Entscheidungsstichwort (Thema)
Gemeindliche Kirchenbaulast. Vertrag. Gemeinde. Rat der Gemeinde. Kommunalverfassung. Kommunalvermögensgesetz. Einigungsvertrag. Vermögenszuordnung. Rechtsnachfolge. Funktionsnachfolge. Vermögensübergang. Verbindlichkeiten. Eigentumsgarantie. Kirchengutsgarantie. Rechtsstaatsgebot. Gleichheitssatz
Leitsatz (amtlich)
Vor Gründung der DDR vertraglich vereinbarte gemeindliche Kirchenbaulasten sind nicht auf die Gemeinden übergegangen, die 1990 durch die Kommunalverfassung der DDR als selbstständige Gebietskörperschaften neu errichtet wurden, sondern sind regelmäßig mit dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland erloschen.
Der Gesetzgeber der Bundesrepublik Deutschland war verfassungsrechtlich nicht gehindert, mit dem Zustimmungsgesetz zum Einigungsvertrag das Erlöschen vertraglich vereinbarter Kirchenbaulasten zu bewirken, die bis dahin fortbestanden hatten. Darin liegt insbesondere keine verfassungsrechtlich unzulässige Ungleichbehandlung von Kirchengemeinden in den neuen Bundesländern im Vergleich zu Kirchengemeinden in den alten Bundesländern.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 14, 135a Abs. 2, Art. 140; WRV Art. 138; EV Art. 21; EV Art. 22; KVG § 2 Abs. 1; VZOG § 1a Abs. 1
Verfahrensgang
Thüringer OVG (Urteil vom 11.04.2007; Aktenzeichen 1 KO 491/05) |
VG Meiningen (Entscheidung vom 08.11.2004; Aktenzeichen 1 K 915/98.Me) |
Tenor
Die Revision der Klägerinnen gegen das Urteil des Thüringer Oberverwaltungsgerichts vom 11. April 2007 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin zu 1 trägt neunzehn Zwanzigstel und die Klägerin zu 2 trägt ein Zwanzigstel der Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
I
Die Klägerinnen, die Kirchgemeinde Häselrieth und die Pfarrei Häselrieth, eine selbständige stiftungsähnliche Körperschaft des öffentlichen Rechts, begehren von der beklagten Stadt Hildburghausen Leistungen für die Instandsetzung ihres Kirchengebäudes und ihres Pfarrhauses.
Die seinerzeit noch selbstständige, 1969 in die Stadt Hildburghausen eingegliederte Gemeinde Häselrieth verpflichtete sich in zwei Verträgen aus den Jahren 1928 und 1929 gegenüber den Klägerinnen, die Kosten der Instandsetzung von Kirche und Pfarrhaus zu tragen. Ob und unter welchen Umständen in der Folgezeit bis 1990 Zahlungen geleistet worden sind, ist zwischen den Beteiligten streitig. Die beklagte Stadt Hildburghausen übernahm in den Jahren 1990 und 1992 Kosten für die Instandsetzung des Pfarrhauses und der Kirche. In der Folgezeit lehnte sie es ab, weitere von den Klägerinnen angeforderte Kosten für Reparaturarbeiten zu tragen, weil sie aus den Verträgen nicht zu Leistungen verpflichtet sei. Sie kündigte die Verträge wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage.
Die Klägerinnen haben daraufhin getrennt Klage erhoben, mit denen sie jeweils beantragt haben, die Beklagte zur Zahlung bestimmter Beträge zu verpflichten, die sie für die Instandsetzung von Kirche und Pfarrhaus aufgewandt hätten: Die DDR habe die Rechte der Kirchen aus Baulasten nicht aufgehoben. Die Gemeinde Häselrieth und später die Stadt Hildburghausen als deren Rechtsnachfolgerin hätten die Verpflichtungen aus den Verträgen stets erfüllt, ohne die Zahlungen unter den Vorbehalt der Freiwilligkeit zu stellen. Verpflichtet sei nunmehr die Beklagte. Weder sei die Geschäftsgrundlage der Verträge weggefallen noch lägen die Voraussetzungen einer Kündigung vor.
Die Beklagte hat in beiden Verfahren beantragt, die Klagen abzuweisen: Zwischen 1952 und 1990 hätten infolge der Bildung der Räte der Gemeinden keine selbstständigen Gemeinden existiert. Zahlungen in dieser Zeit seien – wenn überhaupt – durch den Staat selbst und freiwillig geleistet worden. Sie sei nicht Rechtsnachfolgerin der vor 1952 bestehenden Gemeinde Häselrieth. Sie habe die Verträge nur vorsorglich gekündigt. Deren Geschäftsgrundlage sei infolge des Rückgangs der Gemeindemitglieder weggefallen.
Das Verwaltungsgericht hat nach Verbindung der Verfahren die Klagen abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Klägerinnen durch das angefochtene Urteil zurückgewiesen: Die frühere Gemeinde Häselrieth habe spätestens mit dem Gesetz über die örtlichen Organe der Staatsmacht vom 18. Januar 1957 aufgehört, als rechtlich selbständige Gebietskörperschaft zu existieren. Durch § 1 Abs. 3 Kommunalverfassung vom 17. Mai 1990 (KomVerf) sei die beklagte Stadt Hildburghausen als Gebietskörperschaft originär neu errichtet worden. Sie sei weder mit der bis 1957 existierenden Gemeinde Häselrieth, dem Rat der Gemeinde Häselrieth oder dem Rat der Stadt Hildburghausen identisch noch sei sie deren Rechtnachfolgerin. Aus dem Kommunalvermögensgesetz und dem Einigungsvertrag ergebe sich kein genereller Übergang von Verbindlichkeiten auf neue Rechtsträger. Die insoweit getroffenen besonderen Regelungen sähen einen Übergang von Verpflichtungen aus Kirchenbaulasten nicht vor. Nach dem allgemeinen Grundsatz des Zuordnungsrechts hafte zwar für grundstücksbezogene Verbindlichkeiten derjenige, dem das Grundstück zugeordnet werde. Der Beklagten seien aber keine Vermögensgegenstände zugeordnet worden, die in der Vergangenheit dazu gedient hätten, die Verpflichtungen aus der Baulast zu erfüllen. Der geltend gemachte Anspruch folge nicht aus Art. 14 GG oder aus Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 138 WRV. Bei Inkrafttreten des Grundgesetzes im Beitrittsgebiet habe keine Rechtsposition der Klägerinnen bestanden, die Gegenstand des Schutzes aus diesen Verfassungsgarantien hätte sein können. Es bestehe keine verfassungsrechtliche Verpflichtung, die Übernahme sämtlicher Schulden der DDR zu regeln. Der Gesetzgeber habe sich entschlossen, im Rahmen des Einigungsvertrages den Übergang von Verbindlichkeiten nur insoweit anzuordnen, als diese mit übernommenen Vermögenswerten in einem bestimmten Zusammenhang stünden. Das sei ein sachlicher Grund für eine Differenzierung.
Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgen die Klägerinnen ihre in erster Instanz gestellten Anträge weiter: Die Verpflichtungen aus kommunalen Kirchenbaulasten seien im Jahre 1957 mit dem Untergang der ehemaligen Gemeinden zunächst auf die Räte der Gemeinden, jedenfalls auf die DDR als Gesamtstaat übergegangen und weiter erfüllt worden. Sie seien sodann nach § 2 Abs. 1 Kommunalvermögensgesetz (KVG) in Verbindung mit Art. 21 und Art. 22 EV auf die neu errichteten Kommunen gesetzlich übergegangen. Übergegangen seien auch komplexere vertragliche oder gesetzliche Rechtsverhältnisse als Rechtsgesamtheit, die Verbindlichkeiten einschlössen. Unabhängig davon seien die Kirchenbaulasten Äquivalent für die Übernahme ehemals kirchlichen Vermögens durch die politischen Gemeinden, das diese zwar in der DDR an den Gesamtstaat verloren, jedoch ohne Einschränkungen als Verwaltungs- oder Finanzvermögen oder im Wege der Restitution zurückerhalten hätten. Kirchenbaulasten gehörten zum Verwaltungsvermögen im Sinne des Art. 21 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 EV. Zu den Aufgaben und Funktionen der örtlichen Selbstverwaltung zähle nach § 2 Abs. 2 KomVerf die Entwicklung des kulturellen Lebens und damit die Pflege von die Gemeinde prägenden kirchlichen Bauten. Der Übergang der Kirchenbaulast auf die Beklagte werde überdies durch das Prinzip der Funktionsnachfolge gerechtfertigt. Den heutigen Gemeinden werde das Vermögen der früheren Gemeinden grundsätzlich vollständig zurückgegeben. Die DDR habe sich bereits mit dem Verfassungsgrundsätzegesetz vom 17. Juni 1990 auf die Gebote des Rechtsstaats und des Eigentumsschutzes verpflichtet. Es könne nicht angenommen werden, dass sie mit dem Kommunalvermögensgesetz solche immer noch fortbestehenden Verbindlichkeiten habe ungeregelt und damit erlöschen lassen wollen, die schon vor Gründung der DDR entstanden und deshalb von den zu überwindenden Verhältnissen in der DDR nicht beeinflusst seien. Dass sie im Kommunalvermögensgesetz nicht eigens erwähnt seien, sei eine planwidrige Lücke, die durch eine entsprechende Anwendung des § 2 Abs. 1 Buchst. e KVG zu schließen sei. Unabhängig davon sei es von Verfassungs wegen geboten, § 2 Abs. 1 KVG so auszulegen, dass die Verpflichtungen aus Kirchenbaulasten auf die Gemeinden übergegangen seien. Gemeindliche Kirchenbaulasten unterfielen dem Schutz des Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 138 WRV sowie der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG. Der Gesetzgeber des Einigungsvertragsgesetzes habe die Ansprüche der Kirche nicht durch eine nachfolgelose Auflösung des Schuldners vernichten dürfen. Dadurch hätte er zugleich gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen. Denn als Folge einer solchen Entscheidung bestünden gemeindliche Kirchenbaulasten nur in den neuen Bundesländern nicht mehr. Dadurch wären die Kirchengemeinden dort flächendeckend erheblich schlechter gestellt als die Kirchengemeinden in den alten Bundesländern.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil: Die vertraglichen Pflichten zur Instandsetzung von Kirche und Pfarrhaus seien weder auf den Rat der Gemeinde Häselrieth noch auf den Gesamtstaat DDR übergegangen, sondern mit der Errichtung der Räte der Gemeinden weggefallen. Jedenfalls seien auf die 1990 neu gebildeten Gemeinden Verbindlichkeiten nur mit der Übertragung eines Vermögensgegenstandes übergegangen. Die Klägerinnen hätten nichts dazu vorgetragen, welches Vermögen die frühere Gemeinde Häselrieth von ihnen als Äquivalent für die vertragliche Übernahme der Instandsetzungspflichten erhalten und sie – die Beklagte – im Wege ihrer Vermögensausstattung zurückerhalten habe. Bei den streitigen Vertragspflichten handele es sich nicht um Verwaltungsvermögen. Die Instandsetzung von Kirchen und Pfarrhäusern gehöre jedenfalls heute wegen des Neutralitätsgebotes des Staates nicht zu den Selbstverwaltungsangelegenheiten von Gemeinden. Die Rechtsfigur der Funktionsnachfolge rechtfertige nicht den Übergang jeder Verbindlichkeit. Der vorrangige Zweck der Vermögenszuordnung bestehe darin, die neu errichteten Gebietskörperschaften mit Vermögen auszustatten. Deshalb bestehe auch keine planwidrige Lücke. Auf Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 138 WRV sowie auf Art. 14 GG könnten die Klägerinnen sich nicht mit Erfolg berufen. Der Wegfall der Vertragspflichten berühre den Gleichheitsgrundsatz nicht. Die Kirchengemeinden in den alten und in den neuen Bundesländern hätten sich beim Beitritt nicht in vergleichbarer Lage befunden. In den neuen Bundesländern sei die Entkirchlichung der Bevölkerung weiter fortgeschritten gewesen.
