Entscheidungsstichwort (Thema)
anerkannter Naturschutzverband. Beteiligungsrecht. Rahmenbetriebsplan. obligatorischer Rahmenbetriebsplan. fakultativer Rahmenbetriebsplan. Zulassung. Planfeststellungsverfahren. Umweltverträglichkeitsprüfung. Vorhaben. Gesamtvorhaben. begonnenes Vorhaben
Leitsatz (amtlich)
Ist mit einem Tagebau in der DDR bereits vor deren Beitritt zur Bundesrepublik Deutschland begonnen worden, muss für seine Weiterführung kein obligatorischer Rahmenbetriebsplan nach § 52 Abs. 2a BBergG aufgestellt werden, der in einem Planfeststellungsverfahren mit eingeschlossener Umweltverträglichkeitsprüfung zuzulassen ist.
Normenkette
BBergG § 52 Abs. 2a; BNatSchG § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 4; EV Anlage I Kapitel V Sachgebiet D Abschn. III; Maßgabe Nr. 1 h)bb); UVP-Richtlinie Art. 1 Abs. 2
Verfahrensgang
OVG für das Land Brandenburg (Urteil vom 28.06.2001; Aktenzeichen 4 A 115/99) |
VG Cottbus (Entscheidung vom 17.12.1998; Aktenzeichen 5 K 482/94) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Brandenburg vom 28. Juni 2001 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Tatbestand
I.
Der Kläger, ein anerkannter Naturschutzverband, wendet sich gegen die Zulassung des bergrechtlichen Rahmenbetriebsplans „Weiterführung des Tagebaues Jänschwalde 1994 bis Auslauf”.
Der Tagebau wurde zu Beginn der siebziger Jahre aufgeschlossen. Seither wird dort Braunkohle gefördert.
Für den Tagebau Jänschwalde erteilte der Rat des Bezirkes Cottbus am 22. November 1971 eine Standortbestätigung nach der Verordnung über die Standortverteilung der Investitionen vom 30. August 1972 (GBl II 573). Sie legte einen Realisierungszeitraum von 1970 bis 1995/96 und einen Flächenbedarf von 5 340 Hektar zugrunde und erfasste damit im Wesentlichen die Braunkohlenlagerstätte Jänschwalde-Mitte. Für diese Lagerstätte setzte der Bezirkstag Cottbus am 14. Juni 1972 ein Bergbauschutzgebiet nach § 11 des Berggesetzes der DDR vom 12. Mai 1969 (GBl I S. 29) fest. Für die Weiterführung des Tagebaues wurden jeweils befristete Standortgenehmigungen nach der Verordnung über die Standortverteilung der Investitionen erteilt. Ferner ergingen auf der Grundlage der Verordnung über die Vorbereitung von Investitionen vom 13. Juli 1978 (GBl I 251) ebenfalls jeweils befristete Bestätigungen zur Aufgabenstellung für das Investitionsvorhaben Großtagebau Jänschwalde sowie Bestätigungen zur Grundsatzentscheidung für dieses Investitionsvorhaben. Schließlich wurden jeweils befristete technische Betriebspläne genehmigt, zuletzt am 18. Januar 1990 für das Jahr 1990. Im September 1987 beschloss der Rat des Bezirks Cottbus eine „komplex-territoriale Raumstudie Cottbus-Guben-Forst” als verbindliches Arbeitsmaterial für die langfristige Entwicklung der territorialen Struktur. Die in der Raumstudie konzipierte Entwicklung bis zum Jahr 2000 umfasste unter anderem die Weiterführung des Tagebaues Jänschwalde-Mitte in das Neißefeld. Für die Lagerstätte Jänschwalde-Neißefeld war im Januar 1977 ein Bergbauschutzgebiet festgesetzt worden.
Auf Verlangen des Bergamtes Senftenberg stellte die Beigeladene für die Fortführung des Tagebaues über 1993 hinaus einen Rahmenbetriebsplan auf. Das beklagte Landesbergamt hörte die zu beteiligenden Stellen an, gab auch dem Kläger Gelegenheit zur Äußerung und ließ durch Bescheid vom 14. März 1994 den Rahmenbetriebsplan zu.
