Entscheidungsstichwort (Thema)
Straßenplanung. Planfeststellung. Lichtenauer Hochland. anerkannter Naturschutzverein. Altanerkennung. Klagebefugnis. Zweitklageverbot. Rechtskraft. ergänzendes Verfahren. Heilung. FFH-Gesamtbetrachtung. Plan. Linienbestimmung. Akteneinsicht. Planrechtfertigung. Vogelschutz. faktisches Vogelschutzgebiet. IBA-Verzeichnis. FFH-Gebietsschutz. Verträglichkeitsprüfung. Erhaltungsziel. erhebliche Beeinträchtigung. Bestandserfassung. Bestandsbewertung. charakteristische Art. Einschätzungsprärogative. Einschätzungsspielraum. Wahrunterstellung. günstiger Erhaltungszustand. Lebensraumtyp. Art. Sachverhaltsänderung. Kenntnis der Fachbehörde. Konzentrationswirkung. Vorsorgeprinzip. Schadensvermeidungsmaßnahme. Schadensminderungsmaßnahme. Kompensationsmaßnahme. summierende Betrachtung. Risikomanagement. Flächenverlust. Bagatellcharakter. Konventionsvorschlag. Abweichungsprüfung. Abweichungsgrund. Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Transeuropäisches Verkehrsnetz. Verkehrsprojekte Deutsche Einheit. Alternativenvergleich. Freistellung von Bahnbetriebszwecken. Zweckbindung von Bahnanlagen. Planungshindernis. Kohärenzsicherungsmaßnahme. Artenschutz. Tötungsrisiko. signifikante Erhöhung. Befreiung. Ausnahme. Abschnittsbildung. unüberwindliches Planungshindernis. vorläufiges positives Gesamturteil
Leitsatz (amtlich)
1. Altanerkennungen hessischer Naturschutzvereine sind durch § 47 Abs. 3 HeNatG n.F. wirksam in Anerkennungen nach neuem Recht überführt worden.
2. Mit seiner Zielrichtung, eine gerichtliche Doppelbefassung zu verhindern, erweist sich § 61 Abs. 1 Satz 2 BNatSchG (sog. Zweitklageverbot) als Ergänzung des Instituts der materiellen Rechtskraft. Er dehnt die Bindungswirkung, die mit der Rechtskraft eines Urteils für die Beteiligten verbunden ist, auf Naturschutzvereine aus.
3. Das vorläufige Schutzregime, dem potenzielle FFH-Gebiete unterliegen, erfordert es nicht, bereits bei der Linienbestimmung eine Verträglichkeitsprüfung i.S.d. Art. 6 Abs. 3 FFH-RL für die Gesamtplanung durchzuführen. Ist eine solche Verträglichkeitsprüfung im Linienbestimmungsverfahren unterblieben, weil sie nach nationalem Recht (noch) nicht vorgeschrieben war, so muss sie auch nicht im Planfeststellungsverfahren für einen Teilabschnitt der Gesamtplanung nachgeholt werden.
4. Die im Rahmen der Verträglichkeitsprüfung zur Anwendung kommende Methode der Bestandserfassung und -bewertung geschützter Lebensraumtypen oder Arten ist nicht normativ festgelegt. Die Methodenwahl muss aber dem für die Verträglichkeitsprüfung allgemein maßgeblichen Standard der “besten einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse” entsprechen.
5. Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse, die der Planfeststellungsbehörde erst im Anschluss an eine durchgeführte Verträglichkeitsprüfung bis zum Erlass des Planfeststellungsbeschlusses bekannt werden, hat diese bei ihrer Beurteilung zu berücksichtigen. Gleiches trifft für Sachverhaltsänderungen zu, von denen die in das Planfeststellungsverfahren eingebundenen Fachbehörden innerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs Kenntnis erlangen.
6. Kompensationsmaßnahmen i.S.d. naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung sind nur ausnahmsweise geeignet, die andernfalls fehlende FFH-Verträglichkeit eines Vorhabens sicherzustellen, da sie in der Regel erst deutlich verzögert wirken und ihr Erfolg selten mit einer jeden vernünftigen Zweifel ausschließenden Sicherheit vorhergesagt werden kann.
7. Vorhabenbedingte Verluste von Flächen eines Lebensraumtyps des Anhangs I der Habitatrichtlinie stellen dann keine erhebliche Beeinträchtigung i.S.d. Art. 6 Abs. 3 FFH-RL dar, wenn sie lediglich Bagatellcharakter haben. Als Orientierungshilfe für die Beurteilung, ob ein Flächenverlust die Bagatellgrenze überschreitet, können die im einschlägigen Konventionsvorschlag des Bundesamts für Naturschutz erarbeiteten Kriterien herangezogen werden.
8. Die fehlerhafte Annahme der Planfeststellungsbehörde, ein Vorhaben sei mit den Erhaltungszielen eines FFH-Gebiets verträglich, schlägt auf eine hilfsweise getroffene Abweichungsentscheidung i.S.d. Art. 6 Abs. 4 FFH-RL ausnahmsweise dann nicht durch, wenn die Behörde die tatsächlich in Rechnung zu stellenden Beeinträchtigungen im Wege der Wahrunterstellung qualitativ und quantitativ zutreffend zugrunde gelegt hat.
9. Mängel der Abweichungsprüfung sind in entsprechender Anwendung des § 17e Abs. 6 Satz 1 FStrG unerheblich, wenn sie sich auf das Prüfungsergebnis nicht ausgewirkt haben können.
10. Sind in einem FFH-Gebiet nur nicht prioritäre Lebensraumtypen oder Arten erheblich beeinträchtigt, während prioritäre Lebensraumtypen oder Arten nicht beeinträchtigt werden können, so können Allgemeinbelange der Verkehrssicherheit und des Umweltschutzes bei der Beurteilung eines Abweichungsgrundes i.S.d. Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 1 FFH-RL zumindest ergänzend berücksichtigt werden.
11. In der Alternativenprüfung, die einer Abweichungsentscheidung vorauszugehen hat, brauchen Planungsalternativen nur so weitgehend ausgearbeitet und untersucht zu werden, dass sich einschätzen lässt, ob sie für – prioritäre oder nicht prioritäre – FFH-Schutzgüter ein erhebliches Beeinträchtigungspotenzial bergen.
12. Die Ausgestaltung von Kohärenzsicherungsmaßnahmen (Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 1 FFH-RL) hat sich funktionsbezogen an der erheblichen Beeinträchtigung auszurichten, derentwegen sie ergriffen werden. Der Funktionsbezug ist das maßgebliche Kriterium nicht nur zur Bestimmung von Art und Umfang der Kohärenzsicherungsmaßnahmen, sondern auch zur Bestimmung des notwendigen räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs zwischen der Gebietsbeeinträchtigung und den Maßnahmen.
13. Für die Eignung einer Kohärenzsicherungsmaßnahme genügt es, dass nach aktuellem wissenschaftlichen Erkenntnisstand eine hohe Wahrscheinlichkeit ihrer Wirksamkeit besteht.
14. Die gezielte Wiederherstellung tiefreichend geschädigter Flächen FFH-rechtlich geschützter Lebensraumtypen oder Habitate geschützter Arten kann eine Maßnahme der Kohärenzsicherung darstellen; dies jedenfalls dann, wenn Maßnahmen gemäß den Vorgaben des Art. 6 Abs. 1 und 2 FFH-RL noch nicht in einem Managementplan oder in vergleichbaren Plänen bestimmt sind.
15. Bei der Entscheidung über Kohärenzsicherungsmaßnahmen verfügt die Planfeststellungsbehörde über eine naturschutzfachliche Einschätzungsprärogative.
16. Die eisenbahnrechtliche Zweckbindung von Bahnanlagen stellt ein in der fernstraßenrechtlichen Planfeststellung unüberwindbares Planungshindernis dar, das es ausschließt, die der Bindung unterliegenden Bahnflächen für das geplante Straßenbauvorhaben in Anspruch zu nehmen.
17. Ein Planvorhaben widerspricht nur dann dem Tötungsverbot des § 42 Abs. 1 BNatSchG, wenn sich das Tötungsrisiko für die geschützten Tiere durch das Vorhaben signifikant erhöht.
18. Abweichend von dem Grundsatz, dass es für die gerichtliche Kontrolle eines Planfeststellungsbeschlusses auf die Sach- und Rechtslage bei dessen Erlass ankommt, sind Rechtsänderungen, die zum Fortfall eines Rechtsverstoßes des Beschlusses führen, bei der Überprüfung zu berücksichtigen.
Gliederung der Urteilsgründe
A. |
Zulässigkeit der Klage |
B. |
Begründetheit der Klage |
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1 |
Verfahren |
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2 |
Materiellrechtliche Erfordernisse |
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2.1 |
Planrechtfertigung |
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2.2 |
Gebietsschutz Vögel |
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2.3 |
FFH-Gebietsschutz |
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2.3.1 |
Verträglichkeitsprüfung |
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2.3.1.1 |
Bestandserfassung und -bewertung |
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2.3.1.2 |
Erfassung und Bewertung von Beeinträchtigungen |
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2.3.1.2.1 |
Pfeifengraswiesen |
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2.3.1.2.2 |
Extensive Mähwiesen |
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2.3.1.2.3 |
Dunkler Wiesenknopf-Ameisenbläuling |
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2.3.2 |
Abweichungsprüfung |
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2.3.2.1 |
Abweichungsgründe |
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2.3.2.1.1 |
Rechtliche Vorgaben |
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2.3.2.1.2 |
Konkrete Abwägung |
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2.3.2.2 |
Alternativenvergleich |
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2.3.2.2.1 |
Rechtliche Vorgaben |
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2.3.2.2.2 |
Südumfahrung |
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2.3.2.2.3 |
Nördliche Trassenvarianten |
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2.3.2.3 |
Kohärenzsicherung |
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2.3.2.3.1 |
Rechtliche Vorgaben |
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2.3.2.3.2 |
Planfestgestellte Kohärenzsicherungsmaßnahmen |
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2.4 |
Artenschutz |
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2.4.1 |
Defizite des Planfeststellungsbeschlusses i.d.F. vom 22. Dezember 2005 |
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2.4.1.1 |
Verbotstatbestände |
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2.4.1.2 |
Befreiungen |
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2.4.2 |
Fortfall anfänglicher Mängel |
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2.4.2.1 |
Rechtsänderung |
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2.4.2.2 |
Heilung durch Ausnahmeerteilung |
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2.4.3 |
Maculinea-Neubeurteilung |
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2.5 |
FFH-Gebietsschutz in Folgeabschnitten |
Normenkette
BNatSchG § 10 Abs. 1, § 11 S. 1, § 19 Abs. 2 S. 1, §§ 34, 35 S. 1 Nr. 1, § 42 Abs. 1, § 43 Abs. 8, § 59 Abs. 1, §§ 60-61, 69 Abs. 7; BNatSchG a.F. § 29 Abs. 2, §§ 42-43, 62; FStrG § 1 Abs. 1, § 17 S. 2, § 17a Nr. 6, § 17e Abs. 5-6; FstrAbG § 1 Abs. 2; FStrAbG § 4; VwVfG § 73 Abs. 8; VwGO § 87b Abs. 3; AEG §§ 11, 23; ROG § 3 Nr. 4; EG Art. 5 Abs. 3; RL 92/43/EWG (FFH-RL) Art. 1; RL 92/43/EWG (FFH-RL) Art. 4; RL 92/43/EWG (FFH-RL) Art. 6; RL 92/43/EWG (FFH-RL) Art. 12; RL 92/43/EWG (FFH-RL) Art. 13; RL 92/43/EWG (FFH-RL) Art. 16; RL 79/409/EWG (VRL) Art. 4 Abs. 4; RL 79/409/EWG (VRL) Art. 5; HeNatG a.F. §§ 2c, 20b, 20d, 35 Abs. 1; HeNatG n.F. § 32 Abs. 1, §§ 33, 47 Abs. 3; HessVwVfG § 75 Abs. 1 S. 1
Tenor
Der Änderungs- und Ergänzungsplanfeststellungsbeschluss vom 28. Februar 2008 wird insoweit aufgehoben, als er unter B.1 für bestimmte Flächen des Lebensraumtyps 6510 die erste Mahd auf die Zeit vom 1. bis 15. Juni vorverlegt und für bestimmte Flächen des Lebensraumtyps 6410 eine zusätzliche Mahd für Mitte Juni anordnet.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I
Der Kläger wendet sich als ein im Land Hessen anerkannter Naturschutzverein gegen den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom 5. April 2001 i.d.F. der Änderungs- und Ergänzungsplanfeststellungsbeschlüsse vom 22. Dezember 2005 und 28. Februar 2008 für den Neubau der Bundesautobahn A 44, Teilabschnitt Hessisch Lichtenau-West bis Hessisch Lichtenau-Mitte (Verkehrskosteneinheit – VKE – 20).
Die geplante Autobahn soll eine Lücke im Netz der Bundesautobahnen auf der Achse Ruhrgebiet – Kassel – Dresden zwischen der A 7 bei Kassel und der A 4 bei Eisenach schließen. Im planfestgestellten Abschnitt wird die Trasse nördlich um Hessisch Lichtenau herumgeführt. Beginnend im Westen überquert sie das Steinbachtal auf einer Brücke, wird über die Anschlussstelle Hessisch Lichtenau-West mit der in Ost-West-Richtung durch Hessisch Lichtenau führenden B 7 verknüpft und durchquert dann teils in Tunnel-, teils in Tieflage den Schulberg und das Lichtenauer Hochland. Nach Osten schließt sich der bereits bestandskräftig planfestgestellte Abschnitt der Verkehrskosteneinheit (VKE) 31 mit der Anschlussstelle Hessisch Lichtenau-Ost an, in der die A 44 ebenfalls mit der B 7 verknüpft wird. Dieser Abschnitt ist bis auf das Teilstück zwischen der VKE 20 und der vorgenannten Anschlussstelle bereits fertiggestellt.
Die geplante Autobahn zählt zu den “Verkehrsprojekten Deutsche Einheit” und ist im Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen als vierstreifige Autobahn in der Kategorie des vordringlichen Bedarfs ausgewiesen. Darüber hinaus bildet sie einen Bestandteil des von der Europäischen Gemeinschaft geplanten “Transeuropäischen Straßennetzes”.
Bei dem Lichtenauer Hochland handelt es sich um eine durch artenreiche Feucht- und Mähwiesen, Halbtrockenrasen und Quellbereiche geprägte Mittelgebirgslandschaft, die von der Europäischen Kommission am 7. Dezember 2004 unter der Ordnungsnummer DE 4724-304 in die Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung aufgenommen worden ist. In der zugrunde liegenden Gebietsmeldung vom 7. September 2001/22. April 2003 sind u.a. die Lebensraumtypen Pfeifengraswiesen auf kalkreichem Boden und Lehmboden (Code-Nr. 6410), extensive Mähwiesen der planaren bis submontanen Stufe (Code-Nr. 6510) und Kalktuffquellen (Code-Nr. 7220 – prioritär) sowie die Schmetterlingsart Dunkler Wiesenknopf-Ameisenbläuling (Maculinea nausithous – Code-Nr. 1065) aufgeführt. Durch Verordnung des Hessischen Ministeriums für Umwelt, ländlichen Raum und Verbraucherschutz vom 16. Januar 2008 (GVBl S. 30), die erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung in Kraft getreten ist (§ 5), ist das Lichtenauer Hochland als besonderes Schutzgebiet i.S.d. Art. 1 Buchst. l der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. März 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABl EG Nr. L 206 S. 7) – Habitatrichtlinie – FFH-RL – festgesetzt worden. Südlich und südöstlich von Hessisch Lichtenau liegen weitere Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung, darunter das erst während des jetzigen Klageverfahrens gelistete und gleichfalls mit der vorbezeichneten Rechtsverordnung ausgewiesene Gebiet “Glimmerode und Hambach bei Hessisch Lichtenau”. Andere FFH-Gebiete schließen sich im Zuge der weiteren Planungsabschnitte an.
Die geplante Trassenführung entspricht der Vorschlagslinie der Hessischen Straßenbauverwaltung im Raumordnungsverfahren für den Abschnitt Hessisch Lichtenau der A 44. Diese Linie wurde in der abschließenden Landesplanerischen Beurteilung vom Dezember 1996 gebilligt. Die Linienbestimmung erfolgte im Dezember 1997.
Im Zuge des ursprünglichen Planfeststellungsverfahrens erhob der Kläger Einwendungen gegen den Plan. Er machte u.a. geltend, die Planung widerspreche den Vorgaben des FFH-Rechts. Die Alternativenprüfung genüge nicht den rechtlichen Anforderungen.
Im Planfeststellungsbeschluss vom 5. April 2001 wurden diese Einwendungen zurückgewiesen: Das Vorhaben sei zwar mit erheblichen Beeinträchtigungen von FFH-relevanten Lebensraumtypen verbunden, werde aber durch zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses gerechtfertigt. Die Planungsziele, zu denen auch eine weitgehende Entlastung der benachbarten Ortsdurchfahrten gehöre, ließen sich mit einer alternativen Trassenführung nicht erreichen. Jedenfalls gebe es südlich von Hessisch Lichtenau keine aus umweltrechtlicher Sicht bessere Alternative.
Auf die vom Kläger dagegen erhobene Klage stellte das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 17. Mai 2002 – BVerwG 4 A 28.01 – (BVerwGE 116, 254) fest, dass der Planfeststellungsbeschluss vom 5. April 2001 rechtswidrig sei und nicht vollzogen werden dürfe. Der Beschluss trage den FFH-rechtlich gebotenen Anforderungen an eine Alternativenprüfung nicht ausreichend Rechnung. Dass das mit dem Vorhaben neben einem Lückenschluss im Autobahnnetz verfolgte weitere Ziel, Ortsdurchfahrten in Hessisch Lichtenau und den Nachbarorten zu entlasten, mit der planfestgestellten Nordtrasse wirkungsvoller erreicht werden könne als mit einer Südumfahrung, rechtfertige es entgegen der Auffassung des Beklagten nicht, Letztere aus der Alternativenprüfung auszuklammern. Soweit der Beklagte eine Südumfahrung immerhin hilfsweise berücksichtigt habe, sei die Prüfung zu undifferenziert; die Beeinträchtigungspotenziale in dem einen und dem anderen Schutzgebiet seien unbesehen gleichgesetzt worden. Der dem Beklagten bei der Alternativenprüfung unterlaufene Fehler nötige hingegen nicht zur Aufhebung der Planungsentscheidung, weil sich nicht ausschließen lasse, dass die Mängel des Planfeststellungsbeschlusses in einem ergänzenden Verfahren behoben werden könnten.
In der Folgezeit überarbeitete der Vorhabenträger seine Planung. Die Bestandsdaten wurden für die Nordtrasse aktualisiert und für den Untersuchungsraum im Süden neu erhoben. Zugleich wurden die hydrogeologischen Verhältnisse im Lichtenauer Hochland vertieft untersucht mit dem Ergebnis, dass entgegen früheren Annahmen die Pfeifengraswiesen grundwasserabhängig sind. Infolgedessen wurde das Vorhaben umgeplant, um schädigende Grundwasserabsenkungen zu vermeiden. Die überarbeiteten Pläne sehen vor, den Schulbergtunnel von 305 m auf 700 m zu verlängern. Davon sollen bei gleichbleibender Trassenlage und Gradiente 10 m in offener, 360 m druckwasserhaltend in bergmännischer und 330 m als wasserdichtes Rahmenbauwerk in Deckelbauweise ausgeführt werden. Aufgrund der veränderten Rahmenbedingungen ergab die ebenfalls überarbeitete FFH-Verträglichkeitsuntersuchung für die Nordtrasse, dass die Erhaltungsziele des FFH-Gebiets “Lichtenauer Hochland” im Gegensatz zur Ursprungsplanung nicht erheblich beeinträchtigt würden. Eine vorsorglich als Grundlage für einen Alternativenvergleich durchgeführte Verträglichkeitsuntersuchung der Südlinie führte zu dem Ergebnis, diese Linie sei mit erheblichen Beeinträchtigungen der Erhaltungsziele des Gebiets “Glimmerode und Hambach bei Hessisch Lichtenau” verbunden.
Im Anhörungsverfahren für die geänderte Baumaßnahme machte der Kläger mit Schreiben vom 22. März 2005 fristgerecht von der Möglichkeit zur Äußerung Gebrauch: Die Planung verstoße gegen die dem Gebiets- und Artenschutz dienenden Vorschriften des europäischen und deutschen Rechts. Sie lasse unberücksichtigt, dass das Gebiet um Hessisch Lichtenau als faktisches Vogelschutzgebiet zu qualifizieren sei. Die FFH-Verträglichkeitsuntersuchung sei in vielfacher Hinsicht mangelhaft. Die Erhaltungsziele des FFH-Gebiets “Lichtenauer Hochland” seien unzulässig eingeengt worden. Bei der Kartierung seien Lebensräume und charakteristische Arten fehlerhaft erfasst und bewertet worden. Sowohl die bau- und anlagebedingten als auch die Reichweite der betriebsbedingten Beeinträchtigungen seien völlig unzureichend ermittelt worden. Fehleinschätzungen beträfen insbesondere die bau- und anlagebedingten Auswirkungen auf das Grundwasser, die Bewertung der eintretenden Flächenverluste, Schadstoffbelastungen und Trennwirkungen für die geschützten Gebietsbestandteile sowie Fehlbeurteilungen der vorgesehenen Kompensationsmaßnahmen. Die Alternativenprüfung sei weiterhin unzureichend, und zwar sowohl hinsichtlich einer Linienführung südlich von Hessisch Lichtenau als auch hinsichtlich möglicher Varianten nördlich der Stadt. Ein überwiegendes öffentliches Interesse, das trotz der erheblichen Beeinträchtigung des FFH-Gebiets durch das Projekt dessen Realisierung rechtfertigen könnte, sei den Planunterlagen nicht zu entnehmen, zumal die Planung überholte Verkehrsprognosen zugrunde lege. Der Artenschutzrechtliche Fachbeitrag gehe von unzutreffenden rechtlichen Annahmen aus und enthalte Untersuchungsdefizite.
Mit Beschluss vom 22. Dezember 2005 änderte und ergänzte der Beklagte den ursprünglichen Planfeststellungsbeschluss: Dem Vorhabenträger wurden Befreiungen von artenschutzrechtlichen Verboten des § 42 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BNatSchG in der bei Erlass maßgeblichen Fassung erteilt. Darüber hinaus wurden ihm zum Schutz grundwasserabhängiger Biotope vor den Risiken des Tunnelbaus ein hydrogeologisches Beweissicherungsverfahren und hierdurch ggf. veranlasste Sicherungsmaßnahmen aufgegeben. Die Einwendungen des Klägers wies der Beklagte in dem Beschluss zurück: Eine Ausweisung des Lichtenauer Beckens als Vogelschutzgebiet sei zu Recht unterblieben, da dieser Bereich nicht den Auswahlkriterien des einschlägigen hessischen Fachkonzepts entspreche. Die durchgeführte FFH-Verträglichkeitsuntersuchung gebe keinen Anlass zu Beanstandungen. Die in den Standard-Datenbögen festgelegten Erhaltungsziele für das FFH-Gebiet “Lichtenauer Hochland” seien umfassend berücksichtigt worden. Soweit es durch Flächeninanspruchnahme, Veränderungen des Bodenwasserhaushalts, Zerschneidung und Schadstoffeinwirkungen zu Gebietsbeeinträchtigungen kommen könne, verblieben diese infolge der vorgesehenen Schutzmaßnahmen unterhalb der Erheblichkeitsschwelle. Die gleichwohl vorsorglich durchgeführte Alternativenprüfung belege, dass es weder südlich noch nördlich von Hessisch Lichtenau eine unter dem Aspekt des FFH-Gebietsschutzes schonendere Streckenführung gebe. Das Vorhaben sei auch vereinbar mit den besonderen Anforderungen des deutschen und europäischen Artenschutzrechts. Soweit Verbotstatbestände verwirklicht seien, trage der Beschluss dem durch die erteilten Befreiungen Rechnung. Bei einer Gesamtabwägung setze sich der Bedarf für das Vorhaben gegenüber den widerstreitenden Belangen durch. Die Zulassung scheitere auch nicht an überwindbaren Hindernissen für das Gesamtprojekt der A 44; ausweislich der als Nachtrag durchgeführten Dach-Verträglichkeitsprüfung ergäben sich solche Hindernisse namentlich nicht aus dem Habitat- und Artenschutzrecht.
Gegen den Planfeststellungsbeschluss i.d.F. des Änderungs- und Ergänzungsbeschlusses vom 22. Dezember 2005 hat der Kläger fristgerecht Klage erhoben.
Auf Antrag des Vorhabenträgers hat der Beklagte im Vorfeld der mündlichen Verhandlung erneut ein ergänzendes Verfahren eingeleitet mit dem Ziel, etwaige Mängel des Planfeststellungsbeschlusses zu beheben. Der Kläger hat von der ihm mit Schreiben vom 12. Februar 2008 eingeräumten Möglichkeit, hierzu bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung am 27. Februar 2008 Stellung zu nehmen, Gebrauch gemacht. In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte den Planfeststellungsbeschluss durch Beschluss vom 28. Februar 2008 wiederum geändert und ergänzt: Die Auflage zur hydrogeologischen Beweissicherung ist um die Anordnung eines Risikomanagements ergänzt worden, das ausschließen soll, dass Abweichungen von den prognostizierten Auswirkungen des Tunnelbaus auf die Grundwasserverhältnisse zu einer Schädigung der grundwasserabhängigen Pfeifengraswiesen führen. Die bereits vorher geplanten Schadensvermeidungsmaßnahmen sind modifiziert und ergänzt worden mit dem Ziel, den Stickstoffeintrag zu vermindern, den Habitatansprüchen des Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläulings zu entsprechen und für den Fall der FFH-Unverträglichkeit des Vorhabens dem Erfordernis der Kohärenzsicherung Rechnung zu tragen. Für diesen Fall hat der Beklagte die Zulassung hilfsweise auf eine Abweichung vom Verbot der Unzulässigkeit erheblich beeinträchtigender Projekte gestützt. Ferner sind in dem Beschluss Ausnahmen von den artenschutzrechtlichen Verboten des § 42 Abs. 1 Nr. 1 und 3 BNatSchG in seiner aktuell geltenden Fassung für den Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläuling und von dem Verbot des § 42 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG gleicher Fassung für näher bezeichnete Vogelarten erteilt sowie Konkretisierungen der zugunsten der geschützten Arten vorgesehenen Vermeidungs- und Ausgleichsmaßnahmen vorgenommen worden.
Der Kläger hat diesen Beschluss in sein Klagebegehren einbezogen und von der Gelegenheit Gebrauch gemacht, in einem nachgelassenen Schriftsatz hierzu Stellung zu nehmen.
Zur Begründung seiner Klage macht er geltend: Der Planfeststellungsbeschluss leide in mehrfacher Hinsicht an Verfahrensfehlern. Insbesondere sei die im Linienbestimmungsverfahren unterbliebene FFH-Verträglichkeitsprüfung der Gesamtplanung auch im Planfeststellungsverfahren nicht nachgeholt worden. Darüber hinaus widerspreche der Beschluss den einschlägigen arten- und gebietsschutzrechtlichen Regelungen. Dass das Lichtenauer Becken ein faktisches Vogelschutzgebiet sei, folge aus den vom Beklagten selbst in seinem Vogelschutzkonzept entwickelten Kriterien. Die FFH-Verträglichkeitsuntersuchung weise gravierende Mängel schon bei der Bestandserfassung und -bewertung geschützter Lebensraumtypen und Arten auf; eine noch vor Erlass des Ergänzungsbeschlusses vom 22. Dezember 2005 vorgelegte Grunddatenerfassung bestätige, dass geschützte Gebietsbestandteile im Einwirkungsbereich der Trasse in der Verträglichkeitsuntersuchung nur ganz unvollständig ermittelt worden seien. Auch die Dimension der Beeinträchtigungen geschützter Lebensraumtypen und Arten sei verkannt worden. Das gelte für die Flächenverluste an Pfeifengraswiesen und extensiven Mähwiesen sowie Habitatflächen des Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläulings ebenso wie für die Trennwirkungen auf diese Lebensraumtypen und Arten. Die Gutachten zur Beurteilung der hydrogeologischen Auswirkungen des Tunnelbaus seien unbrauchbar. Die Stickstoffbelastungen der Pfeifengraswiesen und extensiven Mähwiesen seien weit unterschätzt worden; tatsächlich seien Schädigungen der Pfeifengraswiesen in einem Belastungsband von mehr als 500 m zu erwarten. Diese Mängel der Verträglichkeitsprüfung infizierten zwangsläufig die nachgeholte Abweichungsprüfung. Auch unabhängig davon seien die vom Beklagten in seiner Abwägung angeführten öffentlichen Interessen an der Realisierung des Vorhabens weder zwingende Gründe noch überwögen sie das gegenläufige Interesse am Habitatschutz. Die Annahme des Beklagten, südlich von Hessisch Lichtenau gebe es keine habitatrechtlich günstigere Trassenalternative, erweise sich vor allem deshalb als unzutreffend, weil sie vorhandene Optimierungsmöglichkeiten verkenne. Aber auch die vorgeschlagene nördliche Trassenvariante, die Bahngelände in Anspruch nehme, sei vorzugswürdig. Rechtliche Hindernisse stünden ihr nach Stilllegung der Eisenbahnstrecke nicht entgegen. Die nunmehr vorgesehenen Kohärenzsicherungsmaßnahmen seien ungeeignet und verstärkten teilweise sogar die Beeinträchtigungen. Ausnahmen von artenschutzrechtlichen Verboten seien erteilt worden, ohne die dafür notwendigen Ermittlungen durchzuführen.
Der Kläger beantragt,
den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom 5. April 2001 i.d.F. des Änderungs- und Ergänzungsbeschlusses vom 22. Dezember 2005 sowie des weiteren Änderungs- und Ergänzungsbeschlusses vom 28. Februar 2008 aufzuheben,
hilfsweise,
ihn für rechtswidrig und nicht vollziehbar zu erklären.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er macht geltend: Auf der Grundlage der methodisch einwandfrei durchgeführten FFH-Verträglichkeitsuntersuchung sei im Planfeststellungsbeschluss zu Recht eine erhebliche Gebietsbeeinträchtigung verneint worden. Die nachträglich durchgeführte Grunddatenerfassung habe bei Erlass des Ergänzungsbeschlusses vom 22. Dezember 2005 noch nicht berücksichtigt werden können, da sie sich damals noch im Entwurfsstadium befunden und der Planfeststellungsbehörde nicht bekannt gewesen sei. Im Übrigen belege sie keine unzureichende Erfassung und Bewertung von Lebensraumtypen, sondern vielmehr die besondere Dynamik der in dem Gebiet stattfindenden Veränderungen. Selbst wenn man aber von einer erheblichen Gebietsbeeinträchtigung durch Flächenverluste, Zerschneidungswirkungen und Schadstoffbelastungen ausgehe, habe das Vorhaben jedenfalls im Wege der Abweichung zugelassen werden dürfen. Geeignete und zumutbare Alternativen stünden sowohl aus naturschutzfachlichen als auch aus naturschutzexternen Gründen nicht zur Verfügung. Unter den im Lichtenauer Hochland herrschenden Bedingungen seien die angeordneten Kohärenzsicherungsmaßnahmen geeignet, die Gebietsbeeinträchtigungen zu kompensieren. Artenschutzrechtlich sei das Vorhaben aufgrund der erteilten Befreiungen und Ausnahmen unbedenklich.
Entscheidungsgründe
II
A. Zulässigkeit der Klage
Die Klage ist zulässig.
Das Bundesverwaltungsgericht ist nach § 5 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VerkPBG für diesen Rechtsstreit erstinstanzlich zuständig. Der Abschnitt, der den Gegenstand des angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses bildet, ist Teil der Autobahnverbindung “A 4/A 44 zwischen der Landesgrenze Thüringen und der A 7 bei Kassel”, die durch Art. 1 der Verordnung vom 28. November 2000 (BGBl I S. 1678) unter der Nr. 22 in § 2 der Fernverkehrswegebestimmungsverordnung vom 3. Juni 1992 (BGBl I S. 1014) aufgenommen worden ist.
Der Kläger ist klagebefugt. Entgegen den vom Beklagten geäußerten Bedenken ergibt sich seine Klagebefugnis aus § 61 BNatSchG, der u.a. den aufgrund landesrechtlicher Vorschriften i.S.d. § 60 BNatSchG anerkannten Naturschutzvereinen das Recht einräumt, ohne eigene Rechtsverletzung Rechtsbehelfe gegen Planfeststellungsbeschlüsse einzulegen, die mit Eingriffen in Natur und Landschaft verbunden sind.
Der Wortlaut des § 61 BNatSchG sowie sein systematischer Zusammenhang mit § 69 Abs. 7 Satz 1 BNatSchG sprechen zwar dafür, dass Anknüpfungspunkt der durch § 61 BNatSchG vermittelten Klagebefugnis grundsätzlich nur eine Anerkennung nach neuem Recht ist (vgl. Senatsbeschluss vom 31. Juli 2006 – BVerwG 9 VR 11.06 – Buchholz 406.400 § 61 BNatSchG 2002 Nr. 6 Rn. 7 mit kritischer Anmerkung Louis, ZUR 2006, 589; OVG Bautzen, Beschluss vom 8. Dezember 2005 – 5 BS 184/05 – LKV 2006, 364). Der Kläger ist hingegen unter der Geltung der Vorgängerregelung des § 29 BNatSchG in der bis zum 3. April 2002 geltenden Fassung (BNatSchG a.F.) anerkannt worden, was nach Ablauf der in § 69 Abs. 7 Satz 1 BNatSchG bezeichneten Übergangsfrist an sich nicht mehr ausreichen dürfte. Dies ist aber unschädlich, da die Altanerkennung durch § 47 Abs. 3 Satz 1 des Hessischen Naturschutzgesetzes vom 4. Dezember 2006 (GVBl I S. 619) – HeNatG – in eine solche nach neuem Recht überführt worden ist. Dass die Überleitung nicht an eine einzelfallbezogene Prüfung der Anerkennungsvoraussetzungen geknüpft ist, stellt ihre Vereinbarkeit mit der rahmenrechtlichen Regelung des § 60 Abs. 1 und 3 BNatSchG nicht infrage. Haben Vereine bereits ein auf die früheren Anerkennungsvoraussetzungen ausgerichtetes Anerkennungsverfahren durchlaufen, so liegt es im Ermessen des Landesgesetzgebers, das prozessual zu berücksichtigen. Ein Verzicht auf eine verwaltungsseitige Prüfung der nunmehr geltenden Anerkennungsvoraussetzungen ist von dem rahmenrechtlichen Regelungsauftrag gedeckt, soweit alte und neue Anerkennungsvoraussetzungen inhaltlich übereinstimmen. Dies trifft für § 60 Abs. 3 i.V.m. § 59 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 4 bis 6 BNatSchG bzw. § 47 Abs. 1 Nr. 1 und 4 bis 6 HeNatG einerseits und § 29 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 und 3 bis 5 BNatSchG a.F. andererseits zu. Die Übereinstimmung umfasst auch die Ausformungen des Jedermann-Prinzips in Nr. 5 der Altregelung und Nr. 6 der Neuregelungen; Letztere haben dieses Prinzip nicht verschärft, sondern nur präzisiert (vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs, BTDrucks 14/6378 S. 59). Unschädlich ist, dass die Überleitungsregelung bei Prozessbeginn noch nicht in Kraft getreten war; es genügte, dass die Klagebefugnis als Sachurteilsvoraussetzung im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vorlag (vgl. Beschluss vom 16. Dezember 1992 – BVerwG 7 B 180.92 – Buchholz 316 § 76 VwVfG Nr. 7 S. 6).
Die Klagebefugnis scheitert auch nicht an § 61 Abs. 1 Satz 2 BNatSchG, der das Vereinsklagerecht für den Fall ausschließt, dass der angefochtene Verwaltungsakt aufgrund einer Entscheidung in einem verwaltungsgerichtlichen Streitverfahren erlassen worden ist (sog. Zweitklageverbot). Eine Auslegung der Norm, die jeglichen gerichtlichen Rechtsschutz der Naturschutzvereine gegen behördliche Entscheidungen ausschlösse, die im Gefolge verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen ergehen, wäre mit dem Sinn und Zweck des § 61 Abs. 1 BNatSchG unvereinbar. Die Ausschlussregelung in Satz 2 soll eine Doppelbefassung des Gerichts verhindern (vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs, BTDrucks 14/6378 S. 61). Mit dieser Zielrichtung erweist sie sich als Ergänzung des Instituts der materiellen Rechtskraft (vgl. Müller/Stöckel, Naturschutzrecht, 2. Auflage 2003, § 61 Rn. 10). Die Rechtskraft wirkt zwischen den Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens. § 61 Abs. 1 Satz 2 BNatSchG dehnt ihre Bindungswirkung auf an jenem Verfahren nicht beteiligte Naturschutzvereine aus. Verwaltungsakte, die auf Verpflichtungsurteile in Klageverfahren Dritter hin erlassen werden, können deshalb von ihnen nicht angefochten werden. Ergeht dagegen im gerichtlichen Verfahren ein Bescheidungsurteil oder ein Feststellungsurteil, mit dem die Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit eines Planfeststellungsbeschlusses festgestellt wird, so verbleiben der Planfeststellungsbehörde für ihre erneute Entscheidung in dem durch das Urteil abgesteckten Rahmen mehr oder weniger weite, von der Rechtskraftwirkung nicht erfasste Spielräume. Soweit die neue behördliche Entscheidung diese Spielräume ausfüllt, steht unter dem Blickwinkel des § 61 Abs. 1 Satz 2 BNatSchG ebenso wenig eine gerichtliche Doppelbefassung in Rede wie unter dem der Rechtskraft; die Ausschlussregelung findet deshalb insoweit keine Anwendung. Ausgehend von diesem Verständnis des § 61 Abs. 1 Satz 2 BNatSchG kann die Vorschrift dem Kläger gegenüber schon deshalb nicht zum Tragen kommen, weil er das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Mai 2002 selbst erstritten hat, die Bindungswirkung des Urteils ihm gegenüber sich also unmittelbar nach den Grundsätzen der Rechtskraft richtet.