Der Vertreter des öffentlichen Interesses beim Thüringer Innenministerium hat sich nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Klägerinnen ist unbegründet. Das Oberverwaltungsgericht hat ohne Verstoß gegen Bundesrecht angenommen, dass die beklagte Stadt Hildburghausen aus den Verträgen der Klägerinnen mit der Gemeinde Häselrieth nicht verpflichtet ist, die Kosten der Instandsetzung von Kirche und Pfarrhaus zu tragen. Die Gemeinde Häselrieth ist untergegangen. Die Beklagte ist nicht Gesamtrechtsnachfolgerin der Gemeinde Häselrieth (1.). Die Verpflichtungen der Gemeinde Häselrieth sind nicht auf Grund des Kommunalvermögensgesetzes im Wege der Einzelrechtsnachfolge auf die Beklagte übergegangen (2.). Sie sind vielmehr mangels Zuordnung zu einem neuen Rechtssubjekt im Einigungsvertrag mit dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland erloschen (3.). Der Gesetzgeber des Zustimmungsgesetzes zum Einigungsvertrag war nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen verpflichtet, vertraglich begründete Kirchenbaulasten der ehemaligen Gemeinden auf einen neuen Rechtsträger überzuleiten (4.).
1. a) Die Gemeinde Häselrieth hat spätestens mit dem Gesetz über die örtlichen Organe der Staatsmacht vom 18. Januar 1957 (GBl I S. 65) aufgehört, als rechtlich selbstständige Gebietskörperschaft und damit als eigenes Rechtssubjekt zu existieren. Sie fiel damit als Zuordnungssubjekt für Rechte und Pflichten weg. Die Aufgaben der vormals selbstständigen Gemeinden wurden dem jeweiligen Rat der Gemeinde übertragen. Die Räte der Gemeinde waren keine Organe der Gemeinde, sondern örtliche Organe der zentralen Staatsgewalt.
Dies hat das Oberverwaltungsgericht in seinem Urteil festgestellt (ebenso die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs: Urteil vom 4. November 1994 – LwZR 12/93 – BGHZ 127, 285; Urteil vom 25. Oktober 2005 – XI ZR 353/04 – BGHZ 164, 361). An diese Feststellungen ist der Senat gebunden. Denn es handelt sich um die Auslegung irrevisiblen Rechts sowie um die Feststellung und Bewertung historischer Vorgänge. Davon abgesehen treffen die Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts in der Sache zu.
b) Allerdings kann nicht zu Lasten der Klägerinnen davon ausgegangen werden, dass schon mit dem Wegfall der selbstständigen Gemeinde Häselrieth als Rechtssubjekt zugleich die ihr zugeordneten Rechte und Pflichten, und damit auch die Kirchenbaulast als vertragliche Verbindlichkeit, endgültig erloschen sind. Eine solche Feststellung hat das Oberverwaltungsgericht nicht getroffen. Es hat die Möglichkeit offen gelassen, die Verbindlichkeiten der ehemaligen Gemeinden seien (zunächst) auf einen anderen Rechtsträger, namentlich den Gesamtstaat DDR, übergegangen.
Die Frage braucht auch im Revisionsverfahren nicht abschließend beantwortet zu werden. Es spricht allerdings alles dafür, dass die Verbindlichkeiten der ehemaligen Gemeinden fortbestanden haben. Zwar enthält das Gesetz über die örtlichen Organe der Staatsmacht vom 18. Januar 1957 keine Vorschriften dazu, was mit den Rechten und Pflichten der bisherigen Gemeinden geschehen soll. Es ging aber seinerzeit nicht darum, die Gemeinden als solche aufzulösen, sondern nur darum, sie als rechtlich selbstständige Rechtspersönlichkeiten zu beseitigen und in den Einheitsstaat einzugliedern. Die Aufgaben der Gemeinden gingen auf die Räte der Gemeinden als untere staatliche Organe über. Das Fehlen besonderer Rechtsvorschriften legt vor diesem Hintergrund die Annahme zumindest nahe, dass nach dem Rechtsverständnis und der Rechtspraxis der DDR die Rechte und Pflichten der bisherigen Gemeinden entweder von den Räten der Gemeinden als eigenen Rechtspersönlichkeiten oder von diesen für den Gesamtstaat DDR wahrgenommen wurden. Aus dem Fehlen besonderer Rechtsvorschriften zu folgern, die Gemeinden seien ohne Rechtsnachfolger untergegangen, würde auch bedeuten, dass die ihnen zustehenden Rechte, etwa Ansprüche aus Verträgen mit Dritten, erloschen wären. Eine solche Rechtspraxis der DDR lässt sich nicht erweisen.
Mangels jeder Regelung, und damit auch einer solchen, die zwischen erlöschenden und übergehenden Verbindlichkeiten differenziert, kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass jedenfalls vertragliche Kirchenbaulasten erloschen sind. Dagegen spricht auch das konkrete Beispiel der Gemeinde Häselrieth. Die Klägerinnen haben nach ihrem Vortrag regelmäßig auf Kostenvoranschläge hin, die sie beim Rat der Gemeinde eingereicht haben, über den Rat des Kreises Mittel zur Instandsetzung von Kirche und Pfarrhaus erhalten. Die Beklagte meint zwar, dies sei kein Nachweis dafür, dass die DDR vom Fortbestand der vertraglichen Pflichten ausgegangen sei, weil es sich um freiwillige Zahlungen gehandelt haben könnte. Dass die DDR regelmäßig freiwillig Leistungen an die Kirchen erbracht hätte, ist angesichts der kirchenfeindlichen Politik der DDR im Allgemeinen wenig wahrscheinlich. Das Leistungsverhalten entspricht zudem den vertraglichen Vereinbarungen. Ohne ausdrücklichen Vorbehalt der Freiwilligkeit spricht der erste Anschein dafür, dass die vertraglichen Verpflichtungen erfüllt worden sind.
Im Übrigen sah Art. 45 Abs. 1 der Verfassung der DDR vom 7. Oktober 1949 (GBl. I S. 5) vor, dass die auf Gesetz, Vertrag oder besonderen Rechtstiteln beruhenden öffentlichen Leistungen an die Religionsgemeinschaften durch Gesetz abgelöst werden. Die Bestimmung erfasste auch kommunale Baulasten. Eine verfassungsrechtlich verankerte Forderung nach Ablösung der öffentlichen Leistungen schloss die Anerkennung und Bestätigung derartiger Leistungen ein, denn nur eine bestehende und fortdauernde Leistung kann überhaupt der Ablösung unterliegen (Lindner, Baulasten an kirchlichen Gebäuden, S. 283). Das Oberste Gericht der DDR hat darauf verwiesen, die für die öffentlichen Leistungen an die Religionsgemeinschaften aufzuwendenden Mittel seien durch Aufnahme in den Staatshaushaltsplan bereitzustellen; das gelte entsprechend für die Leistungen der Gebietskörperschaften, im besonderen der Gemeinden, die ihrerseits Organe der einheitlichen, vom Volk ausgehenden Staatsgewalt seien (Kassationsurteil vom 4. Mai 1953 – 1 Zz 64/52 – ZevKR 3 ≪1953/54≫, 95).
