Entscheidungsstichwort (Thema)
Wasserrecht. altes Recht. Überleitungsregelung. Erlöschen. Eigentumsschutz
Leitsatz (amtlich)
Das ersatzlose Erlöschen eines nach § 86 PrWG sichergestellten alten Wasserrechts ist nicht mit Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG vereinbar, falls der Weiterbestand des Rechts davon abhängig gemacht wird, dass es zu Zeiten der DDR nach einer Überprüfung in einem geordneten Verfahren durch eine ausdrückliche Entscheidung aufrechterhalten worden ist, obwohl es ein solches Verfahren nach der seinerzeitigen Verwaltungspraxis nicht gab.
Normenkette
GG Art. 14; WHG § 15 Abs. 1; WG LSA §§ 32, 38
Verfahrensgang
OVG des Landes Sachsen-Anhalt (Beschluss vom 23.02.2004; Aktenzeichen 1 L 333/03) |
VG Halle (Saale) (Entscheidung vom 27.08.2003; Aktenzeichen 5 A 16/03 HAL) |
Tenor
Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 23. Februar 2004 wird aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Tatbestand
I.
Der Kläger begehrt die Feststellung, dass er ein altes Wasserrecht besitzt.
Der Kläger ist Eigentümer einer Wassermühle in R.…. Die Mühle besteht seit dem Anfang des 18. Jahrhunderts. Sie liegt an der Weißen Elster. Sie wird jetzt zur Erzeugung elektrischen Stroms genutzt, der in das öffentliche Netz eingespeist wird.
Auf Antrag des seinerzeitigen Eigentümers der Mühle stellte die zuständige Wasserbehörde im Oktober 1921 gemäß § 86 des Preußischen Wassergesetzes (PrWG) vom 7. April 1913 (GS 53) in Verbindung mit § 379 Abs. 1 PrWG zu Gunsten des jeweiligen Eigentümers der Mühle das (auf unvordenklicher Verjährung beruhende) Recht sicher, das Wasser zum Betrieb der Mühle aus der Weißen Elster mittels einer Einlassschleuse durch den Mühlengraben zu entnehmen, den Wasserspiegel an der Mühle aufzustauen und dieses Wasser zum Betrieb der Mühle zu gebrauchen. Das Recht wurde am 7. Dezember 1922 in das Wasserbuch eingetragen.
Auf der Grundlage von § 50 Abs. 2 des Wassergesetzes der DDR vom 17. April 1963 (GBl I S. 77) wurden im Juli 1966 im Kreis Zeitz die Inhaber alter Wasserrechte durch öffentliche Bekanntmachung aufgefordert, ihre Rechte bis zum 31. Dezember 1966 anzumelden. Eigentümer der Mühle war seinerzeit der Vater des Klägers.
Die Mühle wurde unter Ausnutzung des eingetragenen Wasserrechts weiter betrieben, auch nachdem der Betrieb 1972 in Volkseigentum überführt worden war. Das Unternehmen wurde 1990 zurückübertragen und vom Kläger übernommen.
Durch den streitigen Bescheid vom 5. März 1999 stellte der Beklagte fest, das alte Wasserrecht bestehe nach § 32 des Wassergesetzes für das Land Sachsen-Anhalt (WG LSA) vom 21. April 1998 (GVBl LSA S. 187) nicht mehr, weil es mangels nachgewiesener Anmeldung nicht nach dem Wassergesetz der DDR in einem geordneten Verfahren aufrechterhalten worden sei.
Nach erfolglosem Widerspruch hat der Kläger Klage erhoben, mit der er begehrt hat, unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide den Beklagten zu verpflichten, festzustellen, dass zu Gunsten des Klägers ein Altrecht zur Entnahme von Wasser aus der Weißen Elster und zum Aufstauen des Mühlgrabens für den Betrieb der Mühle besteht, hilfsweise, den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger auf der Grundlage des § 38 WG LSA eine unbefristete Bewilligung in der Art des ihm zustehenden Wasserrechts zu erteilen.