Die materielle Rechtskraft des im Vorprozess ergangenen Urteils stellt kein Prozesshindernis für die vorliegende Klage dar. Durch die Änderungs- und Ergänzungsbeschlüsse hat der ursprüngliche Planfeststellungsbeschluss seine Gestalt verändert; ursprünglicher Beschluss und ergänzende Beschlüsse sind zu einer einheitlichen Planungsentscheidung verschmolzen (vgl. Urteil vom 23. Januar 1981 – BVerwG 4 C 68.78 – BVerwGE 61, 307 ≪308 f.≫; Beschluss vom 20. Dezember 1991 – BVerwG 4 C 25.90 – Buchholz 316 § 76 VwVfG Nr. 4 S. 3), gegen die sich das neue Klagebegehren richtet. Mithin unterscheiden sich die Streitgegenstände des alten und des neuen Verfahrens.
Dies gilt auch, soweit der Kläger über die Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses in der ergänzten Fassung hinaus dessen Aufhebung begehrt. Zwar ist mit dem Urteil vom 17. Mai 2002 ein Aufhebungsanspruch des Klägers hinsichtlich des ursprünglichen Planfeststellungsbeschlusses rechtskräftig verneint worden. Dadurch wird ein erneutes Aufhebungsbegehren aber nicht gehindert; denn Gegenstand der ergänzenden Verfahren und der sie abschließenden Beschlüsse waren auch aufhebungsrelevante Gesichtspunkte der Planungsentscheidung wie die im Zuge des ersten ergänzenden Verfahrens anhand eines Nachtrags zur FFH-Gesamtbetrachtung neu beurteilte Frage, ob der Autobahnplanung in weiteren Abschnitten von vornherein unüberwindliche Planungshindernisse entgegenstehen. Ebenso enthalten die Änderungs- und Ergänzungsbeschlüsse die Anordnung zusätzlicher Maßnahmen, die einer isolierten Aufhebung zugänglich sein können.
B. Begründetheit der Klage
Die Klage ist jedoch im Wesentlichen unbegründet. Erfolg hat sie nur mit dem Aufhebungsbegehren, soweit der Änderungs- und Ergänzungsbeschluss vom 28. Februar 2008 unter B.1 für bestimmte Flächen des Lebensraumtyps (LRT) 6510 die erste Mahd auf die Zeit vom 1. bis 15. Juni vorverlegt und für bestimmte Flächen des LRT 6410 eine zusätzliche erste Mahd für Mitte Juni anordnet. Im Übrigen leidet der Planfeststellungsbeschluss an keinem Rechtsfehler, den der Kläger nach § 61 Abs. 2 Nr. 1 BNatSchG mit der Folge einer Aufhebung des Beschlusses oder der Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit geltend machen kann.
1. Verfahren
Verfahrensmängel, die dem Aufhebungsbegehren oder dem hilfsweise geltend gemachten Feststellungsbegehren zum Erfolg verhelfen würden, haften dem Planfeststellungsbeschluss nicht an.
1.1 Der Beklagte war nicht gehindert, über die Behebung von Mängeln des ursprünglichen Planfeststellungsbeschlusses in einem ergänzenden Verfahren zu entscheiden. Zwar lassen sich in einem solchen Verfahren nur Mängel beheben, die nicht von solcher Art und Schwere sind, dass sie die Planung als Ganzes von vornherein infrage stellen (Urteile vom 21. März 1996 – BVerwG 4 C 19.94 – BVerwGE 100, 370 ≪373≫ und vom 21. Juni 2006 – BVerwG 9 A 28.05 – BVerwGE 126, 166 ≪Rn. 48≫). Dies ist hier aber nicht der Fall. Dem Beklagten ging es im ersten ergänzenden Verfahren darum, den vom Bundesverwaltungsgericht beanstandeten Alternativenvergleich nunmehr ordnungsgemäß durchzuführen und außerdem auf nachträglich erkannte Fehleinschätzungen vor allem der hydrogeologischen Verhältnisse im Lichtenauer Hochland durch Planänderungen zu reagieren. Das zweite ergänzende Verfahren diente dazu, Defizite der FFH-Verträglichkeitsprüfung zu beheben, eine ordnungsgemäße Abweichungsprüfung durchzuführen und die artenschutzrechtliche Prüfung zu vervollständigen. Nicht nur zur Behebung gerichtlich beanstandeter, sondern auch zur Heilung selbst festgestellter Fehler kann ein ergänzendes Verfahren eingesetzt werden. Obgleich die Ergänzungs- und Änderungsbeschlüsse eine beträchtliche Zahl von Mängeln heilen sollten und die zu diesem Zweck zugelassenen Änderungen des Planungsvorhabens (insbesondere die Tunnelverlängerung) durchaus gravierender Art waren, ging es doch nur um Planungsdetails. Das durch die der A 44 im Fernstraßennetz zugewiesene Funktion und die unveränderte Trasse gekennzeichnete Grundkonzept der Planung wurde hiervon nicht berührt.
1.2 Es stellt keinen Verfahrensfehler dar, dass die Planfeststellungsbehörde im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens nicht die Verträglichkeit des Gesamtprojekts der A 44 zwischen Kassel und Eisenach mit den Erhaltungszielen aller in diesem Raum vorhandenen FFH-Gebiete geprüft, sondern sich damit begnügt hat, auf die vom Vorhabenträger in einer “FFH-Gesamtbetrachtung” zusammengestellten Ergebnisse der einzelnen abschnittbezogenen Verträglichkeitsprüfungen und -vorprüfungen zu verweisen. § 20d des Hessischen Naturschutzgesetzes vom 16. April 1996 (GVBl S. 145) in der bei Erlass des Änderungs- und Ergänzungsbeschlusses vom 22. Dezember 2005 maßgeblichen Fassung des Änderungsgesetzes vom 18. Juni 2002 (GVBl S. 364) – HeNatG a.F. – schreibt im Einklang mit § 34 BNatSchG eine Verträglichkeitsprüfung im Rahmen der Projektzulassung nur für das jeweilige Projekt im Sinne dieser Vorschrift, bei einer abschnittsweise erfolgenden Planung also nur für den einzelnen Planungsabschnitt vor. Die FFH-Verträglichkeit der Gesamtplanung ist hingegen allein im Verfahren der Linienbestimmung zu beurteilen (§ 20d Abs. 7 HeNatG a.F., § 35 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG). Eine Ausnahme ist auch nicht für den Fall vorgesehen, dass das Erfordernis einer die Gesamtplanung betreffenden Verträglichkeitsprüfung im Linienbestimmungsverfahren noch nicht zum Tragen kommen konnte, weil die Linienbestimmung – wie hier – vor Inkrafttreten der genannten gesetzlichen Vorschriften und vor Aufnahme der einzelnen FFH-Gebiete in die von der Kommission festgelegte Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung (Art. 4 Abs. 5 FFH-RL) erfolgt ist.
Auch das europäische Gemeinschaftsrecht macht es nicht erforderlich, eine abschnittübergreifende, auf die Autobahnplanung als Ganzes bezogene Verträglichkeitsprüfung im Planfeststellungsverfahren nachzuholen. Nach Art. 6 Abs. 3 FFH-RL ist eine Verträglichkeitsprüfung zwar nicht nur für Projekte, sondern ebenso für Pläne durchzuführen, zu denen § 35 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG auch die Linienbestimmung von Bundesfernstraßen zählt. Dem nationalen Gesetzgeber steht es aber frei, auf ein vorgelagertes Verfahren der Linienbestimmung zu verzichten mit der Folge, dass nur das jeweilige einzelne Projekt mit seinen Auswirkungen auf die von ihm betroffenen FFH-Gebiete in den Blick zu nehmen ist. Dann ist nicht einzusehen, warum Abweichendes gelten sollte, wenn ein vorgelagertes Linienbestimmungsverfahren zu einer Zeit durchgeführt worden ist, zu der Art. 6 Abs. 3 FFH-RL mangels Listung der betroffenen Gebiete noch nicht anwendbar war. Dass die Habitatrichtlinie auf Gesetzes- und Verwaltungsebene verspätet umgesetzt worden ist, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Die betroffenen Gebiete mögen dadurch – schon vor Ablauf der Frist des Art. 4 Abs. 3 FFH-RL – den Status potenzieller FFH-Gebiete erlangt haben. Das damit verbundene vorläufige Schutzregime begründete aber nur die Verpflichtung, keine Eingriffe zuzulassen, die die ökologischen Merkmale der Gebiete ernsthaft beeinträchtigen könnten (vgl. EuGH, Urteile vom 13. Januar 2005 – Rs. C-117/03 – Slg. 2005, I-167 Rn. 25 und 29 und vom 14. September 2006 – Rs. C-244/05 – Slg. 2006, I-8445 Rn. 44, 47 und 51). Als eine dem Zulassungsakt vorgelagerte Entscheidung konnte die Linienbestimmung solche Eingriffe noch nicht auslösen. Das vorläufige Schutzregime erforderte es hingegen nicht, bereits bei der Linienbestimmung den Anforderungen des Art. 6 Abs. 2 bis 4 FFH-RL zu entsprechen und demgemäß eine Verträglichkeitsprüfung i.S.d. Art. 6 Abs. 3 FFH-RL vorzunehmen.
1.3 Unberechtigt ist auch der Einwand des Klägers, der Planfeststellungsbeschluss leide wegen unzureichender Einsichtgewährung in die Verträglichkeitsprüfungen und -vorprüfungen für die anderen Abschnitte der Gesamtstrecke an einem zur Aufhebung führenden Verfahrensfehler. Nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 HeNatG a.F., § 60 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 BNatSchG ist einem anerkannten Naturschutzverein in Planfeststellungsverfahren, die von Behörden der Länder für mit Eingriffen in Natur und Landschaft verbundene Vorhaben durchgeführt werden, Einsicht in die einschlägigen Sachverständigengutachten zu geben. Als einschlägig im Sinne dieser Regelung können nur solche Gutachten angesehen werden, die von der Planfeststellungsbehörde in das Verfahren einbezogen und zur Grundlage ihrer Entscheidung gemacht worden sind (so bereits VGH München, Urteil vom 7. August 2001 – 8 A 01.40003 – BayVBl 2002, 563 ≪564≫). Für die einzelnen Verträglichkeitsprüfungen und -vorprüfungen, die sich auf die weiteren Abschnitte der A 44 beziehen, trifft dies nicht zu. Wie der Beklagte bereits im Planfeststellungsbeschluss (S. 731) ausgeführt hat, haben der Planfeststellungsbehörde diese Untersuchungen mit Ausnahme derjenigen über den bestandskräftig planfestgestellten Abschnitt VKE 31, die der Kläger eingesehen hat, nicht vorgelegen; die Behörde hat sich bei ihrer Entscheidung allein auf die auch dem Kläger zur Einsicht überlassene FFH-Gesamtbetrachtung gestützt, die lediglich die Ergebnisse der Verträglichkeitsprüfungen und -vorprüfungen wiedergibt. Ob die Behörde damit auf einer tragfähigen Grundlage entschieden hat, ist eine Frage des materiellen Rechts; unter dem Blickwinkel der naturschutzrechtlichen Beteiligungsregelung unterliegt ihr Vorgehen jedenfalls keinen Bedenken. Im Übrigen wäre ein diesbezüglicher Beteiligungsmangel durch die nachträglich gewährte Einsicht in die einzelnen Untersuchungen geheilt worden (§ 17 Abs. 6c Satz 2 FStrG a.F., § 17e Abs. 6 Satz 2 FStrG n.F.).
1.4 Der Kläger sieht einen Verfahrensmangel ferner darin, dass der Beklagte ihm im zweiten ergänzenden Verfahren mit Schreiben vom 12. Februar 2008 entsprechend § 17a Nr. 6 FStrG i.V.m. § 73 Abs. 8 VwVfG für seine Stellungnahme eine Frist von zwei Wochen unter Bestimmung des Fristendes auf den Beginn der mündlichen Verhandlung am 27. Februar 2008 gesetzt, ihm das Schreiben aber erst am 13. Februar 2008 per Fax übermittelt hat; dadurch sei die gesetzliche Zweiwochenfrist verkürzt worden. Der behauptete Fehler kann jedoch nicht zum Erfolg der Klage führen, weil der Kläger nicht dargetan hat, dass er dadurch an der rechtzeitigen Geltendmachung seiner Belange gehindert worden ist. Tatsächlich hat er am 27. Februar 2008 dem Beklagten vor Ablauf der gesetzten Frist eine umfangreiche schriftliche Stellungnahme zugeleitet, die dieser in seinem Ergänzungs- und Änderungsbeschluss vom 28. Februar 2008 berücksichtigen konnte.
1.5 Ebenso wenig dringt der Kläger mit seiner Rüge durch, der Beklagte habe im zweiten ergänzenden Verfahren gegen die Regelungen über die Beteiligung anderer Naturschutzvereine sowie betroffener Fachbehörden und Privater verstoßen. § 61 Abs. 2 Nr. 1 BNatSchG schließt eine umfassende gerichtliche Überprüfung des Planfeststellungsbeschlusses auf die Klage eines anerkannten Naturschutzvereins hin aus und beschränkt die Kontrolle grundsätzlich auf die Überprüfung anhand jener Bestimmungen, die in der Vorschrift genannt sind (Beschluss vom 23. November 2007 – BVerwG 9 B 38.07 – NuR 2008, 176 ≪Rn. 14≫). Regelungen über Beteiligungsrechte und -zuständigkeiten anderer Personen bzw. Stellen zählen nicht zu diesen Bestimmungen. Die prozessuale Rechtsposition der anerkannten Vereine ist diejenige eines “Sachwalters der Natur”, nicht eines Sachwalters anderer Personen und Stellen, die mit eigenen Beteiligungsrechten bzw. -zuständigkeiten ausgestattet sind.
Sollten dem Beklagten insoweit Beteiligungsfehler unterlaufen sein, so sind diese außerdem unbeachtlich, weil nicht die konkrete Möglichkeit erkennbar ist, dass der Änderungs- und Ergänzungsbeschluss vom 28. Februar 2008 ohne sie anders ausgefallen wäre (vgl. Urteil vom 9. Juni 2004 – BVerwG 9 A 11.03 – BVerwGE 121, 72 ≪76≫ m.w.N.). Dem Vorbringen des Klägers ist nicht zu entnehmen, dass im Falle einer weitergehenden Beteiligung von anderer Seite zusätzliche Gesichtspunkte in das Verfahren eingebracht worden wären, die eine abweichende Planungsentscheidung konkret hätten erwarten lassen.
1.6 Einen Verfahrensfehler stellt es schließlich nicht dar, dass der Beklagte im Beschluss vom 28. Februar 2008 die im Rahmen der FFH-rechtlichen Abweichungsprüfung gebotene Abwägung nachgeholt und ergänzend artenschutzrechtliche Ausnahmen erteilt hat, ohne seinem Anhörungsschreiben zu diesen Punkten weitere Planunterlagen beizufügen. Die genannten Regelungsbestandteile betrafen keine Änderungen des Planungsvorhabens, die in veränderten Planunterlagen hätten Niederschlag finden müssen, sondern allein die rechtliche Würdigung des insoweit unveränderten Vorhabens.
2. Materiellrechtliche Erfordernisse
Der Planfeststellungsbeschluss verstößt mit Ausnahme einer Teilregelung zur Schadensvermeidung nicht gegen Vorschriften des materiellen Rechts, die dem Aufhebungs- oder dem hilfsweise gestellten Feststellungsbegehren zum Erfolg verhelfen würden.
2.1 Planrechtfertigung
Ob das Erfordernis der Planrechtfertigung für ein Vorhaben auf die Klage eines anerkannten Naturschutzvereins hin trotz dessen beschränkter Rügebefugnis (§ 61 Abs. 2 Nr. 1 BNatSchG) zu prüfen ist, kann offenbleiben (verneinend Beschluss vom 1. Juli 2003 – BVerwG 4 VR 1.03 – Buchholz 406.400 § 61 BNatSchG 2002 Nr. 3 S. 22 f.; offen lassend Urteil vom 9. Juni 2004 – BVerwG 9 A 11.03 – Buchholz 406.400 § 61 BNatSchG 2002 Nr. 5 S. 41 ≪insoweit in BVerwGE 121, 72 nicht abgedruckt≫). Denn das planfestgestellte Vorhaben verfügt über die notwendige Planrechtfertigung.
Das folgt aus der gesetzlichen Bedarfsfeststellung. Die A 44 zwischen Kassel und Eisenach war bereits im Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen zum Fernstraßenausbaugesetz i.d.F. vom 15. November 1993 (BGBl I S. 1878) – FStrAbG a.F. – als Vorhaben des vordringlichen Bedarfs enthalten. Der aktuelle Bedarfsplan zum Fernstraßenausbaugesetz i.d.F. vom 20. Januar 2005 (BGBl I S. 201) – FStrAbG – weist sie in gleicher Weise aus. Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 FStrAbG entsprechen die in den Bedarfsplan aufgenommenen Bauvorhaben den Zielsetzungen des § 1 Abs. 1 FStrG und sind damit gemessen hieran vernünftigerweise geboten. Die gesetzliche Feststellung, dass ein verkehrlicher Bedarf besteht, ist für die Planfeststellung verbindlich. Die Verbindlichkeit erstreckt sich auch auf das gerichtliche Verfahren (stRspr; vgl. etwa Urteile vom 8. Juni 1995 – BVerwG 4 C 4.94 – BVerwGE 98, 339 ≪345 ff.≫ und vom 19. März 2003 – BVerwG 9 A 33.02 – Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 173 S. 157). Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber mit der Bedarfsfeststellung für die A 44 die Grenzen seines gesetzgeberischen Ermessens überschritten hat, sind nicht ersichtlich. Davon wäre nur auszugehen, wenn die Bedarfsfeststellung evident unsachlich wäre, weil es für die Aufnahme des Vorhabens in den Bedarfsplan im Hinblick auf die bestehende oder künftig zu erwartende Verkehrsbelastung oder auf die verkehrliche Erschließung eines zu entwickelnden Raumes an jeglicher Notwendigkeit fehlte oder wenn sich die Verhältnisse seit der Bedarfsentscheidung des Gesetzgebers so grundlegend gewandelt hätten, dass das angestrebte Planungsziel unter keinen Umständen auch nur annähernd erreicht werden könnte (vgl. Urteil vom 8. Juni 1995 a.a.O. S. 347, Beschluss vom 30. Dezember 1996 – BVerwG 11 VR 21.95 – UPR 1997, 153 und Urteil vom 22. Januar 2004 – BVerwG 4 A 32.02 – BVerwGE 120, 87 ≪100≫). Solche Gründe liegen nicht vor.
Dass sich die ursprüngliche Entscheidung des Gesetzgebers, die A 44 in den Fernstraßenbedarfsplan aufzunehmen, mit Blick auf die damaligen und die damals zu erwartenden Verkehrsverhältnisse auf sachliche Gesichtspunkte stützen konnte, stellt der Kläger nicht infrage. Er macht vielmehr geltend, die der ursprünglichen Entscheidung zugrunde liegende Prognosebasis sei durch Bevölkerungsrückgang und wirtschaftliche Stagnation völlig überholt mit der Folge, dass die Bedarfsfeststellung nach den Maßstäben der Rechtsprechung ihre Verbindlichkeit eingebüßt habe. Dem kann nicht gefolgt werden.
Die gesetzliche Bedarfsfeststellung im Fernstraßenausbaugesetz 1993 und die ihr zugrunde gelegte Verkehrsprognose liegen allerdings lange zurück. Dass diese Prognose im Zuge der Überarbeitung des Bedarfsplans aktualisiert worden wäre, ist nicht anzunehmen. § 4 FStrAbG sieht zwar eine Überprüfung der Bedarfsplanung in einem Turnus von fünf Jahren vor. Aus der Unterrichtung des Deutschen Bundestags durch die Bundesregierung über den Bundesverkehrswegeplan 2003, der die Grundlage für die nachfolgende Novellierung des Bedarfsplans bildete (BTDrucks 15/2050 S. 9), geht aber hervor, dass die im Bundesverkehrswegeplan 2003 als “laufende und fest disponierte Vorhaben” bezeichneten Projekte keiner erneuten Bewertung unterzogen worden sind (vgl. S. 36 der Unterrichtung). Zu diesen Vorhaben gehört auch das planfestgestellte (vgl. S. 86 der Unterrichtung).
Dennoch kann nicht der Schluss gezogen werden, die mit der Bedarfsplanung angestrebten Ziele seien nicht einmal mehr annähernd erreichbar. Wie schon Anfangs- und Endpunkt der A 44 zwischen Kassel und der A 4 bei Eisenach zeigen, verfolgte der Gesetzgeber vornehmlich das Ziel, eine Lücke im Autobahnnetz im Verlauf der weiträumigen West-Ost-Verbindung zwischen den Räumen Rhein-Ruhr und der ostdeutschen Städteachse Erfurt – Dresden zu schließen. Als Teil der “Verkehrsprojekte Deutsche Einheit” sollte dieser Lückenschluss dazu beitragen, die an der A 4 liegenden mitteldeutschen Räume mit Hilfe einer durchgängig leistungsfähigen Fernverkehrsstraße auf kurzer Distanz mit dem Westen Deutschlands zu verbinden, um das Zusammenwachsen von alten und neuen Bundesländern zu fördern. Zugleich sollte auch das strukturschwache ehemalige Grenzgebiet im Osten des Landes Hessen verkehrlich besser erschlossen werden. Ausweislich vorangegangener Planungen für Ortsumgehungen im Verlauf der B 7, die durch sprunghafte Verkehrszuwächse auf dieser Bundesstraße im Gefolge der innerdeutschen Grenzöffnung veranlasst waren, ging es zusätzlich auch darum, deren Ortsdurchfahrten zu entlasten. Trotz nachträglich eingetretener Änderungen der Prognosedaten sind diese Ziele nicht obsolet geworden.
Diese Einschätzung, die der Beklagte bereits dem Änderungs- und Ergänzungsbeschluss vom 22. Dezember 2005 unter Verweis auf eine Dimensionierungsprognose für das Jahr 2015 zugrunde gelegt hat, wird durch die im Änderungs- und Ergänzungsbeschluss vom 28. Februar 2008 in Bezug genommene Dimensionierungsprognose für das Jahr 2020 trotz nochmals reduzierter Prognosezahlen bestätigt. Während für die einzelnen Abschnitte der A 44 zunächst bezogen auf das Jahr 2010 ein Verkehrsaufkommen zwischen 28 160 und 48 770 Kfz/24 h als durchschnittliche werktägliche Verkehrsbelastung prognostiziert worden war (Planfeststellungsbeschluss ≪PFB≫ S. 327, Tab. 9) und die Dimensionierungsprognose für das Jahr 2015 entsprechende Werte zwischen 31 000 und 58 900 Kfz/24 h angab (PFB S. 329, Tab. 10), nennt die neue Prognose Werte zwischen 25 500 und 50 500 Kfz/24 h (S. 61 und Plan 63). Gegenüber den früheren Prognosen liegen die aktuell ermittelten Werte also teilweise deutlich niedriger. Gleichwohl kann keine Rede davon sein, dass die mit dem Bedarfsplan verfolgten Ziele nicht einmal mehr annähernd erreichbar wären. Mit Rücksicht auf den prognostizierten Durchgangsverkehr von 14 700 Kfz/24 h von Kassel bis zum Anschluss an die A 4 (S. 71 der Dimensionierungsprognose 2020) wird der neuen Autobahn immer noch ein erheblicher Verkehrswert bezogen auf ihre Funktion zukommen, eine Lücke im Autobahnnetz zu schließen und dadurch das Zusammenwachsen der verbundenen Regionen in den östlichen und westlichen Bundesländern zu fördern. Der vergleichsweise große Anteil des die Autobahn nicht durchgängig nutzenden Verkehrs belegt zugleich ihre regionale Erschließungswirkung. Weiterhin bleibt auch das Ziel einer Entlastung des vorhandenen Straßennetzes von Bedeutung. Dies gilt namentlich für die B 7 mit ihren Ortsdurchfahrten, die bislang den durchgehenden Fernverkehr zu bewältigen hat; während sie im Prognose-Nullfall 2020 im Raum Hessisch Lichtenau mit voraussichtlich 15 000 bis 17 000 Kfz/24 h belastet wäre (Plan 58), ist im Planfall für denselben Bereich mit einer Verkehrsabnahme zwischen 39 und 75 % zu rechnen (Plan 64). Dass die A 44 angesichts der prognostizierten Belastungszahlen zwischen 25 500 und 50 500 Kfz/24 h mit einem vierstreifigen Autobahnquerschnitt nicht überdimensioniert ist, ergibt sich aus Nr. 3.1.3 i.V.m. Bild 5 der Richtlinien für die Anlage von Straßen, Teil: Querschnitte, Ausgabe 1996 (RAS-Q 96).
Der Senat hat keinen Anlass, die Grundaussagen der Dimensionierungsprognose 2020 in Zweifel zu ziehen. Sie trägt dem Haupteinwand des Klägers gegen die früher erstellten Prognosen Rechnung und berücksichtigt, dass sich im Planungsraum sowohl die Einwohner- als auch die Beschäftigtenzahl im Vergleich zu früheren Vorhersagen deutlich verringert hat. Neben diesen Strukturdaten sind auch die Verkehrsdaten anhand von Verkehrszählungen und Befragungen sowie von Veränderungen im Straßennetz aktualisiert worden. Konkrete Einwände, die die Prognoseergebnisse infrage stellen könnten, hat der Kläger gegen die aktualisierte Untersuchung nicht erhoben.
2.2 Gebietsschutz Vögel
Das Vorhaben widerspricht nicht den naturschutzrechtlichen Vorgaben des europäischen Gemeinschaftsrechts zum Gebietsschutz von Vögeln. Bei dem Landschaftsraum des Lichtenauer Beckens handelt es sich nicht um ein faktisches Vogelschutzgebiet, dessen Durchschneidung mit der geplanten Autobahn gegen das Beeinträchtigungs- und Störungsverbot des Art. 4 Abs. 4 Satz 1 der Richtlinie 79/409/EWG des Rates vom 2. April 1979 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (ABl EG Nr. L 103 S. 1 mit späteren Änderungen) – Vogelschutzrichtlinie – VRL – verstoßen könnte.
Nach Art. 4 Abs. 1 Satz 4 VRL, der die Bestimmung von Vogelschutzgebieten regelt, erklären die Mitgliedstaaten die für die Erhaltung der in Anhang I aufgeführten Vogelarten “zahlen- und flächenmäßig geeignetsten Gebiete” zu Schutzgebieten. Unter Schutz zu stellen sind nicht sämtliche Landschaftsräume, in denen bedrohte Vogelarten vorkommen, sondern nur die Gebiete, die sich am ehesten zur Arterhaltung eignen. Maßgeblich sind ausschließlich ornithologische Kriterien (vgl. Urteil vom 21. Juni 2006 – BVerwG 9 A 28.05 – BVerwGE 126, 166 ≪Rn. 20≫ unter Bezugnahme auf EuGH, Urteile vom 2. August 1993 – Rs. C-355/90 – Slg. 1993, I-4221 Rn. 26 und vom 23. März 2006 – Rs. C-209/04 – Slg. 2006, I-2756 Rn. 33). Bei der Frage, welche Gebiete nach ornithologischen Kriterien zu den geeignetsten zählen, besteht ein fachlicher Beurteilungsspielraum der Mitgliedstaaten. Zu den Beurteilungskriterien gehören neben Seltenheit, Empfindlichkeit und Gefährdung der Vogelarten insbesondere die Populationsgröße und -dichte, die Artendiversität eines Gebiets, sein Entwicklungspotenzial und seine Netzverknüpfung sowie die Erhaltungsperspektiven der dort vorkommenden bedrohten Arten. Je bedrohter, seltener oder empfindlicher die Arten sind, desto größere Bedeutung ist dem Gebiet beizumessen, das die für ihr Leben und ihre Fortpflanzung ausschlaggebenden physikalischen und biologischen Elemente aufweist. Nur Habitate, die unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe für sich betrachtet in signifikanter Weise zur Arterhaltung beitragen, gehören zum Kreis der i.S.d. Art. 4 VRL geeignetsten Gebiete (Urteil vom 21. Juni 2006 a.a.O. Rn. 20 m.w.N.).
Die gerichtliche Kontrolle, ob die Nichtmeldung eines Gebiets fachlich vertretbar ist, umfasst auch die Netzbildung in den einzelnen Bundesländern, hat aber insoweit gleichfalls den Beurteilungsrahmen der Länder zu beachten. In dem Maße, in dem sich die Gebietsvorschläge eines Landes zu einem kohärenten Netz verdichten, verringert sich die richterliche Kontrollintensität. Mit dem Fortschreiten des mitgliedstaatlichen Auswahl- und Meldeverfahrens steigen die prozessualen Darlegungsanforderungen für die Behauptung, es gebe ein (nicht erklärtes) faktisches Vogelschutzgebiet, das eine Lücke im Netz schließen solle (Urteile vom 14. November 2002 – BVerwG 4 A 15.02 – BVerwGE 117, 149 ≪155 f.≫ und vom 21. Juni 2006 a.a.O. Rn. 23).
Als bedeutsames Erkenntnismittel für die Gebietsauswahl und als gewichtiges Indiz bei der nach Art. 4 Abs. 1 Satz 4 VRL gebotenen Eignungsbeurteilung stellt sich nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. etwa Urteil vom 19. Mai 1998 – Rs. C-3/96 – Slg. 1998, I-3031 Rn. 68 ff.) wie auch des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 21. Juni 2006 a.a.O. Rn. 21 m.w.N.) das Verzeichnis der “Important Bird Areas” (IBA) dar. Ist ein Gebiet in dem IBA-Verzeichnis nicht enthalten und wird die sich daran knüpfende Indizwirkung noch durch die Ergebnisse standortbezogener gutachtlicher Erhebungen verstärkt, so rechtfertigt dies den Schluss, dass der fragliche Bereich nicht zu den zahlen- und flächenmäßig geeignetsten Gebieten i.S.d. Art. 4 Abs. 1 Satz 4 VRL gehört. Eine zusätzliche Bestätigung der Indizwirkung kann sich auch daraus ergeben, dass die EU-Kommission unter dem Blickwinkel des Vogelschutzes keinen Nachmeldebedarf im Planungsraum sieht (Urteil vom 21. Juni 2006 a.a.O. Rn. 21; vgl. auch Urteil vom 22. Januar 2004 – BVerwG 4 A 32.02 – BVerwGE 120, 87 ≪102 f.≫).
Nach diesen Grundsätzen ist das vom Beklagten seiner Beurteilung zugrunde gelegte hessische Auswahlkonzept für Vogelschutzgebiete, das anderen Gebieten den Vorzug vor dem Lichtenauer Becken gegeben hat, nicht zu beanstanden.
Das gilt zunächst für die darin enthaltenen Auswahlkriterien. Das Fachkonzept sieht für die Anhang I-Arten so genannte Mindesterfüllungsgrade vor; diese Arten sollen mit mindestens 20 % ihrer hessischen Populationen, stärker gefährdete oder seltene Arten mit mindestens 60 % ihrer hessischen Populationen in den Vogelschutzgebieten des Landes vertreten sein (S. 8 und 231 des Fachkonzepts). Um den Erfüllungsgrad für die jeweilige Art zu erreichen, sind zunächst die fünf wichtigsten Brut- und Rastgebiete einer Anhang I-Art in Hessen auszuwählen (Top-5-Kriterium). Existieren weitere Gebiete, die jeweils mehr als 10 % des hessischen Brut- oder Rastbestandes einer Anhang I-Art beherbergen, so werden diese Gebiete zusätzlich ausgewählt (10 %-Kriterium). Falls mit den beiden vorgenannten Kriterien der Mindesterfüllungsgrad für eine Art nicht erreicht werden kann, sind weitere Gebiete auszuwählen. Dabei finden im Interesse eines Bündelungseffekts insbesondere die für andere relevante Arten benannten Flächen Berücksichtigung. Diese Kriterien sind uneingeschränkt fachlicher Natur; andere als ornithologische Gesichtspunkte spielen für die Beurteilung keine Rolle. Mit ihnen hält sich das Land innerhalb des mit der normativen Vorgabe des Art. 4 Abs. 1 Satz 4 VRL abgesteckten Beurteilungsrahmens. Das Konzept stellt mit den genannten Mindesterfüllungsgraden sicher, dass beachtliche Anteile der relevanten Arten des Gebietsschutzes teilhaftig werden. Dass Bezugspunkt des Erfüllungsgrades der landesweite Bestand einer Art ist, gibt keinen Anlass zu Bedenken. Ein Land von der Größe Hessens hat keine solche Ausdehnung, dass zwingend auf kleinere räumliche Einheiten abgehoben werden müsste, um dem Anliegen der Netzbildung Rechnung zu tragen.
Dass in Anwendung der Auswahlkriterien das Lichtenauer Becken als Vogelschutzgebiet hätte berücksichtigt werden müssen, lässt sich ebenfalls nicht feststellen. Der Beklagte hat für seine Gebietsauswahl landesweit vorhandene Erkenntnisse der ornithologisch tätigen Fachverbände NABU und HGON sowie aktuelle Publikationen und Planunterlagen ausgewertet. Damit konnte er sich auf eine breite und fachkundig ermittelte Datenbasis stützen. Die Bestandserfassung erstreckte sich über sechs Jahre (1997 bis 2002). Es gibt keine Anhaltspunkte für die Annahme, dieser Zeitraum sei zu knapp bemessen gewesen, um trotz naturgemäß auftretender Bestandsschwankungen aussagekräftige Daten zu gewinnen. Die bei der Bestandserfassung gewonnenen Erkenntnisse haben Niederschlag in Landesverbreitungskarten gefunden, die für die erfassten Vogelarten die einzelnen Vorkommen nach Lage und Anzahl der Brutpaare ausweisen. Entgegen der Auffassung des Klägers ergibt sich aus diesen Karten nicht, dass das Lichtenauer Becken nach dem Top-5-Kriterium zu den für die Erhaltung der Heidelerche, des Wachtelkönigs und des Neuntöters geeignetsten Gebieten gehört. Die Landesverbreitungskarte vermerkt für die Heidelerche im Raum um Hessisch Lichtenau lediglich ein bis zwei Brutpaare. Anhand des Top-5-Kriteriums ausgewählt worden sind hingegen Gebiete mit Beständen zwischen zwölf und zwei bis vier Brutpaaren. Für den Wachtelkönig sind im Umkreis von Hessisch Lichtenau zwei getrennte Vorkommen mit jeweils ein bis zwei Brutpaaren kartiert worden, während die anhand des Top-5-Kriteriums identifizierten Gebiete einen Brutpaarbesatz zwischen fünf bis fünfzehn und eins bis sechs aufweisen. Ungeachtet der Frage, ob die Vorkommen im Bereich um Hessisch Lichtenau überhaupt räumlich zusammengefasst betrachtet werden dürfen, lassen auch diese Zahlenverhältnisse nicht den Schluss zu, der Beklagte habe bei seiner Entscheidung zugunsten der ausgewählten Gebiete seinen fachlichen Beurteilungsspielraum überschritten. Ebenso wenig ist eine solche Annahme für den Neuntöter gerechtfertigt. Kartiert für den Bereich um Hessisch Lichtenau sind = 50 Brutpaare, mittels des Top-5-Kriteriums ausgewählt worden sind Gebiete, die zwischen 500 und 70 bis 100 Brutpaaren dieser Art als Lebensraum dienen.
Für eine ordnungsgemäße Gebietsauswahl spricht überdies das IBA-Verzeichnis, das in seiner aktualisierten, aus dem Jahr 2002 stammenden Fassung für das Land Hessen vom NABU-Landesverband Hessen und von der HGON erarbeitet worden ist. Unter den 40 Vorschlagsgebieten der IBA-Liste Hessen findet sich keines, das den Bereich des Lichtenauer Beckens ganz oder teilweise umfasst. Verstärkt wird die damit verbundene – negative – Indizwirkung durch den Umstand, dass die EU-Kommission in Reaktion auf die Gebietsmeldungen des Landes Hessen keinen Nachmeldebedarf geltend gemacht hat.
Hat sich hier demnach eine in sich stimmige Gebietsauswahl zu dem von der Vogelschutzrichtlinie angestrebten zusammenhängenden Netz verdichtet und sprechen außerdem weitere gewichtige Indizien gegen die Notwendigkeit, das Lichtenauer Becken in dieses Netz einzubeziehen, so führt das zu einer stark eingeschränkten richterlichen Kontrolldichte der behördlichen Auswahlentscheidung. Den strengen Anforderungen, die unter diesen Umständen an die Darlegung eines nicht erfassten faktischen Vogelschutzgebiets zu stellen sind, wird der Vortrag des Klägers nicht gerecht.
Er weist hierzu für die Heidelerche, den Wachtelkönig und den Neuntöter auf vergleichsweise hohe Zahlen von Brutpaaren hin, die im Zuge der Planung des streitigen Vorhabens gewonnen worden seien und eine Zuordnung zu den Top-5-Gebieten für diese Arten unabweisbar machten. Schon methodisch ist diese Argumentation verfehlt. Während die der behördlichen Gebietsauswahl zugrunde liegenden Untersuchungen und Beobachtungen sich auf einen Zeitraum von sechs Jahren beziehen, sind die vom Kläger angeführten vorhabenbezogenen Untersuchungen nur in den Jahren 2002 und 2003 durchgeführt worden (vgl. S. 36 des Deckblatts zur FFH-Verträglichkeitsuntersuchung “Lichtenauer Hochland”). Unter dem Aspekt der Stetigkeit sind die ermittelten Bestandszählungen daher nicht vergleichbar. Darüber hinaus weicht das Spektrum der jeweiligen Erkenntnisquellen voneinander ab. Grundlage des Auswahlkonzepts waren primär Beobachtungen der Fachverbände und lediglich ergänzend – soweit überhaupt verfügbar – zusätzliche im Zuge konkreter Planungen gewonnene Erkenntnisse. Der Kläger bezieht sich demgegenüber im Wesentlichen auf systematisch durchgeführte Untersuchungen im Zuge der Autobahnplanung, die tendenziell eine größere Prüftiefe aufweisen als allgemeine, flächendeckende Erhebungen. Schon diese Unterschiede verbieten den angestellten Vergleich mit den vom Beklagten in seinem Fachkonzept ausgewählten Gebieten.