Der Senat geht deshalb im Folgenden zugunsten der Klägerinnen davon aus, dass die Verbindlichkeiten aus den Verträgen auch nach 1957 fortbestanden haben und auf den Gesamtstaat DDR übergegangen sind.
c) Jedoch sind die fortbestehenden Verbindlichkeiten aus den beiden Verträgen nicht auf die beklagte Stadt Hildburghausen übergegangen, in die die Gemeinde Häselrieth inzwischen eingegliedert war, als die Beklagte durch das Gesetz über die Selbstverwaltung der Gemeinden und Landkreise in der DDR (Kommunalverfassung – KomVerf) vom 17. Mai 1990 (GBl I S. 255) als Gebietskörperschaft mit dem Recht der Selbstverwaltung und damit als Rechtssubjekt entstanden ist.
Die Beklagte ist dabei als Gebietskörperschaft originär neu errichtet worden. Sie ist nicht mit der früheren, bis 1957 bestehenden Gemeinde Häselrieth (teil-)identisch. Eine durchgehende Kontinuität von den Gemeinden vor Gründung der DDR zu den heute dort bestehenden Gemeinden wird durch die grundlegenden Umbrüche verhindert, die einerseits die Beseitigung selbstständiger Gebietskörperschaften und andererseits deren Neuerrichtung bewirkt haben (Bundesgerichtshof, Urteil vom 25. Oktober 2005 – XI ZR 353/04 – BGHZ 164, 361 ≪370≫). Die Beklagte ist daher nicht allein durch ihre Errichtung als rechtlich selbstständige Gebietskörperschaft zur Trägerin von bis dahin fortbestehenden Rechten und Pflichten der ehemaligen Gemeinde Häselrieth geworden.
Die Beklagte ist nicht als Gesamtrechtsnachfolgerin der früheren Gemeinde Häselrieth eingerichtet worden. Für die Annahme einer solchen Gesamtrechtsnachfolge gibt die Kommunalverfassung nichts her (Bundesgerichtshof, Urteil vom 4. November 1994 – LwZR 12/93 – BGHZ 127, 285, ≪289 f.≫; Urteil vom 6. Mai 2004 – III ZR 248/03 – VIZ 2004, 492; Urteil vom 25. Oktober 2005 – XI ZR 353/04 – a.a.O.). Sie überließ insbesondere die Zuordnung vorhandenen Vermögens und bestehender Verbindlichkeiten späterer Gesetzgebung.
Dies hat das Oberverwaltungsgericht in Auslegung der irrevisiblen Vorschriften der Kommunalverfassung festgestellt. Hieran ist der Senat gebunden.
2. Die vertraglich begründeten Kirchenbaulasten sind nicht aufgrund des Gesetzes über das Vermögen der Gemeinden, Städte und Landkreise (Kommunalvermögensgesetz – KVG –) vom 6. Juli 1990 (GBl I S. 660) im Wege der Einzelrechtsnachfolge auf die Beklagte übergegangen.
a) § 2 Abs. 1 Buchst. a bis d KVG regeln den Übergang von volkseigenen Betrieben, Einrichtungen und Anlagen sowie von volkseigenen Grundstücken, Bodenflächen und Immobilien in das Vermögen der Gemeinden und Städte. Nach § 2 Abs. 1 Buchst. e KVG gehen in das Vermögen der Gemeinden und Städte alle sonstigen Rechte und Forderungen über, die den ehemaligen Gemeinden und Städten sowie deren nachgeordneten Betrieben und Einrichtungen zustanden. Wie sich aus § 1 Satz 1 KVG ergibt, ist es Zweck des Kommunalvermögensgesetzes, die neu errichteten Städte und Gemeinden aus dem ehemals volkseigenen Vermögen mit Vermögenswerten auszustatten, um es ihnen zu ermöglichen, ihre kommunalen Aufgaben und kommunalen Dienstleistungen zu erfüllen. Demgemäß gilt § 2 Abs. 1 nur für Vermögenswerte (Aktiva), nicht aber für reine (isolierte) Verbindlichkeiten. Die Wortwahl des § 2 Abs. 1 Buchst. e KVG ist eindeutig. Rechte und Forderungen, die den ehemaligen Gemeinden zustanden, sind das Gegenteil von Pflichten und Verbindlichkeiten, die die ehemaligen Gemeinden trafen.
b) Unter den Begriff der Rechte im Sinne des § 2 Abs. 1 Buchst. e KVG können zwar auch komplexere vertragliche oder gesetzliche Rechtsverhältnisse als Rechtsgesamtheit fallen, die Verbindlichkeiten einschließen. Um ein solches Rechtsverhältnis geht es hier aber nicht. Die beiden Verträge aus den Jahren 1928 und 1929 sind, auch soweit sie die Baulast als Stammrecht betreffen, einseitig verpflichtende Verträge. Sie haben kein Recht der früheren Gemeinde Häselrieth begründet.
c) Bei diesem Verständnis enthält das Kommunalvermögensgesetz keine planwidrige Regelungslücke, die durch eine entsprechende Anwendung des § 2 Abs. 1 Buchst. e KVG geschlossen werden müsste.