Nach einer Beweisaufnahme hat das Verwaltungsgericht der Klage mit dem Hauptantrag stattgegeben: Das in Anspruch genommene Altrecht sei nicht nach § 32 WG LSA erloschen. Das Recht sei in einem geordneten Verfahren nach dem Wassergesetz der DDR aufrechterhalten worden. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme habe der Vater des Klägers nach der öffentlichen Aufforderung das Recht innerhalb der gesetzten Frist angemeldet. Nach dem Beweis des ersten Anscheins sei ferner als bewiesen anzusehen, dass eine Überprüfung des Rechts darauf stattgefunden habe, ob die Nutzung den Bestimmungen des Wassergesetzes der DDR entspreche oder ob Änderungen, weitere Auflagen oder ein neues Genehmigungsverfahren erforderlich seien. Die Mühle sei nach Anmeldung des Wasserrechts bis zum Ende der DDR weiterbetrieben worden. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme habe die Wasserwirtschaftsbehörde vor Ort regelmäßig zweimal jährlich Deichschauen durchgeführt und dabei die Mühle und den Mühlkanal in Augenschein genommen, ohne die Anlagen zu irgendeinem Zeitpunkt zu beanstanden. Demgegenüber sei ohne Bedeutung, dass sich eine ausdrückliche positive Entscheidung der zuständigen Wasserbehörde über die Aufrechterhaltung des Rechts nicht mehr feststellen lasse. Eine solche Entscheidung hätten die maßgeblichen Bestimmungen der DDR nicht vorgesehen. Eine (schriftliche) Mitteilung über das Ergebnis der Überprüfung an den Inhaber des Wasserrechts sei nach der Rechtswirklichkeit der DDR regelmäßig unterblieben.
Gegen dieses Urteil hat der Beklagte die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt, mit der er geltend gemacht hat, die Beweisaufnahme habe nicht ergeben, dass das streitige Wasserrecht auf der Grundlage des Wassergesetzes in einem geordneten Verfahren aufrechterhalten worden sei.
Der Kläger hat bestritten, dass die Berufungsschrift von einem Bediensteten unterzeichnet sei, der die Voraussetzungen des § 67 Abs. 1 Satz 3 VwGO erfülle. Im Übrigen hat er das Urteil des Verwaltungsgerichts verteidigt.
Das Oberverwaltungsgericht hat die Klage durch den angefochtenen Beschluss abgewiesen: Die Berufung sei zulässig. Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass die Berufungsschrift von einem Mitarbeiter unterzeichnet sei, der die Voraussetzungen des § 67 Abs. 1 Satz 3 VwGO nicht erfülle. Die Berufung sei begründet. Das streitige Recht sei nicht auf der Grundlage des Wassergesetzes der DDR in einem geordneten Verfahren aufrechterhalten worden. Das Gesetz verlange mehr als nur die passive Hinnahme eines bestehenden Zustandes. § 32 WG LSA mache die sonst erforderliche Gestattung einer wasserrechtlichen Benutzung nur dann entbehrlich, wenn die Benutzung aufgrund eines Rechtes ausgeübt werde, bei dessen Aufrechterhaltung eine irgendwie geartete Überprüfung der Benutzung in wasserrechtlicher Hinsicht stattgefunden habe. Dies verlange eine einzelfallbezogene Überprüfung mit einer abschließenden positiven Entscheidung über die Fortgeltung des Benutzungsrechts.
Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision beantragt der Kläger, unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zurückzuweisen. Er macht geltend: Das Oberverwaltungsgericht hätte auf seine Rüge hin nachprüfen müssen, ob die Berufung durch einen Bediensteten eingelegt und begründet worden sei, der die Befähigung zum Richteramt besitze oder Diplomjurist im höheren Dienst sei. Das Oberverwaltungsgericht habe nicht über den Hilfsantrag entschieden, den er in erster Instanz gestellt habe und der allein durch die Einlegung der Berufung des Beklagten in der Rechtsmittelinstanz anhängig geworden sei. Das Oberverwaltungsgericht sei unter Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör seinem Vortrag nicht nachgegangen, dass es in der DDR ein geordnetes Verwaltungsverfahren für die Aufrechterhaltung alter Wasserrechte nicht gegeben habe. Das Oberverwaltungsgericht habe stattdessen den Fortbestand alter Wasserrechte von Voraussetzungen abhängig gemacht, die gemessen an der tatsächlichen Rechtspraxis der DDR gar nicht bestanden hätten. In der Auslegung des Oberverwaltungsgerichts weiche § 32 WG LSA von der rahmenrechtlichen Vorschrift des § 15 Abs. 1 WHG ab. Diese verlange nicht, dass die alten Wasserrechte in einem geordneten Verfahren hätten aufrechterhalten werden müssen. Der Sache nach verliere er mit dem Inkrafttreten von § 32 WG LSA entschädigungslos sein altes Wasserrecht, das in der DDR nicht erloschen sei. Diese Auslegung des § 32 WG LSA sei mit der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG nicht vereinbar. § 32 WG LSA solle sicherstellen, dass nur solche alten Wasserrechte aufrechterhalten blieben, die unter der Geltung des Wassergesetzes der DDR in einem geordneten Verfahren überprüft worden seien. Weil es in der Rechtswirklichkeit der DDR solche Verfahren tatsächlich nicht gegeben habe, sei das vom Gesetzgeber gewählte Kriterium ungeeignet und damit unverhältnismäßig.
Der Beklagte hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision des Klägers ist begründet. Der angefochtene Beschluss verletzt Bundesrecht. In der Auslegung des Oberverwaltungsgerichts ist § 32 WG LSA mit der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG nicht vereinbar. Ob eine andere (verfassungskonforme) Auslegung der Vorschrift möglich ist oder ob diese (erst) im Zusammenwirken mit § 38 WG LSA eine insgesamt verfassungskonforme Überleitungsregelung ergibt, erfordert eine Auslegung irrevisiblen Landesrechts. Der Senat macht insoweit von der Möglichkeit Gebrauch, die Sache zur Klärung dieser landesrechtlichen Fragen an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO, § 173 VwGO, § 563 Abs. 4 ZPO).
1. Der angefochtene Beschluss verletzt nicht schon deshalb Bundesrecht, weil das Oberverwaltungsgericht die Berufung des Beklagten als unzulässig hätte verwerfen müssen. Entgegen der Auffassung des Klägers sind die Berufung und die Berufungsbegründung von einem Bediensteten des Beklagten, dem Oberregierungsrat O.…, unterzeichnet worden, der nach Maßgabe des § 67 Abs. 1 Sätze 1 und 3 VwGO postulationsfähig war. Er besitzt die Befähigung zum Richteramt. Dies hat der Behördenleiter in der Generalterminsvollmacht vom 13. April 2004 ausdrücklich erklärt, wobei kein Zweifel daran verbleibt, dass die Befähigung zum Richteramt schon zu der hier fraglichen Zeit bestand.
2. In der Sache hat das Oberverwaltungsgericht unter Verstoß gegen Bundesrecht angenommen, der Kläger habe keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung, dass zu seinen Gunsten ein altes Recht zur Entnahme von Wasser aus der Weißen Elster und zum Aufstauen des Mühlgrabens für den Betrieb der Kunstmühle … gemäß der Sicherstellungsurkunde vom 9. November 1921 bestehe.
Als Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch hat das Oberverwaltungsgericht § 32 WG LSA herangezogen. Soweit hier von Interesse, bestehen nach dieser irrevisiblen Vorschrift alte Rechte fort, wenn sie nach dem Wassergesetz der DDR vom 17. April 1963 (GBl I S. 77) oder nach dem Wassergesetz der DDR vom 2. Juli 1982 (GBl I S. 467) in einem durch diese Gesetze geordneten Verfahren aufrechterhalten worden sind und am 1. Juli 1990 rechtmäßige Anlagen zur Ausübung des Rechts vorhanden waren. Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, erlöschen die alten Rechte. Die Vorschrift ordnet nur positiv den Fortbestand bestimmter alter Rechte an, ohne ausdrücklich die allerdings selbstverständliche Kehrseite auszusprechen, dass die davon nicht erfassten Rechte nicht mehr bestehen, mithin erlöschen. Dieses Verständnis der Vorschrift hat das Oberverwaltungsgericht seiner Entscheidung ersichtlich zugrunde gelegt.
