefern, unzulässig seien. Dann konnte sich die Klägerin nicht – jedenfalls nicht ohne Verschulden – in Unkenntnis über die Rechtslage befinden.
Für das Wirtschaftsjahr 1995/96 liegen die Dinge jedoch anders. Für dieses Wirtschaftsjahr hat die Klägerin die Prämien und Ausgleichszahlungen für das Werk K.… nicht bei der Beklagten, sondern bei der seinerzeit zuständigen brandenburgischen Behörde beantragt. Nach dem von den Vorinstanzen insofern als wahr unterstellten klägerischen Sachvortrag hatte aber die Werksleitung in K.… mit dieser brandenburgischen Behörde den vollständigen Sachverhalt Ende Januar 1995 ausführlich erörtert. Der zuständigen brandenburgischen Behörde war daher positiv bekannt, dass die Fa.… M.… GmbH, obwohl sie in den vorgelegten Anbauverträgen als Erzeugerin bezeichnet wurde, nicht selbst Kartoffeln erzeugte, sondern nur mit ihnen handelte. Sie hat daher auf den Antrag der Klägerin Prämien und Ausgleichszahlungen in voller Kenntnis des Sachverhalts bewilligt.
Das lässt daran zweifeln, ob die Klägerin die Unregelmäßigkeit hinsichtlich des Wirtschaftsjahres 1995/96 im Sinne von Art. 5 Abs. 1 VO (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 durch Fahrlässigkeit “verursacht” hat. Auch außerhalb dieser allgemeinen Bestimmung schließt das Gemeinschaftsrecht gelegentlich die Verantwortlichkeit des Antragstellers für tatsächliche Angaben im Antrag aus, die auf eine eigene Feststellung der Behörde zurückgehen (Art. 9 Abs. 2 UAbs. 4 VO/EWG Nr. 3887/92; vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 19. November 2002 – Rs. C-304/00, Strawson und Gagg – Slg. 2002, I-10737 ≪Rn. 62 ff.≫).
Unterschriften
Prof. Dr. Driehaus, van Schewick, Dr. Dette, Liebler, Prof. Dr. Rennert
Fundstellen
Haufe-Index 1318756 |
DÖV 2005, 704 |
DVBl. 2005, 656 |