Entscheidungsstichwort (Thema)
Abschiebung. Abschiebungshaft. Aufenthaltsbestimmungsrecht. Eltern. Kinder. Kosten. tatsächlich entstandene Kosten. Haftkostenbeitrag. spezifische Kosten der Abschiebungshaft. Kostenhaftung der Eltern. Minderjährige. Veranlasser. Regelvermutung. Sicherungshaft. Abschiebungshaft bei Minderjährigen. Erforderlichkeit. Verhältnismäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
- Für die Kosten der Abschiebung eines minderjährigen Kindes haften neben den Kostenschuldnern des § 82 AuslG (jetzt § 66 AufenthG) auch die Eltern, wenn sie die Einleitung aufenthaltsbeendender Maßnahmen gegen ihr minderjähriges Kind nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 VwKostG mitveranlasst haben.
- Die Erstattungspflicht für Kosten einer in Justizvollzugsanstalten vollzogenen Abschiebungshaft erstreckt sich auf alle erforderlichen, tatsächlich entstandenen Kosten der Abschiebungshaft (§ 83 Abs. 4 Satz 1 AuslG, jetzt: § 67 Abs. 3 Satz 1 AufenthG).
Normenkette
AufenthG §§ 66, 67 Abs. 3 S. 1, § 69 Abs. 2 S. 2, § 71 Abs. 1, 5; AuslG §§ 57, 63 Abs. 1, 6, § 81 Abs. 2 S. 2, §§ 82, 83 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4, § 103 Abs. 2; FreiheitsEntzG § 8 Abs. 2, § 14 Abs. 1; KostO §§ 1, 137 Nr. 13; StVollzG §§ 50, 171; VwKostG § 13 Abs. 1 Nr. 1, § 14 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
Tenor
Das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 25. März 2004 wird aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Tatbestand
I.
Die Kläger wenden sich gegen ihre Inanspruchnahme für Abschiebungskosten nach § 83 AuslG.
Die miteinander verheirateten Kläger sind albanische Staatsangehörige. Die Klägerin zu 1 reiste im März 1996 mit gefälschtem griechischen Pass in das Bundesgebiet ein. Im Juli 2000 folgte ihr die gemeinsame Tochter M… – damals fünfzehn Jahre alt – ebenfalls mit gefälschtem griechischen Pass. Der Kläger zu 2 reiste im April 2001 ohne Visum und ohne Pass in die Bundesrepublik Deutschland ein. Am 23. Mai 2001 wurden die Kläger und ihre Tochter festgenommen und aufgrund von Beschlüssen des Amtsgerichts Tostedt vom 24. Mai 2001 in Abschiebungshaft in die Justizvollzugsanstalt Hannover-Langenhagen überführt. Mit drei Bescheiden vom 28. Mai 2001 wies der Landkreis Harburg die Kläger und ihre Tochter unter Anordnung der sofortigen Vollziehung aus der Bundesrepublik Deutschland aus und ordnete ihre Abschiebung nach Albanien an. Gegen die Kläger wurde wegen der voraussichtlich entstehenden Kosten der Abschiebung eine Sicherheitsleistung in Höhe von 6 116 DM angeordnet und von ihnen in der Haft eingezogen. Am 26. Juni 2001 wurden sie und ihre Tochter aus der Abschiebungshaft heraus auf dem Luftweg nach Albanien abgeschoben.
Mit Bescheid vom 23. Oktober 2001 nahm die Beklagte beide Kläger hinsichtlich der Kosten der Abschiebung aller drei Personen in Höhe von 23 223,94 DM in Anspruch und stellte fest, dass abzüglich der geleisteten Sicherheit von 6 116 DM noch ein Restbetrag in Höhe von 17 107,94 DM von den Klägern zu erstatten sei. Für die Kläger und ihre Tochter seien für den Zeitraum der Abschiebungshaft vom 24. Mai 2001 bis 26. Juni 2001 Haftkosten in Höhe von jeweils 5 045,70 DM (152,90 DM pro Tag/Person) zu zahlen. Auf den Widerspruch der Kläger ersetzte die Bezirksregierung den Leistungsbescheid vom 23. Oktober 2001 durch zwei selbstständige Bescheide vom 20. Dezember 2001. Darin werden die Klägerin zu 1 zur Zahlung von Abschiebungskosten in Höhe von 3 958,07 € (7 741,31 DM) und der Kläger zu 2 zu Abschiebungskosten in Höhe von 7 916,14 € (15 482,63 DM) – letzterer unter Einschluss der die Tochter M… betreffenden Kosten – herangezogen.