Das Kommunalvermögensgesetz ist darauf angelegt, die aus dem Gesamtstaat herausgelösten und wieder verselbstständigten Gemeinden, Städte und Landkreise mit bisher volkseigenem Vermögen auszustatten, soweit es schon bisher kommunalen Aufgaben gedient hatte. Die vollständige Aufteilung bestehender Verbindlichkeiten zwischen einerseits den Gemeinden, Städten und Landkreisen sowie andererseits der DDR und den dort entstandenen Ländern gehörte hingegen nicht zum Regelungskonzept. Jedenfalls hatte der Gesetzgeber des Kommunalvermögensgesetzes keinen zwingenden Anlass, sich Gedanken über den Verbleib solcher Verbindlichkeiten zu machen, die in keinem sachlichen Zusammenhang mit den von ihm verteilten Vermögenswerten standen. Zuordnungssubjekt für solche Verbindlichkeiten war und blieb die DDR. Fortbestehende Verpflichtungen aus vertraglich begründeten Kirchenbaulasten der ehemaligen Gemeinden sind jedenfalls in dem Zeitpunkt auf die DDR übergegangen, als § 102 Abs. 1 KomVerf das Gesetz über die örtlichen Volksvertretungen in der DDR aufhob und die Räte der Städte und Gemeinden beseitigte. Regelungsbedürftig wurden diese Verbindlichkeiten erst, als die DDR ihrerseits durch ihren Beitritt zur Bundesrepublik Deutschland als Zuordnungssubjekt fortbestehender Verbindlichkeiten wegfiel. Bis dahin bestand keine Lücke, die schon der Gesetzgeber der DDR aufgrund des Verfassungsgrundsätzegesetzes vom 17. Juni 1990 hätte schließen müssen.
3. Art. 21 und 22 des Einigungsvertrages (EV) und das hierauf bezogene Gesetz über die Feststellung der Zuordnung von ehemals volkseigenem Vermögen (Vermögenszuordnungsgesetz – VZOG) vom 3. August 1992 (BGBl I S. 1464) in der Fassung der Bekanntmachung vom 29. März 1994 (BGBl I S. 709) haben eine Überleitung vertraglich begründeter Kirchenbaulasten von der DDR auf einen anderen Rechtsträger nicht bewirkt.
Aus diesen Vorschriften lässt sich nur herleiten, dass mit den Vermögenswerten solche Verbindlichkeiten übergehen, die in einem sachlichen Zusammenhang mit den übernommenen Vermögenswerten stehen (Urteil vom 8. Juli 1994 – BVerwG 7 C 36.93 – BVerwGE 96, 231 = Buchholz 111 Art. 22 EV Nr. 4; Beschluss vom 8. Juni 2007 – BVerwG 3 B 107.06 – Buchholz 428.2 § 1a VZOG Nr. 15; ebenso Bundesgerichtshof, Urteil vom 8. Dezember 1994 – III ZR 105/93 – BGHZ 128, 140 ≪146 f.≫; Urteil vom 6. Mai 2004 – III ZR 248/03 – VIZ 2004, 492 ≪493≫). Diese Vorschriften sehen hingegen keinen Übergang und keine Zuordnung isolierter Verbindlichkeiten vor, also von Verbindlichkeiten, die nicht in einem sachlichen Zusammenhang mit übergegangenen Vermögenswerten stehen. Der Einigungsvertrag sieht auch keine Gesamtrechtsnachfolge der Bundesrepublik Deutschland nach der DDR vor. Er regelt die Übernahme bestimmter Verbindlichkeiten in den hier nicht einschlägigen Art. 23 ff EV. Soweit die Übernahme von Verbindlichkeiten der DDR nicht besonders geregelt ist oder die Verbindlichkeiten nicht mit übernommenen Gegenständen des Aktivvermögens zusammenhängen, sind sie mit dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland ersatzlos weggefallen (Bundesgerichtshof, Urteil vom 30. November 2005 – IV ZR 4/04 – BGHZ 165, 159 ≪162 ff., insbesondere 166≫).
a) Nach § 1a Abs. 1 VZOG, der sich auf die Art. 21 und 22 EV bezieht, sind Vermögensgegenstände im Sinne des Vermögenszuordnungsgesetzes bebaute und unbebaute Grundstücke sowie rechtlich selbstständige Gebäude und Baulichkeiten, Nutzungsrechte und dingliche Rechte an Grundstücken und Gebäuden, bewegliche Sachen, gewerbliche Schutzrechte sowie Unternehmen. Dazu gehören ferner nach § 1a Abs. 1 Satz 2 VZOG Verbindlichkeiten, Ansprüche sowie Rechte und Pflichten aus Schuldverhältnissen, soweit sie Gegenstand der Zuteilung unter anderem nach dem Kommunalvermögensgesetz und den Art. 21 und 22 EV sind. § 1a Abs. 1 Satz 2 VZOG stellt keinen eigenständigen Tatbestand dar, der den Übergang von Verbindlichkeiten auf einen anderen Rechtsträger regelt. Indem die Vorschrift sich auf die sonst geltenden Zuteilungsregelungen in anderen Vorschriften bezieht, stellt sie nur klar, dass bei der Zuteilung von Vermögenswerten nach diesen Vorschriften auch die Verbindlichkeiten sowie Rechte und Pflichten aus Schuldverhältnissen übergehen, die mit dem Vermögenswert verbunden sind.
Dasselbe ergibt sich aus § 11 Abs. 2 Satz 1 VZOG. Nach dieser Vorschrift werden Vermögensgegenstände in dem Zustand übertragen, in dem sie sich bei der behördlichen Entscheidung über den Anspruch befinden. Unter Zustand versteht das Gesetz in erster Linie den rechtlichen Zustand. In rechtlicher Hinsicht ist der Zustand eines Vermögensgegenstandes namentlich durch die auf ihm lastenden Verbindlichkeiten gekennzeichnet. Zu diesen gehören bei Grundstücken Grundpfandrechte, Dienstbarkeiten und sonstige dinglich gesicherte Rechte. Auf deren Übergang beschränkt sich das Gesetz indes nicht. Wie sich aus § 1a Abs. 1 Satz 2 VZOG ergibt, sind Gegenstand der Zuteilung auch schuldrechtlich begründete Verbindlichkeiten. Bei der Zuteilung eines Vermögensgegenstandes sind solche Verbindlichkeiten und Rechtsverhältnisse zuordnungsfähig, die zu dem Vermögensgegenstand einen konkreten Bezug aufweisen.