Aber auch unabhängig davon begegnen die Darlegungen des Klägers durchgreifenden Bedenken. Hinsichtlich der Heidelerche können die vom Kläger unter Berufung auf den Planfeststellungsbeschluss und die Planunterlagen angegebenen Bestandszahlen der Beurteilung nicht unbesehen zugrunde gelegt werden. Die dort genannten Zahlen sind nämlich untereinander widersprüchlich, was darauf zurückzuführen ist, dass sie sich teils nur auf das Lichtenauer Hochland, teils auf den Planungsraum nördlich und südlich von Hessisch Lichtenau beziehen und im Übrigen unterschiedliche Beobachtungszeiträume (teils ein Beobachtungsjahr, teils beide Beobachtungsjahre) betreffen. Den Erläuterungen in der fachlichen Stellungnahme des ehemals zuständigen Fachreferenten im Regierungspräsidium Kassel vom 21. März 2006 (S. 5) zufolge hat das mit den Erhebungen für die Planung betraute Fachbüro Simon & Widdig für den Gesamtplanungsraum nicht sechs bis acht Brutpaare, sondern im Jahr 2002 ein Brutpaar und drei Brutverdachtsfälle und im Jahr 2003 drei Brutpaare ermittelt. Selbst wenn man für das Lichtenauer Becken diese Bestandszahlen und nicht diejenigen der Verbreitungskarten dem Vergleich zugrunde legte, würde sich nicht der Schluss aufdrängen, dieses Gebiet entspreche dem Top-5-Kriterium. Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht im Hinblick auf seine Lage in Nordhessen. Es trifft zwar zu, dass die ausgewählten Gebiete sämtlich im Süden und Südwesten Hessens liegen. Das bedeutet aber nicht, dass der nordhessische Bereich ohne das Lichtenauer Becken bei der Bildung des Schutznetzes für die Heidelerche völlig ausgespart bliebe; denn diese Vogelart ist auch über die nord- bzw. nordosthessischen Gebiete “Hessisches Rothaargebirge” und “Knüll” in das Netz einbezogen. Von einer Überschreitung des fachlichen Beurteilungsspielraums kann deshalb insoweit keine Rede sein. Gleiches gilt für den Wachtelkönig. Für ihn sind in den Erhebungen für die Autobahnplanung allein im Jahr 2002 hohe Bestandszahlen ermittelt worden. Schon im Folgejahr hat der Besatz nach den Erläuterungen in der fachlichen Stellungnahme vom 21. März 2006 (S. 5 f.) wieder deutlich abgenommen. Da die gleiche Entwicklung auch hessenweit zu beobachten war, erscheint der Schluss plausibel, dass Sonderereignisse zu den 2002 ermittelten Werten geführt haben. Angesichts dessen fehlt der Behauptung des Klägers, die Bestandszahlen des Wachtelkönigs im Lichtenauer Becken lägen dauerhaft hoch, eine tragfähige Grundlage. Zum Neuntöter ist schließlich zu beachten, dass er nach den unwidersprochen gebliebenen Angaben in der fachlichen Stellungnahme vom 21. März 2006 zu den Vogelarten mit einem in Hessen diffusen Verbreitungsbild gehört. Deshalb kann nach den Vorgaben des Fachkonzepts das Top-5-Kriterium auf diese Art nur in modifizierter Form unter ergänzender Berücksichtigung weiterer Einzelkriterien angewendet werden; hierbei ist insbesondere auch der Bündelungseffekt einer Gebietsauswahl, die den Schutz verschiedener Arten ermöglicht, ein wesentlicher Gesichtspunkt (vgl. S. 8) des Fachkonzepts. Aus diesem Grund reicht der Hinweis auf die Populationsgröße und -dichte des Neuntöters im Lichtenauer Becken nicht aus, um die Auswahl dieses Bereichs als Top-5-Gebiet für den Neuntöter als zwingend erscheinen zu lassen. Nach allem drängt sich aufgrund der Darlegungen des Klägers nicht der Schluss auf, das Lichtenauer Becken sei ein unverzichtbarer Baustein des Schutzgebietsnetzes in Hessen und daher bei der Gebietsauswahl zwingend zu berücksichtigen gewesen.
2.3 FFH-Gebietsschutz
Der Planfeststellungsbeschluss steht mit Ausnahme der Modifizierung der Schadensvermeidungsmaßnahme M 6 unter B.1 des Änderungs- und Ergänzungsbeschlusses vom 28. Februar 2008 in Einklang mit den Anforderungen der Habitatrichtlinie und des sie umsetzenden nationalen Rechts.
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der durchgeführten Verträglichkeitsprüfung (Art. 6 Abs. 3 FFH-RL) ist der Erlass des Änderungs- und Ergänzungsbeschlusses vom 22. Dezember 2005, nachdem das Projekt im ersten ergänzenden Verfahren einer neuen, an die seit Erlass des ursprünglichen Planfeststellungsbeschlusses veränderten Verhältnisse angepassten Verträglichkeitsprüfung unterzogen worden ist. Einschlägige Umsetzungsvorschrift ist insoweit § 20d Abs. 1 und 2 HeNatG a.F., der inhaltlich der rahmenrechtlichen Regelung in § 34 Abs. 1 und 2 BNatSchG entspricht. Ob das Projekt im Falle seiner mangelnden FFH-Verträglichkeit im Wege der mit dem zweiten Änderungs- und Ergänzungsbeschluss getroffenen Abweichungsentscheidung (Art. 6 Abs. 4 FFH-RL) zugelassen werden durfte, ist entsprechend der Zielrichtung des ergänzenden Verfahrens, lediglich punktuell Fehler der früheren Entscheidung zu heilen, ebenfalls bezogen auf den Erlasszeitpunkt des ersten Änderungs- und Ergänzungsbeschlusses vom 22. Dezember 2005 zu beurteilen. Abweichendes würde nur gelten, wenn die Planfeststellungsbehörde ihre Entscheidung im ergänzenden Verfahren auf veränderte tatsächliche oder rechtliche Verhältnisse gestützt hätte. Das ist aber nicht der Fall, und zwar auch nicht bezogen auf die Dimensionierungsprognose 2020, die der Beklagte nur herangezogen hat, um die fortbestehende Tragfähigkeit der früheren Verkehrsprognosen zusätzlich zu untermauern. Als Umsetzungsregelung ist daher insoweit § 20d Abs. 3 bis 5 HeNatG a.F. (§ 34 Abs. 3 bis 5 BNatSchG) einschlägig.
Die genannten Vorschriften über den FFH-Gebietsschutz finden auf das Lichtenauer Hochland Anwendung. Bei Erlass des ersten Änderungs- und Ergänzungsbeschlusses war das Gebiet bereits durch Kommissionsentscheidung vom 7. Dezember 2004 in die Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung i.S.v. Art. 1 Buchst. k FFH-RL aufgenommen worden. Es unterlag damit nach Art. 4 Abs. 5 FFH-RL dem besonderen Gebietsschutz nach Art. 6 Abs. 2 bis 4 FFH-RL (vgl. EuGH, Urteile vom 13. Januar 2005 – Rs. C-117/03 – Slg. 2005, I-167 Rn. 24 f. und vom 14. September 2006 – Rs. C-244/05 – Slg. 2006, I-8445 Rn. 35). Dass das gelistete Gebiet im Zeitpunkt der Planänderungen und -ergänzungen noch nicht als besonderes Schutzgebiet (Art. 1 Buchst. l FFH-RL) ausgewiesen war (vgl. § 20b Abs. 1 HeNatG a.F., § 32 Abs. 1 HeNatG n.F.), ändert hieran nichts.
Die maßgeblichen gebietsschutzrechtlichen Bestimmungen stehen der Zulässigkeit des Vorhabens nicht entgegen. Zwar erweist sich die Beurteilung des Beklagten, das Projekt sei mit den Erhaltungszielen des FFH-Gebiets “Lichtenauer Hochland” verträglich, als rechtsfehlerhaft. Dieser Fehler ist aber mit einer Einschränkung, die sich auf die Regelung unter B.1 des Beschlusses vom 28. Februar 2008 bezieht, unerheblich, weil die getroffene Abweichungsentscheidung keinen Anlass zu Beanstandungen bietet.
2.3.1 Verträglichkeitsprüfung
Projekte sind nach § 20d Abs. 1 Satz 1 HeNatG a.F. (§ 34 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG) vor ihrer Zulassung auf ihre Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen eines Gebiets von gemeinschaftlicher Bedeutung hin zu überprüfen. Sie dürfen grundsätzlich nur zugelassen werden, wenn die Verträglichkeitsprüfung ergibt, dass das Projekt nicht zu erheblichen Beeinträchtigungen des jeweiligen Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen kann. Sind erhebliche Beeinträchtigungen nach den Ergebnissen der Verträglichkeitsprüfung zu besorgen, so ist das Projekt vorbehaltlich einer Abweichungsprüfung unzulässig.
Ob ein Projekt zu einer erheblichen Beeinträchtigung in diesem Sinne führen kann, erfordert eine Einzelfallbeurteilung, die wesentlich von naturschutzfachlichen Feststellungen und Bewertungen abhängt (vgl. Urteil vom 17. Januar 2007 – BVerwG 9 A 20.05 – BVerwGE 128, 1 ≪Rn. 43≫). Um die projektbedingten Einwirkungen zutreffend auf ihre Erheblichkeit hin beurteilen zu können, hat die Verträglichkeitsprüfung in einem ersten Schritt eine sorgfältige Bestandserfassung und -bewertung der von dem Projekt betroffenen maßgeblichen Gebietsbestandteile zu leisten. Auf dieser Basis sind sodann die Einwirkungen zu ermitteln und naturschutzfachlich zu bewerten.
Beide Bestandteile der Prüfung enthalten Mängel, die dazu geführt haben, dass der Beklagte zu Unrecht von der Verträglichkeit des Projekts ausgegangen ist.
2.3.1.1 Bestandserfassung und -bewertung
Auf der Grundlage der vom Kläger erhobenen Rügen lässt sich zwar nicht feststellen, dass die vom Vorhabenträger in das Planfeststellungsverfahren eingebrachte FFH-Verträglichkeitsuntersuchung “Lichtenauer Hochland” (Deckblattfassung) die maßgeblichen Gebietsbestandteile des FFH-Gebiets fehlerhaft erfasst oder bewertet hat. Ein Mangel ergibt sich aber daraus, dass der Beklagte bei seiner Beurteilung nachträgliche Bestandsänderungen, die dem am 6. Dezember 2005 vom Gutachterbüro an das Regierungspräsidium Kassel übermittelten Rohentwurf der für das FFH-Gebiet “Lichtenauer Hochland” durchgeführten Grunddatenerhebung 2005 zu entnehmen sind, unberücksichtigt gelassen hat.
2.3.1.1.1 Im Rahmen der Verträglichkeitsprüfung ist es nicht erforderlich, das floristische und faunistische Inventar des betreffenden FFH-Gebiets flächendeckend und umfassend zu ermitteln. Gegenstand der Verträglichkeitsprüfung ist die Verträglichkeit des Projekts mit den Erhaltungszielen des Gebiets (§ 20d Abs. 1 Satz 1 HeNatG a.F., § 34 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG, Art. 6 Abs. 3 Satz 1 FFH-RL). Dem hat der Prüfungsrahmen Rechnung zu tragen. Erfasst und bewertet werden müssen nur die für die Erhaltungsziele maßgeblichen Gebietsbestandteile. § 10 Abs. 1 Nr. 9 BNatSchG, auf den § 2c HeNatG a.F. verweist, definiert die Erhaltungsziele als Erhaltung und Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes der in einem FFH-Gebiet vorkommenden Lebensraumtypen und Arten nach den Anhängen I bzw. II der Habitatrichtlinie. Solange ein FFH-Gebiet noch nicht unter Festlegung des Schutzzwecks zu einem besonderen Schutzgebiet erklärt worden ist, sind die Erhaltungsziele durch Auswertung der zur Vorbereitung der Gebietsmeldung gefertigten Standard-Datenbögen zu ermitteln, in denen die Merkmale des Gebiets beschrieben werden, die aus nationaler Sicht erhebliche ökologische Bedeutung für das Ziel der Erhaltung der natürlichen Lebensräume und Arten haben (Urteil vom 17. Januar 2007 a.a.O. Rn. 75 unter Bezugnahme auf EuGH, Urteil vom 14. September 2006 – Rs. C-244/05 – Slg. 2006, I-8445 Rn. 39, 45 und 51). Maßgebliche – den Gegenstand der Verträglichkeitsprüfung bildende – Gebietsbestandteile sind hiernach in der Regel die Lebensraumtypen des Anhangs I der Richtlinie, nach denen das Gebiet ausgewählt worden ist, einschließlich der “darin vorkommenden charakteristischen Arten” (vgl. Art. 1 Buchst. e FFH-RL) sowie die Arten des Anhangs II der Richtlinie, die für die Gebietsauswahl bestimmend waren. Lebensraumtypen und Arten, die im Standard-Datenbogen nicht genannt sind, können dagegen kein Erhaltungsziel des Gebiets darstellen (vgl. Urteil vom 17. Januar 2007 a.a.O. Rn. 77).
Die Erfassungs- und Bewertungsmethode der Verträglichkeitsprüfung ist nicht normativ festgelegt (vgl. allgemein zur Methodik der Verträglichkeitsprüfung EuGH, Urteil vom 7. September 2004 – Rs. C-127/02 – Slg. 2004, I-7405 Rn. 52; Senatsurteil vom 17. Januar 2007 a.a.O. Rn. 68). Die Zulassungsbehörde ist also nicht auf ein bestimmtes Verfahren festgelegt. Auch hinsichtlich der Methodenwahl muss sie aber den für die Verträglichkeitsprüfung allgemein maßgeblichen Standard der “besten einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse” (vgl. Urteil vom 17. Januar 2007 a.a.O. Rn. 62 unter Hinweis auf EuGH, Urteil vom 7. September 2004 – Rs. C-127/02 – Slg. 2004, I-7405 Rn. 54) einhalten. Untersuchungsmethoden, die in der Fachwissenschaft als überholt gelten, sind demnach unzulässig. Umgekehrt bestehen keine Einwände gegen eine fachwissenschaftlich anerkannte Untersuchungsmethode, wenn mit einer anderen, ebenfalls anerkannten Methode nicht voll übereinstimmende Ergebnisse erzielt würden.
Bei der Erfassung von Lebensraumtypen besteht ein besonderes Problem darin, dass sie eine wertende Zuordnung erfordert, die Zuordnungskriterien aber nicht rechtlich definiert sind. Die Lebensraumtypen stellen vielmehr außerrechtliche Kategorien der Pflanzensoziologie dar, die – wie für Typen kennzeichnend – eine Bandbreite von Erscheinungsformen aufweisen. Verweist eine Rechtsnorm auf einen solchen Typ, ohne selbst eine weitergehende Inhaltsbestimmung zu treffen, so werden damit die herrschenden fachwissenschaftlichen Auffassungen über die typprägenden Merkmale für maßgeblich erklärt. Die Verträglichkeitsprüfung hat sich deshalb bei der Typzuordnung an den einschlägigen Konventionen und Standardwerken zu orientieren. Angesichts der Vielzahl von Arten, die in wechselnden Zusammensetzungen in einem Lebensraum bestimmten Typs vorkommen können, ist bei der konkreten Zuordnungsentscheidung mehr als Plausibilität und Stimmigkeit nicht erreichbar. Deshalb ist es unabweisbar, die gerichtliche Kontrolle insoweit zurückzunehmen und der Behörde eine fachliche Einschätzungsprärogative zuzuerkennen.
Entsprechendes trifft für die Bestandsbewertung zu. Zwar bietet die Habitatrichtlinie Ansätze zur Gewinnung von Bewertungskriterien. Nicht nur die Gebietsauswahl, sondern auch die Verträglichkeitsprüfung hat sich an der in der 5. Begründungserwägung der Richtlinie zum Ausdruck kommenden Zielsetzung zu orientieren, einen günstigen Erhaltungszustand der natürlichen Lebensräume und der Arten von gemeinschaftlichen Interesse zu wahren oder wiederherzustellen. Was unter einem günstigen Erhaltungszustand zu verstehen ist, ergibt sich für natürliche Lebensräume aus Art. 1 Buchst. e und für Arten aus Art. 1 Buchst. i FFH-RL. Bedeutsam für die Bewertung sind danach diejenigen Faktoren, von denen eine nachhaltige Bestandssicherung des Lebensraumtyps oder der Art abhängt. Zusätzliche Anhaltspunkte liefert Anhang III Phase 1 der Habitatrichtlinie. Darin werden als Kriterien zur Gebietsauswahl für Lebensraumtypen des Anhangs I u.a. der Repräsentativitätsgrad des in dem jeweiligen Gebiet vorkommenden Lebensraumtyps, die relative Flächengröße sowie Erhaltungsgrad und Wiederherstellungsmöglichkeit von Struktur und Funktionen des Lebensraumtyps, für Arten des Anhangs II u.a. Populationsgröße und -dichte sowie Erhaltungsgrad und Wiederherstellungsmöglichkeit der für die betreffende Art wichtigen Habitatselemente genannt. Diese Kriterien sind auch für die Bewertung der maßgeblichen Gebietsbestandteile im Rahmen der Verträglichkeitsprüfung anzuwenden. Angesichts der Vielzahl der Kriterien, ihrer relativen Offenheit und ihres Angewiesenseins auf die Ausfüllung durch außerrechtliche Einschätzungen gilt für die Bestandsbewertung erst recht, dass in sie einer gerichtlichen Kontrolle nur eingeschränkt zugängliche Einschätzungen einfließen.
2.3.1.1.2 Diesen Vorgaben wird die Verträglichkeitsuntersuchung gerecht.
Sie ist bei der Bestandserfassung und -bewertung von den maßgeblichen Erhaltungszielen des FFH-Gebiets “Lichtenauer Hochland” ausgegangen. Diese Erhaltungsziele sind den der Gebietsmeldung zugrunde liegenden Standard-Datenbögen (Ursprungsfassung 2000, anlässlich der Erweiterungsmeldung aktualisierte Fassung 2002) zu entnehmen. Die Bögen listen Lebensraumtypen des Anhangs I und Arten des Anhangs II der Habitatrichtlinie sowie diverse europäische Vogelarten und Zugvogelarten auf, die im Gebiet vorkommen. Anders als der “Standard-Datenbogen” des Anhangs B der Verträglichkeitsuntersuchung, der erst nach der Gebietsmeldung als spezielle Arbeitshilfe für die Untersuchung erarbeitet worden ist und deshalb nicht als authentische Festlegung der Erhaltungsziele verstanden werden kann, enthalten sie jedoch keine ausdrücklichen Angaben zu Erhaltungszielen. Letztere lassen sich deshalb nur aus den Bestandsangaben der im Meldeverfahren gefertigten Bögen unter zusätzlicher Berücksichtigung von deren Rubrik “Güte und Bedeutung” (“hessenweite Bedeutung durch die enge Verzahnung verschieden ausgeprägter, funktionell zusammenhängender Offenlandbiotope, insbesondere: repräsentativ ausgeprägte Pfeifengraswiesen mit stabiler Maculinea-Population, artenreiche Mähwiesen, hohe Anzahl störempfindlicher Rote-Liste-Arten ≪vier Brutpaare des Raubwürgers≫“) erschließen. Angesichts der Angaben in der zitierten Rubrik, die einen deutlichen Bezug zu den aufgelisteten Lebensraumtypen und Arten der Anhänge I bzw. II der Habitatrichtlinie aufweisen, sind diese Lebensraumtypen und Arten zum Gegenstand von Erhaltungszielen geworden. Damit decken sich die der Verträglichkeitsuntersuchung zugrunde gelegten Erhaltungsziele.
Soweit die Standard-Datenbögen aus den Jahren 2000 und 2002 darüber hinaus auch Vogelarten auflisten, kann ihnen entgegen der Auffassung des Klägers nicht entnommen werden, auch diese in der Verträglichkeitsuntersuchung nicht berücksichtigten Arten seien zu Erhaltungszielen erhoben worden. Sie könnten es nur als charakteristische Arten der geschützten Lebensraumtypen sein (vgl. Urteil vom 17. Januar 2007 a.a.O. Rn. 77). Die Bestandsangaben zu Vogelarten des Anhangs I der Vogelschutzrichtlinie und der Hinweis auf eine “hohe Anzahl störempfindlicher Rote-Liste-Arten” unterstreichen zwar den besonderen Wert des Gebiets; ohne eine Zuordnung zu einzelnen der geschützten Lebensraumtypen kommt ihnen ein darüber hinausgehender, die genannten Vogelarten als charakteristische Arten festschreibender Erklärungsgehalt aber nicht zu.
Als charakteristische Arten eines Lebensraumtyps, die unter dem Blickwinkel der Erhaltungsziele bedeutsam sind (vgl. Art. 1 Buchst. e Spiegelstrich 3 FFH-RL) und deshalb den Umfang der gebotenen Bestandserfassung und -bewertung beeinflussen können, kommen allerdings nicht nur die im Standard-Datenbogen als solche angesprochenen Arten in Betracht. Die Habitatrichtlinie hebt mit dem Begriff der charakteristischen Arten auf den fachwissenschaftlichen Meinungsstand darüber ab, welche Arten für einen Lebensraumtyp prägend sind. Deswegen hat die Bestandserfassung und -bewertung grundsätzlich die nach dem Stand der Fachwissenschaft charakteristischen Arten einzubeziehen, selbst wenn diese im Standard-Datenbogen nicht gesondert als Erhaltungsziele benannt sind. Die Rüge des Klägers, die in der Verträglichkeitsuntersuchung erfolgte Bestandserfassung habe dem infolge einer unzulässigen Verengung des Begriffs der charakteristischen Arten nicht Rechnung getragen, ist indes unberechtigt.
Die Verträglichkeitsuntersuchung hat zwar zum LRT 6410 lediglich den Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläuling und zum LRT 6510 ebenfalls den Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläuling und zusätzlich den Braunen Feuerfalter als charakteristische Tierarten ausgewählt, die im Hinblick auf vorhabenbedingte Beeinträchtigungen einer gesonderten Prüfung bedürften; eine Auswahl charakteristischer Pflanzenarten hat sie wegen deren Berücksichtigung über den jeweiligen Lebensraumtyp sogar für gänzlich verzichtbar gehalten. Diese in Anlehnung an den Leitfaden des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen zur FFH-Verträglichkeitsprüfung im Bundesfernstraßenbau (Ausgabe 2004 S. 32 f. – nachfolgend: BMVBW-Leitfaden) vorgenommene Einschränkung, die mit der Indikatorfunktion der genannten Arten für potenzielle Auswirkungen des Vorhabens gerechtfertigt worden ist, betrifft aber nicht schon die Stufe der Bestandserfassung und -bewertung, sondern erst die nachfolgende Prüfung von Beeinträchtigungen. Auf der Stufe der Bestandsaufnahme sind demgegenüber weitere charakteristische Arten einbezogen worden, wie die verwandten Bewertungsbögen belegen, die eine nach den Kategorien “Grundbestand” und “wertsteigernd” differenzierende Analyse der aufgefundenen Pflanzen- und Tierarten sowie eine darauf basierende Bewertung enthalten. Soweit dabei nicht alle vom Kläger als für die sachgerechte Durchführung einer Verträglichkeitsprüfung maßgeblich erachteten charakteristischen Arten berücksichtigt worden sind, ist dies kein ausreichender Beleg für Defizite der Bestandsaufnahme. Abgesehen davon, dass ein beträchtlicher Teil der vermissten Arten in den Ausführungen der Verträglichkeitsuntersuchung zu den LRT 6410 und 6510 ausdrücklich erwähnt wird (vgl. S. 19 bis 21), weichen die Angaben zu den als charakteristisch, typisch usw. bezeichneten Arten in den verschiedenen Standardwerken schon nach der vom Kläger selbst unterbreiteten Aufstellung deutlich voneinander ab. Angesichts des sachlichen Beurteilungsspielraums, über den die Behörde insoweit verfügt, ließen sich Defizite der Untersuchung in dieser Hinsicht nur dadurch nachvollziehbar belegen, dass der Nachweis geführt würde, es seien solche Arten nicht einbezogen worden, über deren Berücksichtigungsfähigkeit ein weitgehender fachwissenschaftlicher Konsens besteht. Dem wird die Klagebegründung nicht gerecht. Dies gilt insbesondere auch, soweit sie den Raubwürger als charakteristische Tierart der LRT 6410 und 6510 bezeichnet. Die Verträglichkeitsuntersuchung weist ausdrücklich darauf hin, dass diese Vogelart in den einschlägigen hessischen Bewertungsbögen nicht als wertsteigernd aufgeführt ist (S. 15 f.); nach der Stellungnahme der Planungsgruppe Ökologie und Umwelt vom Mai 2006 hat dies seinen – plausiblen – Grund darin, dass der Raubwürger als lebensraumübergreifende Vogelart nicht eng an einen der genannten Lebensraumtypen gebunden ist (S. 31; vgl. auch S. 42 der Verträglichkeitsuntersuchung). Entsprechendes gilt für den Neuntöter (vgl. S. 39 f. der Verträglichkeitsuntersuchung).
Auch die Methodik der Erfassung und Bewertung von Lebensraumtypen in der Verträglichkeitsuntersuchung unterliegt nicht den vom Kläger geltend gemachten Bedenken.
Die Erfassungsmethode für Lebensraumtypen ist in der Stellungnahme der Planungsgruppe Ökologie und Umwelt vom Mai 2006 dargestellt und in der mündlichen Verhandlung ergänzend erläutert worden. Danach sind die in Betracht kommenden Flächen daraufhin untersucht worden, ob und in welchem Umfang auf ihnen Bestände von Kennarten der Lebensraumtypen vorhanden sind. Der Kläger wendet dagegen ein, die Bestandserfassung habe einschlägige pflanzensoziologische Definitionen nicht beachtet. Er versucht diese These mit Verbreitungskarten bestimmter Kennarten zu untermauern, die von der mit der ersten FFH-Grunddatenerfassung betrauten Coenos Landschaftsplanung GmbH gefertigt worden sind. Wie die Planungsgruppe Ökologie und Umwelt in ihrer Stellungnahme schlüssig erläutert hat, verkennt seine Argumentation indes, dass selbst Kennarten eines Lebensraumtyps nicht ausschließlich in solchen Flächen, die dem betreffenden Lebensraumtyp zuzuordnen sind, sondern auch in anderen Vegetationseinheiten vorkommen. Nicht das Vorhandensein von Kennarten als solches, sondern die Häufigkeit, mit der Kennarten in einer Vegetationseinheit vorhanden sind, entscheidet also über deren Zuordnung zu einem bestimmten Lebensraumtyp.
Ein methodischer Mangel liegt auch nicht darin, dass die Kartierer bei der Zuordnung der Flächen darauf verzichtet haben, die Mengenanteile der Kennarten zu dokumentieren. Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung entspricht eine solche Dokumentation nicht dem Standard der Erfassungstechnik. Vielmehr wird es als ausreichend angesehen, repräsentative Dauerbeobachtungsstellen einzurichten und deren Erfassungsergebnisse zu dokumentieren, aus denen dann Rückschlüsse auf die bei der Zuordnung im Übrigen vorgenommenen Wertungen gezogen werden können. In dieser Weise ist auch die Verträglichkeitsuntersuchung für das Lichtenauer Hochland verfahren. Ein derartiges Vorgehen ist rechtlich vertretbar. Eine alle Flächen abdeckende Dokumentation der Erfassungsergebnisse unter Angabe der Mengenanteile wäre mit einem außerordentlich hohen Aufwand verbunden, der angesichts der Möglichkeit, die erwähnten Rückschlüsse aus den Auswertungen der Dauerbeobachtungsstellen zu ziehen, nicht verlangt werden kann.
Dass das Coenos-Gutachten, dem die vom Kläger geforderte Erfassungsmethode zugrunde liegt, deutlich mehr Flächen den geschützten LRT 6410 und 6510 zugeordnet hat als die Verträglichkeitsuntersuchung, stellt hiernach die Vertretbarkeit der in der Verträglichkeitsuntersuchung gewonnenen Erfassungsergebnisse nicht in Frage. Unterschiedliche Untersuchungsmethoden schlagen sich zwangsläufig in unterschiedlichen Untersuchungsergebnissen nieder. Deshalb besteht kein Anlass, sich mit den umfänglichen Darlegungen des Klägers zur Zuordnung einzelner Flächen weiter auseinanderzusetzen.
Ebenfalls unbedenklich ist die angewandte Bewertungsmethode. Die Bewertung der erfassten LRT-Flächen haben die Gutachter anhand einer durch die Bewertungsbögen vorgegebenen Methode vorgenommen. Bewertungskriterien waren das Arteninventar, Habitate und Strukturen sowie Beeinträchtigungen. Die so gewonnenen Einzelergebnisse sind anhand eines gleichfalls vorgegebenen Bewertungsschemas zu einer Gesamtbewertung des Erhaltungszustands der einzelnen Flächen mit den Wertstufen A bis C verknüpft worden. Die angewandten Kriterien entsprechen den oben dargestellten Maßstäben der Habitatrichtlinie; die Art und Weise ihrer Verknüpfung erscheint sachgerecht. Die gewählte Bewertungsmethode entspricht im Übrigen bundesweit anerkannten Grundsätzen (vgl. die Beschlüsse der LANA auf ihrer 81. Sitzung im September 2001). Die Kritik des Klägers, angewandte Subkriterien wie Blütenreichtum, Strukturreichtum usw. seien zu unscharf, verkennt, dass die damit umschriebenen, für den Erhaltungszustand prägenden Eigenschaften nur wertend erfasst werden können.
Unberechtigt sind schließlich auch die Argumente, mit denen der Kläger die Bestandserfassung und -bewertung des Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläulings in Zweifel zieht. Begehungen zur Erfassung des Falters haben während der dafür geeigneten Hauptflugzeit nicht – wie der Kläger mutmaßt – nur einmal, sondern dreimal im Bereich der zuvor im Coenos-Gutachten ermittelten Vorkommen stattgefunden (vgl. S. 46 der Stellungnahme der Planungsgruppe Ökologie und Umwelt). Die Untersuchungsdichte entsprach damit derjenigen des vorgenannten Gutachtens, auf das sich der Kläger stützt. Dass bei den Begehungen weit weniger Exemplare der Art erfasst wurden als im Coenos-Gutachten und zwei Vorkommen überhaupt nicht festgestellt werden konnten, erklärt die vorerwähnte Stellungnahme plausibel mit dem im vorausgegangenen Jahr für die Reproduktion der Art ungünstigen Mahdzeitpunkt. Auch die Verträglichkeitsuntersuchung selbst weist auf diesen Umstand hin (S. 28). Bei der Abschätzung der Populationsgröße hat die Verträglichkeitsuntersuchung die Erfassungsdaten des Coenos-Gutachtens im Übrigen durchaus berücksichtigt (Tabelle 7 auf S. 28). Dass die Untersuchungsparameter unzureichend gewesen wären, lässt sich ebenfalls nicht feststellen. Aktionsradien, Eiablageplätze usw. müssten nur dann im Einzelnen ermittelt werden, wenn das Erfahrungswissen über die Lebensgewohnheiten der Art nicht ausreichte, um aus vorhandenen Informationen (Fundorte, Vegetationsstrukturen usw.) darauf verlässliche Schlüsse zu ziehen. Dass dies nicht möglich wäre, hat der Kläger nicht substanziiert dargelegt.
Soweit er schließlich auf von ihm veranlasste Bestandserfassungen von Maculinea nausithous im Jahr 2007 verweist, kommt dem für die Verträglichkeitsbeurteilung keine Bedeutung zu. Der maßgebliche Beurteilungszeitpunkt lässt die Berücksichtigung dieser erst nach dem ersten Änderungs- und Ergänzungsbeschluss durchgeführten Untersuchungen nicht zu.
2.3.1.1.3 Obgleich die Verträglichkeitsuntersuchung ordnungsgemäß den Bestand an Lebensraumtypen und Arten erfasst und bewertet hat, bedürfen ihre Ergebnisse hinsichtlich der Lebensraumtypen wegen nachträglicher, jedoch vor dem maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt eingetretener Änderungen der Verhältnisse der Modifikation. Das folgt aus der Grunddatenerhebung 2005, deren Bestandsaufnahme der Lebensraumtypen bei Erlass des Änderungs- und Ergänzungsbeschlusses abgeschlossen war und in die zu diesem Zeitpunkt der oberen Naturschutzbehörde bereits zugeleitete Rohfassung des darüber gefertigten Untersuchungsberichts Eingang gefunden hatte.
Die Verträglichkeitsprüfung ist ein Verfahrensschritt innerhalb der Planfeststellung; über die Zulässigkeit des Vorhabens ist “unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Verträglichkeitsprüfung” zu entscheiden (Art. 6 Abs. 3 Satz 2 FFH-RL). Das besagt indessen nicht, dass die Planfeststellungsbehörde abweichend vom grundsätzlich maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse, die sich erst im Anschluss an eine durchgeführte Verträglichkeitsuntersuchung ergeben haben und bekanntgeworden sind, außer Betracht lassen dürfte. Dies widerspräche dem Schutzzweck der Habitatrichtlinie und dem daraus folgenden fachlichen Beurteilungsstandard der “besten einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse”. Die Planfeststellungsbehörde hat zwar in der Regel ihrer Ermittlungspflicht genügt, wenn eine Verträglichkeitsprüfung durchgeführt und auf deren Grundlage in angemessenem zeitlichen Zusammenhang entschieden worden ist. Es besteht also keine Pflicht, bis zum Entscheidungstermin fortwährend nachzuermitteln. Vor neuen Erkenntnissen dürfen aber nicht die Augen verschlossen werden. Das gilt zunächst für Erkenntnisse, die der Planfeststellungsbehörde selbst zugänglich gemacht werden. Gleiches trifft aber auch für Sachverhaltsfeststellungen zu, von denen die in das Planfeststellungsverfahren eingebundenen Fachbehörden innerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs Kenntnis erlangen. Dies ist aus dem die Planfeststellung bestimmenden Grundsatz formeller Konzentration (vgl. § 75 Abs. 1 Satz 1 VwVfG) abzuleiten. Der Bündelung der Entscheidungszuständigkeiten bei der Planfeststellungsbehörde korrespondiert eine spezifische Einbindung der in ihrem Aufgabenbereich berührten Fachbehörden in das Planfeststellungsverfahren. Die Fachbehörden stehen in der Verantwortung, neben ihrer Fachkompetenz ihre Erkenntnisse über den Sachverhalt in das Verfahren einzubringen und so dazu beizutragen, dass die Entscheidung auch bezogen auf die in ihren Aufgabenbereich fallenden öffentlichen Belange auf zutreffender tatsächlicher Grundlage ergeht. Für die Frage, welchen Sachverhalt die mit Konzentrationswirkung ausgestattete Entscheidung zu berücksichtigen hat, ist deshalb nicht allein auf den Erkenntnisstand der Planfeststellungsbehörde, sondern daneben auch auf denjenigen der in ihrem Aufgabenbereich berührten Naturschutzbehörden abzustellen.
Hiernach waren die Feststellungen der Grunddatenerfassung 2005 zu Veränderungen der LRT 6410 und 6510 zu berücksichtigen. Die Ergebnisse der 2005 durchgeführten Erhebung sind den Angaben des Beklagten zufolge der Planfeststellungsbehörde zwar erst nach Erlass des Änderungs- und Ergänzungsbeschlusses vom 22. Dezember 2005 bekannt geworden. Darauf kommt es aber nicht an, weil die am Planfeststellungsverfahren als Fachbehörde beteiligte obere Naturschutzbehörde von den wesentlichen Ergebnissen der Grunddatenerhebung 2005 schon vorher Kenntnis erlangt hat. Bereits durch Sachstandsbericht des Gutachters vom 12. September 2005 wurde sie darüber informiert, dass die Biotopkartierung und die Abgrenzung der Lebensraumtypen erfolgt seien, wobei sich Änderungen gegenüber dem früheren Zustand ergeben hätten. Anfang Dezember 2005 und damit ebenfalls noch vor Erlass des Änderungs- und Ergänzungsbeschlusses leitete das Gutachterbüro ihr eine erste Fassung der Grunddatenerhebung zu. Diese auch als Rohentwurf bezeichnete Fassung wies in ihrem Textteil und den beigefügten Karten bereits den damals aktuellen Bestand an LRT-Flächen mit Angaben zur Gesamtfläche, zu den Flächenanteilen der einzelnen Wertstufen sowie zu Lage und räumlicher Ausdehnung der zugehörigen Vegetationsflächen aus. Trotz unterschiedlicher Zielrichtung der Verträglichkeitsuntersuchung aus dem Jahr 2002 und der mit Rücksicht auf die Berichtspflicht nach Art. 17 FFH-RL durchgeführten Grunddatenerhebung 2005 sind die jeweiligen Ergebnisse der Bestandserfassung und -bewertung vergleichbar; beide Untersuchungen wurden nach derselben Methode durchgeführt. Unter diesen Umständen hätten der Verträglichkeitsbeurteilung die infolge der vom Beklagten näher erläuterten dynamischen Gebietsentwicklung veränderten Verhältnisse zugrunde gelegt werden müssen.
Diese Änderungen reichen weit: Es sind im gesamten Gebiet, namentlich jedoch auch im planungsbetroffenen Bereich Flächen der LRT 6410 und 6510 sowohl neu entstanden als auch zwischenzeitlich entfallen. Die Gesamtfläche des LRT 6410 ist von 3,6 ha auf 3,1 ha zurückgegangen, die Gesamtfläche des LRT 6510 von 64,5 ha auf 69,06 ha angewachsen. Außerdem haben sich die Flächenanteile der einzelnen Wertstufen bei beiden Lebensraumtypen deutlich verschoben (vgl. im Einzelnen die Angaben in Tab. 1 des Schriftsatzes des Beklagten vom 29. August 2007).
2.3.1.2 Erfassung und Bewertung von Beeinträchtigungen
Jedenfalls auf der Grundlage der veränderten Daten hätte die Verträglichkeitsprüfung zu einem negativen Ergebnis führen müssen.