Das Oberverwaltungsgericht hat die irrevisible Bestimmung des § 32 WG LSA für den Senat verbindlich dahin ausgelegt, dass es nicht ausreicht, wenn das alte Recht nach Maßgabe der Wassergesetze der DDR nur kraft Gesetzes aufrechterhalten geblieben ist. Vielmehr muss die zuständige Behörde ausdrücklich über die Fortgeltung des Rechts positiv entschieden haben. Dieser behördlichen Entscheidung muss ein besonderes Verwaltungsverfahren mit einer einzelfallbezogenen Überprüfung der Gewässernutzung in wasserrechtlicher Hinsicht vorausgegangen sein. Nach dem Zusammenhang der Entscheidungsgründe hat das Oberverwaltungsgericht § 32 WG LSA dahin verstanden, dass diese Voraussetzungen unabhängig davon erfüllt sein müssen, ob die Wassergesetze der DDR ein solches Verfahren mit abschließender ausdrücklicher Entscheidung überhaupt vorgesehen haben und ob ein Verfahren oder eine abschließende Entscheidung entgegen bestehenden Vorschriften, sei es im Einzelfall, sei es generell, unterblieben sind. Von diesem Ausgangspunkt aus ist das Oberverwaltungsgericht folgerichtig und ohne den behaupteten Verstoß gegen die Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts nicht der Behauptung nachgegangen, in der DDR sei überhaupt kein geordnetes Verfahren zur Überprüfung angemeldeter Altrechte vorgesehen gewesen; Überprüfungen in einem derartigen Verfahren und sie abschließende Entscheidungen habe es in der Rechtswirklichkeit der DDR nicht gegeben. Für die revisionsgerichtliche Überprüfung ist deshalb davon auszugehen, dass nach § 32 WG LSA alte Rechte auch dann erlöschen, wenn es in der DDR keine Verfahren zu ihrer Überprüfung gegeben hat, welche den Anforderungen des § 32 WG LSA genügen.
In dieser Auslegung ist § 32 WG LSA mit der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG nicht vereinbar.
Die nach § 86 PrWG sichergestellten alten Wasserrechte sind Eigentum im Sinne des Grundgesetzes. Sie sind dem Berechtigten von der objektiven Rechtsordnung ebenso ausschließlich wie Eigentum an einer Sache zur privaten Nutzung und zur eigenen Verantwortung zugeordnet. Dabei ist unerheblich, ob das hier in Rede stehende Recht ursprünglich öffentlich-rechtlich begründet worden ist. Zum einen waren die Umstände seines Erwerbs schon bei seiner Sicherstellung nach dem Preußischen Wassergesetz nicht mehr feststellbar; das Recht ist vielmehr nach der Beweisregel der unvordenklichen Verjährung als bestehend angenommen worden. Zum anderen waren und sind zur Ausübung des Rechts umfangreiche Investitionen für die Errichtung und Erhaltung der erforderlichen Anlagen notwendig. Die geleistete Arbeit und den Einsatz von Kapital hat bereits das Preußische Wassergesetz anerkannt. Die sichergestellten alten Wasserrechte konnten nur gegen Entschädigung zurückgenommen oder beschränkt werden (§ 86 Abs. 2 Satz 1 PrWG in Verbindung mit § 84 PrWG).
Dass der Landesgesetzgeber in § 32 WG LSA unter bestimmten Voraussetzungen das Erlöschen alter Rechte angeordnet hat, stellt allerdings keine Legalenteignung im Sinne des Art. 14 Abs. 3 GG dar, die mangels einer vorgesehenen Entschädigung zur Verfassungswidrigkeit der Norm führen müsste. Art. 14 Abs. 3 GG ist nicht unmittelbar anwendbar, wenn der Gesetzgeber im Zuge der generellen Neugestaltung eines Rechtsgebiets bestehende Rechte abschafft, für die es im neuen Recht keine Entsprechung gibt (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 9. Januar 1991 – 1 BvR 929/89 – BVerfGE 83, 201 ≪211 f.≫). Darum geht es hier. Der Gesetzgeber hat bereits mit dem Wasserhaushaltsgesetz, das aufgrund des Einigungsvertrages für das Gebiet der DDR in Kraft gesetzt wurde, das Recht neu gestaltet, Gewässer über den Gemeingebrauch hinaus zu nutzen. Von hier nicht interessierenden Ausnahmen abgesehen, können derartige Rechte oder Befugnisse künftig nur noch durch eine wasserrechtliche Erlaubnis oder Bewilligung erworben werden. Die bis dahin bestehenden vielfältigen anderen Rechte, die derartige Nutzungen erlaubten, finden im neuen Recht keine Entsprechung.