Nach erfolglosem Widerspruch hat der Kläger Klage erhoben, mit der er begehrt hat, die Zulassung des Rahmenbetriebsplans aufzuheben. Er hat geltend gemacht, erforderlich sei ein Planfeststellungsverfahren gewesen, an dem er als anerkannter Naturschutzverband gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BNatSchG zu beteiligen gewesen wäre.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat die zugelassene Berufung des Klägers durch das angefochtene Urteil zurückgewiesen: Das beklagte Landesbergamt habe zu Recht von einem Planfeststellungsverfahren nach § 52 Abs. 2a BBergG abgesehen. Diese Vorschrift gelte nach der Übergangsregelung des Einigungsvertrages nicht für Vorhaben, bei denen das Verfahren zur Zulassung des Betriebs am Tage des Wirksamwerdens des Beitritts begonnen gewesen sei. Die Übergangsregelung befreie nicht nur einzelne Abschnitte des Vorhabens, etwa solche, die durch den aktuellen technischen Betriebsplan umgrenzt seien, sondern das Vorhaben als Ganzes von dem Erfordernis einer Planfeststellung mit eingeschlossener Umweltverträglichkeitsprüfung. Diese Auslegung stehe in Einklang mit der gemeinschaftsrechtlichen Richtlinie über die Umweltverträglichkeitsprüfung. Eine Umweltverträglichkeitsprüfung sei danach zu dem Zeitpunkt erforderlich, in dem sich erstmals die Frage der Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens als Ganzes stelle, nicht jedoch dann, wenn es nur noch um weitere Abschnitte eines bereits zulässigerweise begonnenen Vorhabens gehe. Der streitige Rahmenbetriebsplan habe die sukzessive Fortsetzung eines Gesamtvorhabens zum Gegenstand, das bereits vor dem 3. Oktober 1990 betrieben und nach dem Recht der DDR zugelassen gewesen sei. Die seinerzeit ergangenen Entscheidungen belegten in der Gesamtschau, dass die staatlichen Entscheidungsträger bereits seinerzeit eine Realisierung des Tagebaues als Gesamtprojekt beabsichtigt hätten.
Mit seiner vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter, die Zulassung des Rahmenbetriebsplans aufzuheben: Die Übergangsregelung im Einigungsvertrag stelle nicht auf den Beginn eines Gesamtvorhabens, sondern auf ein begonnenes Verfahren ab. Ein Verfahren auf Zulassung eines Gesamtvorhabens oder auch nur auf Zulassung eines Vorhabens, das der jetzigen Planung der Beigeladenen entspreche, sei am Stichtag 3. Oktober 1990 nicht anhängig gewesen. Im Übrigen meine die Übergangsregelung allein das Verfahren, welches dem Betrieb die Zulassung verschaffe. Dies sei nach dem Recht der DDR die Genehmigung des technischen Betriebsplans gewesen. Dass ein technischer Betriebsplan für einen anderen Abbaubereich vorgelegen habe oder seine Genehmigung beantragt worden sei, mache eine Planfeststellung für das jetzt geplante Vorhaben nicht entbehrlich. Aus dem Zweck der Umweltverträglichkeitsprüfung folge nicht, dass die Auswirkungen eines Projekts immer nur entweder „vor dem ersten Spatenstich” oder gar nicht zu untersuchen seien. Die UVP-Richtlinie verlange eine Umweltverträglichkeitsprüfung vielmehr auch, wenn ein neues oder weiteres Verfahren anhängig gemacht werde, in dem über die Genehmigung der Betriebsführung grundlegend zu entscheiden sei.
Das beklagte Landesbergamt hält das angefochtene Urteil für zutreffend: Der Gesetzgeber des Einigungsvertrages sei davon ausgegangen, dass sämtliche in der DDR erforderlichen Genehmigungen vorgelegen hätten, wenn ein technischer Betriebsplan zumindest beantragt gewesen sei. Sei am Tage des Wirksamwerdens des Beitritts ein Verfahren zur Genehmigung eines technischen Betriebsplans bereits begonnen worden, gelte das Erfordernis eines Planfeststellungsverfahrens für das Vorhaben insgesamt nicht. Die Zulassung des streitigen Rahmenbetriebsplans habe nicht dazu gedient, ein bereits seit Jahrzehnten betriebenes und genehmigtes Vorhaben nachträglich (erneut) zu genehmigen.