Ob ein Projekt das betreffende Schutzgebiet in seinen für die Erhaltungsziele bedeutsamen Bestandteilen erheblich beeinträchtigen kann, ist anhand seiner Auswirkungen auf den Erhaltungszustand der Gebietsbestandteile zu beurteilen. Maßgebliches Beurteilungskriterium ist der günstige Erhaltungszustand der geschützten Lebensräume und Arten im Sinne der Legaldefinitionen des Art. 1 Buchst. e und i FFH-RL; ein günstiger Erhaltungszustand muss trotz Durchführung des Vorhabens stabil bleiben (Urteil vom 17. Januar 2007 – BVerwG 9 A 20.05 – BVerwGE 128, 1 ≪Rn. 43≫). Das gemeinschaftsrechtliche Vorsorgeprinzip (Art. 174 Abs. 2 Satz 2 EG), das in Art. 6 Abs. 3 FFH-RL seinen Niederschlag gefunden hat (vgl. EuGH, Urteil vom 7. September 2004 – Rs. C-127/02 – Slg. 2004, I-7405 Rn. 58), verlangt allerdings nicht, die Verträglichkeitsprüfung auf ein “Nullrisiko” auszurichten. Ein Projekt ist vielmehr dann zulässig, wenn nach Abschluss der Verträglichkeitsprüfung kein vernünftiger Zweifel verbleibt, dass erhebliche Beeinträchtigungen vermieden werden (Urteil vom 17. Januar 2007 a.a.O. Rn. 60 unter Bezugnahme auf EuGH, Urteil vom 7. September 2004 a.a.O. Rn. 59). Um zu einer verlässlichen Beurteilung zu gelangen, muss die Verträglichkeitsprüfung die “besten einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse” (vgl. EuGH, Urteil vom 7. September 2004 a.a.O. Rn. 54) berücksichtigen und setzt somit die “Ausschöpfung aller wissenschaftlichen Mittel und Quellen” (vgl. Schlussanträge der Generalanwältin Kokott zu Rs. C-127/02, Slg. 2004, I-7405 Rn. 97) voraus (Urteil vom 17. Januar 2007 a.a.O. Rn. 62). Unsicherheiten über Wirkungszusammenhänge, die sich auch bei Ausschöpfung dieser Erkenntnismittel derzeit nicht ausräumen lassen, müssen freilich kein unüberwindbares Zulassungshindernis darstellen. Insoweit ist es zulässig, mit Prognosewahrscheinlichkeiten und Schätzungen zu arbeiten, die kenntlich gemacht und begründet werden müssen (Urteil vom 17. Januar 2007 a.a.O. Rn. 64). Zugunsten des Projekts dürfen bei der Verträglichkeitsprüfung die vom Vorhabenträger geplanten oder im Rahmen der Planfeststellung behördlich angeordneten Schutz- und Kompensationsmaßnahmen berücksichtigt werden, sofern sie sicherstellen, dass erhebliche Beeinträchtigungen verhindert werden (Urteil vom 17. Januar 2007 a.a.O. Rn. 53 m.w.N.). Für Kompensationsmaßnahmen (im Sinne der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung, vgl. § 19 Abs. 2 BNatSchG) wird sich diese Feststellung allerdings nur ausnahmsweise treffen lassen, da die genannten Maßnahmen in der Regel erst deutlich verzögert wirken und ihr Erfolg selten mit einer jeden vernünftigen Zweifel ausschließenden Sicherheit vorhergesagt werden kann (vgl. Schlussanträge der Generalanwältin Kokott zu Rs. C-239/04 – Slg. 2006, I-10183 Rn. 35).
Nach diesen Grundsätzen erweist sich die – auch im Änderungs- und Ergänzungsbeschluss vom 28. Februar 2008 nicht aufgegebene, sondern für den Fall abweichender Einschätzung um Hilfserwägungen ergänzte – Beurteilung, das Vorhaben sei mit den Erhaltungszielen des FFH-Gebiets “Lichtenauer Hochland” zu vereinbaren, als nicht haltbar. Für die Überprüfung ist im Einklang mit der durchgeführten Verträglichkeitsuntersuchung davon auszugehen, dass die Beeinträchtigungen des FFH-Gebiets durch den planfestgestellten Abschnitt und durch den Nachbarabschnitt VKE 31 gemeinsam zu berücksichtigen sind. Nur durch eine solche summierende Betrachtung lässt sich das Ausmaß der Gebietsbeeinträchtigungen sachgerecht erfassen. Erhebliche Beeinträchtigungen sind danach für Flächen sowohl des LRT 6410 als auch des LRT 6510 in Rechnung zu stellen. Lediglich für den Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläuling hat die Planfeststellungsbehörde zu Recht eine erhebliche Beeinträchtigung verneint.
2.3.1.2.1 Pfeifengraswiesen
Für den LRT 6410 lassen sich erhebliche Beeinträchtigungen durch vorhabenbedingte Grundwasserabsenkungen zwar mit der gebotenen Sicherheit ausschließen. Unter Berücksichtigung der in der Grunddatenerfassung 2005 gewonnenen Erkenntnisse über den Bestand an Pfeifengraswiesen ist aber zu besorgen, dass Flächen dieses Lebensraumtyps durch Stickstoffeinträge beim Betrieb der Straße und Trennwirkungen erheblich beeinträchtigt werden.
2.3.1.2.1.1 Der Kläger sieht die – durch unmittelbare Flächeninanspruchnahme nicht betroffenen – Pfeifengraswiesen nordöstlich und südwestlich der Autobahntrasse in erster Linie durch Grundwasserabsenkungen gefährdet, die während der Bauphase, danach aber auch dauerhaft durch die bauliche Anlage als solche aufträten. Hieran ist richtig, dass sich mit dem Vorhaben für die Pfeifengraswiesen ein hohes, auch vom Beklagten nicht in Abrede gestelltes Risikopotenzial verbindet. Die Einschätzung der Planfeststellungsbehörde, unter Beachtung der planfestgestellten Vorkehrungen seien die Risiken sicher beherrschbar, hält aber gerichtlicher Überprüfung stand.
Die behördliche Beurteilung stützt sich auf zwei vom Vorhabenträger eingeholte Gutachten der HGN Hydrogeologie GmbH vom 18. September 2003 (HGN 2003) und vom 30. November 2004 (HGN 2004). Beide Gutachten sind in Ansatz und Durchführung plausibel. Im Rahmen des ersten Gutachtens sind u.a. verfügbare Daten über die meteorologischen Standortverhältnisse ausgewertet, Bohrungen zur Bestimmung der geologischen Gegebenheiten und der Grundwasserstände vorgenommen, Pumpversuche zur Erfassung des hydraulischen Systems (Grundwasserfluss) durchgeführt und Parameter des Bodenwasserhaushalts ermittelt worden. Ergänzend zur analytischen Auswertung der Bohrungen und Versuche haben die Gutachter ein Modell zur Bewertung der hydraulischen Verhältnisse auf der Hochfläche entwickelt. Das zweite Gutachten baut auf dem ersten auf; es hat das Grundwasserströmungsmodell unter Auswertung weiterer Daten präzisiert und zusätzlich ein Bodenwasserhaushaltsmodell entwickelt, das dazu dient, Auswirkungen von Grundwasserabsenkungen auf den für die Vegetation wesentlichen Bodenwasserhaushalt zu ermitteln. Beide Gutachten kommen übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass ohne flankierende Maßnahmen das Grundwasser unter den Pfeifengraswiesen in einem die Pflanzen gefährdenden Ausmaß (im Hochwasserfall um maximal 0,5 m und im Niedrigwasserfall während der Monate Mai bis September um maximal 1 m) abgesenkt würde. Werde die Trasse hingegen bis zum Standort der im ursprünglichen Planfeststellungsbeschluss vorgesehenen Grünbrücke abgedichtet und erfolgten die Arbeiten nach dem vorgeschlagenen Bauzeitenplan, so komme es lediglich zu einer für die Pflanzen unbedenklichen temporären Absenkung des Grundwasserspiegels in weit geringerer Stärke während der für das Pflanzenwachstum weniger bedeutsamen Hochwasserphase in den Monaten Oktober bis April (vgl. HGN 2004 S. 46).
Die vom Kläger gegen die Gutachten vorgebrachten Einwände stellen deren Aussagekraft nicht infrage. Bereits die vom Beklagten mit seiner Klageerwiderung vorgelegte Stellungnahme der Planungsgruppe Ökologie und Umwelt hat sich mit ihnen detailliert auseinandergesetzt und insbesondere die Vorwürfe entkräftet, die sich gegen die Durchführung von Bohrungen und Pumpversuchen richten (S. 37 f.). Soweit hinsichtlich der Auswertung des Pumpversuchs im Keuper an der Grundwassermessstelle 02/375 noch Unklarheiten verblieben, sind diese durch die Erläuterungen in der Stellungnahme der HGN vom 19. Februar 2008 und die ergänzenden Ausführungen des HGN-Gutachters in der mündlichen Verhandlung ausgeräumt worden. Ein Kausalzusammenhang zwischen dem Pumpversuch und der Absenkung in der weit entfernten Grundwassermessstelle 02/365 erscheint mit Rücksicht auf die Messstände in anderen Messstellen als ausgeschlossen; die Absenkung lässt sich stattdessen plausibel auf die Wetterbedingungen zurückführen, die auch in anderen Messstellen Absenkungen bewirkt haben.
Der Vorwurf des Klägers, aus den Messergebnissen der Grundwassermessstelle 441 seien Fehlschlüsse für die baubedingten Auswirkungen des in Deckelbauweise zu erstellenden Tunnelteils gezogen worden, ist nicht berechtigt. Nach den zwischen Juli 2001 und Februar 2003 dort gemessenen Werten schwanken die Grundwasserstände zwischen 391 und 392 m NN in der Niedrigwasserphase sowie zwischen 394 und 395 m NN in der Hochwasserphase (vgl. HGN 2003 S. 21 Abb. 7). Die Gradiente liegt im Bereich der Messstelle am östlichen Ende des Planfeststellungsabschnitts auf 392,6 m NN; der Gradiententiefstpunkt wird mit 392,365 m NN ca. 80 m weiter östlich im Nachbarabschnitt VKE 31 erreicht. Hieraus folgt, dass die Aussage der Gutachten zutrifft, in der Niedrigwasserphase werde die Gradiente über dem Grundwasserspiegel liegen. Der Kläger weist zwar zu Recht darauf hin, dass für den Bau der Straße der Boden bis über die Gradiente hinaus abgetragen werden muss. Angesichts der im Bauzeitenplan vorgesehenen zügigen Wiederverfüllung ist dieser Aspekt aber zu vernachlässigen. Dass bei mittleren und hohen Wasserständen die Gradiente teilweise deutlich unterhalb des Grundwasserspiegels liegen wird, ist in die Berechnungen beider Gutachten einbezogen worden; die Zuflussmengen während der Bauphase lassen sich den Tabellen 7-4 und 7-5 von HGN 2004 ebenso entnehmen wie die daraus abgeleiteten Grundwasserabsenkungen im Trassenumfeld einschließlich der Pfeifengraswiesen (HGN 2004 Anlage 4 Bl. 1 und 2). Der aus den prognostizierten Absenkungen abgeleiteten Empfehlung des Gutachtens HGN 2004, den gedeckelten Trogbereich bei Niedrigwasser (Sommer bis Herbst) zu errichten, trägt die Planung Rechnung (vgl. Deckblatt zum Erläuterungsbericht des Vorentwurfs Schulbergtunnel S. 13). Die Bauzeitenanteile, die auf die Deckelbauweise entfallen, summieren sich zwar auf mehr als 20 Monate. Für den Wasserhaushalt bedeutsam ist aber nach den in der mündlichen Verhandlung vom HGN-Gutachter befriedigend erläuterten Angaben im Planfeststellungsbeschluss (S. 253) allein die mit vier Monaten veranschlagte vierte Bauphase. Sie soll nach dem Bauzeitenplan jedenfalls ganz überwiegend in den Sommermonaten erfolgen (PFB S. 253).
Dass der Einschnitt südöstlich des Schulbergtunnels bei Hochwasserlagen in das Hochwasser eingreifen wird, ist unbedenklich. Auch diesen Punkt haben die Gutachter der Straßenbauverwaltung ausweislich der Stellungnahme der Planungsgruppe Ökologie und Umwelt (S. 39) berücksichtigt. Dass sie ihm keine Bedeutung für den Bodenwasserhaushalt der Pfeifengraswiesen beimessen, leuchtet aufgrund ihrer vom Kläger nicht substanziiert angegriffenen Angaben zur Reichweite der einschnittsbedingten Grundwasserabsenkung ein; dies umso mehr, als sie darauf hingewiesen haben, dass die Entwässerung im Bereich südöstlich des Tunnels maßgeblich durch den deutlich tieferen Einschnitt der Eisenbahntrasse bestimmt wird.
Dass das hydrogeologische Gutachten HGN 2004 von einem einheitlichen Wurzelparameter der charakteristischen Arten des LRT 6410 ausgegangen ist, hat nicht zu Fehlbeurteilungen der Auswirkungen des Vorhabens auf den Wasserhaushalt der Pfeifengraswiesen geführt. Allerdings variiert die Wurzeltiefe der betreffenden Arten deutlich; sie reicht, wie der Beklagte eingeräumt hat, von 20 – 40 cm bis zu 1,3 m. Die pauschalierende Annahme eines Wurzelparameters von 75 cm erweist sich gleichwohl als unbedenklich, weil die flachwurzelnden Arten nach den vom Kläger nicht substanziiert bestrittenen Darlegungen des Beklagten keinen fortwährenden direkten Grundwasseranschluss benötigen, sondern in der Lage sind, ein temporäres Absinken des Grundwasserstandes durch eine erhöhte Saugspannung zu kompensieren. Da die prognostizierten Grundwasserabsenkungen mit Werten von 10 bis 50 cm gering sind und sich zugleich auf einen kurzen, weitgehend mit der winterlichen Ruhephase der Pflanzen zusammenfallenden Zeitraum während der Bauphase beschränken, ist der Schluss gerechtfertigt, Schäden seien auf der Grundlage der prognostizierten Absenkungswerte auszuschließen.
Die Überlegungen, mit denen der Kläger anlagebedingte Beeinträchtigungen der hydrologischen Verhältnisse begründet, sind nicht stichhaltig. Das gilt zum einen für die Auswirkungen des Tunnelbauwerks. Die Bohrpfähle für den in Deckelbauweise zu errichtenden Tunnelteil, in denen der Kläger eine für das Grundwasser undurchdringliche Sperrwand sieht, können den Grundwasserfluss schon deshalb nicht wesentlich beeinflussen, weil sie generell in Grundwasserfließrichtung gesetzt werden sollen (vgl. die Stellungnahme der Planungsgruppe Ökologie und Umwelt S. 38). Selbst vereinzelt auftretende horizontale Strömungen würden der Stellungnahme zufolge nicht wesentlich behindert, weil die Tunneltrasse auf der Wasserscheide zwischen dem Stedtebach im Nordosten und der Losse im Südwesten verläuft. Aus demselben Grund können auch oberflächennahe Abflüsse von Regensickerwasser durch die Entfernung oberer Schichten im Deckelbereich nicht wesentlich eingeschränkt werden. Die Behandlung des Bodens – lagenweiser Abtrag, Zwischenlagerung und lagenweiser Wiedereinbau – wirkt Veränderungen der Abflussverhältnisse im Übrigen entgegen. Die vom Kläger geäußerte Vermutung, das Tunnelbauwerk werde landwirtschaftliche Drainagesysteme unterbrechen, von denen den Pfeifengraswiesen Wasser zufließe, ist spekulativer Natur. Ebenso wenig wie durch das Tunnelbauwerk kann der Zufluss oberflächennahen Wassers auf die Pfeifengraswiesen schließlich durch den offenen Einschnitt in nennenswertem Umfang behindert werden. Wegen seiner Lage im Bereich der Wasserscheide vermag der Einschnitt auch insoweit keine ins Gewicht fallende Wirkung zu entfalten.
Ist die Aussagekraft der Gutachten nach allem keinen durchgreifenden Einwänden ausgesetzt, so verbleiben doch auch nach eigener Einschätzung der Planfeststellungsbehörde aufgrund der komplizierten hydrogeologischen Verhältnisse prognostische Risiken, die mit den gutachterlich entwickelten Modellen nicht völlig ausgeschlossen werden können. Um deren Beherrschbarkeit zu gewährleisten, hat der Planfeststellungsbeschluss bereits i.d.F. des ersten Änderungs- und Ergänzungsbeschlusses ein sogenanntes Beweissicherungsverfahren angeordnet, in dem nicht prognostizierte Wirkungsabläufe durch Messungen rechtzeitig erfasst und Gegenmaßnahmen getroffen werden sollen. Dieses Konzept eines Risikomanagements ist im Änderungs- und Ergänzungsbeschluss vom 28. Februar 2008 verfeinert und um zusätzliche Sicherungs-, Kontroll- und Reaktionsmaßnahmen ergänzt worden. Der Beklagte hat damit ein anerkanntes Instrument zur Beherrschung von Prognoserisiken genutzt (vgl. Urteil vom 17. Januar 2007 – BVerwG 9 A 20.05 – BVerwGE 128, 1 Rn. 55, 64 und 66 m.w.N.). Dieses Konzept legt nicht nur hinreichend genau fest, unter welchen Voraussetzungen ergänzende Schutzvorkehrungen getroffen werden müssen, sondern grenzt die Vorkehrungen auch inhaltlich in einer Weise ein, die den Erfordernissen der Bestimmtheit und der nötigen Flexibilität ausgewogen Rechnung trägt. Dass der Beklagte den Planfeststellungsbeschluss erst in der mündlichen Verhandlung nach Durchführung eines entsprechenden ergänzenden Verfahrens um die weiteren Auflagen ergänzt hat, ist unbedenklich. Ein ergänzendes Verfahren (§ 17e Abs. 6 Satz 2 Halbs. 1 FStrG) kann auch prozessbegleitend durchgeführt und mit einer Entscheidung abgeschlossen werden, die in den laufenden Verwaltungsrechtsstreit einbezogen wird (Urteil vom 17. Januar 2007 a.a.O. Rn. 71 m.w.N.). Da die ergänzenden Auflagen nicht die Grundzüge der Planung berühren, stand dem Beklagten dieser Weg offen.
Die Einwände des Klägers gegen das Maßnahmenkonzept greifen nicht durch. Unter welchen Voraussetzungen auf nicht prognostizierte Entwicklungen reagiert werden muss, ist in den Auflagen A. 5 – 11 des Beschlusses vom 28. Februar 2008 hinreichend genau umschrieben. Dass das Niedrigwasserjahr 2003 für das Grundwassermodell als Bezugsjahr gewählt worden ist, begegnet keinen Bedenken. Die damals ermittelten Messwerte liegen jedenfalls noch innerhalb der natürlichen Schwankungsbreite und sind deshalb als Grenzkriterien für – kurzzeitig – tolerable Grundwasserabsenkungen geeignet. Sofern die Dauerbeobachtungsstellen in den Pfeifengraswiesen Austrocknungsschäden über einen schon 2001 beginnenden 5-jährigen Zeitraum ausweisen, deutet dies auf langfristig wirksame Ursachen hin und besagt daher nichts gegen die Messwerte des Jahres 2003 als Bezugsgröße für kurzzeitige Einwirkungen. Ferner ist auch ohne Vorlage des Konzepts zur hydrogeologischen Beweisführung vom 6. September 2006 ausreichend klar, bei welchen Grundwasserständen und Gewässerdurchflussraten die vorgesehenen Sicherungsmaßnahmen ergriffen werden sollen (vgl. dazu die Auflagen A. 9 und 11 des Beschlusses vom 28. Februar 2008).
2.3.1.2.1.2 Hingegen verbleiben auch unter Berücksichtigung der zur Minderung von Stickstoffeinträgen angeordneten Bewirtschaftungsmaßnahmen vernünftige Zweifel daran, dass die Pfeifengraswiesen von erheblichen Beeinträchtigungen durch die beim Betrieb der Autobahn zu erwartenden Stickstoffbelastungen verschont bleiben. Die unter B. 1 des Beschlusses vom 28. Februar 2008 angeordnete frühe erste Mahd kann die betroffenen Flächen sogar zusätzlich gefährden und ist deshalb mit § 20d Abs. 2 HeNatG a.F. (§ 34 Abs. 2 BNatSchG) unvereinbar.
Stickstoff beeinflusst die Nährstoffversorgung der Pflanzen. Er wirkt wie Dünger. Das kann dazu führen, dass sich die Wachstumsbedingungen für solche Pflanzen verbessern, die die auf Magerstandorte angewiesenen charakteristischen Pflanzenarten der Pfeifengraswiesen verdrängen. Pfeifengraswiesen sind deshalb gegenüber Stickstoffeinträgen besonders empfindlich (vgl. Tab. 17 der Verträglichkeitsuntersuchung). Abgesicherte lebensraumspezifische Wirkungswerte liegen für Stickstoffeinwirkungen bisher nicht vor (vgl. Vollzugshilfe zur Ermittlung erheblicher und irrelevanter Stoffeinträge in Natura 2000-Gebiete des Landesumweltamts Brandenburg, 2005, S. 5 – nachfolgend: Vollzugshilfe). Dementsprechend gibt es noch keine allgemein anerkannten Bewertungsverfahren und Belastungsgrenzen für FFH-Lebensraumtypen (vgl. Urteil vom 17. Januar 2007 a.a.O. Rn. 109). Insbesondere reicht der allgemein zum Schutz der Vegetation dienende Luftkonzentrationsgrenzwert für Stickstoffoxide in § 3 Abs. 6 der 22. BImSchV als verlässlicher Beurteilungsmaßstab für die je spezielle Empfindlichkeiten aufweisenden FFH-Lebensraumtypen nicht aus. Größere Aussagekraft für die Beurteilung hat das Konzept der Critical Loads (nachfolgend: CL), das im Rahmen der UN-ECE-Luftreinhaltekonvention entwickelt worden ist. CL sollen naturwissenschaftlich begründete Belastungsgrenzen für Vegetationstypen oder andere Schutzgüter umschreiben, bei deren Einhaltung eine Luftschadstoffdeposition auch langfristig keine signifikant schädlichen Effekte erwarten lässt (Vollzugshilfe S. 20). Um CL zu ermitteln, sind unterschiedliche methodische Ansätze verfolgt worden (empirische und modellierte CL); wie die Erläuterungen durch die Gutachter der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung gezeigt haben, hat dieser Klärungsprozess aber noch nicht zu eindeutigen Ergebnissen geführt. In dieser durch Unsicherheiten des Erkenntnisstandes und der Methodik bestimmten Situation ist es rechtlich nicht zu beanstanden, auf einen der in der Wissenschaft angebotenen und nachvollziehbar begründeten methodischen Ansätze zurückzugreifen und auf dieser Grundlage eine Risikoeinschätzung vorzunehmen (vgl. Urteil vom 17. Januar 2007 a.a.O. Rn. 109).
Hiervon ausgehend ist gegen die Verfahrensweise der Verträglichkeitsuntersuchung im Grundsatz nichts einzuwenden. Die Prüfung ist zweigleisig erfolgt. Sie hat sich nicht auf eine Grobabschätzung am Maßstab des Luftkonzentrationsgrenzwertes für Stickstoffoxide von 30 µg/m(3) im Jahresmittel (§ 3 Abs. 6 der 22. BImSchV) beschränkt, sondern eine Beurteilung nach dem CL-Konzept vorgenommen. Dazu haben die Gutachter aus den Luftkonzentrationen die Depositionsraten, gemessen in kg N/ha*a nach einer im Anhang der Verträglichkeitsuntersuchung (S. A 17) wiedergegebenen Formel errechnet und mit dem für einschlägig gehaltenen CL-Wert verglichen, ohne dass insoweit methodische Fehler erkennbar wären. Bedenken begegnet jedoch – bezogen auf die Pfeifengraswiesen – der herangezogene CL-Wert für “neutrale bis saure, artenreiche Grünlandgesellschaften” von 30 kg N/ha*a. Er entspricht der Obergrenze des in der Vollzugshilfe angegebenen empirischen CL-Werts für “Mähwiesen tiefer und mittlerer Lagen” – LRT 6510 – (Anhang 1 B der Vollzugshilfe) von 20 bis 30 kg N/ha*a. Für “Pfeifengraswiesen” – LRT 6410 – empfiehlt die Vollzugshilfe hingegen mit Rücksicht auf deren besondere Empfindlichkeit gegen Stickstoffeinträge einen Wert von 15 bis 25 kg N/ha*a. Die in der Vollzugshilfe vorgeschlagenen Werte gehen zurück auf die im Rahmen eines internationalen Workshops der UN/ECE von Fachleuten in der “Berner Liste” benannten Werte. Angesichts dessen ist davon auszugehen, dass in die empfohlenen Werte das verfügbare Expertenwissen eingegangen ist. Deshalb bedürfte es einer besonderen Rechtfertigung, für Pfeifengraswiesen höhere Werte zugrunde zulegen. Eine entsprechende Begründung ist der Beklagte indes auch in der mündlichen Verhandlung schuldig geblieben, so dass die niedrigeren Werte der Vollzugshilfe als maßgeblich anzusehen sind, wobei jedenfalls der untere Wert der benannten Spannbreite unbedenklich ist.
Soweit sich der Kläger demgegenüber auf eine Veröffentlichung von Balla (Naturschutz und Landschaftsplanung 2005, S. 169 ≪173, Tab. 1≫) beruft, in der für “feuchtes und nasses nährstoffarmes Grasland mit Pfeifengras” eine Spannbreite der CL-Werte von 5 bis 25 kg N/ha*a angegeben wird, rechtfertigt das keine andere Beurteilung. Die Publikation verweist auf eine im Zuge der Arbeiten zur UN/ECE-Konvention gefertigte Zusammenstellung, die mit der Berner Liste identisch sein dürfte; erläuternd wird ausgeführt, für die Wertespannen gelte die Empfehlung, die unteren Werte bei kaltem Klima, langer Frostperiode, trockenen Bodenverhältnissen, geringem Basengehalt des Bodens, N-Limitierung und geringer Management-Intensität und die Verwendung der oberen Werte bei warmen Klima, fehlender Frostperiode, feuchten Bodenverhältnissen, hohem Basengehalt, P-Limitierung und hoher Management-Intensität zu verwenden, während mittlere Werte bei mittleren Verhältnissen der genannten Standortbedingungen einschlägig seien. In Anbetracht der klimatischen Verhältnisse im Untersuchungsraum und des FFH-Schutzregimes, das für die Zukunft eine vergleichsweise hohe Managementqualität erwarten lässt, könnte auch bei einer Orientierung an dem von Balla angegebenen Rahmen nur ein mittlerer Wert in Betracht gezogen werden, so dass sich keine anderen Ergebnisse als bei Anwendung des unteren Werts der Vollzugshilfe ergäben.
Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung anhand von Karten dargelegt, welche Flächen des LRT 6410 einer Stickstoffdeposition oberhalb eines CL-Werts von 15 kg N/ha*a unterliegen werden. Betroffen ist nach dem maßgeblichen Stand der Grunddatenerfassung 2005 eine Fläche von 0,18 ha. Dieses Ergebnis kann der Verträglichkeitsbeurteilung zugrunde gelegt werden. Dem steht nicht entgegen, dass in die Berechnung unter Hinweis auf Angaben im Waldzustandsbericht 2002 des Hessischen Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft und Forsten über einen entsprechenden hessenweiten Mittelwert eine Vorbelastung von nur 9,4 kg N/ha*a eingestellt worden ist (S. 79 der Verträglichkeitsuntersuchung). Der Kläger hat demgegenüber erstmals in seiner in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Stellungnahme zum zweiten ergänzenden Verfahren unter Berufung auf Angaben in einem vom Umweltbundesamt verantworteten Informationsprogramm “Osiris” geltend gemacht, die Vorbelastung im Raum Hessisch Lichtenau betrage 19 kg N/ha*a (Stand 2004) mit der Folge, dass ein Großteil der Pfeifengraswiesen des Lichtenauer Hochlandes einer über die CL hinausreichenden Gesamtbelastung unterliegen werde. Diesen Vortrag weist der Senat indessen gemäß § 87b Abs. 3 VwGO i.V.m. § 17 Abs. 6b Satz 2 FStrG a.F. bzw. § 17e Abs. 5 Satz 2 FStrG n.F. als verspätet zurück. Ob die Osiris-Werte zutreffen, wie sich die Größenordnung der Gesamtbelastung auf ihrer Basis verändern würde und wie Zusatzbelastungen naturschutzfachlich zu bewerten sind, die zu einer die CL bereits ausschöpfenden Vorbelastung hinzutreten, könnte ohne weitere Ermittlungen nicht beurteilt werden. Diese Ermittlungen waren in der mündlichen Verhandlung nicht zu leisten. Die Berücksichtigung des neuen Vorbringens hätte die Erledigung des Rechtsstreits also unweigerlich verzögert. Gründe, warum es dem Kläger nicht möglich gewesen sein sollte, sich innerhalb der Klagebegründungsfrist auf die im Internet verfügbaren Osiris-Werte zu berufen, sind weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. Im Hinblick auf die ohnehin lange Dauer des vorliegenden Verfahrens und den Umstand, dass diesem bereits ein Prozess in gleicher Sache und ein ergänzendes Verfahren vorausgegangen sind, hält der Senat eine weitere Verzögerung nicht für verantwortbar.
Der vom Kläger in seinem nachgelassenen Schriftsatz vom 9. März 2008 erhobene weitere Einwand, die in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Karten stickstoffbelasteter Flächen wiesen unter Abzug der zugrunde gelegten Vorbelastungswerte Zusatzbelastungen auf, die nicht mit den in der Verträglichkeitsuntersuchung errechneten Zusatzbelastungen übereinstimmten, ist gleichfalls nicht berücksichtigungsfähig. Dem Kläger ist ein Schriftsatznachlass antragsgemäß nur bezogen auf den Änderungs- und Ergänzungsbeschluss vom 28. Februar 2008 gewährt worden, zu dessen Regelungsgegenständen die Verträglichkeitsprüfung lediglich insoweit gehört, als zusätzliche Schadensvermeidungs- und -minderungsmaßnahmen festgesetzt worden sind.
Muss demnach von einer unter dem Vorsorgegesichtspunkt bedenklichen Belastung von 0,18 ha des LRT 6410 ausgegangen werden, so ist eine erhebliche Beeinträchtigung in Rechnung zu stellen. Die Gefahr einer schleichenden Artenverarmung oder gar völligen Degeneration von Pfeifengraswiesen in dieser Größenordnung stellt in Anbetracht der besonderen ökologischen Wertigkeit dieses Lebensraumtyps, seiner Seltenheit im natürlichen Verbreitungsgebiet und dem nicht unbeträchtlichen Anteil der betroffenen Flächen am Gesamtbestand des Lebensraumtyps im Schutzgebiet keine Bagatelle dar. Dies gilt umso mehr, als der Kläger belegt hat, dass durch Überdüngung degenerierte Pfeifengraswiesen sich nur schwer wiederherstellen lassen. Das einschlägige Erhaltungsziel des FFH-Gebiets ist deshalb in nicht zu vernachlässigendem Maße nachteilig berührt.
Die planfestgestellte Schadensbegrenzungsmaßnahme M 6 schließt die Erheblichkeit der zu besorgenden Beeinträchtigungen nicht aus. Soweit sie aufgrund der Modifizierung unter B. 1 des Änderungs- und Ergänzungsbeschlusses vom 28. Februar 2008 eine erste Mahd im Zeitraum Mitte Juni vorsieht, ist nicht auszuschließen, dass sie die betroffenen Flächen im Gegenteil sogar zusätzlich gefährdet. Infolgedessen fehlt ihr die Eignung als eine den FFH-rechtlichen Anforderungen gerecht werdende Schadensminderungsmaßnahme. Dieser Rechtsmangel berührt freilich nicht die Planung im Übrigen, die – wie noch auszuführen sein wird – im Wege der Abweichungsentscheidung zugelassen werden durfte; die Anordnung unterliegt deshalb als abtrennbarer Teil der Gesamtregelung isolierter Aufhebung.
Der Beklagte hat nicht den Nachweis erbracht, dass eine auf Dauer angeordnete erste Mahd in der Mitte des Monats Juni für die Pfeifengraswiesen unschädlich wäre. Die vom Kläger vorgelegte Fachliteratur weist einhellig auf die besondere Bedeutung hin, die Zeit und Häufigkeit der Mahd für die Erhaltung von Pfeifengraswiesen haben. Während manche Äußerungen ohnehin nur eine einschürige Herbstmahd empfehlen, halten andere auch eine zweischürige Mahd für sachgerecht, betonen aber die Notwendigkeit lagespezifischer Mahdtermine. Für Wiesen im montanen Bereich, um den es sich beim Lichtenauer Hochland handelt, wird der Beginn des Monats Juli genannt (vgl. Synopsis der Pflanzengesellschaften Deutschlands, Heft 9, 2004, S. 74 und 76) und generell gewarnt, eine sehr frühzeitige Mahd könne die Regenerationsfähigkeit von Wiesenpflanzen überfordern (Nowak/Schulz, Wiesen, 2002, S. 159). Der Kläger hat dies ebenfalls unter Angabe entsprechender Belege in der Fachliteratur dahingehend erläutert, dass zahlreiche in den Pfeifengraswiesen auftretende Arten bei einem frühen ersten Schnitt weder vorher noch nachher zur Blüte bzw. Fruchtreife gelangen und sich deshalb nicht mehr fortpflanzen können. Angesichts derartiger Risiken ist nicht auszuschließen, dass die Anordnung einer frühen ersten Mahd sich als kontraproduktiv erweist.
In ihren verbleibenden Bestandteilen (Herbstmahd zwischen dem 15. September und 15. Oktober, Verzicht auf eine Düngung des Flurstücks 63/1) mag die Maßnahme M 6 geeignet sein, einer Stickstoffanreicherung entgegenzuwirken. Es ist aber jedenfalls nicht gesichert, dass dies in ausreichendem Maße geschehen wird. Anders als im Planfeststellungsbeschluss i.d.F. vom 22. Dezember 2005 (S. 253 f.) und in der Verträglichkeitsuntersuchung (S. 99) ist im Beschluss vom 28. Februar 2008 der Versuch unternommen worden, den Ausmagerungseffekt zu quantifizieren. Den Angaben über die Mengen des Stickstoffentzugs liegen aber Annahmen zur Menge des Mähgutes zugrunde, die – für Pfeifengraswiesen – nicht nachvollziehbar belegt sind. Im Übrigen fehlt den Angaben schon deshalb jede Aussagekraft, weil sie sich nur auf die nicht durchführbare zweimalige Mahd beziehen und deren Bedeutung für eine Ausmagerung besonders hervorheben. Plausibel und durch einschlägige Fachliteratur belegt ist im Übrigen auch der Einwand des Klägers, Stickstoff lagere sich weit überwiegend im Wurzelwerk der Pflanzen an und lasse sich ihnen durch die Mahd daher nur in untergeordnetem Umfang entziehen.
2.3.1.2.1.3 Ebenso wenig lassen sich erhebliche Beeinträchtigungen durch Trennwirkungen ausschließen. Die Verträglichkeitsuntersuchung verneint solche Wirkungen aufgrund der Tunnelbauweise (S. 67). Diese Begründung überzeugt nicht, weil die Trasse im Bereich der Luftlinie zwischen den nordöstlich und südwestlich von ihr liegenden Pfeifengraswiesen im offenen Einschnitt verläuft. Dementsprechend haben die Gutachter des Vorhabenträgers in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, die Autobahn werde einen genetischen Austausch zwischen den Flächen des LRT 6410 durch Wind und Botentiere zwar nicht unterbinden, aber einschränken. In Anbetracht der Entfernungen zwischen den Flächen beiderseits der Trasse und der geringen Größe vor allem der nordöstlichen Wiesen hätten sie ihre Einschätzung, der verbleibende Austausch werde ausreichen, um die Pfeifengraswiesen dauerhaft in einem günstigen Erhaltungszustand zu bewahren, näher belegen müssen. Valide Erkenntnisse, die ihre Beurteilung untermauern, haben sie jedoch nicht benannt. Auch in dieser Hinsicht ist der Nachweis der Unbedenklichkeit mithin nicht geführt.
2.3.1.2.2 Extensive Mähwiesen
Flächen des LRT 6510 unterliegen sowohl unmittelbaren Inanspruchnahmen als auch mittelbaren Einwirkungen, denen die Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen des FFH-Gebiets nicht attestiert werden kann.
2.3.1.2.2.1 Die Verträglichkeitsuntersuchung weist anlagebedingte Flächenverluste des LRT 6510 von 0,82 ha aus. Unter Berücksichtigung der Grunddatenerhebung 2005 ist nach den Erläuterungen des Beklagten in der mündlichen Verhandlung, die durch die vorgelegten Karten bestätigt werden, eine 0,25 ha große Teilfläche des Flurstücks 37/1 hinzugekommen. Außerdem muss ein 0,15 ha großer Streifen auf dem im Jahr 2005 als LRT-Fläche erfassten Flurstück 37/1 berücksichtigt werden, auf dem im Rahmen der Schadensbegrenzungsmaßnahme M 2 LRT-fremde Leitpflanzungen erfolgen sollen. Die Forderungen des Klägers, weitere anlagebedingte Flächenverluste in Ansatz zu bringen, sind dagegen nicht berechtigt. Für die Verlegung einer Gasleitung, die in dem Weg auf dem Flurstück 46/2 verlaufen soll, ist eine Inanspruchnahme der südwestlich anschließenden LRT-Fläche nicht vorgesehen; diese soll im Gegenteil durch einen Bauzaun geschützt werden. Es besteht auch keine Notwendigkeit, zusätzlich einen bauflächenbegleitenden Zuschlag von 5 m im Hinblick auf Zäune und Schutzpflanzungen einzubeziehen. Dass Zäune in einer eine regelmäßige Mahd ausschließenden Weise gesetzt werden, ist der Planung nicht zu entnehmen. Schutzpflanzungen sollen nach den Angaben in der Verträglichkeitsuntersuchung (S. 90) von den LRT-Flächen durch einen 2 bis 3 m breiten Saum getrennt werden, um eine Verschattung zu vermeiden; auch insoweit ist keine schädigende Einwirkung ersichtlich. Anlagebedingt kommt es mithin zu Flächenverlusten i.H.v. 1,22 ha.