Dieses Verständnis des Vermögensbegriffs der Art. 21, 22 EV entspricht demjenigen der Bestimmungen des Grundgesetzes für den Übergang des Reichsvermögens in Art. 134 GG, an den die Parteien des Einigungsvertrages angeknüpft haben. Entsprechend dem üblichen Sprachgebrauch und dem allgemeinen Rechtsgrundsatz des Zusammenhangs der Haftung mit dem Vermögensübergang sind unter Vermögen im Sinne des Art. 134 GG sowohl die Aktiva als auch die Passiva zu verstehen. Art. 135a Abs. 2 GG bestätigt dieses Verständnis. Er ermächtigt den Gesetzgeber, zu bestimmen, dass bestimmte Verbindlichkeiten nicht oder nicht in voller Höhe zu erfüllen sind. Dies bezieht sich auf Verbindlichkeiten, die – so wörtlich – mit dem Übergang von Vermögenswerten der DDR auf Bund, Länder und Gemeinden im Zusammenhang stehen. Die Bestimmung beruht auf der Voraussetzung, dass Verbindlichkeiten mit dem ehemals volkseigenen Vermögen übergehen.
b) Die Kirchenbaulast steht nicht in einem sachlichen Zusammenhang mit Vermögenswerten, die auf die Beklagte nach dem Kommunalvermögensgesetz, dem Einigungsvertrag oder dem Vermögenszuordnungsgesetz übergegangen sind.
Die Klägerinnen behaupten zwar, die Gemeinde Häselrieth habe ehedem kirchliches Vermögen erhalten und zum Ausgleich hierfür die Kirchenbaulast übernommen. Es ist indes nicht einmal ansatzweise belegt, geschweige denn festgestellt, welche konkreten Vermögenswerte die Beklagte zurückerhalten hat, die die Gemeinde Häselrieth aus kirchlichem Vermögen erhalten und in der DDR verloren hatte. Solche konkreten Feststellungen wären allenfalls dann entbehrlich, wenn gemeindliche Kirchenbaulasten ihren Entstehungsgrund stets (ausnahmslos) darin hätten, dass mit der Entstehung politischer Gemeinden und ihrer Trennung von den Kirchengemeinden eine Aufteilung des Vermögens einhergegangen wäre, bei der die Kirchengemeinden und Pfarrämter in weitem Umfang Vermögen zugunsten der politischen Gemeinden verloren hätten, deshalb in vielen Fällen selbst nicht mehr oder nur noch eingeschränkt in der Lage gewesen seien, aus den Erträgen oder dem Bestand ihres Vermögens die Kirchen- und Pfarrgebäude zu unterhalten, und die politischen Gemeinden zum Ausgleich dafür die baulichen Unterhaltungspflichten übernommen hätten.
Dass sich gemeindliche Kirchenbaulasten ausnahmslos auf diesen Entstehungstatbestand zurückführen lassen, ist nicht belegt, namentlich nicht durch das Gutachten des Kirchenrechtlichen Instituts der Evangelischen Kirche in Deutschland vom 14. April 1999, das die Klägerinnen in erster Instanz eingereicht haben und auf das sie sich in diesem Zusammenhang berufen. Es erwähnt den von ihnen behaupteten Entstehungsgrund für gemeindliche Kirchenbaulasten überhaupt nicht, sondern hebt hervor, die Entstehungsgründe gemeindlicher Kirchenbaulasten seien vielfältig (Seite 2 des Gutachtens). Zwischen politischer Gemeinde und Kirchengemeinde bestand zumeist eine Personenidentität. Der Bau und die spätere Unterhaltung einer eigenen Kirche wurden von der politischen Gemeinde als eine Verpflichtung begriffen, die sich aus der hoheitlichen Fürsorge für das Kirchenwesen ableitete (vgl. Seite 2 f. des Gutachtens). Hinzu kam in manchen Fällen, dass die Kirche nur bereit war, eine eigene Pfarrstelle in einer Gemeinde einzurichten, wenn die Gemeinde im Gegenzug für Bau und Unterhaltung von Kirche und Pfarrhaus sorgte (vgl. Seite 4 des Gutachtens; zu diesen Entstehungsgründen von gemeindlichen Kirchenbaulasten ferner: Campenhausen/de Wall, Staatskirchenrecht, 4. Auflage, 271 f.; Böttcher, in: Listl/Pirson, Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, 2. Auflage, Band II § 39 S. 24 f.).
Als isolierte Verbindlichkeit unterfällt die vertraglich begründete Kirchenbaulast nicht dem Begriff des Verwaltungsvermögens im Sinne des Art. 21 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 EV. Deshalb kommt es nicht darauf an, ob die Instandhaltung von Kirchen und Pfarrhäusern eine Aufgabe ist, die nach dem Grundgesetz den Gemeinden als Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft obliegt.
4. Der Gesetzgeber der Bundesrepublik Deutschland war verfassungsrechtlich nicht gehindert, mit dem Zustimmungsgesetz zum Einigungsvertrag das Erlöschen vertraglich vereinbarter Kirchenbaulasten zu bewirken, aus denen mangels anderweitiger Überleitung bis dahin noch die DDR verpflichtet war.
a) Soweit die Regelungen des Einigungsvertragsgesetzes fortbestehende Kirchenbaulasten vom Übergang auf einen anderen Rechtsträger ausnehmen und dadurch erlöschen lassen, können sie nicht an der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG oder an der Garantie des Kirchenguts in Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 138 Abs. 2 WRV gemessen werden.
Zwar fallen die Rechte einer Kirche aus einer gemeindlichen Kirchenbaulast nicht nur unter den Schutz der Eigentumsgarantie, sondern auch unter den Schutz der Kirchengutsgarantie (Urteil vom 23. April 1971 – BVerwG 7 C 4.70 – BVerwGE 38, 76 ≪78≫ = Buchholz 11 Art. 140 Nr. 13). Jedoch wurden zunächst fortbestehende vertragliche Kirchenbaulasten bis zum Beitritt der DDR vom Grundgesetz (noch) nicht erfasst. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann die Regelung fortbestehender Verbindlichkeiten im Einigungsvertrag nur dann an der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG gemessen werden, wenn der Einigungsvertrag die betreffende Verbindlichkeit dem Grunde nach anerkennt; in diesen Fällen ist (erst) die konkrete Ausgestaltung, die die Verbindlichkeit durch den Einigungsvertrag erfahren hat, am Maßstab des Art. 14 GG zu messen (Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 28. April 1999 – 1 BvL 32/95, 1 BvR 2105/95 – BVerfGE 100, 1 ≪32≫; ähnlich schon Beschluss vom 22. November 1994 – 1 BvR 351/91 – BVerfGE 91, 294 ≪308 f.≫). Für die Kirchengutsgarantie gilt nichts anderes. Im Einigungsvertrag ist eine solche grundsätzliche Anerkennung aber nicht ausgesprochen.
b) Das Rechtsstaatsgebot aus Art. 20 Abs. 3 GG hinderte den Gesetzgeber nicht, die DDR bezogen auf bestimmte Verbindlichkeiten ohne Rechtsnachfolger zu lassen.