Greift der Gesetzgeber bei der Umgestaltung eines Rechtsgebiets in bisher bestehende Rechte ein, liegt darin vielmehr eine neue Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums, deren Verfassungsmäßigkeit an Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG zu messen ist. Der Gesetzgeber darf dabei die nach altem Recht begründeten Rechte der Neuregelung angleichen, selbst wenn dabei die bisher mit dem Recht verbundenen Befugnisse eingeschränkt werden. Selbst die völlige Beseitigung bisher bestehender, durch die Eigentumsgarantie geschützter Rechtspositionen ist ihm nicht ausnahmslos verwehrt (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 9. Januar 1991 – 1 BvR 929/89 – a.a.O. ≪212≫).
Voraussetzung der Zulässigkeit eines Eingriffs in bestehende Rechtspositionen durch eine gesetzliche Neuregelung ist zunächst, dass die Neuregelung als solche, unabhängig von der Frage der Beseitigung oder Einschränkung bestehender Rechtspositionen, verfassungsmäßig ist (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 9. Januar 1991 – 1 BvR 929/89 – a.a.O.). Das liegt hier auf der Hand. Der Gesetzgeber darf im öffentlichen Interesse einer geordneten Bewirtschaftung des Wassers die Nutzung der Gewässer über den Gemeingebrauch hinaus von einer vorherigen hoheitlichen Zulassung in Form einer Erlaubnis oder Bewilligung abhängig machen.
Die Beseitigung oder Umgestaltung bestehender Rechtspositionen ist aber noch nicht deshalb verfassungsgemäß, weil das künftige Recht verfassungsgemäß ist. Der Eingriff in die nach früherem Recht entstandenen Rechte muss vielmehr darüber hinaus durch Gründe des öffentlichen Interesses unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt sein. Die Gründe des öffentlichen Interesses, die für einen solchen Eingriff sprechen, müssen so schwer wiegen, dass sie Vorrang haben vor dem Vertrauen des Bürgers auf den Fortbestand seines Rechts, das durch die Bestandsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gesichert wird. Selbst wenn Art. 14 Abs. 3 GG nicht unmittelbar eingreift, ist das darin zum Ausdruck kommende Gewicht des Eigentumsschutzes bei der vorzunehmenden Abwägung zu beachten, da sich der Eingriff für den Betroffenen wie eine (Teil- oder Voll-)Enteignung auswirkt. Der Gesetzgeber muss danach die Umgestaltung oder Beseitigung eines Rechts zwar nicht durchweg mit einer Entschädigungs- oder Übergangsregelung abmildern. Die völlige, übergangs- und ersatzlose Beseitigung einer Rechtsposition kann jedoch nur unter besonderen Voraussetzungen in Betracht kommen. Durch das bloße Bedürfnis nach Rechtseinheit im Zuge einer Neuregelung wird sie nicht gerechtfertigt (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 9. Januar 1991 – 1 BvR 929/89 – a.a.O. ≪212 f.≫).
Es bestand allerdings ein öffentliches Interesse, die auf alten Rechten beruhenden Benutzungen der Gewässer dem Erlaubnis- und Bewilligungsverfahren der öffentlich-rechtlichen Benutzungsordnung zu unterstellen. Das Wasserhaushaltsgesetz und in seiner Ausfüllung das Wassergesetz für das Land Sachsen-Anhalt verfolgen das berechtigte Anliegen, für die Zukunft eine geordnete Bewirtschaftung des zur Verfügung stehenden Wasserschatzes und eine Verminderung der für das Wasser bestehenden Gefahren sicherzustellen. Dieses für die Bevölkerung und die Gesamtwirtschaft lebenswichtige Ziel hätte kaum erreicht werden können, wenn die bis dahin weder registrierten noch auf ihre wasserwirtschaftliche Unbedenklichkeit geprüften Eingriffe in den Wasserhaushalt auf Dauer hätten fortgeführt werden dürfen (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 15. Juli 1981 – 1 BvL 77/78 – BVerfGE 58, 300 ≪351≫ für die entschädigungslose Beseitigung alter Eigentümernutzungen).