Die Beigeladene hält die Revision ebenfalls für unbegründet: Als Instrument vorausschauender Vorsorge ziele die Umweltverträglichkeitsprüfung auf eine Gesamtschau aller Umweltauswirkungen des jeweiligen Vorhabens. Werde das Vorhaben bereits realisiert, könne diese Vorsorge nicht mehr Platz greifen. Bei der Fortführung des Tagebaues Jänschwalde gehe es nicht um die Genehmigung eines neuen Projektes, bei dem zu erwartende Umweltauswirkungen im Vorfeld einer Prüfung unterzogen werden müssten.
Der Vertreter des Bundesinteresses teilt die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts: Weil der Betrieb bereits vor dem 3. Oktober 1990 aufgenommen und seit Jahren geführt worden sei, sei gemäß der Übergangsvorschrift des Einigungsvertrages ein Planfeststellungsverfahren mit Umweltverträglichkeitsprüfung nicht erforderlich gewesen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Oberverwaltungsgericht hat ohne Verstoß gegen Bundesrecht angenommen, dass der Rahmenbetriebsplan zum Vorhaben „Weiterführung des Tagebaues Jänschwalde 1994 bis Auslauf” nicht gemäß § 52 Abs. 2a BBergG in einem Planfeststellungsverfahren mit eingeschlossener Umweltverträglichkeitsprüfung zuzulassen war, an dem der Kläger gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BNatSchG hätte beteiligt werden müssen. § 52 Abs. 2a BBergG ist nicht anwendbar auf Vorhaben, die bereits teilweise verwirklicht waren, als die Vorschrift für das Gebiet der DDR in Kraft trat (1). Die Fortführung des Tagebaues Jänschwalde in dem Umfang, wie der streitige Rahmenbetriebsplan ihn absteckt, ist Teil eines Gesamtvorhabens, das bereits vor dem Beitritt der DDR begonnen war (2).
1.a) Mit dem Vorhaben, das § 52 Abs. 2a BBergG einem Planfeststellungsverfahren mit eingeschlossener Umweltverträglichkeitsprüfung unterwirft, ist das Bergbauvorhaben als Ganzes gemeint und nicht gegenständlich oder zeitlich begrenzte Teilabschnitte, wie sie Gegenstand eines fakultativen Rahmenbetriebsplans nach § 52 Abs. 2 Nr. 1 BBergG sein können. Ist ein solches Gesamtvorhaben bei Einführung der Planfeststellungspflicht bereits teilweise ausgeführt worden, bedürfen auch die weiteren Abschnitte des Abbaus keiner Prüfung ihrer Umweltverträglichkeit in einem Planfeststellungsverfahren, solange sie sich im Rahmen dieses Vorhabens halten.
Mit § 52 Abs. 2a BBergG hat die Bundesrepublik Deutschland die Richtlinie des Rates über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (UVP-Richtlinie) vom 27. Juni 1985 (85/337 EWG, ABlEG Nr. L 175 vom 5. Juli 1985, S. 40) für den Bereich des Bergbaus umgesetzt. Die Einführung eines Planfeststellungsverfahrens für die Zulassung des (obligatorischen) Rahmenbetriebsplans sollte eine geeignete verfahrensrechtliche Grundlage für die Umweltverträglichkeitsprüfung schaffen. Bedarf ein Vorhaben einer Prüfung seiner Umweltverträglichkeit, soll es für die Beurteilung der Umweltauswirkungen als Ganzes in den Blick genommen werden und als Ganzes Gegenstand des Verfahrens sein. Bei allen technischen Planungen und Entscheidungen sollen die Auswirkungen auf die Umwelt so früh wie möglich berücksichtigt werden. Damit widerspräche es dem Sinn der Vorschrift, die Fortführung bereits teilweise durchgeführter Vorhaben im Nachhinein der Umweltverträglichkeitsprüfung und einem Planfeststellungsverfahren zu unterwerfen (BVerwG, Urteil vom 2. November 1995 – BVerwG 4 C 14.94 – BVerwGE 100, 1 ≪7≫). Nach dem Zweck der Umweltverträglichkeitsprüfung kommt es nicht auf ein schon als solches genehmigtes, sondern auf ein tatsächlich begonnenes Gesamtvorhaben an. Das Bundesberggesetz schrieb vor der Einfügung des § 52 Abs. 2a BBergG keine Zulassung des Gesamtvorhabens vor (BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 1991 – BVerwG 7 C 25.90 – BVerwGE 89, 246). Ebenso wenig kannte das Recht der DDR eine Zulassung mit dieser Wirkung.