Es bedarf keiner Entscheidung, ob sich dem Rechtsstaatsprinzip das allgemeine Verbot entnehmen lässt, einen öffentlich-rechtlichen Schuldner ohne Nachfolger zu liquidieren, weil die Grundsätze der Rechtssicherheit sowie des Vertrauensschutzes geböten, die Kontinuität jedenfalls von Verbindlichkeiten des Staates gegenüber dem Bürger auch über territoriale und funktionale Änderungen der staatlichen Organisation hinweg zu wahren (vgl. hierzu Dietlein, Nachfolge im öffentlichen Recht, S. 513 f. und 588 f.).
Aus dem Rechtsstaatsprinzip ergibt sich jedenfalls keine strikte Verpflichtung, die von der DDR hinterlassenen Verbindlichkeiten in vollem Umfang auf einen neuen Rechtsträger überzuleiten. Bei der Überwindung einer Verfassungsordnung und der Neukonstituierung einer abweichenden Ordnung hat der Staat die Befugnis, im Rahmen der neu verfassten Ordnung über den Fortbestand oder die ersatzlose oder zu entschädigende Annullierung ehemaliger Rechtspositionen zu entscheiden (so ausdrücklich Dietlein, Nachfolge im öffentlichen Recht, S. 589). Dies ist in Art. 135 Abs. 2 GG ausdrücklich anerkannt.
Vertraglich begründete Kirchenbaulasten ehemaliger Gemeinden lassen sich davon nicht mit der Begründung ausnehmen, im Übergang von der Rechtsordnung der DDR in die bundesdeutsche Rechtsordnung hätten lediglich die Rechtsverhältnisse (Rechte und Pflichten) überprüft und gegebenenfalls von einer Überleitung ausgeschlossen werden dürfen, die erst in der DDR auf einer von ihr geschaffenen Rechtsgrundlage entstanden seien, weil nur bei derartigen Rechtsverhältnissen berechtigterweise die Frage hätte aufgeworfen werden dürfen, ob sie mit der bundesdeutschen Rechts-, Wirtschafts- und Sozialordnung vereinbar seien. Die Regelungen des Einigungsvertrages über die Zuordnung und Restitution von Vermögen dienen nicht in erster Linie der Abrechnung mit der Vergangenheit, sondern sollen eine Grundlage für die Zukunft schaffen (Urteil vom 8. Juli 1994 – BVerwG 7 C 36.93 – BVerwGE 96, 231 ≪233≫ = Buchholz 111 Art. 22 EV Nr. 4). Der Gesetzgeber des Einigungsvertrages stand (auch) vor der Aufgabe, die auf dem Gebiet der DDR neu entstandenen Träger öffentlicher Verwaltung mit hinreichenden Mitteln für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben auszustatten. Er musste dafür Sorge tragen, dass die effektive Wahrnehmung ihrer Aufgaben nicht deshalb am Fehlen finanzieller Mittel scheitert, weil sie im großen Umfang mit Altverbindlichkeiten belastet wurden. Der Gesetzgeber durfte deshalb grundsätzlich auch Verbindlichkeiten der DDR aus der Zeit vor ihrer Gründung ohne Rechtsnachfolger lassen und dadurch ihr Erlöschen herbeiführen (Bundesgerichtshof, Urteil vom 6. Mai 2004 – III ZR 248/03 – VIZ 2004, 492 ≪493≫). Das gilt nicht zuletzt deshalb, weil Art und Ausmaß solcher Verbindlichkeiten nicht absehbar waren.
c) Die Regelungen des Einigungsvertrages, die das Erlöschen bis dahin bestehender Verbindlichkeiten bewirken, verstoßen nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.
Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Art. 3 Abs. 1 GG ist verletzt, wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonst wie sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt. Weiter ist der allgemeine Gleichheitssatz dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen Gruppe anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 4. Dezember 2002 – 2 BvR 400/98, 1735/00 – BVerfGE 107, 27 ≪45 f.≫; Beschluss vom 11. Januar 2005 – 2 BvR 167/02 – BVerfGE 112, 164 ≪174≫).
aa) Die Regelung des Einigungsvertrages behandelt Gläubiger einer isolierten Verbindlichkeit anders als Gläubiger einer Verbindlichkeit, die in sachlichem Zusammenhang mit einem Vermögenswert steht, der auf einen anderen Rechtsträger übergeht. Während die eine Gruppe von Gläubigern den Untergang ihrer Ansprüche hinnehmen muss, behält die andere Gruppe von Gläubigern ihre Ansprüche. Bezogen auf dieses Vergleichspaar ist es aber nicht sachwidrig, wenn der Gesetzgeber des Einigungsvertrages danach differenziert hat, ob eine Verbindlichkeit mit einem übernommenen Vermögenswert zusammenhängt oder ob sie isoliert dasteht (Bundesgerichtshof, Urteil vom 30. November 2005 – IV ZR 4/04 – BGHZ 165, 159). Bei isolierten Verbindlichkeiten stand dem Gläubiger kein Vermögenswert als Haftungsgrundlage zur Verfügung, die sachlich mit seiner Forderung verknüpft war. Dann ist es sachlich gerechtfertigt, diesen Gläubiger schlechter zu stellen und spiegelbildlich damit für eine neu errichtete Körperschaft eine Haftung nur eintreten zu lassen, wenn sie die Haftungsgrundlage übernommen hat.
bb) Eine verfassungsrechtlich unzulässige Ungleichbehandlung ergibt sich auch nicht, wenn die Kirchengemeinden im alten Bundesgebiet mit den Kirchengemeinden in den neuen Bundesländern verglichen werden.