Hieran anknüpfend hat der Gesetzgeber grundsätzlich das Bestandsinteresse des Eigentümers ausreichend gewahrt, wenn er nur die alten Rechte aufrechterhält, bei deren Erteilung oder Aufrechterhaltung eine irgendwie geartete öffentlich-rechtliche Überprüfung der Wasserbenutzung in wasserrechtlicher Hinsicht stattgefunden hat (vgl. zu § 15 Abs. 1 WHG Urteil vom 22. Januar 1971 – BVerwG 4 C 94.69 – BVerwGE 37, 103 ≪105≫). Damit soll die gesetzliche Neuordnung nur für die Gewässernutzungen durchgesetzt werden, deren wasserwirtschaftliche Unbedenklichkeit nicht überprüft ist.
Ebenfalls kann nicht schon grundsätzlich beanstandet werden, dass der Landesgesetzgeber mit § 32 WG LSA abweichend von § 15 Abs. 1 WHG eine Überprüfung nach früherem Landesrecht nicht ausreichen lässt, wie sie hier im Verfahren der Sicherstellung des streitigen Rechts nach § 86 PrWG stattgefunden hat, sondern eine Überprüfung auf der Grundlage der Wassergesetze der DDR verlangt. Wegen des zeitlichen Abstands zu den früheren Landesrechten und den seither weiter gewandelten Anforderungen an den Wasserhaushalt ist es jedenfalls im Ansatz gerechtfertigt, den Bestandsschutz auf die alten Rechte zu beschränken, die nach den unmittelbar vorausgehenden wasserrechtlichen Vorschriften begründet oder aufrechterhalten worden sind.
In der Auslegung des Oberverwaltungsgerichts kann diese Vorschrift aber den Bestandsschutz in einer Weise beschränken, die mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht mehr vereinbar ist. Die Auslegung des Oberverwaltungsgerichts lässt es zu, dass die bis dahin fortbestehenden alten Rechte flächendeckend und ersatzlos erlöschen.
Die Wassergesetze der DDR wären nur dann ein geeigneter und damit verhältnismäßiger Anknüpfungspunkt für die Entscheidung über den Fortbestand alter Rechte, wenn sie sowohl nach ihrem Inhalt als auch nach ihrer praktischen Handhabung zu einer (nachvollziehbaren) Überprüfung der alten Rechte auf ihre materielle Vereinbarkeit mit den Anforderungen des Wasserhaushalts geführt hätten. Nur dann könnten sie ohne weiteres die Filterfunktion erfüllen, die ihnen nach der Konzeption des § 32 WG LSA zukommt, nämlich ohne eigene (erneute) Prüfung zwischen solchen Rechten zu unterscheiden, die wegen ihrer schon nachgewiesenen materiellen Vereinbarkeit mit den Anforderungen des Wasserhaushalts fortbestehen können, und solchen Rechten, die mangels dieser (schon nachgewiesenen) Vereinbarkeit ersatzlos beseitigt werden sollen.
Konnten die Wassergesetze der DDR jedenfalls nach ihrer seinerzeitigen praktischen Handhabung diese Unterscheidung nicht leisten, wie das Oberverwaltungsgericht bei seiner Auslegung des § 32 WG LSA hinnimmt, durfte der Gesetzgeber nicht davon ausgehen, dass aufgrund seiner Übergangsregelung nur die alten Rechte ersatzlos erlöschen, deren materielle Vereinbarkeit mit den Anforderungen des Wasserhaushalts schon in der Vergangenheit nicht hat nachgewiesen werden können. In der Auslegung des Oberverwaltungsgerichts bewirkt die Vorschrift vielmehr ein unterschiedsloses Erlöschen aller alten Rechte, die nach den Wassergesetzen der DDR kraft Gesetzes und ohne Überprüfung im Einzelfall fortbestanden haben. Mit diesem Inhalt enttäuscht die Vorschrift das Vertrauen des Inhabers dieser Rechte, dass er die zugelassene Nutzung der Gewässer auch weiter ausüben kann, und zwar unabhängig davon, ob er nach dem Ende der DDR ausgehend vom Fortbestand der Berechtigung Investitionen zur Erhaltung oder Modernisierung der zu ihrer Ausübung erforderlichen Anlagen vorgenommen hat.
