Verfahrensgang
VGH Baden-Württemberg (Entscheidung vom 15.02.2000; Aktenzeichen A 14 S 430/98) |
Tenor
Der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 15. Februar 2000 wird aufgehoben. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 5. Februar 1996 wird geändert, soweit es die Beklagte verpflichtet festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen. Insoweit wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte und der Kläger tragen die Kosten des Verfahrens erster Instanz je zur Hälfte. Die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens trägt der Kläger.
Tatbestand
I.
Der 1975 geborene Kläger stammt aus dem Kosovo; er ist jugoslawischer Staatsangehöriger albanischer Volkszugehörigkeit. Im November 1992 reiste er nach Deutschland ein. Seinen Asylantrag lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Bundesamt) ab, stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen, und drohte ihm die Abschiebung nach Jugoslawien an.
Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte verpflichtet, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen und festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen. Zwar ergebe der Vortrag des Klägers nicht, dass er sein Heimatland aus begründeter Furcht vor politischer Verfolgung verlassen habe. Er habe jedoch einen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter im Wege des Familienasyls nach § 26 AsylVfG, da sein Vater als Asylberechtigter anerkannt worden sei. Danach sei das Bundesamt auch verpflichtet, ihm Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG zu gewähren.
Das Berufungsgericht hat die Berufung zugelassen, soweit das Verwaltungsgericht der Klage im Hinblick auf § 51 Abs. 1 AuslG stattgegeben hatte, sie dann jedoch als unzulässig verworfen, weil die Berufung danach nicht begründet wurde.
Mit der Revision macht der Beteiligte geltend, einer Berufungsbegründung habe es nach der für das Verfahren noch maßgeblichen alten Rechtslage nicht bedurft. Die Berufung sei auch begründet, da dem Kläger nach der Gewährung von Asyl kein zusätzlicher Anspruch auf Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG zustehe.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung zugestimmt (§§ 141, 125 Abs. 1 sowie 101 Abs. 2 VwGO).
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist begründet; das Berufungsgericht hätte die Berufung des Beteiligten nicht mangels Berufungsbegründung als unzulässig verwerfen dürfen. Es hätte ihr auch in der Sache stattgeben müssen, da das Verwaltungsgericht das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge zu Unrecht verpflichtet hat, zugunsten des Klägers das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG festzustellen.
Die Verwerfung der Berufung, „weil sie nicht … begründet wurde” (BA S. 2), verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO). Das Berufungsgericht hat zwar erkannt, dass die Berufungsbegründungspflicht nach § 124 a Abs. 3 VwGO seit In-Kraft-Treten dieser Vorschrift am 1. Januar 1997 auch in Asylverfahren gilt (BVerwG, Urteil vom 30. Juni 1998 – BVerwG 9 C 6.98 – BVerwGE 107, 117). Dies betrifft jedoch nach dem Übergangsrecht in Art. 10 Abs. 1 des 6. VwGOÄndG vom 1. November 1996 (BGBl I S. 1626) nur Verfahren, in denen die erstinstanzliche Entscheidung entweder aufgrund einer mündlichen Verhandlung nach dem 1. Januar 1997 ergangen oder im Falle einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach dem 1. Januar 1997 an die Beteiligten zur Zustellung herausgegeben worden ist (BVerwG, Urteil vom 27. Januar 1998 – BVerwG 9 C 34.97 – NVwZ-RR 1998, 458 = Buchholz 310 § 124 a VwGO Nr. 1; Beschluss vom 18. Mai 1999 – BVerwG 9 B 209.99 – ≪juris≫). Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts im Ausgangsverfahren erging auf die mündliche Verhandlung vom 5. Februar 1996. Der Beteiligte war danach nicht verpflichtet, die Berufung durch gesonderten Schriftsatz zu begründen.
Der Senat kann in der Sache entscheiden, da die hierfür erforderlichen Feststellungen getroffen sind (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO). Die zulässige Berufung des Beteiligten ist begründet. Die Klage auf Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG ist mit der Rechtskraft der Verpflichtung zur Gewährung von Familienasyl nach § 26 AsylVfG im Urteil des Verwaltungsgerichts vom 5. Februar 1996 unzulässig geworden. Die begehrte Feststellung von Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG bringt dem Kläger keinen weiteren Vorteil, der über den ihm zustehenden Anspruch auf Asyl hinausgeht (BVerwG, Urteil vom 28. April 1998 – BVerwG 9 C 1.97 – BVerwGE 106, 339 ≪340 f.≫). Mit Ablauf der Frist für den Antrag auf Zulassung der Berufung gegen die Verpflichtung der Beklagten in dem Urteil des Verwaltungsgerichts, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen, ist dieser Ausspruch rechtskräftig geworden.
Dem Kläger steht im Übrigen auch in der Sache kein Anspruch auf die begehrte Feststellung nach § 51 Abs. 1 AuslG zu. Die Anerkennung als Familienasylberechtigter führt zu derselben Rechtsstellung wie die Asylanerkennung des in eigener Person politisch Verfolgten. Ebenso wie der „Stammberechtigte” genießt auch der Familienasylberechtigte gemäß § 2 Abs. 1 AsylVfG die Rechtsstellung als Flüchtling nach der Genfer Flüchtlingskonvention. Der Gesetzgeber hat jedoch in § 31 Abs. 5 AsylVfG bestimmt, dass das Bundesamt bei der Anerkennung eines Asylberechtigten nach § 26 AsylVfG von der Feststellung zu § 51 Abs. 1 AuslG absehen soll. Dies schließt, wie der Senat bereits entschieden hat, einen Anspruch des Familienasylberechtigten gegenüber dem Bundesamt auf eine solche Feststellung in aller Regel von vornherein aus (zur näheren Begründung hierfür vgl. BVerwG, Urteil vom 28. April 1998, a.a.O., S. 342 ff.). Besondere Gründe, einen Ausnahmefall anzunehmen, sind nicht erkennbar.
Ungeachtet der Abweisung der Klage auf Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG steht der Hilfsantrag des Klägers auf Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG nicht zur Entscheidung des Gerichts. Denn dieser Hilfsantrag ist ersichtlich nur für den Fall gestellt worden, dass der Hauptantrag weder mit dem Asylbegehren noch mit dem Antrag auf Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG Erfolg hat. Im Übrigen bestünde der geltend gemachte Anspruch auf Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG aus den gleichen Gründen wie der zu § 51 Abs. 1 AuslG schon deshalb nicht, weil § 31 Abs. 5 AsylVfG auch insoweit bestimmt, dass von Feststellungen zu § 53 AuslG abgesehen werden soll, wenn ein Ausländer nach § 26 AsylVfG als Asylberechtigter anerkannt wird.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nach § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 83 b Abs. 2 AsylVfG.
Unterschriften
Dr. Paetow, Hund, Richter, Beck, Dr. Eichberger
Fundstellen