Kirchenbaulasten stellen für die Kirchengemeinden ein wesentliches Finanzierungsmittel dar. Die Kirchengemeinden in den neuen Bundesländern sind namentlich mangels größerer Einnahmen aus der Kirchensteuer finanzschwach, haben aber andererseits zahlreiche Kirchen und Pfarrhäuser zu erhalten, bei denen sich ein erheblicher Instandsetzungsbedarf aufgestaut hat. Den Gemeinden in den neuen Bundesländern wird dieses Finanzierungsmittel genommen, während es den Gemeinden in den alten Bundesländern weiterhin zur Verfügung steht.
Jedoch kommen die Kirchengemeinden in den alten Bundesländern nicht als Vergleichsgruppe in Betracht. Sie gehören nicht in das Regelungssystem, innerhalb dessen der Gesetzgeber sich bewegt hat und innerhalb dessen er deshalb Gleichheit herstellen musste. Die Kirchengemeinden in den alten Bundesländern haben durch den Gesetzgeber des Einigungsvertrages nicht etwas erhalten, was den Kirchengemeinden in den neuen Bundesländern vorenthalten wird. Sie waren nicht von einer Umbruchssituation betroffen, in der gefragt und geregelt werden musste, welche Rechte und Rechtsverhältnisse in die neuen Verhältnisse übergeleitet werden können und sollen. Anderenfalls könnte jeder Gläubiger, dessen Forderung mangels Überleitung untergegangen ist, darauf verweisen, dass Gläubiger vertraglicher Ansprüche in den alten Bundesländern von einer derartigen Regelung nicht betroffen sind.
Unabhängig davon bestanden zwischen Kirchengemeinden in den neuen Bundesländern und Kirchengemeinden in den alten Bundesländern sachliche Unterschiede von solchem Gewicht, die es rechtfertigten, von einer Überleitung vertraglicher Kirchenbaulasten auf die neu errichteten Gemeinden abzusehen. Aus welchen Gründen auch immer gemeindliche Kirchenbaulasten ursprünglich begründet worden sein mögen, haben sie doch einen Hintergrund gemeinsam: Die Einwohner der Gemeinde waren zumeist vollständig oder weitgehend identisch mit den Mitgliedern der Kirchengemeinde. Es gab regelmäßig keine oder nur äußerst wenige konfessionsfremde Einwohner. Dass sie über die Lastentragung für die Gemeinde mittelbar zur Finanzierung aus ihrer Sicht konfessionsfremder Gotteshäuser beitragen mussten, konnte unter diesen Verhältnissen vernachlässigt werden. Insoweit haben sich die Verhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland und in der DDR vollständig anders entwickelt. In der Bundesrepublik ist zwar, bedingt zunächst durch Flucht und Vertreibung aus dem Osten, später durch die allgemeine Mobilität, die konfessionelle Geschlossenheit in den Gemeinden einer stärkeren konfessionellen Durchmischung gewichen. Das ist aber nicht zu vergleichen mit der Entwicklung in der DDR. Wie die Beteiligten für Thüringen übereinstimmend vorgetragen haben, liegt dort die Zahl der Mitglieder einer Kirche deutlich unter einem Drittel der Gesamtbevölkerung. In anderen Bundesländern auf dem Gebiet der ehemaligen DDR ist der Rückgang sogar noch stärker. Das wirft die Frage auf, ob vertraglich vereinbarte Kirchenbaulasten nicht wegen einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse bei Abschluss der Verträge weggefallen sind, weil ein Festhalten an den Verträgen dem Verpflichteten unzumutbar geworden ist (vgl. auch § 60 VwVfG). Das brauchte der Gesetzgeber nicht für die einzelne Kirchenbaulast und die Verhältnisse in der einzelnen Gemeinde zu untersuchen. Er fand jedenfalls eine Situation vor, in der wegen einer grundlegenden Änderung (“Entkirchlichung”) der Fortbestand von Kirchenbaulasten zumindest zweifelhaft sein musste. Es ist nicht sachwidrig, in einer solchen Lage von einer Überleitung dieser zweifelhaft gewordenen Rechtsverhältnisse auf die neu errichteten Gemeinden abzusehen, um diese nicht mit Verbindlichkeiten zu belasten, deren innere Rechtfertigung in Wegfall gekommen ist.
Dem lässt sich nicht entgegenhalten, dass die Veränderungen in der konfessionellen Zusammensetzung der Bevölkerung in den neuen Ländern Resultat einer rücksichtslos betriebenen antikirchlichen Politik der DDR sind. Insoweit trifft zwar zu, dass die Entfaltung eines totalitären Repressionsapparates – von politischem Druck auf Kirchen und Kirchenmitglieder über die Einführung und Durchsetzung der Jugendweihe, den Ausschluss christlicher Kinder von Oberschule und Studium bis zur Verhaftung kirchlich engagierter Bürger – zu einer planmäßigen Entchristlichung weiter Teile der Gesellschaft und damit zu der heute in den neuen Ländern vorgefundenen konfessionellen Zusammensetzung der Bevölkerung geführt hat. Auch wenn die heute bestehende konfessionelle Zusammensetzung der Bevölkerung sich als Ergebnis staatlicher Politik erweist, müssen die heutigen Hoheitsträger im Gebiet der ehemaligen DDR einschließlich der Kommunen sich dieses Ergebnis nicht zurechnen lassen (anders: Lindner, Baulasten an kirchlichen Gebäuden, S. 290). Jedenfalls der Gesetzgeber des Einigungsvertrages hat diese Entwicklung vorgefunden und musste notgedrungen an sie anknüpfen. Eine Billigung dieser Verhältnisse liegt darin nicht. Der Gesetzgeber war nicht gehalten, “Wiedergutmachung” in der Weise zu leisten, dass er in ihrem Bestand zweifelhaft gewordene Ansprüche der Kirchen auf die neu errichteten Gemeinden überleitete.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO, § 100 Abs. 2 ZPO.
Unterschriften
Sailer, Krauß, Neumann, Guttenberger, Schipper
Fundstellen
Haufe-Index 2107975 |
BVerwGE 2009, 358 |
DÖV 2009, 296 |
LKV 2009, 124 |
NJ 2009, 132 |
ZevKR 2009, 498 |
DVBl. 2009, 395 |
Städtetag 2009, 39 |
Kirche & Recht 2009, 136 |