Bei den baubedingten Flächenverlusten haben sich im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt gegenüber dem Stand zum Zeitpunkt der Verträglichkeitsuntersuchung insofern Änderungen ergeben, als eine für den Bau des Tunneldeckels beanspruchte Teilfläche der Flurstücke 46/1 und 46/2 von 0,94 ha nach Herausnahme aus einem Flächenstilllegungsprogramm im Rahmen der landwirtschaftlichen Nutzung umgebrochen worden ist und eine im Bereich des westlichen Tunnelportals für Bauarbeiten beanspruchte Fläche von 0,03 ha die Eigenschaft einer extensiven Mähwiese erlangt hat. Unter Berücksichtigung der für den Bau des Tunneldeckels weiterhin benötigten Teilfläche der Flurstücke 64/2 und 64/3 im Umfang von 0,27 ha ist demnach ein baubedingter Flächenverlust von insgesamt 0,3 ha anzusetzen (vgl. insoweit die Angaben auf S. 11 Tab. 3 des Schriftsatzes des Beklagten vom 29. August 2007).
Neben den anlagebedingten sind auch die baubedingten Beeinträchtigungen für die Beurteilung der Verträglichkeit zu berücksichtigen. Daran ändert nichts, dass auf dem Tunneldeckel im Zuge der Schadensbegrenzungsmaßnahme M 4 Vegetationsflächen des Lebensraumtyps 6510 neu geschaffen werden sollen. Da die Entwicklung dieser Flächen selbst nach Angaben des Beklagten fünf bis zehn Jahre dauern wird, ist die angestrebte Kompensation hier nicht geeignet, eine ins Gewicht fallende Beeinträchtigung des Erhaltungsziels von vornherein auszuschließen.
In der Summe gehen folglich 1,52 ha extensiver Mähwiesen verloren. Das entspricht einem Anteil von 2,2 % an der Gesamtfläche dieses Lebensraumtyps von ca. 69 ha im Lichtenauer Hochland nach dem Stand der Grunddatenerfassung 2005 (vgl. die oben zitierte Tabelle). Ein Flächenverlust dieser – absoluten und relativen – Größe stellt ungeachtet des Umstandes, dass es sich bei den entfallenden Flächen weit überwiegend um solche der unteren Wertstufe C handelt, eine erhebliche Beeinträchtigung dar.
Die Erheblichkeit von Flächenverlusten ist, wie sich aus den allgemeinen Ausführungen zur Erheblichkeit von Beeinträchtigungen ergibt, nach dem Kriterium des günstigen Erhaltungszustandes zu beurteilen. Die Legaldefinition des günstigen Erhaltungszustandes eines natürlichen Lebensraums stellt u.a. darauf ab, ob das natürliche Verbreitungsgebiet des Lebensraums sowie die Flächen, die er in diesem Gebiet einnimmt, beständig sind oder sich ausdehnen. Das legt es nahe, grundsätzlich jeden direkten Flächenverlust als erheblich zu werten (vgl. Urteil vom 17. Januar 2007 – BVerwG 9 A 20.05 – BVerwGE 128, 1 Rn. 50). Dafür spricht auch, dass es anders als bei sonstigen Einwirkungen für dauerhafte Flächeninanspruchnahmen strenggenommen keine Toleranzschwellen gibt, unterhalb derer der geschützte Lebensraum nach einer Störung wieder zum ursprünglichen Gleichgewicht zurückkehren kann. Ob direkte Flächenverluste dennoch ausnahmsweise unerheblich sein können, ist im vorgenannten Urteil offengeblieben (Rn. 50 und 95). Unter Beachtung des gemäß Art. 5 Abs. 3 EG auch für das Gemeinschaftsrecht geltenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, der eine Beurteilung am Maßstab praktischer Vernunft gebietet, ist diese Frage für solche Flächenverluste zu bejahen, die lediglich Bagatellcharakter haben.
Eine Orientierungshilfe für die Beurteilung, ob ein Flächenverlust noch Bagatellcharakter hat, bietet der Endbericht zum Teil Fachkonventionen des im Auftrag des Bundesamtes für Naturschutz durchgeführten Forschungsvorhabens “Fachinformationssystem und Fachkonventionen zur Bestimmung der Erheblichkeit im Rahmen der FFH-VP”, Schlussstand Juni 2007 (nachfolgend: FuE-Endbericht). Dem darin unterbreiteten Fachkonventionsvorschlag (S. 33) liegt die gesetzeskonforme Annahme zugrunde, LRT-Flächenverluste stellten in der Regel eine erhebliche Beeinträchtigung dar. Ausnahmen von der Grundannahme knüpft der Konventionsvorschlag an sehr enge Voraussetzungen und stellt dabei kumulativ neben anderen Kriterien auf Orientierungswerte absoluten und relativen Flächenverlustes ab. Die vorgeschlagenen Werte stützen sich auf Analysen der ökologischen Parameter und Eigenschaften der Lebensraumtypen wie Seltenheit, Gefährdung und Regenerationsfähigkeit sowie eine Auswertung der FFH-Gebietskulisse (durchschnittliche Bestandsgröße des Lebensraumtyps in den Gebieten, Gesamtbestandsgröße in Deutschland, Häufigkeit und Seltenheit in der deutschen Gebietskulisse usw.; vgl. FuE-Endbericht S. 67 ff.). Die Vorschläge sind unter breiter Beteiligung der Fachöffentlichkeit erarbeitet worden; die LANA hat den Endbericht in ihrer Sitzung am 13./14. September 2007 als “wichtigen ersten Schritt” gebilligt, “um die Erkenntnislücken bei den naturschutzfachlichen Maßstäben für die Bewertung der Erheblichkeit von Eingriffen in FFH-Gebieten zu schließen”. Die vorgeschlagenen Werte sind nach eigenem Anspruch keine Grenzwerte, sondern bloße Orientierungswerte für die Einzelfallbeurteilung (FuE-Endbericht S. 10). In dieser Funktion können sie nach derzeitigem Wissensstand als Entscheidungshilfe genutzt werden.
Die mit dem Vorhaben verbundenen Verluste von Flächen des LRT 6510 i.H.v. ca. 1,5 ha überschreiten deutlich den relativen Orientierungswert des FuE-Endberichts von 1 % der LRT-Gebietsfläche (S. 33). Der einschlägige absolute Orientierungswert von 100 m(2) (Tab. 2 S. 36) wird sogar um das 150-fache überschritten. Angesichts dieser Größenverhältnisse sind keine Umstände des Einzelfalls erkennbar, die die Annahme rechtfertigen könnten, die Flächenverluste seien unerheblich. Dass der weit überwiegende Teil der in Anspruch genommenen Teilflächen dem Erhaltungszustand C (mittel bis schlecht) zugeordnet worden ist, mag moderate Zuschläge zu den Orientierungswerten als angebracht erscheinen lassen. Weiterhin ist die anhand der Ergebnisse der Grunddatenerfassung 2005 deutlich werdende Dynamik der Veränderungen des LRT 6510 zu berücksichtigen. Wie die Veränderungen belegen, bietet das Lichtenauer Hochland verbreitet Vegetationsbedingungen, die bei entsprechender Bewirtschaftung die Entstehung neuer Wiesen des in Rede stehenden Lebensraumtyps erwarten lassen. Das Gebiet verfügt offenbar über ein beträchtliches Entwicklungspotenzial. Das rechtfertigt jedoch nicht, sich von den Orientierungswerten völlig zu entfernen. Bei einem Flächenverlust von ca. 1,5 ha kann deshalb auch unter Würdigung des Einzelfalls nicht mehr von einer Bagatelle gesprochen werden.
2.3.1.2.2.2 Es lässt sich nicht mit der nötigen Sicherheit ausschließen, dass Stickstoffbelastungen die Beeinträchtigung des LRT 6510 noch deutlich verstärken. Nach den mit Schriftsatz des Beklagten vom 19. Februar 2008 mitgeteilten Berechnungsergebnissen wird die Untergrenze der in der Brandenburger Vollzugshilfe empfohlenen CL für diesen Lebensraumtyp auf einer Fläche von insgesamt 0,86 ha des in der Grunddatenerfassung 2005 erfassten Bestandes überschritten. Die insoweit unter B. 1 des Beschlusses vom 28. Februar 2008 angeordnete frühe erste Mahd in der Zeit zwischen dem 1. und 15. Juni erweist sich ebenso wie die entsprechende Vorkehrung für die Pfeifengraswiesen als gleichermaßen untaugliche wie rechtswidrige Schadensvermeidungsmaßnahme, weil ein nicht zu vernachlässigendes Risiko besteht, dass sie die zu schützenden extensiven Mähwiesen ihrerseits zusätzlich schädigt. Anhaltspunkte dafür ergeben sich aus den Darlegungen des Klägers in seiner Stellungnahme vom 26. Februar 2008 zum ergänzenden Verfahren und seinem nachgelassenen Schriftsatz vom 9. März 2008, in denen er ausgeführt hat, dass ein früher erster Schnitt der extensiven Mähwiesen in der Zeit vor Mitte Juni traditioneller Pflege widerspricht und zu einer Artenverarmung führen wird. Sein Vortrag hierzu ist durch Zitate aus dem fachwissenschaftlichen Schrifttum belegt, ohne dass besondere Umstände zutage getreten wären, die im Falle des Lichtenauer Hochlandes eine abweichende Beurteilung als geboten erscheinen ließen. Zusätzlich zu den unmittelbaren Flächenverlusten ist deshalb die Gefahr einer Schädigung von 0,86 ha an Flächen des LRT 6510 durch Stickstoffeinträge in Rechnung zu stellen.
2.3.1.2.2.3 Erhebliche Beeinträchtigungen von Vegetationsflächen des LRT 6510 durch vorhabenbedingte Veränderungen des Bodenwasserhaushalts sind nicht zu besorgen. Extensive Mähwiesen reichen zwar teilweise direkt an die Trasse heran. Da die betreffenden Flächen nach den im Planfeststellungsverfahren eingeholten Gutachten, die durch den Vortrag des Klägers nicht infrage gestellt werden, nicht grundwasserabhängig sind (vgl. die Pläne der Anlage 2 zum HGN-Gutachten 2004), können sich Grundwasserabsenkungen auf sie nicht auswirken. Der Kläger beruft sich ergänzend darauf, die Baugrube führe zur Ableitung von Oberflächenwasser, das den angrenzenden extensiven Mähwiesen nicht mehr zur Verfügung stehen werde. Für den Tunnelbereich (Deckelbauweise) sind entsprechende Einbußen an Oberflächenwasser schon aufgrund des Baumanagements nicht in einem Maße zu erwarten, das nachhaltigen Einfluss auf den Bodenwasserhaushalt ausüben würde. Dass den Mähwiesen in der Nachbarschaft des Einschnittsbereichs bisher von dort aus in nennenswertem Umfang Oberflächenwasser zuströmt, dessen Zufluss mit dem Einschnitt wegfällt, erscheint nach den gutachterlichen Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung ausgeschlossen.
2.3.1.2.2.4 Der Mähwiesenverbund wird durch das Vorhaben nur geringfügig eingeschränkt. Die LRT-Flächen beiderseits der Trasse bleiben – auch aufgrund der weitreichenden Deckelung der Trasse – untereinander stark vernetzt, so dass erhebliche Beeinträchtigungen der Austauschbeziehungen nicht zu erwarten sind. Gleiches gilt bezogen auf den Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläuling als charakteristische Art des LRT 6510, wie nachfolgend auszuführen sein wird.
2.3.1.2.3 Dunkler Wiesenknopf-Ameisenbläuling
Dagegen hat der Beklagte erhebliche Beeinträchtigungen der ebenfalls zum Gegenstand von Erhaltungszielen des FFH-Gebiets gewordenen Falterart Maculinea nausithous durch Einwirkungen des Vorhabens zu Recht verneint. Die Beurteilung hat auszugehen von den Ergebnissen der – wie oben ausgeführt – nicht zu beanstandenden Bestandserfassung und -bewertung im Zuge der Verträglichkeitsuntersuchung. Danach sind die Maculinea-Vorkommen Teile einer Metapopulation im Bereich Hessisch Lichtenau, die weit über das FFH-Gebiet hinausreicht. Die Verträglichkeitsuntersuchung ordnet die im FFH-Gebiet festgestellten Vorkommen drei Lebensraumkomplexen mit einer Habitatfläche von insgesamt ca. 69 ha zu, von denen 62,5 ha auf den größten, von der Trasse der A 44 durchschnittenen Lebensraumkomplex entfallen. Dieser Komplex weist keine gleichmäßige Struktur auf. Die Untersuchung differenziert zwischen den essenziellen Bestandteilen, gebildet durch die Schwerpunktvorkommen der zur Fortpflanzung benötigten Wirtspflanze Großer Wiesenknopf in den Feuchtbereichen südwestlich und nordöstlich der Trasse, sowie den dazwischen liegenden nicht essenziellen Teilen mit geringem Vorkommen der Wirtspflanze. Soweit der Kläger bei eigenen im Jahr 2007 durchgeführten Untersuchungen auch im Zwischenbereich einschließlich der Trasse Flächen mit größeren Wiesenknopfbeständen ermittelt hat, kann dies keine Berücksichtigung finden, weil für die Beurteilung auf den Zeitpunkt des Erlasses des 1. Änderungs- und Ergänzungsbeschlusses abzustellen ist. Die damalige Verträglichkeitsbeurteilung hat der Beklagte in seinem 2. Änderungs- und Ergänzungsbeschluss nicht durch eine neue ersetzt, sondern nur um Hilfserwägungen für den Fall einer abweichenden gerichtlichen Beurteilung ergänzt. Das rechtfertigt es nicht, den Erlass des späteren Beschlusses als maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Verträglichkeit zugrunde zu legen. Hiervon ausgehend führen die einzelnen Einwirkungen des Vorhabens weder allein noch in ihrem Zusammenwirken zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläulings.
2.3.1.2.3.1 Für die Autobahn werden nach den Angaben in der Verträglichkeitsuntersuchung 1,89 ha Habitatfläche des Falters (ca. 3 % des Lebensraumkomplexes bzw. ca. 2,7 % des Lebensraumes der Art im Gebiet) in Anspruch genommen. Die abweichende Flächenangabe von 4,5 ha durch den Kläger bezieht Flächen über dem Tunneldeckel ein, die im Rahmen der landwirtschaftlichen Nutzung zu Ackerland geworden sind und deshalb nicht mehr zur Habitatfläche gerechnet werden können. Obgleich auch die danach als verlorengehend in Ansatz zu bringende Fläche von 1,89 ha sowohl absolut als auch in Relation zur verbleibenden Habitatfläche beträchtlich ist, ist der Verträglichkeitsbeurteilung des Beklagten zu folgen. Anders als für den Verlust von LRT-Flächen kann für den Verlust von Habitatflächen geschützter Arten nicht die Grundannahme zum Tragen kommen, im Regelfall sei jeder Flächenverlust erheblich. Während die Definition eines günstigen Erhaltungszustandes in Art. 1 FFH-RL für den natürlichen Lebensraum u.a. darauf abstellt, ob die Flächen, die er im natürlichen Verbreitungsgebiet einnimmt, mindestens beständig sind (Buchst. e), kommt es für den günstigen Erhaltungszustand einer Art nicht auf die Beständigkeit der Habitatfläche, sondern auf die Beständigkeit der Art an (Buchst. i). Verluste von Habitatflächen führen deshalb nicht ohne Weiteres zu einer Verschlechterung des Erhaltungszustands der geschützten Art. Entscheidendes Beurteilungskriterium ist vielmehr das der Stabilität, das die Fähigkeit umschreibt, nach einer Störung wieder zum ursprünglichen Gleichgewicht zurückzukehren. Ist eine Population dazu in der Lage, sei es, dass sie für ihren dauerhaften Bestand in der bisherigen Qualität und Quantität auf die verlorengehende Fläche nicht angewiesen ist, sei es, dass sie auf andere Flächen ohne Qualitäts- und Quantitätseinbußen ausweichen kann, so bleibt ein günstiger Erhaltungszustand erhalten und ist demgemäß eine erhebliche Beeinträchtigung zu verneinen (vgl. Urteil vom 17. Januar 2007 – BVerwG 9 A 20.05 – BVerwGE 128, 1 Rn. 43 ff.).
Hiervon ausgehend überschreiten die Flächenverluste mit Rücksicht auf die Verhältnisse im Lichtenauer Hochland nicht die Erheblichkeitsschwelle, obgleich sie weit über den einschlägigen Orientierungswerten für den Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläuling im FuE-Endbericht (Tab. 3 S. 52) liegen, die sich auch für Habitatflächen von Arten an der erwähnten Grundannahme ausrichten. Entscheidend für diese Beurteilung ist der Umstand, dass die Flächenverluste nicht die in den behördlicherseits veranlassten Untersuchungen festgestellten Vermehrungshabitate der Art betreffen, von denen der dauerhafte Erhalt der Population im bisherigen Zustand maßgeblich abhängt. Weder die für den Vorhabenträger tätigen Gutachter noch das im Rahmen der Bestandserfassung 2001 tätig gewordene Gutachterbüro Coenos haben im Trassenbereich Falter ermittelt. Das nach Angaben des Klägers im Coenos-Gutachten festgestellte, in der Verträglichkeitsuntersuchung freilich nicht mehr bestätigte Maculinea-Vorkommen auf dem Flurstück 33/1 wird nach den festgestellten Plänen für die im Zuge des Vorhabens geplante Verlegung einer Gasleitung nicht in Anspruch genommen und zudem durch einen Bauzaun geschützt. Essenzielle, für die Arterhaltung wesentliche Habitatflächen mit ausgeprägten Wiesenknopfbeständen sind also nach den zu berücksichtigenden Untersuchungen nicht betroffen. Soweit die in Anspruch genommenen Flächen dem Falter als Nahrungsgrundlage dienen, ist dieser Umstand zu vernachlässigen; die Tiere sind in dem betroffenen Lebensraumkomplex in so geringer Anzahl vorhanden, dass sich die geringe Einschränkung des Nahrungsangebots nicht spürbar auswirken kann.
2.3.1.2.3.2 Eine erhebliche Beeinträchtigung des Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläulings durch vorhabenbedingte Trennwirkungen ist mit Rücksicht auf die geplanten Schadensminderungsmaßnahmen auszuschließen.
Allerdings wird der größte Habitatkomplex dieser Art im Lichtenauer Hochland von der Trasse der A 44 im planfestgestellten Abschnitt und in dem bei summierender Betrachtung mit zu berücksichtigenden Nachbarabschnitt VKE 31 mittig durchschnitten. Davon entfallen 380 m (= 46 %) auf den offenen Einschnitt, der Rest auf den gedeckelten Trog. Beiderseits der Trasse befinden sich dem Lebensraumkomplex zugehörige Vermehrungshabitate. Als Bestandteile des Habitatkomplexes sind auch die von Coenos 2001 kartierten Maculinea-Vorkommen auf dem Flurstück 33/1 und in dem Bereich, in dem die Flurstücke 63/1 und 67/2, 58/1, 76/2 und 118 aufeinandertreffen, zu berücksichtigen. Dass bei der Bestandserfassung für die Verträglichkeitsuntersuchung im Jahre 2002 dort keine Falter mehr registriert worden sind, ist auf ungünstige Mahdzeitpunkte zurückzuführen, stellt die Eignung der betreffenden Flächen als Vermehrungshabitate aber nicht grundsätzlich in Frage. Da davon auszugehen ist, dass durch ein den Erhaltungszielen des Schutzgebiets verpflichtetes Gebietsmanagement Bewirtschaftungsmaßnahmen, die eine Aktualisierung der Habitateignung verhindern, auf Dauer unterbunden werden, müssen sie in gleicher Weise wie aktuelle Vermehrungshabitate in die Betrachtung von Trennwirkungen einbezogen werden.
Ohne die geplanten Schadensminderungsmaßnahmen würde die A 44 mit ihrer 27 m breiten Trasse und der prognostizierten Verkehrsbelastung von mehr als 30 000 Kfz/24 h eine für die Falter kaum zu überwindende Barriere darstellen. Eine erhebliche Trennwirkung entfällt jedoch infolge der angeordneten Schadensminderungsmaßnahmen wie der Abdeckelung der Trasse bis zum Standort der ursprünglich geplanten Grünbrücke, des sog. ökologisch optimierten Bauablaufs, der die Zeitspanne bis zur Übererdung des Tunneldeckels auf ca. 15 Monate verkürzt und die Deckelbauarbeiten zum Teil auf Zeiten außerhalb der regelmäßigen Flugphase der Falter beschränkt, Schutzpflanzungen zur Abschirmung des in Einschnittslage verlaufenden Teilstücks der Autobahn (Maßnahme M 1) und der Entwicklung von Leitstrukturen, die an die Vermehrungshabitate im Bahnhofsbereich und an den Stedtebachquellen anknüpfen und über den gedeckelten Tunnelteil führen (Maßnahmen M 3 und M 4).
Gegen die Berücksichtigungsfähigkeit dieser Maßnahmen bestehen entgegen der Auffassung des Klägers keine durchgreifenden Bedenken. Bei ihnen handelt es sich bezogen auf den Barriereaspekt um echte Schutzmaßnahmen; sie sollen – vergleichbar einer Grünbrücke – schon den Eintritt von Trennwirkungen unterbinden und nicht erst einen Ausgleich für eingetretene Trennwirkungen schaffen. Ihre Eignung zur Minderung der Barrierewirkung auf ein verträgliches Maß steht nicht in Zweifel. Die Deckelung der Straße bis zur früher geplanten Grünbrücke und die Vorkehrungen für den Bauablauf gewährleisten, dass die Trasse innerhalb des Lebensraumkomplexes von Maculinea nausithous nach relativ kurzer Zeit (ca. ein Reproduktionszyklus) auf der Hälfte der Strecke wieder passierbar wird. Das gilt insbesondere für den Bereich der direkten Verbindung zwischen den Hauptvorkommen der Art im Lebensraumkomplex. Aber auch von anderen Bereichen des Lebensraumkomplexes aus werden die Falter durch Leitstrukturen auf den gedeckelten Trassenteil hin gelenkt. Der Einwand des Klägers, die Maßnahme M 3, die der Entwicklung von Verbundelementen mit Leitfunktion dient, sei untauglich, weil die Extensivierung von vorhandenem Grünland nicht zur Leitfunktion für den Falter beitrage, überzeugt nicht, weil die Maßnahme weit überwiegend Äcker und Ackerbrachen in Extensivgrünland umwandeln soll. Die angeordneten Pflegemaßnahmen sind zeitlich so abgestimmt, dass sie einerseits den Bedürfnissen der zu entwickelnden Pflanzengesellschaften entsprechen und andererseits dem Falter zumindest auf wechselnden Teilflächen eine ungestörte Reproduktion ermöglichen. Dass die Wiederanlage geeigneter Vegetationsstrukturen über dem Tunneldeckel und die Schaffung von Leitstrukturen, die auf den Deckelteil zuführen, gelingen wird, steht nach den Erfahrungen, die im Lichtenauer Hochland mit der Entwicklung extensiven Grünlands auf Ackerbrachen gesammelt worden sind, außer Frage. Ebenso wenig ergeben sich Bedenken gegen die Wirksamkeit der Maßnahmen daraus, dass die Herstellung geeigneter Strukturen mehrere Jahre in Anspruch nimmt, die “Querungshilfe” über das Tunneldach also erst mit geraumer Verzögerung voll wirksam werden kann. Der Beklagte hat hierzu erläuternd ausgeführt, nur langfristige Einschränkungen des genetischen Austauschs würden den Populationsbestand gefährden. Dem ist der Kläger nicht mit Sachgründen entgegengetreten.
Schließlich spricht auch das Flugverhalten des Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläulings nicht gegen die Eignung der geplanten Vorkehrungen. Die Behauptung des Beklagten, der Falter zeige kein gezieltes Flugverhalten zwischen den Vermehrungshabitaten, sondern fliege von Blüte zu Blüte und orientiere sich so an artgerechten Vegetationsstrukturen, leuchtet ein und ist vom Kläger nicht substanziiert bestritten worden. Die Entfernungen zwischen den Vermehrungshabitaten erreichen auch dann, wenn nur noch der gedeckelte Teil der Trasse für die Querung zur Verfügung steht, keine Werte, die für Maculinea nausithous schlechterdings nicht zu bewältigen wären. An der Entfernung zwischen dem Vorkommen am Bahnhof und an den Stedtebachquellen ändert sich nichts Wesentliches; lediglich die Entfernung zwischen dem erstgenannten Vorkommen und dem von Coenos kartierten Vorkommen 3 der Anlage K 12.4 vergrößert sich von ca. 400 bis 500 m auf ca. 600 m. Es gibt jedoch Maculinea-Individuen, die Distanzen von einem oder sogar mehreren Kilometern bewältigen. Dies belegen die von den Beteiligten zitierten Untersuchungen, namentlich auch die vom Kläger vorgelegte Studie von Binzenhöfer/Settele (Anlage K 12.5). Dieser Studie und einer von den Gutachtern des Beklagten zitierten Publikation von Stettmer zufolge ist Maculinea nausithous zwar keine ausgeprägt mobile Art. Die maximale Aktionsdistanz beträgt im Mittel 362 m, 50 bis 60 % der Falter wandern laut Stettmer weniger als 100 m weit. Nur ein relativ kleiner Individuenanteil an den im Lichtenauer Hochland verstreuten Vorkommen ist also in der Lage, die jeweils anderen festgestellten Vermehrungshabitate zu erreichen. Für die Relation zwischen dem Vermehrungshabitat am Bahnhof Hessisch Lichtenau und dem (potenziellen) Vermehrungshabitat an der Nordostecke des Flurstücks 63/1 bedeutet dies, dass der Individuenaustausch trotz der Leiteinrichtungen zurückgeht. Da diese Einschränkung nur eine Austauschrelation betrifft, an der außerdem ein bloß potenzielles Vermehrungshabitat beteiligt ist, und im Übrigen sämtliche Vermehrungshabitate auch unabhängig von der betroffenen Relation miteinander vernetzt bleiben, erscheint es aber als praktisch ausgeschlossen, dass die Stabilität der Population hierdurch Schaden nehmen könnte.
Zusätzliche Trennwirkungen auf die Maculinea-Metapopulation im Raum Hessisch Lichtenau sind nicht erkennbar. Von den Vorkommen der Art, die sich südwestlich der Autobahntrasse im FFH-Gebiet befinden, sind andere der Metapopulation zugehörige Vorkommen soweit entfernt, dass ein direkter genetischer Austausch, in den eingegriffen werden könnte, nicht in nennenswertem Umfang vorstellbar ist. Angesichts der beträchtlichen Ausdehnung der Metapopulation und der großen Zahl zugehöriger Vorkommen der Art spricht nichts für die Annahme, die Trassenführung durch das Lichtenauer Hochland destabilisiere die Metapopulation als Ganzes.
Ebenso wenig geht es an, sich bei der Beurteilung der Zerschneidungswirkung entsprechend der Argumentation des Klägers von einer gebietsbezogenen Betrachtung zu lösen. Sollte die Trasse im Folgeabschnitt VKE 31 Maculinea-Vorkommen trennen, die außerhalb des FFH-Gebiets “Lichtenauer Hochland” bestehen, so kann das mangels Gebietsbezugs prinzipiell nicht Gegenstand einer dem Gebietsschutz dienenden Verträglichkeitsprüfung sein; dies auch nicht unter dem Aspekt der Summation, der nur einschlägig ist, wenn verschiedene Projekte auf ein und dasselbe Gebiet einwirken. Dass negative Auswirkungen außerhalb des Gebiets auf Maculinea-Vorkommen über die Metapopulation Rückwirkungen auf den Erhaltungszustand der Art im Gebiet haben könnten, lässt sich den kursorischen Darlegungen des Klägers zu diesem Punkt nicht entnehmen.
2.3.1.2.3.3 Da das Vorhaben den Bodenwasserhaushalt im Bereich der Pfeifengraswiesen und Flachlandmähwiesen, die dem Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläuling als Habitatflächen dienen, nicht beeinträchtigen wird, scheiden negative Folgewirkungen auf die Art unter diesem Aspekt aus.
2.3.1.2.3.4 Ebenso wenig wird der Dunkle Wiesenknopf-Ameisenbläuling durch Stickstoffeinträge in essenzielle Habitatflächen erheblich beeinträchtigt werden. Nach der Verträglichkeitsuntersuchung können Stickstoffeinträge zwar über eine Euthrophierung und Verbrachung der Wiesen ungünstig sowohl auf die Wirtspflanze als auch auf die Wirtsameise des Falters einwirken und so dessen Fortpflanzung behindern. Die festgestellten Vermehrungshabitate sind aber durch Stickstoffeinträge, welche die Untergrenze der CL für Pfeifengraswiesen bzw. extensive Mähwiesen überschreiten, allenfalls randlich betroffen mit der Folge, dass die Stabilität der Population auch unter diesem Gesichtspunkt nicht leiden kann.
2.3.2 Abweichungsprüfung
Lassen sich nach alldem erhebliche Beeinträchtigungen von Pfeifengraswiesen und extensiven Mähwiesen als maßgeblichen Bestandteilen des FFH-Gebiets “Lichtenauer Hochland” nicht ausschließen, so durfte das Vorhaben nur nach Maßgabe einer Abweichungsprüfung (§ 20d Abs. 3 bis 5 HeNatG a.F., § 34 Abs. 3 bis 5 BNatSchG) zugelassen werden. Eine solche Prüfung hat der Beklagte vor Erlass des Änderungs- und Ergänzungsbeschlusses vom 22. Dezember 2005 nicht ordnungsgemäß durchgeführt, sondern sich in Reaktion auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Mai 2002 zum ursprünglichen Planfeststellungsbeschluss darauf beschränkt, Alternativen i.S.d. § 20d Abs. 3 Nr. 2 HeNatG a.F. zu prüfen. Diesen Mangel hat er jedoch mit dem Änderungs- und Ergänzungsbeschluss vom 28. Februar 2008 geheilt.
Die Abweichungsprüfung umfasst drei Schritte, nämlich die abwägende Beurteilung von Abweichungsgründen, die Prüfung weniger beeinträchtigender Alternativen und die Ermittlung notwendiger Kohärenzsicherungsmaßnahmen. Bei keinem dieser Prüfschritte sind dem Beklagten entscheidungserhebliche Fehler unterlaufen.
2.3.2.1 Abweichungsgründe
Eine abwägende Beurteilung von Abweichungsgründen ist im Planfeststellungsbeschluss i.d.F. vom 22. Dezember 2005 unterblieben, im Änderungsbeschluss vom 28. Februar 2008 jedoch mit heilender Wirkung nachgeholt worden. Daran ändert nichts, dass dem Beklagten bei der nachgeholten Abwägung ein Fehler unterlaufen ist; denn dieser ist nach dem Rechtsgedanken des § 17e Abs. 6 Satz 1 FStrG unerheblich.
2.3.2.1.1 Rechtliche Vorgaben
Eine Abweichung setzt nach § 20d Abs. 3 Nr. 1 HeNatG a.F. (§ 34 Abs. 3 Nr. 1 BNatSchG) voraus, dass das Vorhaben aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art, notwendig ist. Verschärfte Zulassungsvoraussetzungen gelten gemäß § 20d Abs. 4 HeNatG a.F. (§ 34 Abs. 4 BNatSchG), wenn das betroffene Gebiet prioritäre Biotope oder Arten einschließt. Als zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses können dann ohne Weiteres nur solche im Zusammenhang mit der Gesundheit des Menschen, der öffentlichen Sicherheit einschließlich der Landesverteidigung und des Zivilschutzes oder der maßgeblichen günstigen Auswirkungen des Projekts auf die Umwelt (benannte Abweichungsgründe) geltend gemacht werden (Satz 1). Sonstige Gründe i.S.d. Abs. 3 Nr. 1 der genannten Regelung können dagegen erst nach Einholung einer Stellungnahme der EU-Kommission berücksichtigt werden (Satz 2).
Die verschärften verfahrensrechtlichen und materiellrechtlichen Zulassungsvoraussetzungen nach § 20d Abs. 4 HeNatG a.F. (§ 34 Abs. 4 BNatSchG) kommen hier nicht zum Tragen.
In verfahrensrechtlicher Hinsicht hat der Senat in seinem Urteil vom 17. Januar 2007 – BVerwG 9 A 20.05 – (BVerwGE 128, 1 Rn. 117) offen gelassen, ob Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 2 FFH-RL und die dazu ergangene Umsetzungsregelung bei unbenannten Abweichungsgründen eine Kommissionsstellungnahme immer schon dann erfordern, wenn im FFH-Gebiet prioritäre Elemente vorhanden sind, ohne selbst durch das Projekt beeinträchtigt zu werden. Ein solcher Fall ist hier gegeben, da sich im FFH-Gebiet “Lichtenauer Hochland” zwischen 800 und 1 200 m von der Autobahntrasse entfernt eine Kalktuffquelle (prioritärer Lebensraumtyp 7220) befindet, für die die Verträglichkeitsuntersuchung Beeinträchtigungen mit schlüssiger, vom Kläger nicht in Zweifel gezogener Begründung ausgeschlossen hat. Die erwähnte Frage braucht indes auch vorliegend nicht entschieden zu werden, weil der Beklagte vor seiner Abweichungsentscheidung eine Kommissionsstellungnahme eingeholt hat.
Die verschärften materiellrechtlichen Anforderungen an Abweichungsgründe sind nur zu stellen, wenn – anders als hier – zumindest die Möglichkeit der Beeinträchtigung prioritärer Elemente im Gebiet besteht. Diese Auslegung ist, wie der Senat in seinem Urteil vom 17. Januar 2007 (a.a.O. Rn. 129) entschieden hat, durch den gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geboten.
Als Abweichungsgründe kommen für Vorhaben, die nur nicht prioritäre Lebensraumtypen oder Arten erheblich beeinträchtigen, prioritäre Lebensraumtypen oder Arten jedoch nicht beeinträchtigen können, neben solchen sozialer oder wirtschaftlicher Art sowie den benannten Abweichungsgründen des Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 2 FFH-RL auch vielfältige andere Gründe in Betracht. Inhaltliche Beschränkungen, die über die Ausrichtung auf ein öffentliches Interesse hinausgehen, sind Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 1 FFH-RL nicht zu entnehmen. Damit sich die Gründe gegenüber dem Belang des Gebietsschutzes durchsetzen können, müssen keine Sachzwänge vorliegen, denen niemand ausweichen kann; Art. 6 Abs. 4 FFH-RL setzt lediglich ein durch Vernunft und Verantwortungsbewusstsein geleitetes staatliches Handeln voraus (Urteil vom 27. Januar 2000 – BVerwG 4 C 2.99 – BVerwGE 110, 302 ≪314 f.≫). Soweit das Senatsurteil vom 17. Januar 2007 (a.a.O. Rn. 118 ff.) weitergehende Anforderungen gestellt hat, betreffen diese den Ausnahmefall des Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 2 FFH-RL und lassen sich daher auf den Normalfall des Unterabs. 1 nicht unbesehen übertragen.
Die Abwägung knüpft an das Ergebnis der Verträglichkeitsprüfung an. Da sie einzelfallbezogen zu erfolgen hat (vgl. Urteil vom 17. Mai 2002 – BVerwG 4 A 28.01 – Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 7 S. 33; insoweit in BVerwGE 116, 254 nicht abgedruckt), hängt das Gewicht, mit dem das Integritätsinteresse des FFH-Gebiets in sie einzustellen ist, entscheidend vom Ausmaß der Beeinträchtigung ab. Fehlerhafte Ergebnisse der Verträglichkeitsprüfung schlagen deshalb auf die Abwägung durch (vgl. EuGH, Urteil vom 20. September 2007 – Rs. C-304/05 – Slg. 2007, I-7495 Rn. 83; BVerwG, Urteil vom 17. Januar 2007 a.a.O. Rn. 114), es sei denn, im Wege der Wahrunterstellung würden der Abwägung hilfsweise die tatsächlich in Rechnung zu stellenden Beeinträchtigungen qualitativ und quantitativ zutreffend zugrunde gelegt (vgl. Urteil des Senats vom 17. Januar 2007 a.a.O. Rn. 64; Schlussanträge der Generalanwältin Kokott zu Rs. C-304/05, Slg. 2007, I-7495 Rn. 57).
Mängel der Abweichungsentscheidung und damit auch eine fehlende Abwägung können in einem ergänzenden Verfahren (§ 17e Abs. 6 Satz 2 FStrG) geheilt werden. Dies ist auch prozessbegleitend möglich (vgl. Urteil vom 17. Januar 2007 a.a.O. Rn. 71 und 114). Offen gelassen hat der Senat dagegen bisher die Frage, ob auch die Unerheblichkeitsregelung des § 17e Abs. 6 Satz 1 FStrG – entsprechende – Anwendung findet (Urteil vom 17. Januar 2007 a.a.O. Rn. 114). Diese Frage ist für die Abweichungsprüfung jedenfalls insoweit, als es um die Unerheblichkeit eines Fehlers wegen mangelnder Ergebnisrelevanz geht, ebenso zu bejahen wie für die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung (vgl. dazu Urteile vom 27. Oktober 2000 – BVerwG 4 A 18.99 – BVerwGE 112, 140 ≪165 f.≫ und vom 9. Juni 2004 – BVerwG 9 A 11.03 – BVerwGE 121, 72 ≪80≫). Die Abweichungsentscheidung ist mit der planerischen Abwägung in ähnlicher Weise verzahnt wie die Eingriffsregelung und deshalb grundsätzlich ebenso wie sie offen für den Rechtsgedanken des § 17e Abs. 6 Satz 1 FStrG. Gemeinschaftsrechtliche Hindernisse stehen dem, zumindest soweit es um die Ergebnisrelevanz geht, nicht entgegen; denn die Anwendung der Regelung dient der Verfahrensökonomie, ohne die Effektivität des Gebietsschutzes anzutasten.
2.3.2.1.2 Konkrete Abwägung
Gemessen an diesen Vorgaben erweist sich die nachgeholte Abwägung als tragfähige Grundlage der getroffenen Abweichungsentscheidung.
Als Gründe für die Abweichung hat der Beklagte die gesetzliche Bedarfsfeststellung (§ 1 Abs. 2 Satz 1 FStrAbG), die Zugehörigkeit des Vorhabens zu den “Verkehrsprojekten Deutsche Einheit”, seine Aufnahme in das geplante “Transeuropäische Verkehrsnetz” (Entscheidung Nr. 1692/96/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 1996, ABl EG Nr. L 228 S. 1), seine raumordnerische Dringlichkeit nach dem Regionalplan Nordhessen 2001 sowie die Erhöhung der Verkehrssicherheit im Straßennetz und die Verminderung der Schadstoffbelastung im gesamten Raum zwischen Eisenach, Kirchheim und Kassel angeführt. Diese Gesichtspunkte sind ihrer Art nach tragfähige Abweichungsgründe.