Die UVP-Richtlinie ermöglicht es den Mitgliedstaaten zwar auch, in ihren nationalen Genehmigungsverfahren eine Umweltverträglichkeitsprüfung in mehreren Verfahren oder Verfahrensschritten vorzusehen, solange diese insgesamt einer einheitlichen Prüfung gleichwertig sind. Der deutsche Gesetzgeber hat aber bei der Änderung des Bundesberggesetzes eine Umweltverträglichkeitsprüfung in mehreren Schritten nur ausnahmsweise (vgl. § 52 Abs. 2b Satz 1 BBergG) zugelassen. Einer solchen besonderen Ausnahmeregelung zur Zulässigkeit einer Umweltverträglichkeitsprüfung für Teilabschnitte hätte es nicht bedurft, wenn der obligatorische Rahmenbetriebsplan nicht grundsätzlich für das gesamte Vorhaben aufzustellen und zuzulassen wäre.
Der Bundesgesetzgeber hat keine Übergangsregelung geschaffen, die davon abweichend bereits begonnene Vorhaben einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterwirft. Das gilt sowohl für die Einführung des Planfeststellungsverfahrens in das Bundesberggesetz als auch für das Inkraftsetzen des kurz zuvor geänderten Bundesberggesetzes im Beitrittsgebiet (zu Art. 2 des Gesetzes zur Änderung des Bundesberggesetzes vom 12. Februar 1990 vgl. BVerwG, Urteil vom 2. November 1995 – BVerwG 4 C 14.94 – a.a.O.). Aus der Überleitungsvorschrift nach Anlage I Kapitel V Sachgebiet D Abschnitt III Maßgabe-Nr. 1 h bb zum Einigungsvertrag folgt nichts anderes. Diese Überleitungsvorschrift bezieht sich auf Gesamtvorhaben, weil der in ihr verwendete Begriff des „Vorhabens” auf den Vorhabenbegriff des § 52 Abs. 2a BBergG verweist. Deshalb ist es unzutreffend, die Überleitungsvorschrift nur auf solche Flächen zu beziehen, hinsichtlich derer im Beitrittszeitpunkt ein Verfahren zur Zulassung eines technischen Betriebsplans nach dem Recht der DDR bereits eingeleitet worden war. Die Überleitungsvorschrift hat vielmehr eine andere Funktion. Sie geht davon aus, dass die am Tage des Wirksamwerdens des Beitritts der DDR bereits teilweise verwirklichten Gesamtvorhaben für ihre Weiterführung schon deshalb keiner Planfeststellung bedurften, weil die UVP-Richtlinie eine Umweltverträglichkeitsprüfung für Vorhaben, die bei Ablauf der Umsetzungsfrist bereits begonnen worden waren, nicht vorsah (dazu sogleich unter b). Für das Beitrittsgebiet gilt dabei anstelle des Ablaufs der Umsetzungsfrist der Beitrittszeitpunkt. Angesichts dessen werden durch die in Rede stehende Vorschrift des Einigungsvertrages über die ohnehin schon von einer Planfeststellung freigestellten Gesamtvorhaben hinaus auch diejenigen Gesamtvorhaben von einer Pflicht zur Planfeststellung ausgenommen, bei denen zum Beitrittszeitpunkt das Verfahren zur Zulassung „eines” – die Wahl des unbestimmten Artikels durch den Gesetzgeber entspricht also dem Normzweck – Betriebsplans bereits begonnen hatte.