Mit ihrer Klage gegen die Kostenbescheide vom 20. Dezember 2001 haben die Kläger geltend gemacht, es gebe keine Rechtsgrundlage dafür, den Kläger zu 2 auch für den auf die Tochter entfallenden Kostenanteil in Anspruch zu nehmen. Zudem seien die angesetzten Abschiebungshaftkosten in Höhe von jeweils 5 045,70 DM (= 33 Tage zu je 152,90 DM) überhöht.
Das Verwaltungsgericht hat die angefochtenen Bescheide insoweit aufgehoben, als die Höhe der festgesetzten Abschiebungskosten 1 634 € (3 195,83 DM) überschreitet. Es hat angenommen, dass der Kläger zu 2 nicht auf Erstattung der auf seine Tochter entfallenden Abschiebungskosten in Anspruch genommen werden könne. Außerdem hätten die Kläger Kosten für die Abschiebungshaft nur in Höhe des Haftkostenbeitrags im Sinne von § 50 Abs. 2 StVollzG zu tragen, der sich in ihrem Fall auf 500,22 DM pro Person belaufe.
Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht das erstinstanzliche Urteil teilweise geändert. Den an den Kläger zu 2 gerichteten Bescheid hat es nur insoweit aufgehoben, als ein Betrag von mehr als 3 186,92 € (= 6 233,09 DM) festgesetzt worden ist. Die weitergehende Berufung der Beklagten hat es zurückgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Beklagte als berechtigt angesehen, den Kläger zu 2 auch für die auf seine Tochter entfallenden Abschiebungskosten durch Leistungsbescheid in Anspruch zu nehmen. Seine Haftung ergebe sich aus § 13 Abs. 1 Nr. 1 VwKostG, denn er sei (Mit-)Veranlasser der Einreise und der späteren Beendigung des illegalen Aufenthalts seiner minderjährigen Tochter im Bundesgebiet. Zum Zeitpunkt ihrer Einreise im Juli 2000 sei die Tochter noch fünfzehn Jahre alt gewesen. Schon wegen des Reife- und Entwicklungsstandes sowie mit Blick darauf, dass das Aufenthaltsbestimmungsrecht wesentlicher Bestandteil des elterlichen Sorgerechts sei, streite nach aller Lebenserfahrung eine Regelvermutung dafür, dass die Einreise zumindest auch vom Willen der sorgeberechtigten Eltern mitgetragen werde. Besondere Umstände, wonach ein bestimmender Einfluss der sorgeberechtigten Eltern ausnahmsweise auszuschließen sei, lägen hier nicht vor. Vielmehr sei die unbegleitete Einreise der Tochter zu ihrer bereits im Bundesgebiet lebenden Mutter offenbar Teil eines Gesamtplans einer Familienzusammenführung im Bundesgebiet gewesen. Dagegen habe das Verwaltungsgericht die Haftung der Kläger für die Kosten der Abschiebungshaft mit Recht auf den Haftkostenbeitrag nach § 50 Abs. 2 StVollzG begrenzt. Für die Frage der Erstattungsfähigkeit der Kosten der Abschiebungshaft sei nicht § 83 Abs. 4 Satz 1 AuslG maßgeblich, wonach die tatsächlich entstandenen Abschiebungskosten zu erheben seien. Die Kostenerstattung einer in einer Justizvollzugsanstalt vollzogenen Abschiebungshaft richte sich vielmehr nach dem Gerichtskostenrecht.
Sowohl der Kläger zu 2 als auch die Beklagte haben gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Revision eingelegt.