Die gesetzliche Bedarfsfeststellung verleiht einem Planvorhaben einen besonderen Stellenwert (vgl. Urteil vom 17. Januar 2007 a.a.O. Rn. 135 m.w.N.). Das dem Vorhaben aufgrund dessen zukommende Gewicht wird nicht durch Änderungen gegenüber der Prognosebasis relativiert, die der gesetzlichen Bedarfsplanung zugrunde lag. Wie bereits zur Planrechtfertigung ausgeführt worden ist, rechtfertigen auch die aktualisierten Prognosedaten die Dimensionierung der geplanten Straße als Autobahn, zumal es um einen Lückenschluss im Autobahnnetz geht. Im Gegenteil kommt der A 44 eine besonders herausgehobene Verkehrsbedeutung zu. Sowohl die Zugehörigkeit zu den “Verkehrsprojekten Deutsche Einheit” als auch zum “Transeuropäischen Verkehrsnetz” stellen Gewichtungsvorgaben dar, die in der Interessenabwägung mit hohem Gewicht zu Buche schlagen (vgl. Urteil vom 17. Mai 2002 – BVerwG 4 A 28.01 – Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 7 S. 33 f.; insoweit in BVerwGE 116, 254 nicht abgedruckt). Für die “Verkehrsprojekte Deutsche Einheit” rechtfertigt sich dies aus der ihnen durch die Bundesverkehrswegeplanung zugewiesenen Funktion, im Interesse der Schaffung gleicher Lebensverhältnisse in den alten und den neuen Bundesländern den Grundstein für eine gemeinsame Verkehrsinfrastruktur zu legen. Das “Transeuropäische Verkehrsnetz” dient nach der ersten Begründungserwägung der konstituierenden Entscheidung vom 23. Juli 1996 wichtigen Gemeinschaftszielen wie dem reibungslosen Funktionieren des Binnenmarktes und der Stärkung des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts; Projekten, die in das gesamteuropäische Verkehrssystem eingebunden sind, ist damit auch ein hoher Stellenwert für die Integration der Gemeinschaft zugewiesen. Zu der verkehrlichen Bedeutung auf nationaler und Gemeinschaftsebene tritt die regionale Bedeutung namentlich unter dem Aspekt der Erschließung eines strukturschwachen Raums hinzu, wie sie in dem Regionalplan Nordhessen Ausdruck gefunden hat. Auch das regionale Erschließungsinteresse zählt zu den Zielen, die – neben den Belangen des Fernverkehrs – mit einem Autobahnvorhaben verfolgt werden dürfen (vgl. Urteil vom 17. Mai 2002 – BVerwG 4 A 28.01 – BVerwGE 116, 254 ≪260 f.≫), und ist deshalb geeignet, die Durchsetzungsfähigkeit des Vorhabens in der FFH-rechtlich gebotenen Abwägung zu steigern.
Ebenso gehören eine Verbesserung der Verkehrssicherheit sowie die Minderung schädlicher Umwelteinwirkungen zu den Gründen, die bei der Abwägungsentscheidung berücksichtigungsfähig sind. Das Bundesverwaltungsgericht hat dies im Rahmen der Abweichungsregelung des Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 2 FFH-RL unter dem Gesichtspunkt des Gesundheitsschutzes anerkannt, allerdings strenge Anforderungen an den Nachweis von Art und Umfang der mit dem Vorhaben in dieser Hinsicht erzielbaren Wirkungen gestellt. Der Schutz der Gesundheit müsse außerdem wesentlicher Zweck des Vorhabens und nach den Umständen des Falles von besonderem Gewicht sein; eine nur pauschale Betrachtungsweise genüge nicht (vgl. Urteil vom 27. Januar 2000 – BVerwG 4 C 2.99 – BVerwGE 110, 302 ≪312 ff.≫). Diese Anforderungen sind dem besonderen Schutzregime zugunsten prioritärer Lebensraumtypen und Arten geschuldet und lassen sich daher auf den Anwendungsbereich des Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 1 FFH-RL und der dazu ergangenen Umsetzungsregelungen nicht übertragen. Zumindest ergänzend zu anderen Gründen können insoweit auch Allgemeinbelange der Verkehrssicherheit und des Umweltschutzes Berücksichtigung finden, wenn die von der Behörde behaupteten positiven Wirkungen des Vorhabens auf diese Belange durch Erfahrungswissen abgesichert sind. Das trifft hier zu. Auch ohne nähere Angaben zum bisherigen Unfallgeschehen auf der B 7 und anderen durch die A 44 zu entlastenden Durchgangsstraßen ist die Feststellung gerechtfertigt, die prognostizierten Entlastungseffekte würden namentlich in den Ortsdurchfahrten die Verkehrssituation deutlich entspannen und dadurch Unfallgefahren aufs Ganze gesehen verringern. Desgleichen ist gesichert, dass durch die Verlagerung erheblicher Verkehrsanteile aus den Ortsdurchfahrten auf die ortsabgewandt geführte Autobahn die Schadstoffbelastung der Wohnbevölkerung in den betroffenen Orten deutlich verringert wird und dass der Wegfall 70 km langer Umwegfahrten des Schwerverkehrs über die A 4 und A 7 schon die Freisetzung von Schadstoffen beträchtlich einschränkt.
Anhaltspunkte für eine Fehlgewichtung der ihrer Art nach tragfähigen Abweichungsgründe sind nicht hervorgetreten. Insbesondere hat der Beklagte nicht verkannt, dass die von ihm angeführten Gründe eine Abweichung nicht ohne Weiteres, sondern nur nach Maßgabe einer Abwägung mit dem Integritätsinteresse des FFH-Gebiets rechtfertigen können.
Die Gewichtung dieses Integritätsinteresses ist nicht frei von Fehlern. Im Grundsatz ist es dem Beklagten zwar gelungen, mit Wahrunterstellungen Mängel seiner Verträglichkeitsbeurteilung aufzufangen. Er hat sich hierbei nicht darauf beschränkt, pauschal eine erhebliche Beeinträchtigung der Erhaltungsziele zu unterstellen, sondern im Einzelnen angegeben, in welcher Hinsicht und in welchem Umfang er Beeinträchtigungen als gegeben bzw. möglich der Abwägung zugrunde gelegt hat. Unzutreffend ist aber seine Unterstellung, es gingen 1,07 ha des LRT 6510 verloren. Wie die Ausführungen zur Verträglichkeitsprüfung ergeben haben, beläuft sich der Flächenverlust tatsächlich auf ca. 1,5 ha. Zudem hat der Beklagte für beide betroffenen Lebensraumtypen einer Stickstoffanreicherung entgegenwirkende Ausmagerungseffekte einer frühen ersten Mahd zugrunde gelegt, die nicht zum Tragen kommen werden.
Diese Mängel stellen das Abwägungsergebnis indes nicht in Frage. Auf der anderen Seite muss nämlich berücksichtigt werden, dass die Abwägung auf der gleichfalls unzutreffenden – vom Beklagten als wahr unterstellten – Annahme beruht, der Dunkle Wiesenknopf-Ameisenbläuling werde durch Verluste essenzieller Habitatflächen beträchtlichen Ausmaßes und Trennwirkungen erheblich beeinträchtigt. Die Überbewertung der Maculinea-Beeinträchtigungen hat jedenfalls ein solches Gewicht, dass die Unterbewertung der zuvor angesprochenen Beeinträchtigungen kompensiert wird. Es fehlt somit an der konkreten Möglichkeit, dass sich die Unterbewertung auf die Gewichtung des Integritätsinteresses als Ganzes und als Folge davon auf das Abwägungsergebnis ausgewirkt hat. Nicht zu beanstanden ist im Übrigen die vom Beklagten angestellte Erwägung, für einen Großteil der berücksichtigten Beeinträchtigungen sei der Eintritt keineswegs sicher, sondern wegen noch vorhandener Erkenntnislücken lediglich nicht auszuschließen.
Soweit der Kläger einen Bewertungsfehler darin erblickt, dass der Beklagte die besondere Bedeutung des FFH-Gebiets “Lichtenauer Hochland” für das Schutznetz “Natura 2000” im europäischen, nationalen und regionalen Maßstab vernachlässigt habe, kann ihm nicht gefolgt werden. Die Beeinträchtigungen haben kein Ausmaß, dass das Gebiet – insbesondere auch im Hinblick auf die behauptete Arealrandlage der Pfeifengraswiesen – seine Funktion im Schutznetz nicht mehr wahrnehmen könnte. Deshalb brauchte dieser Gesichtspunkt bei der Bewertung des beeinträchtigten Integritätsinteresses nicht gesondert berücksichtigt zu werden.
Der Beklagte hat zu Recht die für eine Abweichung sprechenden Gründe als überwiegend beurteilt. Den zahlreichen Gründen, die in ihrem Zusammenwirken dem Vorhaben große verkehrliche Bedeutung verleihen, stehen Beeinträchtigungen gegenüber, die die Erheblichkeitsschwelle nicht in einem Maße überschreiten, dass eines der Erhaltungsziele dem Vorhaben geopfert werden müsste. Vielmehr kann das Schutzgebiet seine Funktionen für die Erhaltungsziele, wenn auch auf etwas abgeschwächtem Niveau, ohne Unterbrechung weiter erfüllen. Mit Rücksicht auf die in den vergangenen Jahren deutlich gewordene Entwicklungsdynamik des Gebiets bestehen – wie noch auszuführen sein wird – im Gegenteil gute Aussichten, die vorhabenbedingten Einbußen durch die angeordneten Kohärenzsicherungsmaßnahmen in absehbarer Zeit zu kompensieren. Bei dieser Sachlage war der Beklagte rechtlich nicht gehalten, das Vorhaben am Interesse des Gebietsschutzes scheitern zu lassen.
2.3.2.2 Alternativenvergleich
In seiner hilfsweise durchgeführten Alternativenprüfung (§ 20d Abs. 3 Nr. 2 He-NatG a.F., § 34 Abs. 3 Nr. 2 BNatSchG) ist der Beklagte zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, es gebe keine zumutbaren Alternativen, den mit dem Projekt verfolgten Zweck an anderer Stelle ohne oder mit geringeren Beeinträchtigungen zu erreichen.
2.3.2.2.1 Rechtliche Vorgaben
Anders als die fachplanerische Alternativenprüfung ist die FFH-rechtliche Alternativenprüfung nicht Teil einer planerischen Abwägung. Der Planfeststellungsbehörde ist für den Alternativenvergleich kein Ermessen eingeräumt (Urteil vom 27. Januar 2000 – BVerwG 4 C 2.99 – BVerwGE 110, 302 ≪310≫). Der behördliche Alternativenvergleich unterliegt also einer uneingeschränkten gerichtlichen Kontrolle.
Der Begriff der Alternative i.S.d. Art. 6 Abs. 4 FFH-RL und der einschlägigen Umsetzungsregelung steht in engem Zusammenhang mit den Planungszielen, die mit dem Vorhaben verfolgt werden. Eine Alternativlösung setzt voraus, dass sich die zulässigerweise verfolgten Planungsziele trotz ggf. hinnehmbarer Abstriche auch mit ihr erreichen lassen (Urteil vom 17. Mai 2002 – BVerwG 4 A 28.01 – BVerwGE 116, 254 ≪261 f.≫). Auslegungsleitend für das Verständnis der vorzugswürdigen Alternative muss die Funktion sein, die das Schutzregime des Art. 4 FFH-RL erfüllt. Eine (Standort- oder Ausführungs-)Alternative ist vorzugswürdig, wenn sich mit ihr die Planungsziele an einem nach dem Schutzkonzept der Habitatrichtlinie günstigeren Standort oder mit geringerer Eingriffsintensität verwirklichen lassen (Urteil vom 27. Januar 2000 a.a.O. S. 310). Berühren sowohl die planfestgestellte Lösung als auch eine Planungsalternative FFH-Gebiete, so ist es unzulässig, die Beeinträchtigungspotenziale in dem einen und in dem anderen FFH-Gebiet unbesehen gleichzusetzen. Abzustellen ist vielmehr auf die nach Maßgabe der Differenzierungsmerkmale des Art. 6 FFH-RL bestimmte Schwere der Beeinträchtigung. Dabei ist in einer gestuften Prüfung zunächst zu fragen, ob auch im Falle einer Alternativlösung Lebensraumtypen des Anhangs I oder Tierarten des Anhangs II der Habitatrichtlinie erheblich beeinträchtigt werden. In zweiter Hinsicht kommt es darauf an, ob die beeinträchtigten Lebensraumtypen oder Arten prioritär oder nicht prioritär sind (vgl. grundlegend Urteil vom 17. Mai 2002 a.a.O. S. 264). Eine weitergehende Differenzierung innerhalb dieser Gruppen hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts in dem vorgenannten Urteil abgelehnt und hierzu ausgeführt, innerhalb der Gruppen von prioritären oder nicht prioritären Lebensraumtypen oder Arten lege die Habitatrichtlinie weder qualitativ noch quantitativ ein Rangverhältnis fest; die bei der Gebietsmeldung zu beachtenden Feindifferenzierungskriterien (Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 1 FFH-RL i.V.m. Anhang III Phase 1) hätten beim Trassenvergleich außer Betracht zu bleiben. Dem schließt sich der erkennende Senat an. Nach dem Schutzkonzept der Habitatrichtlinie ist innerhalb der genannten Gruppen nicht nochmals nach der Wertigkeit und der Anzahl der betroffenen Lebensraumtypen oder Arten sowie der jeweiligen Beeinträchtigungsintensität (oberhalb der Erheblichkeitsschwelle) zu differenzieren. Von entscheidender Bedeutung ist vielmehr allein, ob am Alternativstandort eine Linienführung möglich ist, bei der keine der als Lebensraumtypen oder Habitate besonders schutzwürdigen Flächen erheblich beeinträchtigt werden oder jedenfalls prioritäre Biotope und Arten verschont bleiben (so bereits Urteil vom 17. Mai 2002 a.a.O. S. 264 f.).
Dem materiellen Prüfprogramm korrespondiert der im Rahmen der Alternativenprüfung gebotene Untersuchungsaufwand. Planungsalternativen brauchen daher nicht erschöpfend, sondern nur so weitgehend ausgearbeitet und untersucht zu werden, dass sich einschätzen lässt, ob sie für – prioritäre oder nicht prioritäre – FFH-Schutzgüter ein erhebliches Beeinträchtigungspotenzial bergen. Vergleichbar der durch das planungsrechtliche Abwägungsgebot geforderten allgemeinen Alternativenprüfung wird zur Beurteilung dieser Fragestellung häufig eine bloße Grobanalyse ausreichen. Selbst in Fällen, in denen sich eine genauere Untersuchung als notwendig erweist, lässt sich das Vorhandensein eines erheblichen Gefährdungspotenzials doch jedenfalls einschätzen, ohne die betreffenden Alternativen einschließlich möglicher Schadensminderungs- und Ausgleichsmaßnahmen bis zur Planreife auszuarbeiten und ihrerseits einer vollständigen Verträglichkeitsprüfung zu unterziehen. Ein derartiger Untersuchungsaufwand ginge im Übrigen nicht nur über das Maß des Erforderlichen hinaus, sondern wäre auch aus Gründen der Verhältnismäßigkeit und Verwaltungspraktikabilität nicht zu rechtfertigen.
Der gemeinschaftsrechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit kann es darüber hinaus rechtfertigen, selbst naturschutzfachlich vorzugswürdige Alternativen aus gewichtigen naturschutzexternen Gründen auszuscheiden. Das dem Planungsträger zugemutete Maß an Vermeidungsanstrengungen darf nicht außerhalb jedes vernünftigen Verhältnisses zu dem damit erzielbaren Gewinn für die betroffenen gemeinschaftsrechtlichen Schutzgüter stehen. In diesem Zusammenhang können neben verkehrstechnischen auch finanzielle Erwägungen den Ausschlag geben (Urteile vom 27. Januar 2000 – BVerwG 4 C 2.99 – BVerwGE 110, 302 ≪311≫ und vom 17. Januar 2007 – BVerwG 9 A 20.05 – BVerwGE 128, 1 Rn. 142).
Von der Rechtsprechung bisher nicht entschieden worden ist die Frage, ob erhebliche Beeinträchtigungen geschützter Lebensraumtypen oder Arten beim Alternativenvergleich unterschiedlich zu gewichten sind, wenn von der planfestgestellten Lösung ein gelistetes, von der Alternativlösung hingegen nur ein gemeldetes Gebiet betroffen ist. Obgleich gemeldete und gelistete Gebiete keinem identischen Schutzregime unterliegen (vgl. EuGH, Urteile vom 13. Januar 2005 – Rs. C-117/03 – Slg. 2005, I-167 Rn. 25 und 29 und vom 14. September 2006 – Rs. C-244/05 – Slg. 2006, I-8445 Rn. 35, 44 und 51), spricht vieles dafür, die Frage zu verneinen, wenn sich – wie im Falle des von den Südalternativen betroffenen FFH-Gebiets “Glimmerode und Hambach bei Hessisch Lichtenau” – die Aufnahme eines gemeldeten Gebiets in das Netz “Natura 2000” wegen einer vergleichsweise großen Zahl dort vorhandener Anhang I-Lebensraumtypen und Anhang II-Arten sowie des Vorhandenseins prioritärer Lebensraumtypen und Arten aufdrängt. Letztlich mag das aber dahingestellt bleiben, weil das vorgenannte Gebiet durch Entscheidung der Kommission vom 13. November 2007 (ABl EG 2008 Nr. L 12 S. 383) in die aktualisierte Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung aufgenommen worden und ein etwaiger Mangel dadurch entfallen ist.
2.3.2.2.2 Südumfahrung
Die Alternativenprüfung für eine südliche Umfahrung von Hessisch Lichtenau trägt den rechtlichen Vorgaben Rechnung.
Als Grundlage für den Vergleich zwischen der planfestgestellten Lösung und einer Südumfahrung Hessisch Lichtenaus hat der Vorhabenträger eine Verträglichkeitsuntersuchung Süd erarbeiten lassen, die dem Ziel diente, die günstigste Südtrasse zu ermitteln und auf ihre FFH-Verträglichkeit hin zu beurteilen. Die Untersuchung gliederte sich in vier Hauptarbeitsschritte: In einem ersten Schritt wurde für den Naturraum südlich der Stadt unter dem Blickwinkel des FFH-Gebietsschutzes eine Bestandserfassung und -bewertung durchgeführt, in deren Rahmen Anhang I-Lebensraumtypen und Anhang II-Arten entsprechend der in der Verträglichkeitsuntersuchung “Lichtenauer Hochland” angewandten Methodik ermittelt und beurteilt wurden. Aus den dabei gewonnenen Erkenntnissen wurden sodann in einem zweiten Schritt relativ konfliktarme Planungskorridore abgeleitet und in diesen Korridoren als denkbar erscheinende Linien entwickelt, die durch gemeinsame Gelenkpunkte verbunden sind. Der dritte Schritt bestand darin, durch Vergleich der möglichen Linien eine Vorzugstrasse Süd zu entwickeln. Dazu wurden zwischen den Gelenkpunkten vier Variantenabschnitte gebildet und die in diesen Abschnitten liegenden Teilstücke der Linien jeweils miteinander nach dem Kriterium der Beeinträchtigungsintensität verglichen. Die in den einzelnen Abschnitten günstigsten Varianten ergaben dann die Vorzugstrasse Süd (Südlinie bzw. modifizierte BUND-Linie). Im abschließenden vierten Schritt wurde dann die Vorzugstrasse Süd nach den in der Verträglichkeitsuntersuchung “Lichtenauer Hochland” angewandten Maßstäben auf das Vorliegen erheblicher Beeinträchtigungen hin beurteilt und mit der Nordtrasse verglichen.
Ob eine Untersuchung dieses Detaillierungsgrades, die in ihrer Prüftiefe einer vollständigen Verträglichkeitsprüfung entspricht, geboten war, erscheint nach den vorstehenden Ausführungen zu den rechtlichen Vorgaben der Alternativenprüfung zweifelhaft, kann aber hingestellt bleiben; denn dies würde nichts daran ändern, dass die Vorgehensweise zielführend und methodisch unbedenklich war. Sie richtete sich darauf, in einem iterativen Prozess eine Südtrasse zu entwickeln, die bezogen auf die Schutzgüter der Habitatrichtlinie – unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes – das geringste Beeinträchtigungspotenzial enthält. Soweit der Kläger gegen die Untersuchung methodische Einwände erhebt, greifen seine Bedenken nicht durch:
Seine Rüge, es seien lediglich diffuse Lebensraumkomplexe der Arten erfasst worden, anstatt eine exakte Art- und Habitatkartierung vorzunehmen, ist so nicht richtig. Wie die Karte der planfestgestellten Unterlage 15.2 d.2 zeigt, beruht die Darstellung von Lebensraumkomplexen auf der Erfassung einzelner Vorkommen der jeweiligen Art; entsprechend dem Vorgehen in der Verträglichkeitsuntersuchung “Lichtenauer Hochland” sind die Habitatstrukturen und die Verhaltensgewohnheiten der Arten berücksichtigt worden. Eine detaillierte Funktionsanalyse der den Lebensraumkomplexen zugerechneten Flächen würde es zwar ermöglichen, die Intensität der mit der jeweiligen Trassenführung verbundenen Beeinträchtigungen noch genauer zu erfassen. Der Kläger hat aber weder darzutun vermocht, dass die getroffenen Feststellungen zu ungenau waren, um die in Betracht gezogenen Südtrassen miteinander zu vergleichen, noch dass sie das Beeinträchtigungspotenzial der favorisierten Südtrasse überzeichnet hätten. Die für den Vergleich mit der Nordtrasse wesentliche Bewertung der Verträglichkeitsuntersuchung, die Anhang II-Arten Dunkler Wiesenknopf-Ameisenbläuling und Kammmolch würden erheblich beeinträchtigt, stützt sich auf die direkte Inanspruchnahme von Flächen, auf denen Vorkommen beider Tierarten ermittelt worden sind, und auf Zerschneidungswirkungen. Es ist nicht ersichtlich, warum diese Formen von Beeinträchtigungen aufgrund der getroffenen Feststellungen unter Nutzung naturwissenschaftlichen Sachverstandes nicht sollten sachgerecht eingeschätzt werden können.
Die Kritik des Klägers, auch im Übrigen seien Lebensräume und Arten unzutreffend erfasst und bewertet worden, wiederholt Einwände, die er schon gegen die Verträglichkeitsuntersuchung “Lichtenauer Hochland” geltend gemacht hat. Mit ihnen kann er gegenüber der Verträglichkeitsuntersuchung Süd ebenso wenig durchdringen wie gegenüber der vorgenannten Untersuchung. Im Übrigen bleibt die Kritik weitgehend abstrakt und legt nicht dar, dass sie auf die in der Verträglichkeitsuntersuchung erfolgte Bewertung der Beeinträchtigungen des Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläulings und des Kammmolchs als erheblich durchschlagen könnte.
Der Einwand, die Planfeststellungsbehörde habe bei ihrem Trassenvergleich unterschiedliche Anfangs- und Endpunkte der verglichenen Trassen zugrunde gelegt (im Falle der planfestgestellten Trasse nur den Planfeststellungsabschnitt, im Falle der Südtrasse das drei weitere Planfeststellungsabschnitte ganz bzw. teilweise einschließende Straßenstück zwischen Eschenstruth und Küchen), ist nicht berechtigt. Die Verträglichkeitsuntersuchung Süd hat ausdrücklich festgestellt, die Planfeststellungstrasse rufe “im Abschnitt von Eschenstruth bis Küchen (VKE 12 bis VKE 32) keine erheblichen Beeinträchtigungen der Erhaltungsziele der FFH-Gebiete … hervor” (Erläuterungsbericht S. 105); der Planfeststellungsbeschluss ist dem gefolgt (S. 724).
Der Kläger legt das Schwergewicht seiner Kritik auf den Vorwurf, es seien nicht alle Möglichkeiten zur Optimierung der Vorschlagstrasse Süd genutzt worden. Auch damit kann er das Ergebnis der Untersuchung nicht zu Fall bringen.
Allerdings meint der Beklagte zu Unrecht, der Kläger sei mit seinen Optimierungsvorschlägen insgesamt präkludiert. Die vier Vorschläge korrespondieren weitgehend mit Ausführungen in der Stellungnahme des Klägers vom 22. März 2005 im Anhörungsverfahren (vgl. S. 107 ff. der Stellungnahme einerseits, S. 144 ff. der Klagebegründung andererseits). Lediglich die in der Klagebegründung gemachten Vorschläge, die Trasse in der Nähe des Hellkopfsees zur Schonung des Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläulings auf einer Länge von 500 m und im Bereich der Kuhkoppe zur Schonung des Kammmolchs auf einer Länge von 900 m einzuhausen, finden in der Stellungnahme vom 22. März 2005 keine direkte Entsprechung. Da schon die Stellungnahme Vorschläge zur Schonung der beiden Arten in den genannten Bereichen enthielt, liegt es aber nahe, selbst dieses Klagevorbringen als bloße Vertiefung der bereits im Anhörungsverfahren geltend gemachten Anregungen zu werten, für die der Einwendungsausschluss des § 61 Abs. 3 BNatSchG nicht zum Tragen kommt. Letztlich kann das aber dahingestellt bleiben, weil die behördliche Beurteilung der Südtrasse auch unter Berücksichtigung des in Rede stehenden Vorbringens keinen durchgreifenden Bedenken unterliegt. Denn in der Sache stellen die Optimierungsvorschläge des Klägers das Ergebnis der Alternativenprüfung nicht infrage:
Der Vorschlag, den westlichen Teil der in der Verträglichkeitsuntersuchung Süd ermittelten Variante 2d mit dem östlichen Teil der Variante 2f zur Schonung eines Maculinea-Vorkommens an der L 3147 zu verknüpfen, scheitert an unverhältnismäßig hohen Kosten. Im westlichen Teil der Variante 2d müsste das Vogelschutzgebiet “Riedforst bei Melsungen” auf einer Länge von ca. 2 km mit einem Tunnel unterfahren werden; der Beklagte gibt die Mehrkosten in der Klageerwiderung mit ca. 190 Mio. € an, ohne dass die Größenordnung in Zweifel gezogen worden wäre. Ein Aufwand in Höhe eines dreistelligen Millionenbetrages zur Schonung eines einzelnen Faltervorkommens würde jedes vernünftige Maß übersteigen.
Der Vorschlag, die Anschlussstelle A 44/B 487 auf die Westseite der B 487 zu verlegen, um ein Maculinea-Habitat zu schonen, hätte zur Folge, dass stattdessen andere Habitatflächen dieser Art unmittelbar in Anspruch genommen und durchschnitten würden, bei denen es sich ebenfalls um Teile eines Vermehrungshabitats handelt (vgl. die vom Beklagten mit Schriftsatz vom 26. Oktober 2007 vorgelegte Maculinea-Arbeitskarte). An dem Gefahrenpotenzial würde sich also nichts Wesentliches ändern. Diese Feststellung reicht aus, um den Vorschlag außer Betracht zu lassen. Ob das Gefahrenpotenzial trotz der vom Beklagten aufgezeigten Schwierigkeiten, eine Anschlussstelle an dem vom Kläger vorgeschlagenen Standort zu realisieren, beherrschbar wäre, ließe sich allenfalls nach aufwendigen, den Vorschlag bis zur Planreife weiter entwickelnden Untersuchungen und naturschutzfachlichen Erhebungen mit der Prüftiefe einer Verträglichkeitsuntersuchung einschätzen. Das würde – wie ausgeführt – die Anforderungen an die Alternativenprüfung überspannen.
Entsprechendes gilt für die Vorschläge des Klägers, die Trasse im Bereich zwischen Retterode und dem Hellkopfsee sowie östlich des Hellkopfsees im Bereich der Kuhkoppe zu verschwenken und jeweils über mehrere hundert Meter einzuhausen, um ein Maculinea-Habitat bzw. ein Laichbiotop des Kammmolchs zu schonen. Trotz der Verschwenkung würden Lebensraumkomplexe dieser Arten mit der Folge eines erheblichen Gefahrenpotenzials für die betreffenden Erhaltungsziele durchschnitten. Das enthob den Beklagten bereits der Notwendigkeit, in dieser Richtung vertieft nach Alternativlösungen zu suchen, zumal die dafür erforderlichen Einhausungen – ganz abgesehen von der Kostenfrage – wegen der Nachbarschaft zum Hellkopfsee mit nicht ohne weiteres überschaubaren hydrogeologischen Risiken verbunden wären.
Soweit der Kläger mit Schriftsatz vom 26. Februar 2008 eine südliche Umfahrung des Hellkopfsees (Variante 2g der Verträglichkeitsuntersuchung Süd) als ökologisch verträgliche Trassenalternative geltend macht, weil diese entgegen den Annahmen in der Verträglichkeitsuntersuchung keine Flächen des prioritären Lebensraumtyps *7220 beeinträchtige, kann ihm nicht gefolgt werden. Ungeachtet der Frage, ob dieser Vortrag nicht nach § 17e Abs. 5 FStrG i.V.m. § 87b Abs. 3 VwGO zurückgewiesen werden könnte, ist er jedenfalls deshalb unbeachtlich, weil der Beklagte die Trassenvariante 2g unabhängig von den – als ungewiss eingeschätzten – Auswirkungen auf den besagten Lebensraumtyp im Hinblick auf erhebliche Beeinträchtigungen des Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläulings und des Kammmolchs als unverträglich beurteilt hat. Anhaltspunkte für eine Fehlbeurteilung in dieser Hinsicht sind weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich.
Sind die Optimierungs- und Änderungsvorschläge des Klägers mithin nicht geeignet, die Ergebnisse der Verträglichkeitsuntersuchung Süd infrage zu stellen, so ist von erheblichen Beeinträchtigungen zweier Anhang II-Arten (Dunkler Wiesenknopf-Ameisenbläuling und Kammmolch) auszugehen. Es kommt sogar noch eine weitere wesentliche Beeinträchtigung hinzu. Ausweislich der Verträglichkeitsuntersuchung Süd (S. 84 Tab. 23 und S. 100 f.) gehen für die Vorschlagstrasse Süd im Variantenabschnitt 2f 1,01 ha des LRT 6510 verloren, was der Beklagte im Hinblick auf den geringen Anteil an der Gesamtfläche dieses Lebensraumtyps im FFH-Gebiet “Glimmerode und Hambach bei Hessisch Lichtenau” (0,59 %) als unerheblich wertet. Bei einem Flächenverlust von mehr als 1 ha kann von einer Bagatelle indes keine Rede sein, so dass nach den oben für das Lichtenauer Hochland zugrunde gelegten Maßstäben eine erhebliche Beeinträchtigung vorliegt. Erweist sich demnach auch eine Südumfahrung Hessisch Lichtenaus als unvereinbar mit den Erhaltungszielen eines FFH-Gebiets, so kann sie nicht als vorzugswürdige Trassenalternative angesehen werden.
2.3.2.2.3 Nördliche Trassenvarianten
Nördlich von Hessisch Lichtenau sind vorzugswürdige Trassenvarianten gleichfalls nicht erkennbar.
Dass der Kläger im ursprünglichen Planfeststellungsverfahren eine unzureichende Berücksichtigung nördlicher Alternativtrassen noch nicht gerügt hat, führt nicht zum Ausschluss seines darauf bezogenen Vortrags. Die Umplanung des Vorhabens im ersten Änderungs- und Ergänzungsverfahren hat veränderte Betroffenheiten zur Folge gehabt, die – wie der Kläger unter Hinweis auf den Kostenaspekt hervorgehoben hat – für die berührten Belange nicht nur positiv sind. Aufgrund dessen stellt sich die Frage nach vorzugswürdigen Alternativen neu. Demgemäß ist auch die Möglichkeit, entsprechende Einwendungen zu erheben, neu eröffnet worden. Von dieser Möglichkeit hat der Kläger in seiner Anhörung während des ersten Änderungs- und Ergänzungsverfahrens mit Schreiben vom 22. März 2005 fristgerecht Gebrauch gemacht (S. 100 f.). Seine Darlegungen im Klageverfahren zu nördlichen Trassenvarianten finden in den dortigen Ausführungen ihre Entsprechung.
Indes ist keine der vorgeschlagenen Varianten vorzugswürdig.
2.3.2.2.3.1 Die vom Kläger angeführte Variante II.03 des Raumordnungsverfahrens, die randlich durch das FFH-Gebiet “Lichtenauer Hochland” führt, birgt ein erhebliches Beeinträchtigungspotenzial für den LRT 6410 und den Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläuling (Pfeifengraswiese am Bahnhof Hessisch Lichtenau und dortiges Maculinea-Vorkommen). Ob sie die Pfeifengraswiese anschneidet, ist zwar zwischen den Beteiligten streitig. Legte man die Darstellung des Trassenverlaufs und der Lage der Pfeifengraswiese in der vom Kläger vorgelegten Karte der Anlage K 15.2 zur Klagebegründung zugrunde, so bliebe die Wiese jedenfalls flächenmäßig unangetastet. Die Karte zeichnet aber ein unzutreffendes Bild. Eine ebenfalls vom Kläger vorgelegte Karte aus dem Raumordnungsverfahren (Anlage K 15.1 zur Klagebegründung) lässt erkennen, dass die Pfeifengraswiese in ihrer ursprünglichen Ausdehnung nahtlos an die Trasse anschloss. Dieser Zustand hat sich jedoch verändert; ausweislich der Ergebnisse der Grunddatenerfassung 2005 hat sich die Wiese nach Süden ausgedehnt. Bei Erlass des ersten Änderungs- und Ergänzungsbeschlusses war deshalb bereits davon auszugehen, dass die Trasse die Pfeifengraswiese anschneiden würde. Baubedingte Beeinträchtigungen und mittelbare Einwirkungen durch Schadstoffbelastungen im Nahbereich der Trasse kämen hinzu. Dass im Zusammenwirken dieser Konsequenzen eine erhebliche Beeinträchtigung der vorstehend genannten Schutzgüter zu sehen ist, liegt angesichts der geringen Ausdehnung des LRT 6410 im Gebiet und der Bedeutung der betroffenen Pfeifengraswiese als wichtigstes Vermehrungshabitat im Lichtenauer Hochland auf der Hand. Infolgedessen ist diese Variante auch unabhängig davon, dass ihr Anschluss an den bereits weitgehend fertiggestellten Abschnitt der VKE 31 Rückbauten und aufwendige Änderungen erfordern würde, im Vergleich zur planfestgestellten Trasse nicht vorzugswürdig.
2.3.2.2.3.2 Der Vorschlag des Klägers, einen im Vergleich zur Trassenvariante ROV II.03 noch stärker an die Ortslage von Hessisch Lichtenau angelehnten Trassenverlauf zu wählen, würde die Beeinträchtigungen der Pfeifengraswiese und des Maculinea-Habitats abschwächen; eine unmittelbare Flächeninanspruchnahme entfiele. Ob das dann verbleibende Beeinträchtigungspotenzial durch Stickstoffbelastungen unterhalb der Erheblichkeitsschwelle läge, kann ebenso offenbleiben wie die weiteren Fragen, ob die Vorschlagstrasse an Immissionsschutzbelangen der Nachbarschaft, dem entstehenden Kostenaufwand oder Problemen des Anschlusses an den Folgeabschnitt scheitern würde. Der Vorschlagstrasse steht nämlich ein unüberwindliches Planungshindernis in Gestalt der Bahnanlagen der Strecke Hessisch Lichtenau – Epterode einschließlich des Bahnhofsgeländes in Hessisch Lichtenau entgegen. Die Strecke ist zwar stillgelegt worden. Die Stilllegung (§ 11 AEG) hat aber nur die Betriebspflicht entfallen lassen, dagegen nichts an der durch die eisenbahnrechtliche Planfeststellung vermittelten Zweckbindung der Bahnanlagen geändert, die eine Überplanung zu anderen Zwecken ausschließt. Um den planungsrechtlichen Status als Bahnanlage aufzuheben, bedürfte es einer Freistellung von Bahnbetriebszwecken gemäß § 23 AEG. Eine solche liegt weder bisher vor noch könnte sie erwirkt werden.
Die Planfeststellungsbehörde ist nicht selbst in der Lage, über die Freistellung zu entscheiden. Bei dem Freistellungsakt handelt es sich um keine Entscheidung i.S.d. § 75 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 HessVwVfG, die von der Konzentrationswirkung des Planfeststellungsbeschlusses erfasst wäre. Ersetzt werden nämlich nur solche Entscheidungen, die für das fernstraßenrechtliche Planungsvorhaben zu treffen sind. Über eine eisenbahnrechtliche Freistellung ist hingegen unabhängig von einem solchen Vorhaben allein unter eisenbahnrechtlichem Blickwinkel zu entscheiden.
Der Vorhabenträger hätte auch keine Möglichkeit, die Freistellung außerhalb des Planfeststellungsverfahrens zu erreichen. Zum einen gehört er nicht zum Kreis der möglichen Antragsteller eines Freistellungsverfahrens, der in § 23 Abs. 1 AEG abschließend bestimmt ist. Zum anderen liegen die materiellen Freistellungsvoraussetzungen nicht vollständig vor. Es fehlt an dem Erfordernis, dass langfristig eine Nutzung der Eisenbahninfrastruktur im Rahmen der Zweckbestimmung nicht mehr zu erwarten ist. Dies folgt aus Planungsabsichten auf regionalplanerischer und kommunaler Ebene. Der Entwurf einer Fortschreibung des Regionalplans Nordhessen enthält die Zielsetzung, die Strecke Hessisch Lichtenau – (Walburg) – Epterode durch Sicherung der Infrastruktur für eine Reaktivierung vorzuhalten. Als sonstiges Erfordernis der Raumordnung (§ 3 Nr. 4 ROG) darf dieses in Aufstellung befindliche Ziel bei der nach § 23 Abs. 1 AEG gebotenen Prognose nicht außer Betracht bleiben. Gleiches gilt für die vom Beklagten belegten Planungsabsichten der Stadt Hessisch Lichtenau, die ebenfalls eine künftige Nutzung der Bahnanlagen im Rahmen ihrer fortbestehenden Zweckbestimmung vorsehen. Dementsprechend hat das Eisenbahn-Bundesamt gegenüber der Planfeststellungsbehörde mit Schreiben vom 21. Februar 2008 ausdrücklich erklärt, eine Freistellung sei im Bereich des Bahnhofs Hessisch Lichtenau nicht möglich. Dass das Eisenbahn-Bundesamt einer Freistellung von Bahnanlagen an anderen Stellen des A 44-Gesamtvorhabens keinen Widerstand entgegengesetzt hat, besagt nichts Abweichendes, da insoweit nicht die Strecke Hessisch Lichtenau – Epterode betroffen ist.