Verhältnismäßig wäre die Regelung in der Auslegung durch das Oberverwaltungsgericht nur, wenn der Gesetzgeber sie durch eine weitere Übergangsregelung abgefedert hätte. Das hat das Oberverwaltungsgericht übersehen. Hierin liegt sein Verstoß gegen Bundesrecht. Diese notwendige Übergangsregelung kann mit § 38 WG LSA vorhanden sein. Dem hätte das Oberverwaltungsgericht nachgehen müssen.
Nach dieser Vorschrift hat der Inhaber des alten Wasserrechts einen Anspruch auf eine wasserrechtliche Bewilligung im Umfang des erloschenen Rechts, wenn er sein Recht aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen nicht nach den Wassergesetzen der DDR aufrechterhalten oder die zur Ausübung des Rechts erforderlichen Anlagen nicht erhalten hat.
Diese Vorschrift kann geeignet sein, die Härte abzumildern, die § 32 WG LSA in der Auslegung des Oberverwaltungsgerichts innewohnt. Sie kann den Inhabern alter Wasserrechte einen Ersatz für das erloschene Recht gewähren, wenn dieses schon nach dem maßgeblichen früheren Recht materiell mit den Anforderungen des Wasserhaushalts vereinbar war. § 38 WG LSA lässt ohne weiteres eine Auslegung dahin zu, dass die Vorschrift auch die Fälle erfasst, in denen ein altes Recht nach § 32 WG LSA deshalb erloschen ist, weil die Wassergesetze der DDR wegen ihrer konkreten Handhabung nicht zur Aufrechterhaltung der alten Wasserrechte in einem geordneten Verfahren geführt haben. Auch dies lässt sich unschwer als ein Fall begreifen, in dem der Inhaber des alten Rechts dieses aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen nicht hat aufrechterhalten können.
Die Vorschrift ist aber nur dann geeignet, die Härte eines ersatzlosen Wegfalls der alten Rechte zu mildern, wenn sie dem Inhaber des erloschenen Rechts einen angemessenen Vorteil im Vergleich mit einem Antragsteller verschafft, der für die erstmals aufzunehmende Nutzung eines Gewässers eine wasserrechtliche Bewilligung benötigt. Anderenfalls bliebe von dem ohne sein Zutun erloschenen Recht keine nachwirkende Rechtsposition übrig.
§ 38 WG LSA bewirkt zunächst, dass die Erteilung der Bewilligung nicht im Ermessen der Wasserbehörde steht, sondern bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen als gebundene Entscheidung ergeht. Dies reicht aber nicht aus. Müsste der Inhaber des erloschenen alten Rechts uneingeschränkt alle jetzt geltenden Anforderungen an neu zu erteilende Bewilligungen erfüllen, hätte er aus der Überleitungsvorschrift des § 38 WG LSA keinen Vorteil, der seinem erloschenen alten Recht angemessen wäre.
Es kommt jedoch in Betracht, § 38 WG LSA in einem das alte Recht respektierenden Sinne auszulegen. Soweit alte Rechte nach § 32 WG LSA aufrechterhalten bleiben, bleibt nach § 33 Satz 3 WG LSA hiervon die Möglichkeit der Wasserbehörde unberührt, nachträgliche Anforderungen zu stellen und Maßnahmen zu verlangen, wie sie bei Erteilung einer Bewilligung Gegenstand eines Vorbehalts nach § 8 WG LSA sein könnten. § 38 WG LSA wäre dann ein angemessener Ausgleich für das ohne Zutun des Inhabers erloschene alte Wasserrecht, wenn für dessen erneute Begründung als Bewilligung keine weitergehenden Anforderungen nach neuem Recht gestellt werden dürften, als sie bei einem aufrechterhaltenen Recht nach § 33 Satz 3 WG LSA über nachträgliche Anforderungen und Maßnahmen möglich sind. Dadurch würde in dieser Hinsicht der Inhaber eines Rechts, das aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen erloschen ist, dem Inhaber eines Rechts gleichgestellt, das aufrechterhalten geblieben ist.