b) Auch die UVP-Richtlinie verlangt für bereits begonnene Vorhaben keine Umweltverträglichkeitsprüfung im Nachhinein und erzwingt damit keine abweichende Auslegung des § 52 Abs. 2a BBergG. Sie ist vielmehr nur auf solche Projekte anwendbar, die weder begonnen noch beantragt waren, als die Frist zur Umsetzung ablief. Der Europäische Gerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 18. Juni 1998 (EuGHE 1998 I – 3936) klargestellt, dass Projekte von der Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nicht befreit werden dürfen, wenn für sie vor dem 3. Juli 1988, dem Zeitpunkt des Ablaufs der Frist zur Umsetzung der Richtlinie, zwar bereits eine Genehmigung erteilt worden war, von dieser Genehmigung aber kein Gebrauch gemacht und nach dem 3. Juli 1988 ein neues Genehmigungsverfahren förmlich eingeleitet worden ist. Daraus ergibt sich, dass die UVP-Richtlinie namentlich nicht auf solche Projekte anwendbar ist, die vor dem Stichtag bereits begonnen waren. Entscheidend kommt es dabei auf den tatsächlichen Beginn des Projekts an, nicht aber darauf, ob hierfür eine Genehmigung erforderlich war, von der Gebrauch gemacht worden ist. Denn die UVP-Richtlinie erfasst auch Projekte, für welche das Recht der Mitgliedstaaten die Erteilung einer Genehmigung nicht vorgesehen hatte. Art. 2 Abs. 2 der UVP-Richtlinie stellt den Mitgliedstaaten anheim, die Umweltverträglichkeitsprüfung im Rahmen bestehender Verfahren oder, falls solche nicht bestehen, im Rahmen anderer, gegebenenfalls auch neu einzuführender Verfahren durchzuführen. Die Richtlinie geht also ersichtlich von der Möglichkeit aus, dass Projekte, die aufgrund der Richtlinie nunmehr einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedürfen, zuvor ohne Genehmigung begonnen werden konnten und will für solche begonnenen Projekte nicht rückwirkend eine Prüfungspflicht einführen.
Bestätigt wird diese Auffassung durch die UVP-Änderungsrichtlinie vom 3. März 1997 (RL 97/11/EG, ABlEG Nr. L 073 vom 14. März 1997, S. 5). Sie hat die frühere Nr. 12 des Anhangs II (jetzt Nr. 13) neu formuliert. Danach wird die Änderung oder Erweiterung von bereits genehmigten, durchgeführten oder in der Durchführungsphase befindlichen Projekten als Projekt im Sinne des Anhangs II angesehen. Diese Bestimmung trifft keine Neuregelung, sondern stellt nur klar, was von Anfang an gewollt war. Danach sind durchgeführte oder in der Durchführungsphase befindliche Projekte nur dann Gegenstand einer Umweltverträglichkeitsprüfung, wenn sie geändert oder erweitert werden. Insoweit macht die Richtlinie keinen Unterschied zwischen genehmigten, durchgeführten oder in der Durchführungsphase befindlichen Projekten.
Allerdings mag eine Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich sein, wenn für ein Projekt, das die insoweit einschlägigen Kriterien erfüllt, eine (neue) Genehmigung im Sinne von Art. 1 Abs. 2 UVP-Richtlinie beantragt wird, selbst wenn das Projekt nach der früheren Rechtslage ohne Genehmigung begonnen werden durfte und begonnen worden ist.
2. Die Fortführung des Tagebaues Jänschwalde ist in dem Umfang, den der streitige Rahmenbetriebsplan absteckt, Teil eines Gesamtvorhabens, das vor dem Beitritt der DDR begonnen worden war.
Der Rahmenbetriebsplan umfasst einen Abbau von Braunkohle in den Lagerstätten Jänschwalde-Mitte und insbesondere Jänschwalde-Neißefeld. Der Abbau beider Lagerstätten (Jänschwalde-Mitte und Jänschwalde-Neißefeld) wurde von den zuständigen staatlichen Entscheidungsträgern spätestens seit 1987 als Gesamtprojekt Großtagebau Jänschwalde beabsichtigt. Die weiteren Teilentscheidungen und insbesondere die Abbautätigkeit bezogen sich in der Folgezeit auf die Realisierung dieses Gesamtvorhabens. Der Abbau von Braunkohle in den Lagerstätten Jänschwalde-Mitte einerseits, Jänschwalde-Neißefeld andererseits wurde jedenfalls seit 1987 nicht als zwei getrennte jeweils eigenständige Vorhaben behandelt, sondern als ein planmäßig fortschreitender Tagebau. Der Abbau beider Lagerstätten war damit zu einem einheitlichen Vorhaben verbunden worden.