2.3.2.3 Kohärenzsicherung
Der Beklagte hat in ausreichendem Umfang Maßnahmen getroffen, um den Schutz der globalen Kohärenz des ökologischen Netzes “Natura 2000” sicherzustellen. Angesichts dessen kann die im Urteil vom 17. Januar 2007 – BVerwG 9 A 20.05 – (BVerwGE 128, 1 Rn. 148) nicht abschließend entschiedene Frage, ob das Erfordernis der Kohärenzsicherung (Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 1 FFH-RL, § 34 Abs. 5 BNatschG, § 20d Abs. 5 HeNatG a.F.) mit Rücksicht auf die gebotene Effektivität des Gebietsschutzes eine Zulassungsvoraussetzung darstellt oder ob es – wofür der Wortlaut der Habitatrichtlinie sprechen könnte – der Rechtsfolgenseite zuzuordnen ist, auch hier dahingestellt bleiben.
2.3.2.3.1 Rechtliche Vorgaben
Der Begriff der Ausgleichsmaßnahme zur Kohärenzsicherung i.S.d. Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 1 FFH-RL wird weder in der Habitatrichtlinie noch in den deutschen Umsetzungsregelungen definiert. Sein Bedeutungsgehalt erschließt sich aber aus seinem Sinnzusammenhang. FFH-Gebiete bilden ein zusammenhängendes ökologisches Netz, das einen günstigen Erhaltungszustand der natürlichen Lebensräume und der Arten von gemeinschaftlichem Interesse wahren soll (5. Begründungserwägung der Habitatrichtlinie). Dazu leisten die einzelnen Gebiete entsprechend ihren Erhaltungszielen einen Beitrag. Führt ein Projekt zu einer erheblichen Beeinträchtigung geschützter Gebietsbestandteile mit der Folge, dass das Gebiet diese Funktion nicht mehr voll wahrnehmen kann, so soll dies nicht ohne einen Ausgleich in Kauf genommen werden. Die Funktionseinbuße für die Erhaltungsziele ist durch Maßnahmen, die zu dem Projekt hinzutreten, zu kompensieren (vgl. Schlussanträge der Generalanwältin Kokott zu Rs. C-209/04, Slg. 2006 I-2755 Rn. 84; EU-Kommission, Natura 2000-Gebietsmanagement, 2000, S. 49 f.; dieselbe, Auslegungsleitfaden zu Art. 6 Abs. 4 der “Habitat-Richtlinie” 92/43/EWG, 2007, S. 11 ff., nachfolgend: EG-Auslegungsleitfaden). Die Ausgestaltung der Kohärenzsicherungsmaßnahme hat sich deshalb funktionsbezogen an der jeweiligen erheblichen Beeinträchtigung auszurichten, derentwegen sie ergriffen wird (vgl. BMVBW-Leitfaden S. 65; für nicht prioritäre Lebensräume und Arten großzügiger Jarass, NuR 2007, 371 ≪379≫). Das gilt sowohl für die Art als auch für den Umfang der Maßnahme. Der EG-Auslegungsleitfaden (S. 16) nennt dementsprechend die Wiederherstellung des beeinträchtigten oder die Verbesserung des verbleibenden Lebensraums, die Neuanlage eines Lebensraums und die Beantragung der Eingliederung eines neuen Gebiets in das Netz “Natura 2000” als Beispiele für Kohärenzsicherungsmaßnahmen.
Der Funktionsbezug ist das maßgebliche Kriterium insbesondere auch zur Bestimmung des notwendigen räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs zwischen Gebietsbeeinträchtigung und Kohärenzsicherung. Der Ausgleich muss nicht notwendig unmittelbar am Ort der Beeinträchtigung erfolgen; es reicht vielmehr aus, dass die Einbuße ersetzt wird, die das Gebiet hinsichtlich seiner Funktion für die biogeografische Verteilung der beeinträchtigten Lebensräume und Arten erleidet (vgl. EG-Auslegungsleitfaden S. 20). In zeitlicher Hinsicht muss mindestens sichergestellt sein, dass das Gebiet unter dem Aspekt des beeinträchtigten Erhaltungsziels nicht irreversibel geschädigt wird (Urteil vom 17. Januar 2007 a.a.O. Rn. 148). Ist das gewährleistet, lässt sich die Beeinträchtigung aber – wie im Regelfall – nicht zeitnah ausgleichen, so ist es hinnehmbar, wenn die Kohärenzsicherungsmaßnahmen rechtzeitig bis zur Vollendung des Vorhabens ergriffen werden, die Funktionseinbußen hingegen erst auf längere Sicht wettgemacht werden.
Die Eignung einer Kohärenzsicherungsmaßnahme ist ausschließlich nach naturschutzfachlichen Maßstäben zu beurteilen. An die Beurteilung sind weniger strenge Anforderungen zu stellen als an diejenige der Eignung von Schadensvermeidungs- und -minderungsmaßnahmen. Während für Letztere der volle Nachweis ihrer Wirksamkeit zu fordern ist, weil sich nur so die notwendige Gewissheit über die Verträglichkeit eines Plans oder Projekts gewinnen lässt (vgl. Urteil vom 17. Januar 2007 a.a.O. Rn. 54 ff.), genügt es für die Eignung einer Kohärenzsicherungsmaßnahme, dass nach aktuellem wissenschaftlichen Erkenntnisstand eine hohe Wahrscheinlichkeit ihrer Wirksamkeit besteht. Anders als bei der Schadensvermeidung und -minderung geht es bei der Kohärenzsicherung typischerweise darum, Lebensräume oder Habitate wiederherzustellen oder neu zu entwickeln. Dieser Prozess ist in aller Regel mit Unwägbarkeiten verbunden. Deshalb lässt sich der Erfolg der Maßnahme nicht von vornherein sicher feststellen, sondern nur prognostisch abschätzen. Würde man gleichwohl die Gewissheit des Erfolgseintritts fordern, müsste eine positive Abwägungsentscheidung regelmäßig am Kohärenzerfordernis scheitern. Das widerspräche dem Regelungszweck des Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 1 FFH-RL.
Schon mit Rücksicht auf den prognostischen Charakter der Eignungsbeurteilung verfügt die Planfeststellungsbehörde bei der Entscheidung über Kohärenzsicherungsmaßnahmen über eine naturschutzfachliche Einschätzungsprärogative. Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass die jeweilige konkrete Beeinträchtigung und die prognostisch ermittelte Kompensation praktisch stets qualitative Unterschiede aufweisen. Infolgedessen können sie nur wertend miteinander verglichen werden. Jedenfalls soweit naturschutzfachlich allgemein anerkannte standardisierte Maßstäbe und rechenhaft handbare Verfahren fehlen, muss der Planfeststellungsbehörde auch unter diesem Gesichtspunkt eine naturschutzfachliche Einschätzungsprärogative zuerkannt werden. Das Gericht hat seine Prüfung insoweit auf eine Vertretbarkeitskontrolle zu beschränken (vgl. zur naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung entsprechend Urteil vom 9. Juni 2004 – BVerwG 9 A 11.03 – BVerwGE 121, 72 ≪84≫; vgl. auch Urteil vom 27. Februar 2003 – BVerwG 4 A 59.01 – BVerwGE 118, 15 ≪20≫ zum ökologisch-fachlichen Beurteilungsspielraum bei der Auswahl von FFH-Gebieten). Um sie vornehmen zu können, muss die Eingriffs- und Kompensationsbilanz im Planfeststellungsbeschluss nachvollziehbar offengelegt werden. Dafür genügt – wie bei der Anwendung der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung (vgl. dazu Urteil vom 9. Juni 2004 a.a.O.) – eine verbal-argumentative Darstellung, sofern sie rational nachvollziehbar ist und erkennen lässt, ob der Bilanzierung naturschutzfachlich begründbare Erwägungen zugrunde liegen.
Dass Maßnahmen zugleich dazu dienen, im Rahmen der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung Beeinträchtigungen des Naturhaushalts zu kompensieren, stellt ihre Eignung als Kohärenzsicherungsmaßnahmen nicht infrage (ebenso OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 7./8. November 2007 – 8 C 11523/06 –, DVBl 2008, 321 ≪323≫; BMVBW-Leitfaden S. 65); allerdings muss gewährleistet sein, dass keine Doppelanrechnung auf tatsächlich verschiedene Beeinträchtigungen erfolgt. Ein und dieselbe Maßnahme kann überdies bezogen auf unterschiedliche Erhaltungsziele einerseits eine in der Verträglichkeitsprüfung zu berücksichtigende Schadensminderungsmaßnahme, andererseits eine Kohärenzsicherungsmaßnahme darstellen (vgl. Jarass a.a.O. S. 379). Da Kohärenzsicherungsmaßnahmen gezielt plan- bzw. projektbedingte Beeinträchtigungen ausgleichen sollen, sind sie prinzipiell zusätzlich zu den Standardmaßnahmen des der Erhaltung (Art. 6 Abs. 1 FFH-RL) und der Vermeidung von Verschlechterungen und Störungen (Art. 6 Abs. 2 FFH-RL) dienenden Gebietsmanagements zu ergreifen (BMVBW-Leitfaden S. 66). Das schließt indes nicht die Möglichkeit aus, als Maßnahmen der Kohärenzsicherung tiefreichend geschädigte oder völlig degenerierte Lebensräume geschützter Typen oder Habitate geschützter Arten gezielt wiederherzustellen; dies jedenfalls dann nicht, wenn die mitgliedstaatliche Gebietsausweisung (Art. 4 Abs. 4 FFH-RL) noch aussteht und demgemäß Maßnahmen entsprechend den umsetzungsbedürftigen Vorgaben des Art. 6 Abs. 1 und 2 FFH-RL und des § 20b Abs. 1 Satz 4 HeNatG a.F. bzw. § 33 Abs. 2 HeNatG n.F. noch nicht in Managementplänen oder in vergleichbaren Plänen bestimmt sind.
2.3.2.3.2 Planfestgestellte Kohärenzsicherungsmaßnahmen
Nach diesen Grundsätzen reichen die planfestgestellten Maßnahmen zur Kohärenzsicherung aus.
2.3.2.3.2.1 Das gilt zunächst für den LRT 6410. Der Änderungs- und Ergänzungsbeschluss vom 28. Februar 2008 geht – hilfsweise – bezogen auf die Stickstoffbelastung der Pfeifengraswiesen von einem notwendigen Eingriffs-/Ausgleichsverhältnis von 1:3 aus, das zugleich eine Kompensation der Trennwirkungen gewährleiste. Aufgrund der angeordneten Maßnahmen, die die Wiederherstellung des beeinträchtigten Lebensraums (0,18 ha zuzüglich Trennwirkungen) auf einer Fläche von 1,54 ha und dessen Neuentwicklung auf Flächen von insgesamt 1,93 ha zum Gegenstand haben (S. 16 des Beschlusses), zieht der Beschluss eine positive Ausgleichsbilanz. Dagegen bestehen keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die angeordneten Maßnahmen sind ihrer Art nach Kohärenzsicherungsmaßnahmen, zumal sich mangels Konkretisierung der rechtlichen Vorgaben des Art. 6 Abs. 1 und 2 FFH-RL in Bewirtschaftungsplänen oder in vergleichbaren Plänen die Frage nach der Konkurrenz mit Standardmaßnahmen des Gebietsmanagements für die Planfeststellungsbehörde noch nicht stellte. Ob die vom Beklagten angenommene Ausgleichsfläche von 3,47 ha vollumfänglich in Ansatz gebracht werden durfte, erscheint zwar zweifelhaft, weil Teilflächen in dem Belastungsband oberhalb der CL liegen. Außerhalb dieses Bandes stehen aber immer noch Ausgleichsflächen von mehr als 2 ha zur Verfügung, selbst wenn man das vom Kläger als für eine Pfeifengraswiese zu trocken eingestufte Flurstück 40/1 der Flur 8 außer Betracht lässt. Dass auf diesen Flächen mittelfristig durch Verzicht auf jegliche Düngung und ein auf die Bedürfnisse des LRT 6410 abgestimmtes Mahdregime Pfeifengraswiesen wiederhergestellt bzw. entwickelt werden können, hat der Beklagte unter Hinweis auf die frühere Zugehörigkeit der Flächen zu diesem Lebensraumtyp bzw. das Gepräge der Nachbarflächen schlüssig dargelegt. Gründe, die seine Einschätzung als naturschutzfachlich unvertretbar erscheinen ließen, sind nicht erkennbar.
Ebenso wenig haben sich Anhaltspunkte ergeben, dass das – ohnehin weit “übererfüllte” – Eingriffs-/Ausgleichsverhältnis von 1:3 naturschutzfachlich unvertretbar wäre. Dass die Wiederherstellung von Flächen des Lebensraumtyps und mehr noch deren Neuentwicklung erst zeitlich um Jahre versetzt zum Tragen kommen kann, ist umso unbedenklicher, als die CL auf Langzeitwirkungen ausgerichtete Vorsorgewerte darstellen, ihre hier eher geringe Überschreitung daher keine kurzfristigen Beeinträchtigungen erwarten lässt. Für die Trennwirkungen des Vorhabens auf die Pfeifengraswiesen brauchten keine gesonderten Ausgleichsflächen in der Bilanz veranschlagt zu werden. Es leuchtet nämlich ohne Weiteres ein und ist auch vom Kläger nicht infrage gestellt worden, dass wieder- oder neuentwickelte Flächen eines Lebensraumtyps in der Nachbarschaft bereits vorhandener Flächen deren Verinselung entgegenwirken, also eine Kompensationswirkung sowohl für die Stickstoffbelastung als auch für die Zerschneidung entfalten.
2.3.2.3.2.2 Für die erheblichen Beeinträchtigungen des LRT 6510 sind gleichfalls ausreichende Kohärenzsicherungsmaßnahmen angeordnet worden; auch insoweit wird ein Eingriffs-/Ausgleichsverhältnis von 1:3 gewährleistet.
Den Beeinträchtigungen durch Flächenverluste i.H.v. ca. 1,52 ha und durch möglicherweise schädigende Stickstoffdeposition von Flächen i.H.v. 0,86 ha stehen nach den Anordnungen im Änderungs- und Ergänzungsbeschluss vom 28. Februar 2008 im Bereich der VKE 20 Kohärenzsicherungsflächen im Umfang von 6,75 ha gegenüber (6,2 ha im Rahmen der nunmehr auch zur Kohärenzsicherung vorgesehenen Maßnahmen M 3 und M 4 sowie 0,55 ha, die zusätzlich für die Flurstücke 14/1 und 15/1 in der Nähe des Bahnhofs Hessisch Lichtenau angeordnet worden sind – S. 13 f. des Beschlusses). Dieser Flächenumfang bleibt hinter der angestrebten Ausgleichsquote (2,38 ha × 3) um 0,39 ha zurück. Das vermeintliche Flächendefizit wird jedoch durch ergänzende Kohärenzsicherungsmaßnahmen ausgefüllt, die im Beschluss vom 28. Februar 2008 unter Rückgriff auf Kompensationsmaßnahmen nach der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung für den Nachbarabschnitt VKE 31 angeordnet worden sind. Danach ist vorgesehen, in zwei Teilbereichen des FFH-Gebiets “Lichtenauer Hochland” (Stedtebachtal bei Walburg und Hasenberg) extensive Mähwiesen großflächig zu entwickeln. Ihre Einbeziehung rechtfertigt sich aus dem Summationsgedanken: Müssen in der Verträglichkeitsprüfung zusammenwirkende Beeinträchtigungen von Nachbarabschnitten auf ein FFH-Gebiet summierend betrachtet werden, so ist es konsequent, auch für das Kohärenzsicherungskonzept eine entsprechende Gesamtbetrachtung anzustellen. Deshalb bestehen unter der Voraussetzung einer solchen Summation keine Bedenken, im Nachbarabschnitt mit Kompensationsmaßnahmen nach § 19 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG belegte Flächen in gleicher Weise in das Kohärenzsicherungskonzept einzubeziehen wie entsprechende Flächen im planfestgestellten Abschnitt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die einbezogenen Flächen im Nachbarabschnitt der allgemeinen naturschutzrechtlichen Kompensation solcher Beeinträchtigungen dienen, die im Wege der summierenden Betrachtung unter dem spezifischen Blickwinkel der FFH-Schutzziele nochmals gesondert berücksichtigt werden müssen.
Demzufolge können hier jedenfalls diejenigen Flächenanteile der Kompensationsmaßnahmen A/E 3.2 und A/E 4.1 des Landschaftspflegerischen Begleitplans zur VKE 31 einbezogen werden, die auf den Verlust und die Schadstoffbelastung von Extensivgrünland im Zusammenhang mit dem Konflikt K 2 entfallen; denn dieser Konflikt betrifft die mit der VKE 31 verbundenen Beeinträchtigungen im Lichtenauer Hochland, die FFH-rechtlich zulasten des LRT 6510 gehen. Wenngleich die Beeinträchtigungsfläche in den vom Kläger vorgelegten Maßnahmeblättern A/E 3.2 und A/E 4.1 nicht quantifiziert ist, ergibt sich doch schon aus den Planzeichnungen zum streitbefangenen Abschnitt VKE 20, dass insoweit eine Fläche betroffen ist, die das Defizit an Kohärenzsicherungsflächen übersteigt, das bei bloßer Berücksichtigung der Maßnahmen M 3 und M 4 sowie der ergänzenden Maßnahme im Umfang von 0,55 ha in Bahnhofsnähe verbliebe (vgl. Bestands- und Konfliktplan 1 der Planunterlage 12.1d). Selbst bei einem Eingriffs-/Kompensationsverhältnis von nur 1:1 im Rahmen der landschaftspflegerischen Begleitplanung für die VKE 31 entfallen demnach auf den Konflikt K 2 Kompensationsflächen in einem Umfang, der ausreicht, um die im Kohärenzsicherungskonzept angestrebte Ausgleichsquote zu erreichen.
Die Eignung der zu berücksichtigenden Kohärenzsicherungsflächen ist keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken ausgesetzt. Die bisherigen Erfahrungen im Lichtenauer Hochland, namentlich auch im Zusammenhang mit der Durchführung der Kompensationsmaßnahmen in der Stedtebachniederung, haben gezeigt, dass unter den dortigen Bedingungen extensive Mähwiesen durch Flächenextensivierung und selbst durch Umwandlung von Ackerland innerhalb weniger Jahre hergestellt werden können. Standortbesonderheiten, die eine positive Prognose für die vorgesehenen Kohärenzsicherungsflächen gleichwohl als naturschutzfachlich unvertretbar erscheinen ließen, sind nicht hervorgetreten. Der Einwand des Klägers, die entwickelbaren LRT-Flächen blieben in ihrer Qualität auf Jahre hin deutlich hinter den beeinträchtigten Flächen zurück und seien überdies teilweise einem anderem Subtyp des LRT 6510 zuzuordnen, mag zutreffen. Dem trägt das Ausgleichskonzept jedoch in rechtlich nicht zu beanstandender Weise durch die Ausgleichsquote Rechnung. Die Maßnahmen sind auch rechtlich genügend abgesichert. Soweit sie nicht auf Eigentumsflächen des Baulastträgers durchgeführt werden sollen, ist eine dingliche Sicherung gegenüber den Eigentümern vorgesehen.
2.4 Artenschutz
Auch das Artenschutzrecht erweist sich für das Vorhaben nicht als rechtliches Hindernis. Der Planfeststellungsbeschluss hat zwar in seiner Fassung vom 22. Dezember 2005 in mehrfacher Hinsicht gegen artenschutzrechtliche Bestimmungen verstoßen; doch sind diese Mängel durch Gesetzesänderung bzw. durch den Änderungs- und Ergänzungsbeschluss vom 28. Februar 2008 entfallen.
2.4.1 Defizite des Planfeststellungsbeschlusses i.d.F. vom 22. Dezember 2005
Bei Erlass des Änderungs- und Ergänzungsbeschlusses vom 22. Dezember 2005, der die im ursprünglichen Planfeststellungsbeschluss unterbliebene artenschutzrechtliche Beurteilung nachgeholt hat, war das Vorhaben an den §§ 42, 43 und 62 des Bundesnaturschutzgesetzes vom 25. März 2002 (BGBl I S. 1193) – BNatSchG a.F. – zu messen, die nach § 11 Satz 1 BNatSchG unmittelbar galten. Durch sie ist an sich eine dreistufige Prüfung vorgegeben, bei der zu klären ist, ob das Vorhaben einen Verbotstatbestand des § 42 BNatSchG a.F. verwirklicht, ob eine gesetzliche Ausnahme vom Verbot nach § 43 BNatSchG a.F. eingreift oder ob das Verbot aufgrund einer Befreiung nach § 62 BNatSchG a.F. entfallen ist. Die auf der zweiten Stufe zu beachtende Legalausnahme des § 43 Abs. 4 Satz 1 BNatSchG a.F. für Eingriffe i.S.d. § 19 BNatSchG kann indessen grundsätzlich nicht zum Tragen kommen, weil die Vorschrift die Ausnahme nicht von sämtlichen Voraussetzungen des Art. 16 FFH-RL bzw. Art. 9 VRL abhängig macht, deren Umsetzung die artenschutzrechtlichen Bestimmungen des Bundesnaturschutzgesetzes dienen (vgl. zu Art. 16 FFH-RL EuGH, Urteil vom 10. Januar 2006 – Rs. C-98/03 – Slg. 2006, I-53 Rn. 61; zur Übertragbarkeit dieser Rechtsprechung auf Art. 9 VRL BVerwG, Urteil vom 21. Juni 2006 – BVerwG 9 A 28.05 – BVerwGE 126, 166 ≪Rn. 38≫). Das hindert die Planfeststellungsbehörde aber nicht, unter den Voraussetzungen des § 62 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG a.F. eine Befreiung zu erteilen (Urteil vom 21. Juni 2006 a.a.O. Rn. 40). Der Planfeststellungsbeschluss enthält i.d.F. vom 22. Dezember 2005 eine derart gestufte Beurteilung; bei den einzelnen Prüfschritten sind der Planfeststellungsbehörde jedoch Fehler unterlaufen.
2.4.1.1 Verbotstatbestände
Die Verbotstatbestände des § 42 Abs. 1 BNatSchG a.F. liegen in weiterem Umfang vor als im Planfeststellungsbeschluss zugrunde gelegt.
2.4.1.1.1 Der Planfeststellungsbeschluss ist im Anschluss an den Artenschutzrechtlichen Fachbeitrag (S. 49 ff.) davon ausgegangen, dass der Verbotstatbestand des § 42 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG a.F. für zahlreiche besonders geschützte Tierarten (§ 10 Abs. 2 Nr. 10 BNatSchG) erfüllt sei (S. 498 ff., insbesondere S. 509). Wie die dazu gemachten Ausführungen im Artenschutzrechtlichen Fachbeitrag und im Planfeststellungsbeschluss verdeutlichen, bezieht sich diese Annahme nur auf die 2. Alternative des Verbotstatbestandes (vgl. insbesondere S. 84 unten des Artenschutzrechtlichen Fachbeitrags). Die damit verbundene Beurteilung, das Zugriffsverbot des § 42 Abs. 1 Nr. 1, Alt. 1 BNatSchG a.F. komme nicht zum Tragen, begegnet nicht den vom Kläger erhobenen Bedenken.
Das gilt zum einen für Fledermäuse. Da verschiedene Fledermausarten in dem von der planfestgestellten Trasse durchschnittenen Naturraum anzutreffen sind, lässt sich zwar nicht ausschließen, dass einzelne Exemplare durch den Autobahnverkehr zu Schaden kommen. Das reicht aber nicht aus, um den Tatbestand der 1. Alternative als erfüllt anzusehen. Soll das Tötungsverbot nicht zu einem unverhältnismäßigen Planungshindernis werden, so ist vielmehr zu fordern, dass sich das Risiko des Erfolgseintritts durch das Vorhaben in signifikanter Weise erhöht (ebenso Gellermann/Schreiber, Schutz wildlebender Tiere und Pflanzen in staatlichen Planungs- und Zulassungsverfahren, 2007, S. 38 f.). Hierfür fehlen genügende Anhaltspunkte. Die durchgeführten Erhebungen haben für die weiten Offenlandbereiche des Lichtenauer Hochlands eine besonders geringe Aktivitätsdichte von Fledermäusen ergeben. In anderen Bereichen, darunter auch dem vom Kläger angesprochenen Westhang des Schulbergs, wurden stärkere Aktivitäten registriert, ohne dass dort jedoch Hauptflugrouten verlaufen würden oder bevorzugte Jagdgebiete vorhanden wären. Unter diesen Umständen ist gegen die naturschutzfachliche Beurteilung des Beklagten, eine deutliche Steigerung des Tötungsrisikos sei nicht zu erwarten, nichts zu erinnern.
Soweit der Kläger auch bezogen auf die im Trassenbereich vorkommenden europäischen Vogelarten ein gesteigertes Kollisionsrisiko geltend macht, ist sein Vortrag so allgemein geblieben, dass tragfähige Anhaltspunkte für eine signifikante Risikoerhöhung fehlen. Das trifft auch für Raubvögel zu, da Schutzeinrichtungen vorgesehen sind, die potentielle Beutetiere von der Fahrbahn fernhalten.
2.4.1.1.2 Den Tatbestand des § 42 Abs. 1 Nr. 1, Alt. 2 BNatSchG a.F. hat der Beklagte wegen der Zerstörung von Nist-, Brut- und Zufluchtstätten besonders geschützter Tierarten (darunter mehrerer europäischer Vogelarten sowie der Zauneidechse und der Schlingnatter als Arten des Anhangs IV der Habitatrichtlinie) als erfüllt angesehen (S. 498 ff. des Planfeststellungsbeschlusses i.V.m. S. 49 ff. des Artenschutzrechtlichen Fachbeitrags). Diese Beurteilung ist nicht zu beanstanden, auch soweit der Beklagte wie im Fall der Schlingnatter mit Wahrunterstellungen zugunsten der jeweiligen Art gearbeitet hat; sie schöpft den Umfang der tatbestandserheblichen Zugriffe aber nicht aus.
§ 42 Abs. 1 Nr. 1, Alt. 2 BNatSchG a.F. schützt nicht den Lebensraum besonders geschützter Arten insgesamt, sondern nur selektiv die bezeichneten Lebensstätten, die durch bestimmte Funktionen geprägt sind. Um dem Schutz der Vorschrift zu unterfallen, müssen sie nicht dauerhaft von Individuen der jeweiligen Art genutzt werden. Erfolgt die Nutzung regelmäßig, so greift das Verbot auch in Zeiten ein, in denen die Lebensstätte nicht genutzt wird (Urteil vom 21. Juni 2006 a.a.O. Rn. 33). Bloß potentielle Lebensstätten fallen dagegen nicht unter den Verbotstatbestand, weil es insoweit an dem in der Bestimmung vorausgesetzten Individuenbezug fehlt. Entsprechendes gilt für Lebensstätten von Individuen nicht standorttreuer Arten, nachdem sie von diesen verlassen worden sind.
Hiernach hat der Planfeststellungsbeschluss i.d.F. vom 22. Dezember 2005 den Verbotstatbestand des § 42 Abs. 1 Nr. 1, Alt. 2 BNatSchG a.F. für den Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläuling zu Recht verneint. Die Inanspruchnahme von Teilflächen des Maculinea-Lebensraumkomplexes erstreckte sich nach den durchgeführten, gerichtlicher Überprüfung standhaltenden Bestandserhebungen nicht auf die ausdrücklich benannten Lebensstätten. Soweit auf den in Anspruch genommenen Flächen der Wiesenknopf als Wirtspflanze der Art bei den Bestandserhebungen in geringem Umfang vorkam, sind dort keine Bruthabitate festgestellt worden. Der Beklagte durfte deshalb den Schluss ziehen, insoweit handele es sich jedenfalls aktuell nicht um einen essenziellen Lebensraum i.S.d. durch § 42 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 BNatSchG a.F. geschützten Lebensstätten.
Ebenso wenig greift der vom Kläger unter Verweis auf den Bestands- und Konfliktplan der Verträglichkeitsprüfung Lichtenauer Hochland erhobene Einwand durch, ein Brutvorkommen des Wachtelkönigs im Trassenbereich sei unberücksichtigt gelassen worden. Die Planungsgruppe Ökologie und Umwelt hat in ihrer Stellungnahme vom Mai 2006 (S. 73) zutreffend darauf hingewiesen, dass der genannte Plan den Wachtelkönig im Trassenbereich lediglich als “Gastvogel” aufführt. Eine Niststätte geht also nicht verloren.
Defizitär ist die Beurteilung aber insoweit, als zahlreiche besonders geschützte Arten überhaupt nicht in die artenschutzrechtliche Prüfung einbezogen worden sind, obgleich sie im Trassenbereich vorkommen oder vorkommen können (vgl. Tab. 2 und 3 des Artenschutzrechtlichen Fachbeitrags). Bei der gebotenen individuenbezogenen Betrachtung (vgl. Urteil vom 21. Juni 2006 – BVerwG 9 A 28.05 – BVerwGE 126, 166 Rn. 35 f.) durfte die Frage, ob Nist- oder Brutplätze dieser Arten durch das Vorhaben in Anspruch genommen werden, nicht mit der Begründung, es handele sich um irrelevante bzw. allgemein häufige Arten, ungeprüft gelassen werden.
2.4.1.1.3 Defizite weist auch die Beurteilung des Störungsverbots (§ 42 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG a.F.) auf.
Der Planfeststellungsbeschluss legt im Anschluss an den Artenschutzrechtlichen Fachbeitrag Störungen von Nist-, Brut- und Zufluchtstätten näher bezeichneter europäischer Vogelarten sowie der im Anhang IV der Habitatrichtlinie genannten Zauneidechse und Schlingnatter zugrunde (S. 500 ff.). Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass zu den ”ähnlichen Handlungen”, durch die die dem Störungstatbestand unterfallenden Arten gestört werden, auch bau- und betriebsbedingte Störungen in Gestalt von akustischen und optischen Störwirkungen gehören (vgl. Urteil vom 21. Juni 2006 a.a.O. Rn. 34 m.w.N.). Der Kläger macht Störungen für Exemplare weiterer Arten und für einen größeren räumlichen Bereich geltend. Nur in einem Punkt kann ihm gefolgt werden:
Mangels entsprechender Untersuchungen ist ungeklärt, inwieweit der Störungstatbestand für Exemplare derjenigen europäischen Vogelarten eingreift, die im Artenschutzrechtlichen Fachbeitrag als allgemein häufig aus der Untersuchung ausgeklammert worden sind. Weder ist dokumentiert, von welchen dieser Arten Niststätten im Wirkbereich der Trasse vorhanden sind, noch steht fest, welche dieser Arten auf Störwirkungen wie Verlärmung und visuelle Störreize bei der Balz, während des Brütens und der Aufzucht der Jungvögel negativ reagieren.
Die übrigen Einwände greifen hingegen nicht durch. Dem Vorwurf des Klägers, es komme zu Störungen von Exemplaren der Vogelarten Habicht, Sperber, Wendehals und Mäusebussard, ist der Beklagte unter Berufung auf die geringe Störempfindlichkeit dieser Arten entgegengetreten. Angesichts dessen hätte es dem Kläger oblegen, näher zu erläutern, wie Vögel der vorbezeichneten Arten gerade an den im Störungstatbestand bezeichneten Lebensstätten gestört werden. Substanziierte Ausführungen dazu fehlen. Der Rüge des Klägers, die Wirkzone des Vorhabens sei mit 300 m zu knapp bemessen worden, ist der Beklagte mit dem Hinweis begegnet, für besonders störempfindliche Arten wie die Wachtel sei ein größerer Wirkraum zugrunde gelegt worden. Sollte sich aus einem Bericht des Kieler Instituts für Landschaftsökologie vom November 2007 ergeben, dass größere Effektdistanzen auch für weitere im Lichtenauer Hochland anzutreffende Arten bestehen, so berührt dies nicht die Beurteilung des Beklagten, weil er diese fachliche Einschätzung im grundsätzlich maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt (Erlass des 1. Änderungs- und Ergänzungsbeschlusses) noch nicht berücksichtigen konnte.
Er brauchte den Tatbestand des Störungsverbots ferner auch nicht für Fledermausarten und den Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläuling als erfüllt anzusehen. Für Fledermäuse kommen als Störhandlungen hier die Verkleinerung der Jagdhabitate sowie die Unterbrechung von Flugrouten und Irritationen der Tiere durch den Straßenverkehr in Betracht. Störungen dieser Art haben nach den örtlichen Verhältnissen aber keinen spezifischen Bezug zu den durch das Störungsverbot geschützten Lebensstätten. Das gilt umso mehr, als der durch das Vorhaben veränderte Bereich im Verhältnis zum Gesamtaktionsraum der betreffenden Arten gering ist, Wochenstuben oder sonstige Quartiere nicht in der Nachbarschaft der Trasse ermittelt worden sind und die im Bereich des Schulbergs festgestellten Flugrouten den Angaben in der Stellungnahme der Planungsgruppe Ökologie und Umwelt (S. 69) zufolge über den Tunnel verlaufen. Hiernach ist die fachliche Einschätzung der Planfeststellungsbehörde, die Tiere würden nicht von ihren Quartieren abgeschnitten und dadurch in tatbestandlich relevanter Weise beeinträchtigt, keinen rechtlichen Bedenken ausgesetzt. Für den Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläuling ist zwar zu berücksichtigen, dass die Trennwirkung einer Autobahntrasse prinzipiell den Austausch zwischen verschiedenen Vermehrungshabitaten der Art beeinträchtigen und insofern den notwendigen spezifischen Bezug zu der besonders störanfälligen Reproduktionsphase aufweisen kann. Nach den Feststellungen über die örtliche Situation, die bei Erlass des 1. Änderungs- und Ergänzungsbeschlusses zu berücksichtigen waren, konnte die Trennwirkung der Trasse im Lichtenauer Hochland aber im Wesentlichen nur für das aktuell gar nicht genutzte Vermehrungshabitat nordöstlich der Trasse zum Tragen kommen. Bei der gebotenen individuumsbezogenen Sicht ginge es zu weit, den Schutz des Störungsverbots auf solche Beeinträchtigungen auszudehnen, die sich erst nach Besiedlung eines derzeit bloß potenziellen Vermehrungshabitats einstellen könnten.
2.4.1.1.4 Den Verbotstatbestand des § 42 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG a.F. hat der Planfeststellungsbeschluss für das Stattliche Knabenkraut und die Arzneischlüsselblume als erfüllt angesehen (S. 80, 508 und 509). Dass Exemplare weiterer besonders geschützter Pflanzenarten betroffen wären, hat der Kläger nicht geltend gemacht.
2.4.1.2 Befreiungen
Abgesehen von den Auswirkungen, die das Vorhaben für die vom Beklagten zu Unrecht als allgemein häufig aus der Prüfung ausgenommenen Arten haben kann, sind für alle zu berücksichtigenden Zugriffe und Störungen Befreiungen erteilt worden. Der Planfeststellungsbeschluss nennt als dispensierte Verbotstatbestände zwar nur die Nr. 1 und 2 des § 42 Abs. 1 BNatSchG a.F. (S. 75). Die fehlende Angabe des Störungsverbots in Nr. 3 der Vorschrift stellt aber ein unschädliches Redaktionsversehen dar. Die Zulassung des Vorhabens trotz der zum Störungstatbestand getroffenen Feststellungen und die Ausführungen, mit denen die Befreiungen begründet worden sind, lassen nämlich erkennen, dass es der Planfeststellungsbehörde darum ging, auch die Zulassungsschranke des § 42 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG a.F. zu beseitigen.
Die erteilten Befreiungen halten einer Überprüfung am Maßstab des § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BNatSchG a.F. stand. Eine Befreiung nach dieser Vorschrift setzt voraus, dass überwiegende Gründe des Gemeinwohls sie erfordern und die Art. 12, 13 und 16 FFH-RL sowie die Art. 5 bis 7 und 9 VRL nicht entgegenstehen. Die Planfeststellungsbehörde hat diese Voraussetzungen zu Recht bejaht und von dem ihr eingeräumten Ermessen ordnungsgemäß Gebrauch gemacht.
2.4.1.2.1 Die in der Vorschrift genannten Regelungen der Habitatrichtlinie stehen einer Befreiung von den Zugriffsverboten des § 42 Abs. 1 Nr. 1 und 2 sowie dem Störungsverbot des § 42 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG a.F. nicht entgegen.
2.4.1.2.1.1 Die beiden Pflanzenarten, für die das Verbot des § 42 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG a.F. zum Tragen kommt, sind nicht im Anhang IV Buchst. b FFH-RL aufgeführt und unterfallen daher schon nicht dem Verbotstatbestand des für Pflanzenarten einschlägigen Art. 13 FFH-RL.
Von den Tierarten, für die die Verbotstatbestände des § 42 Abs. 1 Nr. 1, Alt. 2 und Nr. 3 BNatSchG a.F. bejaht worden sind, zählen nur die Zauneidechse und die Schlingnatter zu den in Anhang IV Buchst. a FFH-RL genannten Arten. Für sie liegen lediglich die Voraussetzungen des entsprechenden Zugriffstatbestandes (Art. 12 Abs. 1 Buchst. d FFH-RL), nicht hingegen diejenigen des entsprechenden Störungstatbestandes (Art. 12 Abs. 1 Buchst. b FFH-RL) vor. Da die Behörde festgestellt bzw. unterstellt hat, dass sich in dem für die Trasse in Anspruch genommenen Bereich am Westhang des Schulbergs Fortpflanzungs- und Ruhestätten beider Arten befinden, ist von einer Vernichtung i.S.d. Art. 12 Abs. 1 Buchst. d FFH-RL auszugehen. An einer Störung i.S.d. Art. 12 Abs. 1 Buchst. b FFH-RL fehlt es demgegenüber, weil diese Vorschrift anders als § 42 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG a.F. nicht die Störung einzelner Exemplare der geschützten Art genügen lässt, sondern eine Störung der Art erfordert. Dass es dazu durch Störeffekte für einzelne im Trassenbereich betroffene Exemplare der Art kommen könnte, ist weder dargetan noch – zumal unter Berücksichtigung der geplanten umfangreichen Kompensationsmaßnahmen – sonst ersichtlich.