Allerdings lässt § 38 WG LSA nach seinem Wortlaut diese Einschränkung nicht erkennen. Der Inhaber alter Rechte muss vielmehr davon ausgehen, dass er nach § 38 WG LSA an Stelle seines erloschenen Rechts nur dann und nur in dem Umfang eine Bewilligung erhalten kann, wie das jetzt geltende Recht dies bei neuen Bewilligungsanträgen zulässt. Es besteht deshalb die nahe liegende Möglichkeit, dass sich Inhaber alter Rechte davon haben abhalten lassen, überhaupt einen Antrag nach § 38 WG LSA zu stellen. Die Frist für derartige Anträge ist inzwischen abgelaufen. Sie betrug nach § 38 Satz 2 WG LSA drei Jahre und begann mit dem Inkrafttreten des Wassergesetzes für das Land Sachsen-Anhalt in seiner ursprünglichen Fassung vom 8. September 1993. Eine nachträgliche (verfassungskonforme) Auslegung des § 38 WG LSA wäre für diese Inhaber erloschener alter Rechte nutzlos. Verfassungskonform wäre es nur, wenn auch sie in den Genuss einer Übergangsregelung kämen, die erst die Verhältnismäßigkeit des Erlöschens ihrer alten Rechte durch eine Ersatzgewährung herstellt. Bei § 38 Satz 2 WG LSA dürfte es sich um eine Ausschlussfrist handeln, bei deren Versäumung eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht in Betracht kommt. Eine insgesamt verfassungskonforme Übergangsregelung wäre nur dann hergestellt, wenn den Inhabern alter Rechte Nachsicht gewährt würde, welche von einem fristgerechten Antrag abgesehen haben, weil sie wegen der von der Vorschrift nahe gelegten Gleichstellung mit “normalen” Antragstellern keine Aussichten für ihren Antrag gesehen haben. Auch wenn Ausschlussfristen versäumt sind, kommt die Gewährung von Nachsicht in Betracht, etwa wenn die Fristversäumnis auf staatlichem Fehlverhalten beruht und der Zweck der Fristbestimmung gewahrt bleibt (vgl. Urteil vom 28. März 1996 – BVerwG 7 C 28.95 – BVerwGE 101, 39 ≪45≫).
Danach ist die bisher für die Klageabweisung gegebene Begründung mit Bundesrecht nicht vereinbar. Ob der angefochtene Beschluss im Ergebnis mit Bundesrecht im Einklang steht, kann nicht isoliert anhand des § 32 WG LSA beurteilt werden. Es erscheint dem Senat angemessen, dass zunächst das Oberverwaltungsgericht das gesamte Übergangsrecht der §§ 32 ff. WG LSA daraufhin auslegt, ob sich hieraus eine Übergangsregelung ergibt, die vor den Anforderungen der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG bestehen kann – sei es durch ein weniger strenges Verständnis des § 32 WG LSA, sei es mittels der dargelegten Abfederung durch § 38 WG LSA –.
Weil bereits aus diesem Grund die Sache gemäß § 173 VwGO, § 563 Abs. 4 ZPO an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen ist, braucht der Senat auf die weiter erhobenen Verfahrensrügen nicht einzugehen. Das Verfahren wird durch die Zurückverweisung in den Stand versetzt, den es vor der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts hatte. Damit ist in dem fortzusetzenden Verfahren gegebenenfalls auch über den in erster Instanz gestellten Hilfsantrag des Klägers zu befinden, der allein mit der Einlegung der Berufung durch den Beklagten in der Berufungsinstanz angefallen war (Urteil vom 15. April 1997 – BVerwG 9 C 19.96 – BVerwGE 104, 260 ≪263≫).
Unterschriften
Sailer, Kley, Herbert, Krauß, Neumann
Fundstellen
Haufe-Index 1369232 |
BayVBl. 2007, 441 |
DVBl. 2005, 1394 |
UPR 2005, 454 |
ZfW 2006, 88 |