Dies ergibt sich aus folgenden Umständen: Die im Zusammenhang mit dem Aufschluss des Tagebaues Jänschwalde erlassene Standortbestätigung vom 22. November 1971 betraf nur den Abbau von Braunkohle in einem Gebiet, das in etwa dem später festgesetzten Bergbauschutzgebiet für die Lagerstätte Jänschwalde-Mitte entsprach. Für die Lagerstätte Jänschwalde-Neißefeld wurde erst einige Jahre später ein Bergbauschutzgebiet festgesetzt. Die komplex-territoriale Raumstudie Cottbus-Guben-Forst sah jedoch die planmäßige Weiterführung des Tagebaues Jänschwalde in das Neißefeld vor. Dabei wurde die Abbauentwicklung in den Lagerstätten Jänschwalde-Neißefeld und Jänschwalde-Nord in einem Umfang bestätigt, der dem Ergebnis von Abstimmungen mit dem Ministerium für Nationale Verteidigung und dem Ministerium für Kohle und Energie zur Sicherung der Funktionsfähigkeit des Flugplatzes Drewitz entsprach; die konzipierte Entwicklung bis zum Jahr 2000 sollte die „Weiterführung Tagebau Jänschwalde-Mitte in das Neißefeld” umfassen. Mit dieser Entwicklung sollte 1992 begonnen, die Kohleförderung im Neißefeld sollte 1997 aufgenommen werden; ein neuer Aufschluss war dabei nicht erforderlich. Diese Ergebnisse der für die weitere Planung verbindlichen Raumstudie waren mit der Ausarbeitung des Fünfjahresplans sowie bei der territorialen Einordnung von Investitionen und Maßnahmen umzusetzen; bei der Einreichung von Anträgen auf Erteilung von Standortbestätigung und Standortgenehmigungen sowie bei der Ausarbeitung von Aufgabenstellung für Investitionen und Grundsatzentscheidungen für Investitionen war diese Konzeption zu berücksichtigen. Damit war sowohl durch die enge zeitliche Verklammerung als auch durch den räumlichen Anschluss und die damit einhergehenden Bindungen für die noch ausstehenden Standort- und Investitionsentscheidungen ein Projektstand erreicht, der die beiden in Rede stehenden Abbaufelder einer einheitlichen Konzeption unterwarf und damit zu einem Gesamtvorhaben im Sinne der in Rede stehenden Überleitungsvorschrift machte.
Mit der Vorlage des fakultativen Rahmenbetriebsplans hat die Beigeladene keine Genehmigung im Sinne des Art. 1 Abs. 2 der UVP-Richtlinie beantragt, über die nach der UVP-Richtlinie selbst dann nur nach vorheriger Umweltverträglichkeitsprüfung zu entscheiden wäre, wenn das Projekt nach der früheren Rechtslage ohne Genehmigung begonnen werden durfte und begonnen worden ist. Mit der Zulassung eines fakultativen Betriebsplans wird nicht abschließend und verbindlich über das Vorliegen einzelner oder gar aller Zulassungsvoraussetzungen entschieden. Der fakultative Rahmenbetriebsplan stellt vielmehr ein behördliches, die bergbaulichen Maßnahmen begleitendes Kontrollinstrument dar, das der Bergbehörde ermöglicht, die längerfristige Entwicklung des Betriebs zu überblicken und dafür einen Rahmen abzustecken (BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 1991 – BVerwG 7 C 25.90 – BVerwGE 89, 246, 253 f.). Gegenstand des streitigen Rahmenbetriebsplans ist danach nicht die nachträgliche förmliche Genehmigung eines bereits teilweise durchgeführten Vorhabens. Mit dem Rahmenbetriebsplan sollen vielmehr die noch nach dem Recht der DDR ergangenen Entscheidungen zur Klarstellung in das Regelungsgefüge des Bundesberggesetzes übergeleitet werden (vgl. die Mitteilung der Regierung der Bundesrepublik Deutschland an die Europäische Kommission vom 17. Oktober 1995 im Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung zum Braunkohlentagebau Jänschwalde, S. 18).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO.
Unterschriften
Dr. Franßen, Gödel, Kley, Herbert, Neumann
Fundstellen
VIZ 2002, 656 |
LKV 2002, 466 |
NJ 2003, 46 |
NuR 2002, 680 |
DVBl. 2002, 1498 |
UPR 2003, 69 |