2.4.1.2.1.2 Von dem Verbot des Art. 12 Abs. 1 Buchst. d FFH-RL durfte nach Art. 16 Abs. 1 Buchst. c FFH-RL abgewichen werden.
Das Vorhaben kann zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses für sich in Anspruch nehmen. Zum Gebietsschutz ist dies bereits ausgeführt worden. Artenschutzrechtlich sind insoweit jedenfalls keine strengeren Anforderungen zu stellen. Die Beeinträchtigungen für die betroffenen Anhang IV-Arten wiegen nicht so schwer, dass ihnen gegenüber dem verkehrlichen Bedarf für das Vorhaben als Projekt “Deutsche Einheit” und Bestandteil des “Transeuropäischen Straßennetzes” größere Durchsetzungskraft zukäme als den Belangen des Gebietsschutzes.
Zur Erreichung der Planungsziele gibt es keine anderweitige zufriedenstellende Lösung i.S.d. Art. 16 Abs. 1 FFH-RL. Für die artenschutzrechtliche Alternativenprüfung gelten im Ansatz vergleichbare Grundsätze wie für diejenige im Rahmen der gebietsschutzrechtlichen Beurteilung. Ein Vorhabenträger braucht sich auf eine Alternativlösung nicht verweisen zu lassen, wenn sich die FFH- und vogelschutzrechtlichen Schutzvorschriften am Alternativstandort als ebenso wirksame Zulassungssperre erweisen wie an dem von ihm gewählten Standort. Außerdem darf eine Alternativlösung auch verworfen werden, wenn sie sich aus naturschutzexternen Gründen als unverhältnismäßiges Mittel erweist (vgl. Urteil vom 16. März 2006 – BVerwG 4 A 1075.04 – BVerwGE 125, 116 ≪Rn. 567≫).
Die Ausführungen zum Gebietsschutz haben ergeben, dass sich sowohl eine Südumfahrung von Hessisch Lichtenau als auch die Nordvariante ROV II.3 als mit den Erhaltungszielen von FFH-Gebieten unverträglich erweisen. Schon aus diesem Grund stellt keine dieser beiden Alternativen eine anderweitige zufriedenstellende Lösung dar, ohne dass es noch auf einen zusätzlichen Vergleich in artenschutzrechtlicher Hinsicht ankäme. Im Übrigen spricht nichts dafür, dass die artenschutzrechtlichen Schutzvorschriften den vorgenannten Alternativtrassen nicht entgegenstünden. Die vom Kläger außerdem als Alternative vorgeschlagene Trassenführung über das Bahngelände südlich des Lichtenauer Hochlands scheitert, wie ebenfalls zur getroffenen Abweichungsentscheidung ausgeführt worden ist, jedenfalls an einem naturschutzexternen Planungshindernis.
Die Populationen der FFH-rechtlich geschützten Arten verweilen entsprechend dem weiteren Erfordernis des Art. 16 Abs. 1 FFH-RL nach der Einschätzung des Beklagten in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet in einem günstigen Erhaltungszustand. Für diese Beurteilung hat der Beklagte insbesondere berücksichtigt, dass umfangreiche Maßnahmen vorgesehen sind, mit denen neue Habitatflächen für die betroffenen Arten zur Verfügung gestellt werden. Die Bewertung hält sich innerhalb des naturschutzfachlichen Einschätzungsspielraums, der der Behörde insoweit eingeräumt ist (vgl. dazu Beschluss vom 13. März 2008 – BVerwG 9 VR 9.07 – juris Rn. 45; ebenso zu Art. 5 Buchst. d VRL Urteil vom 21. Juni 2006 – BVerwG 9 A 28.05 – BVerwGE 126, 166 Rn. 44).
Der vom Kläger erhobene Einwand, der Beklagte habe sich eine fachlich fundierte Beurteilung des Erhaltungszustands unmöglich gemacht, indem er auf Feststellungen zur Größe und Ausdehnung örtlicher Populationen sowie der Populationsdynamik verzichtet habe, greift nicht durch. Zur Erfassung des Vorkommens der Zauneidechse sind Sichtbeobachtungen durchgeführt und Fundorte kartiert worden (LBP-Erläuterungsbericht S. 51 und Tabelle A 2-14 in Anhang 2 zum LBP). Außerdem sind der Eingriffsbereich der Trasse und ihre Umgebung unter dem Aspekt der Lebensraumeignung für die genannte Art analysiert und die Bedeutung des Eingriffsbereichs als Lebensraum ins Verhältnis zum Lebensraum der örtlichen Population insgesamt gesetzt worden. Dabei ist vor allem auch betrachtet worden, inwieweit Bereiche betroffen sind, die sich als Fortpflanzungs- oder Ruhestätten i.S.d. Art. 12 Abs. 1 Buchst. d FFH-RL eignen. Dieses Vorgehen verdient keine Kritik. Es ist geeignet, den Zustand der örtlichen Population und die Auswirkungen des Vorhabens angemessen zu erfassen. Wenn der Kläger eine noch größere Prüftiefe fordert, verkennt er, dass die Ermittlungen in diesem Zusammenhang – nicht anders als im Rahmen der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung – nicht erschöpfend sein, sondern nur so weit gehen müssen, dass die Intensität und Tragweite der Beeinträchtigungen erfasst werden können (vgl. Beschluss vom 13. März 2008 Rn. 31 m.w.N.). Das ist für die Zauneidechse gewährleistet. Die Ermittlungen haben ergeben, dass durch das Vorhaben 0,5 ha an Habitatflächen verloren gehen, die auch Versteckmöglichkeiten einschließen. Dieser Bereich nimmt allerdings nur drei Prozent der Gesamthabitatfläche der Zauneidechse ein; da im Trassenbereich nicht ein Exemplar der Art angetroffen worden ist, zieht der Artenschutzrechtliche Fachbeitrag den vertretbaren Schluss, Kernbereiche des Eidechsenhabitats seien nicht berührt. Die daraus abgeleitete Annahme, eine Destabilisierung der Population sei zu verneinen, ist vom naturschutzfachlichen Einschätzungsspielraum der Behörde gedeckt, auch ohne dass die Populationsgröße quantifiziert worden ist.
Das gilt jedenfalls unter Berücksichtigung der vorgesehenen Ausgleichsmaßnahmen, durch die 1,1 ha Lebensraum in Gestalt von Extensivgrünland und Streuobstbeständen in Verbindung mit Lesesteinhaufen neu geschaffen werden soll. Der Einwand des Klägers, der verlorengehende Bereich mit seinen wertvollen Offenland- und Gehölzstrukturen in Hanglage sei durch Aufwertung von Flächen auf dem Höhenzug des Schulbergs nicht ersetzbar, ist in der Stellungnahme der Planungsgruppe Ökologie und Umwelt (S. 72) schlüssig widerlegt worden. Aus ihr ergibt sich, dass die Ausgleichsfläche unmittelbar an den vorhandenen Reptilienlebensraum angrenzt, ebenfalls im Bereich des Schulbergwesthangs liegt und vergleichbare Strukturen aufweisen wird wie die beeinträchtigte Fläche.
Da die Schlingnatter im fraglichen Bereich trotz vergleichbarer Ermittlungstiefe überhaupt nicht angetroffen worden ist und nur wegen ihrer der Zauneidechse vergleichbaren Habitatansprüche als dort vorkommend vorausgesetzt worden ist, kann der Vorwurf des Klägers, die Populationen der angetroffenen Arten seien nicht detailliert untersucht worden, für sie nicht zutreffen. Mit Rücksicht auf die der Zauneidechse entsprechenden Habitatansprüche der Schlingnatter ist die Parallelwertung des Artenschutzrechtlichen Fachbeitrags, das Vorhaben werde ihren Erhaltungszustand nicht verschlechtern, rechtlich nicht zu beanstanden.
2.4.1.2.2 Die Regelungen der Vogelschutzrichtlinie stehen der erteilten Befreiung ebenfalls nicht entgegen. Keiner der in Betracht kommenden Verbotstatbestände des Art. 5 Buchst. b und d VRL ist verwirklicht.
Art. 5 Buchst. b VRL verbietet die absichtliche Zerstörung oder Beschädigung von Nestern und Eiern und die Entfernung von Nestern. Damit ist sein Anwendungsbereich deutlich enger gefasst als der korrespondierende Verbotstatbestand des § 42 Abs. 1 Nr. 1, Alt. 2 BNatSchG a.F., der auch den Funktionsraum, auf dem sich das Nest befindet oder der wiederkehrend zum Bau neuer Nester benutzt wird, in seinen Schutz einschließt. Nester, die nicht mehr genutzt werden und auch nicht der wiederkehrenden Nutzung dienen, fallen aus dem Anwendungsbereich der Regelung heraus (vgl. Urteil vom 21. Juni 2006 a.a.O. Rn. 43). Nach diesen Maßstäben kommt das Verbot des Art. 5 Buchst. b VRL nicht zum Tragen. Der planfestgestellte Landschaftspflegerische Begleitplan trifft im Rahmen der Schutzmaßnahme S 8 Vorkehrungen, dass das Baufeld im gesamten Trassenverlauf vor der Nistphase der im Trassenbereich vorkommenden Brutvögel geräumt wird. Wie die mündliche Verhandlung ergeben hat, nisten im Trassenbereich keine Vogelarten, die ihre Nester in der nächsten Brutsaison regelmäßig wiederverwenden.
Auch das Verbot des Art. 5 Buchst. d VRL greift nicht ein. Anders als die Verbotstatbestände des Art. 5 Buchst. a und b VRL weist derjenige des Buchst. d einen Populationsbezug auf; Störungen werden nur erfasst, wenn sie sich auf die Zielsetzungen der Vogelschutzrichtlinie erheblich auswirken. Solche Auswirkungen scheiden aus, falls der aktuelle Erhaltungszustand der betroffenen Vogelarten sichergestellt ist (Urteil vom 21. Juni 2006 a.a.O. Rn. 44). Dass dies zutrifft, ist im Artenschutzrechtlichen Fachbeitrag ausgeführt und vom Beklagten für bestimmte Arten, hinsichtlich derer der Senat noch Aufklärungsbedarf sah, schriftsätzlich und in der mündlichen Verhandlung ergänzend erläutert worden. Die Darlegungen hierzu, die sich maßgeblich auch auf das geplante Kompensationskonzept stützen, sind plausibel und keinen Einwänden ausgesetzt, die eine Überschreitung des dem Beklagten eröffneten Einschätzungsspielraums erkennen ließen.
Entgegen der Auffassung des Klägers stellt es keinen Fehler dar, dass der Beklagte bei seiner Beurteilung des künftigen Erhaltungszustandes der betroffenen Arten nicht allein auf die jeweilige örtliche Population abgestellt hat. Maßgeblich ist vielmehr, ob die Population als solche in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet, das über das Plangebiet hinausreicht, als lebensfähiges Element erhalten bleibt (vgl. Urteile vom 16. März 2006 a.a.O. Rn. 572 und vom 21. Juni 2006 a.a.O. Rn. 44; i.d.S. auch EuGH, Urteil vom 14. Juni 2007 – Rs. C-342/05 – I-4713 Rn. 26 f.). Das schließt freilich nicht aus, dass in die Beurteilung auch die Auswirkungen auf die örtliche Population mit einfließen. Dies kann im Rahmen einer zweistufigen Betrachtung geschehen, wie sie die EU-Kommission in ihrem Guidance document on the strict protection of animal species of Community interest under the Habitats Directive 92/43/EEC, Februar 2007 (S. 60 f.) empfiehlt: Bleibt der Erhaltungszustand der betroffenen lokalen Population günstig, so steht damit zugleich fest, dass keine negativen Auswirkungen auf den Erhaltungszustand der Art in ihrem überörtlichen Verbreitungsgebiet zu besorgen sind. Lässt sich dem Vorhaben die Unbedenklichkeit für die lokale Population nicht attestieren, ist ergänzend eine weiträumigere Betrachtung geboten. Dann ist zu fragen, ob die Beeinträchtigung des lokalen Vorkommens sich auf die Stabilität der Art im überörtlichen Rahmen negativ auswirkt, was maßgeblich vom Erhaltungszustand der Art in ihrem regionalen oder sogar noch größeren Verbreitungsgebiet abhängt. Diesen Grundsätzen entspricht die Beurteilung des Beklagten.
2.4.1.2.3 Der Beklagte kann sich für die erteilte Befreiung auch auf überwiegende Gründe des Gemeinwohls i.S.d. § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BNatSchG a.F. stützen. Maßgeblich dafür sind die Erwägungen, die dem Vorhaben Durchsetzungskraft auch gegenüber dem Schutzziel des Art. 12 FFH-RL verleihen.
2.4.1.2.4 Der Beklagte hat die Befreiung ermessensfehlerfrei erteilt. Der Planfeststellungsbeschluss stellt einerseits auf die verfolgten Gemeinwohlbelange, andererseits auf den Verbleib der betroffenen Arten in einem günstigen Erhaltungszustand ab. Das lässt Ermessensfehler nicht erkennen.
2.4.2 Fortfall anfänglicher Mängel
Soweit der Planfeststellungsbeschluss i.d.F. vom 22. Dezember 2005 Mängel aufwies, weil artenschutzrechtliche Verbotstatbestände erfüllt waren, von denen keine Befreiung erteilt worden ist, sind diese nachträglich entfallen.
2.4.2.1 Rechtsänderung
Teilweise ist es dazu durch schlichte Rechtsänderung gekommen. Das gilt zum einen für das aus § 42 Abs. 1 Nr. 1, Alt. 2 BNatSchG a.F. resultierende Verbot des Zugriffs auf die in der Vorschrift genannten Lebensstätten von im Trassenbereich vorkommenden besonders geschützten Arten, die aus der artenschutzrechtlichen Untersuchung als allgemein häufig ausgeklammert worden sind und nicht in den Anwendungsbereich der Bestimmungen des gemeinschaftsrechtlichen Artenschutzes fallen (z.B. Igel und Zwergspitzmaus). Zum anderen ist auch das aus § 42 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG a.F. folgende Störungsverbot für diejenigen europäischen Vogelarten entfallen, die ebenfalls als allgemein häufig aus der Untersuchung ausgeklammert worden sind. Die maßgeblichen Rechtsänderungen ergeben sich aus Art. 1 Nr. 7 des Ersten Gesetzes zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes vom 12. Dezember 2007 (BGBl I S. 2873), das die Anwendungsvoraussetzungen des Zugriffsverbots (Nr. 7 Buchst. b) und den Tatbestand des Störungsverbots eingeengt hat (Nr. 7 Buchst. a).
Diese Rechtsänderungen sind hier für die Beurteilung erheblich. Von dem Grundsatz, dass für die Beurteilung der Klage gegen einen Planfeststellungsbeschluss auf die Sach- und Rechtslage bei Erlass des Planfeststellungsbeschlusses (hier i.d.F. vom 22. Dezember 2005) abzustellen ist, gilt nämlich insoweit eine Ausnahme, als Rechtsänderungen zum Fortfall eines vormaligen Rechtsverstoßes des Planfeststellungsbeschlusses führen. Denn es kann keinen Anspruch auf Aufhebung des Beschlusses oder auf Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit geben, wenn der Beschluss aufgrund der Rechtsänderung mit gleichem Inhalt und gleicher Begründung erneut erlassen werden könnte.
Nach § 42 Abs. 5 Satz 5 BNatSchG n.F. kommt das Verbot des Zugriffs auf Fortpflanzungs- oder Ruhestätten (§ 42 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG n.F.) von besonders geschützten Tierarten, die nicht im Anhang IV Buchst. a der Habitatrichtlinie aufgeführt sind und auch nicht zu den europäischen Vogelarten gehören, bei Handlungen zur Durchführung eines nach § 19 zulässigen Eingriffs in Natur und Landschaft nicht mehr zur Anwendung. Auf die in Rede stehenden Arten, die nicht unter dem besonderen Schutz des europäischen Gemeinschaftsrechts stehen, trifft dies zu. Dass der vorhabenbedingte Eingriff den Anforderungen des § 19 BNatSchG widerspräche, ist weder dargetan noch sonst ersichtlich.
Der Störungstatbestand des § 42 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG n.F. erfasst nur noch erhebliche Störungen; die Erheblichkeit setzt voraus, dass sich durch die Störung der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art verschlechtert. Von Störungen solcher Tragweite ist für die im Artenschutzrechtlichen Fachbeitrag ausgeklammerten Vogelarten nicht auszugehen. Bei den betreffenden Vogelarten handelt es sich, soweit sie im Trassenbereich vorkommen, mit Ausnahme der Klappergrasmücke um allgemein häufige Arten. Ihre lokalen Populationen haben naturgemäß Ausdehnungen, die es ihnen ermöglichen, Störungen einzelner Brutreviere zu verkraften, ohne dass die Population als Ganzes destabilisiert wird. Das trifft hier umso mehr zu, als die im Nahbereich des offen geführten Teils der Trasse vorhandenen Habitatstrukturen sich auch in anderen Bereichen des Lichtenauer Hochlands und des angrenzenden Gebiets wiederfinden und durch die geplanten landschaftspflegerischen Maßnahmen auf großen Flächen gezielt weiterentwickelt werden.
Die Klappergrasmücke zählt zwar inzwischen zu den Arten, die in der Roten Liste der bestandsgefährdeten Brutvogelarten Hessens (9. Fassung, Stand: Juli 2006) als zurückgehende Art in die Kategorie V (Vorwarnliste) aufgenommen worden sind. Für sie ist aber zu berücksichtigen, dass ihre Habitatansprüche denen der in die artenschutzrechtliche Untersuchung einbezogenen zur selben Gattung gehörenden Dorngrasmücke ähneln; wie jene ist sie ein Brutvogel des offenen und halboffenen Geländes und benötigt Sträucher, Gebüsche und Hecken als Lebensraum. Die im Zuge des planfestgestellten Kompensationskonzepts vorgesehenen Maßnahmen richten sich gezielt darauf, derartige Strukturen im Lichtenauer Hochland und angrenzenden Landschaftsräumen neu zu entwickeln (vgl. S. 28 f. des Änderungs- und Ergänzungsbeschlusses vom 28. Februar 2008). Ihre Ausrichtung auf die Bedürfnisse der Dorngrasmücke lässt wegen der vergleichbaren Habitatansprüche der Klappergrasmücke den Schluss zu, dass die großflächig vorgesehene Kompensation in ähnlicher Weise auch der Klappergrasmücke zugute kommt. Unter diesen Umständen ist nicht erkennbar, dass sich der Erhaltungszustand der lokalen Population der Klappergrasmücke verschlechtern wird, zumal die Kompensationsmaßnahmen überwiegend schon baubegleitend ins Werk gesetzt werden müssen.
Demzufolge stellt die Störung von Vögeln der nicht näher behandelten Arten kein Zulassungshindernis dar. Art. 5 Buchst. d VRL verlangt keine andere Beurteilung. Bewirkt eine Störung keine Verschlechterung des Erhaltungszustands der lokalen Population, so folgt daraus zugleich, dass sich die Störung nicht auf die Zielsetzung der Vogelschutzrichtlinie auswirkt (vgl. EuGH, Urteil vom 14. Juni 2007 – Rs. C-342/05 – Slg. 2007, I-4713 Rn. 29).
2.4.2.2 Heilung durch Ausnahmeerteilung
Ursprüngliche Defizite bei der Prüfung des Zugriffstatbestands des § 42 Abs. 1 Nr. 1, Alt. 2 BNatSchG a.F. hat der Beklagte mit seinem Änderungs- und Ergänzungsbeschluss vom 28. Februar 2008 durch Erteilung einer Ausnahme nach § 43 Abs. 8 Satz 1 Nr. 5 BNatSchG n.F. vom entsprechenden Zugriffsverbot des § 42 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG n.F. geheilt. Eine Ausnahme kann nach dieser Vorschrift aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses erteilt werden, wenn zumutbare Alternativen nicht gegeben sind und sich der Erhaltungszustand der Populationen der betroffenen Art nicht verschlechtert. Weitergehenden Anforderungen des Art. 16 Abs. 1 FFH-RL ist Rechnung zu tragen, doch hat dies für Vogelarten von vornherein keine Bedeutung. Die Ausnahmeregelung könnte sich als bedenklich erweisen, soweit die Vogelschutzrichtlinie weitergehende Anforderungen stellt. Darauf kommt es hier indes nicht an, weil der dem § 42 Abs. 1 Nr. 1, Alt. 2 BNatSchG a.F. und dem § 42 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG n.F. entsprechende Tatbestand des Art. 5 Buchst. b VRL so eng gefasst ist, dass er im Streitfall auf den vorhabenbedingten Zugriff angesichts der vorgesehenen Beräumung des Baufeldes vor dem Nestbau keine Anwendung findet.
Dass der Ausnahmegrund des § 43 Abs. 8 Satz 1 Nr. 5 BNatSchG n.F. vorliegt und zumutbare Alternativen fehlen, ergibt sich aus den gleichen Erwägungen, wie sie für die nach § 62 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG a.F. erteilten Befreiungen zutreffen. Der Beklagte war auch nicht gehindert, eine Verschlechterung des Erhaltungszustandes der Populationen der von der Ausnahme betroffenen Arten zu verneinen. Für die allgemein häufig vorkommenden Arten bedarf dies keiner weiteren Begründung, für die in der Vorwarnliste genannte Klappergrasmücke folgt Gleiches aus den Gründen, mit denen oben eine Verschlechterung ihrer lokalen Population durch Störungen verneint worden ist.
Soweit der Kläger rügt, der Beklagte habe bei seiner Ausnahmeerteilung verkannt, dass neben der Klappergrasmücke auch der Baumpieper, das Braunkehlchen, der Kuckuck und die Rauchschwalbe zu den Rote-Liste-Arten gehörten, folgt daraus kein rechtserheblicher Mangel. Bis auf die Rauchschwalbe sind die genannten Arten nach den Feststellungen im Artenschutzrechtlichen Fachbeitrag im Trassenbereich nicht vorhanden (vgl. Tab. 3 Sp. 8; die erteilten Ausnahmen gehen also insoweit ins Leere). Die Rauchschwalbe ist hingegen als “relevante Art” (vgl. ebenfalls Tab. 3 Sp. 9) schon in die ursprüngliche Untersuchung einbezogen worden, ohne dass ein Verbotstatbestand bejaht worden wäre. Beurteilungsmängel hat der Kläger insoweit nicht geltend gemacht. Für sie bedurfte es mithin keiner Befreiung bzw. Ausnahme.
2.4.3 Maculinea-Neubeurteilung
Mit der Erteilung einer auf den Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläuling bezogenen Ausnahme gemäß § 43 Abs. 8 Satz 1 Nr. 5 BNatSchG n.F. von den Verboten des § 42 Abs. 1 Nr. 1 und 3 BNatSchG n.F. hat der Beklagte auf Feststellungen reagiert, die seitens des Gutachters des Klägers im Jahr 2007 zu Maculinea-Vorkommen im Trassenbereich (westlicher Teil des Flurstücks 63/1) getroffen worden sind. Unabhängig von der Frage, ob er zu einer Anpassung des Planfeststellungsbeschlusses an die aktuelle Sachlage verpflichtet war, ist die ergänzende Regelung in die gerichtliche Überprüfung einzubeziehen und nach aktueller Sach- und Rechtslage zu beurteilen. Sie stößt nicht auf durchgreifende rechtliche Bedenken.
Dass der Ausnahmegrund des § 43 Abs. 8 Satz 1 Nr. 5 BNatSchG n.F. eingreift, ist für den Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläuling ebenso zu bejahen wie für die ausnahmebetroffenen Vogelarten; damit liegen zugleich zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses i.S.d. Art. 16 Abs. 1 Buchst. c FFH-RL vor. Entsprechendes trifft für das Fehlen einer zumutbaren Alternative (§ 43 Abs. 8 Satz 2 BNatSchG n.F., Art. 16 Abs. 1 FFH-RL) zu. Eine Verschlechterung der Populationen der Art brauchte der Beklagte gleichfalls nicht in Rechnung zu stellen. Die für das Vorhaben in Anspruch genommene Habitatfläche stellt nur einen kleinen Teil der insgesamt ermittelten Vermehrungshabitate des Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläulings dar. Der Beklagte hat andererseits umfängliche Maßnahmen angeordnet, mit denen mehrere Hektar Extensivgrünland als Tagfalterlebensraum entwickelt werden sollen. Darüber hinaus ist vorgesehen, durch eine den Bedürfnissen der Art angepasste Mahd (Mahd wechselnder Wiesensäume erst in der zweiten Septemberhälfte) die Entwicklungsbedingungen für den Bläuling zu verbessern. Um das Tötungsrisiko zu verringern, sind technische Schutzvorkehrungen nunmehr schon für den Zeitraum angeordnet worden, bis die vorgesehenen Schutzpflanzungen entlang der Trasse wirksam werden können. Warum diese Maßnahmen nicht geeignet sein sollten, die Stabilität der Maculinea-Population zu gewährleisten, erschließt sich dem Senat aus dem Vortrag des Klägers nicht; der Beklagte hat sich mit seiner gegenteiligen Prognose vielmehr innerhalb des ihm eingeräumten Einschätzungsspielraums gehalten.
2.5 FFH-Gebietsschutz in Folgeabschnitten
Der Planfeststellungsbeschluss erweist sich schließlich nicht wegen unüberwindlicher Planungshindernisse in Folgeabschnitten als rechtswidrig. Nach Auffassung des Klägers bilden die dort betroffenen gemeldeten oder bereits gelisteten FFH-Gebiete solche Hindernisse. Dem kann nicht gefolgt werden.
Einem Planungsträger steht im Rahmen seiner planerischen Gestaltungsfreiheit die Möglichkeit offen, ein Gesamtprojekt in Teilabschnitte aufzuspalten mit der Folge, dass Prüfungsgegenstand der Planfestellung prinzipiell nur der jeweils zuzulassende Teilabschnitt ist. Die grundsätzliche Zulässigkeit der Abschnittsbildung erfährt durch das Habitatrecht keine Einschränkungen (vgl. Beschluss vom 23. November 2007 – BVerwG 9 B 38.07 – NuR 2008, 176 ≪Rn. 21 f.≫). Das bedeutet jedoch nicht, dass die Planfeststellung der einzelnen Abschnitte die durch die Folgeabschnitte aufgeworfenen Probleme gänzlich ausblenden und unbewältigt lassen dürfte. Erforderlich, aber auch ausreichend ist eine Vorausschau auf nachfolgende Abschnitte nach Art eines “vorläufigen positiven Gesamturteils”. Die Prognose muss ergeben, dass der Verwirklichung des Vorhabens auch im weiteren Verlauf keine von vornherein unüberwindlichen Hindernisse entgegenstehen (Urteile vom 10. April 1997 – BVerwG 4 C 5.96 – BVerwGE 104, 236 ≪243≫ und vom 27. Oktober 2000 – BVerwG 4 A 18.99 – NVwZ 2001, 673 ≪678≫, insoweit in BVerwGE 112, 140 nicht abgedruckt). Ob sich die weiteren Projektabschnitte verwirklichen lassen, ist im gerichtlichen Verfahren nicht aus der subjektiven Sicht der Planfeststellungsbehörde, sondern anhand objektiver Gegebenheiten zu beantworten (Urteil vom 19. Mai 1998 – BVerwG 4 A 9.97 – BVerwGE 107, 1 ≪16≫). Die gerichtliche Prüfung hat also nicht danach zu fragen, ob die Planfeststellungsbehörde in ihrer Planungsentscheidung die Realisierbarkeit des Vorhabens mit zutreffenden Erwägungen prognostiziert hat. Vielmehr kommt es entscheidend darauf an, ob sich nach summarischer Würdigung des Sachverhalts die Realisierbarkeit ausschließen lässt.
Es liegt auf der Hand, dass der voraussehbare Eintritt nachteiliger Auswirkungen auf ein FFH-Gebiet dafür nicht ausreicht. Sie sind zwar in Rechnung zu stellen und zu gewichten, daneben ist aber auch zu berücksichtigen, ob es als möglich erscheint, mit Hilfe von Schutzmaßnahmen die Verträglichkeit zu gewährleisten oder aufgrund einer Abweichungsprüfung zur Zulässigkeit des Vorhabens zu gelangen. Das alles erfordert eine tatrichterliche Einzelfallwürdigung. Sie hat von den Rügen des Klägers auszugehen. Beruft er sich auf unüberwindliche Hindernisse, so ist von ihm deren Darlegung zu verlangen. Wird er seiner Darlegungslast gerecht, reichen die behördlichen Sachverhaltsfeststellungen und der sonst bekannte Sachverhalt für ein vorläufiges Gesamturteil aber nicht aus, so geht dies, ohne dass das Gericht nachermitteln müsste, zulasten der Behörde, da es ihr schon im Planfeststellungsverfahren oblegen hätte, die Realisierbarkeit des Gesamtprojekts einer überschlägigen Prüfung zu unterziehen.
Nach diesen Grundsätzen ist nicht entscheidend, dass die Planfeststellungsbehörde sich in ihrer Beurteilung allein auf die im Auftrag des Vorhabenträgers gefertigte FFH-Gesamtbetrachtung gestützt hat, die für sich genommen keine geeignete Beurteilungsgrundlage darstellt. Sie beschränkt sich im Wesentlichen darauf, die Bewertungsergebnisse der für die einzelnen FFH-Gebiete durchgeführten Verträglichkeitsprüfungen und -vorprüfungen zu referieren, ohne nachvollziehbar zu begründen, auf welchen Tatsachenfeststellungen diese Ergebnisse beruhen und welche Erwägungen zu den Bewertungen geführt haben. Die Gesamtbetrachtung könnte deshalb eine geeignete Beurteilungsgrundlage nur in Verbindung mit den zugrunde liegenden Untersuchungen sein, die der Planfeststellungsbehörde nach eigenem Bekunden aber nicht vorlagen. Doch kommt es darauf mit Rücksicht auf die gebotene eigenständige Sachverhaltswürdigung des Gerichts nicht an.
Sofern der Vortrag des Klägers dazu Anlass böte, könnte diese Würdigung nur auf der Grundlage der im Auftrag des Vorhabenträgers durchgeführten Untersuchungen erfolgen. Eines Rückgriffs auf diese – dem Senat nur teilweise vorliegenden – Untersuchungen bedarf es indessen nicht, weil bereits auf der Basis des Klägervortrags von vornherein unüberwindliche Hindernisse nicht zu erkennen sind. Der Kläger hat begründet, inwiefern es zu Beeinträchtigungen der im weiteren Trassenverlauf berührten FFH-Gebiete kommen wird, und deren Schwere sowie Unsicherheiten dargetan, die Beeinträchtigungen mit den vom Vorhabenträger geplanten Schutz- und Ausgleichsmaßnahmen zu bewältigen. Dass die Beeinträchtigungen schlechterdings nicht verträglich zu bewältigen wären und außerdem solches Gewicht hätten, dass die für die Planung sprechenden Gründe sich ihnen gegenüber auch in einer Abweichungsprüfung nicht durchsetzen könnten, lässt sich auf der Grundlage des Klägervorbringens dagegen nicht feststellen:
Diese Beurteilung ist möglich, ohne die gesamte geplante Trasse zwischen Kassel und der A 4 bei Eisenach in den Blick zu nehmen. Nach Westen hin ist der Trassenverlauf durch den planfestgestellten Abschnitt jedenfalls über die Gegend um Fürstenhagen hinaus nicht präjudiziert; es verbleiben, wie der Planfeststellungsbeschluss (S. 135) betont und auch aus der Übersichtskarte der planfestgestellten Unterlage Nr. 1.2c hervorgeht, mehrere Varianten einschließlich der Führung durch einen Zwischenkorridor zum Kasseler Kreuz. Das FFH-Gebiet “Lossewiesen bei Niederkaufungen”, auf dessen Beeinträchtigung der Kläger sich in seiner Argumentation u.a. stützt, wird also gar nicht zwingend betroffen sein. Nach Osten hin ist lediglich die Straße bis Oetmannshausen (einschließlich der VKE 40.1) zu betrachten; denn von dort aus ließe sich die Autobahn auch durch den Netra-Korridor führen, wodurch Teile des FFH-Gebiets “Werra- und Wehretal” sowie das FFH-Gebiet “Wälder und Kalkmagerrasen der Ringgau-Südabdachung” verschont würden; im genannten Korridor sieht auch der Kläger keine unüberwindlichen Hindernisse. Schließlich ist auch der Abschnitt der VKE 31 von der Betrachtung auszuklammern, weil er bereits bestandskräftig festgestellt ist und schon deshalb nicht mehr auf unüberwindliche Planungshindernisse stoßen kann.
Ein wesentliches Problem, das im Zuge der hiernach noch in den Blick zu nehmenden Teilabschnitte der geplanten A 44 zu bewältigen ist, stellen die Fledermäuse in dem großflächigen FFH-Gebiet “Werra- und Wehretal” dar. Die dortigen Populationen der beiden Anhang II-Arten Bechsteinfledermaus und Großes Mausohr, die jeweils Gegenstand von Schutzzielen dieses Gebiets sind, haben – wie der Kläger nachvollziehbar und vom Beklagten unwidersprochen ausgeführt hat – aufgrund ihrer Größe und ihres hervorragenden Erhaltungszustandes überregionale Bedeutung und sind dementsprechend in hohem Maße schutzwürdig. Der Kläger listet Beeinträchtigungen dieser Fledermausarten in Gestalt des Verlusts und der Störung von Jagdhabitaten, Kollisionsgefahren auf langen Streckenteilen sowie des Verlusts und der Zerschneidung von Flugrouten auf, die, wenn sie zutreffen sollten, gravierende Beeinträchtigungen darstellen. Allerdings legt er nicht dar, inwieweit die beeinträchtigten Flächen innerhalb der die zentrale Tallage ausklammernden Teilbereiche des Schutzgebiets liegen und welchen Anteil die beeinträchtigten an den insgesamt vorhandenen Habitatflächen haben. Schon deshalb lassen sich aus den Zahlenangaben keine verlässlichen Schlüsse auf das Maß der Beeinträchtigung wesentlicher FFH-Gebietsbestandteile ziehen. Die Ausführungen in den Einwendungsschreiben des Klägers zu den Planfeststellungsverfahren für die Abschnitte VKE 32, 33 und 40.1 legen den Schluss nahe, dass ein Großteil der betroffenen Wochenstuben und Jagdhabitate außerhalb des Schutzgebiets liegen (vgl. etwa S. 16 ff. und 32 f. des Einwendungsschreibens zur VKE 33). Ausweislich der Darlegungen in den Einwendungsschreiben sind im Übrigen zahlreiche Schadensminderungsmaßnahmen zugunsten der beiden Fledermausarten vorgesehen. Der Kläger kritisiert diese als unzureichend, legt aber nicht schlüssig dar, dass effektive Schutzmaßnahmen (z.B. mittels Leitpflanzungen, Grünbrücken und Irritationsschutzzäunen) nicht möglich seien. Vor allem jedoch empfiehlt er selbst zahlreiche Kohärenzsicherungsmaßnahmen, die zwar nicht alle realisierbar sein mögen, aber doch zumindest teilweise Möglichkeiten aufzeigen, Auswirkungen auf den Erhaltungszustand der Fledermausarten deutlich abzuschwächen (vgl. Einwendungsschreiben zur VKE 33 S. 64 f.). Warum dennoch eine ggf. notwendige Abweichungsprüfung zwingend zu einem negativen Ergebnis führen sollte, ist nicht schlüssig dargetan.
Ähnliches gilt für die ebenfalls besonders bedeutsamen Populationen des Kammmolchs in den FFH-Gebieten “Trimberg bei Reichensachsen” und “Lossetal bei Fürstenhagen” sowie der Gelbbauchunke im erstgenannten FFH-Gebiet. Beide Arten fallen als Anhang II-Arten unter die Schutzziele der Gebiete und bilden dort bedeutende Populationen, wobei besonders die Kammmolch-Population im Gebiet “Trimberg bei Reichensachsen” als eine der bundesweit größten hervorzuheben ist (vgl. S. 21 der FFH-Gesamtbetrachtung). Dem Kläger gelingt es aber trotz der gehobenen Schutzwürdigkeit dieser Populationen nicht darzulegen, warum die projektbedingten Auswirkungen nicht nur FFH-rechtlich erhebliche Beeinträchtigungen, sondern schon nach überschlägiger Prüfung unüberwindliche Planungshindernisse darstellen sollten. Für die Kammmolch-Population im Gebiet “Lossetal bei Fürstenhagen” liegt Letzteres schon deshalb fern, weil die Autobahn das gesamte Gebiet in einem Tunnel unterfahren soll. Der Verlust von Habitatflächen der beiden Amphibienarten im FFH-Gebiet “Trimberg bei Reichensachsen” lässt sich zwar nicht durch Schadensminderungsmaßnahmen ausschließen, so dass die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung naheliegen mag. Warum die vorgesehenen, der Schaffung von Ersatzlebensräumen dienenden Ausgleichsmaßnahmen selbst auf längere Sicht ungeeignet sein sollten, der Population vergleichbare Existenzbedingungen wie vor dem Eingriff zu verschaffen und so die Wiederherstellung des bisherigen Erhaltungszustandes wenigstens annähernd zu erreichen, lässt sich dem Klägervortrag jedoch nicht entnehmen. Unter diesen Umständen ist auch insoweit die Möglichkeit nicht von der Hand zu weisen, das Vorhaben im Wege einer Abweichungsentscheidung zuzulassen. Die weiteren geltend gemachten Beeinträchtigungen im Zuge der Folgeabschnitte haben erkennbar geringeres Gewicht als die vorstehend behandelten und führen deshalb ebenfalls nicht zu von vornherein unüberwindbaren Planungshindernissen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO.
Unterschriften
Dr. Storost, Dr. Nolte, Domgörgen, Buchberger
RiBVerwG Vallendar ist wegen Urlaubs verhindert zu unterschreiben.
Dr. Storost
Fundstellen
BVerwGE 2008, 299 |
DÖV 2009, 88 |
NuR 2008, 633 |
ZUR 2008, 550 |
DVBl. 2008, 1199 |
UPR 2008, 456 |