Der Kläger zu 2 rügt eine Verletzung des § 13 VwKostG. Nach seiner Auffassung regelt § 82 AuslG abschließend, wer für die Kosten einer Abschiebung aufzukommen habe. Dazu zählten die Eltern illegal eingereister minderjähriger Ausländer nicht. Der Kreis der Kostenschuldner dürfe nicht durch § 13 Abs. 1 Nr. 1 VwKostG erweitert werden. Selbst für den Fall einer Anwendbarkeit von § 13 VwKostG sei nicht nachgewiesen, dass der Kläger zu 2 den Tatbestand herbeigeführt habe, der Anlass für das Tätigwerden der Behörden gewesen sei. Von einer Regelvermutung dahin gehend, dass die Einreise einer minderjährigen Ausländerin vom Willen ihrer sorgeberechtigten Eltern mitgetragen und von ihnen mit veranlasst worden sei, könne jedenfalls bei einer nahezu sechzehnjährigen Jugendlichen nicht ausgegangen werden. Dass der Kläger zu 2 einen Beitrag zur Einreise seiner Tochter in das Bundesgebiet geleistet habe, sei nicht belegt. Sie sei ihrer Mutter und nicht dem Kläger zu 2 nach Deutschland gefolgt. Im Übrigen könne der Kläger zu 2 für die Haftkosten seiner Tochter auch deshalb nicht in Anspruch genommen werden, da deren Inhaftierung rechtswidrig gewesen sei. Die Tochter habe als Minderjährige nur unter besonderen Voraussetzungen in Abschiebungshaft genommen werden dürfen, die hier nicht festgestellt worden seien.
Der Kläger zu 2 beantragt,
das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 25. März 2004 insoweit zu ändern, als es der Berufung der Beklagten hinsichtlich der mit Bescheid vom 20. Dezember 2001 gegenüber dem Kläger zu 2 erhobenen Kosten für die Abschiebung seiner Tochter stattgegeben hat, und die Berufung der Beklagten insoweit zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
1. das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 25. März 2004 zu ändern, soweit es die Berufung zurückgewiesen hat, und die Klage unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Lüneburg vom 7. März 2003 insgesamt abzuweisen,
2. die Revision des Klägers zu 2 zurückzuweisen.
Die Beklagte wendet sich gegen das Berufungsurteil, soweit es die erstattungsfähigen Kosten der Abschiebungshaft auf den Haftkostenbeitrag nach § 50 Abs. 2 StVollzG beschränkt. Sie sieht darin eine Verletzung des § 83 Abs. 4 Satz 1 AuslG, wonach die Abschiebungskosten in Höhe der tatsächlich entstandenen Kosten erhoben werden. Die Regelung im Ausländergesetz gehe den haftrechtlichen Regelungen im Freiheitsentziehungsgesetz, Strafvollzugsgesetz und Gerichtskostenrecht vor.
Die Kläger zu 1 und 2 beantragen,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Sie verteidigen insoweit das angefochtene Urteil und machen ergänzend geltend, der geforderte Tageshaftkostensatz von 152,90 DM pro Person sei weit überhöht. Er sei nicht abschiebungshaftspezifisch ermittelt worden.
Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich an dem Verfahren und tritt der Rechtsauffassung der Beklagten bei.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revisionen des Klägers zu 2 und der Beklagten sind begründet. Die berufungsgerichtliche Entscheidung verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO). Zu Unrecht hat das Berufungsgericht den Kläger zu 2 zur Tragung von Kosten der Abschiebung seiner Tochter verpflichtet, ohne die Frage seiner Mitverursachung gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 VwKostG bezogen auf den Zeitpunkt der Einleitung aufenthaltsbeendender Maßnahmen und ohne die Rechtmäßigkeit der gegen seine Tochter verhängten Abschiebungshaft im Hinblick auf § 14 Abs. 2 VwKostG zu prüfen (1.). Das Urteil verletzt Bundesrecht aber auch insofern, als es den Anspruch der Beklagten auf Ersatz der Kosten für die vollzogene Abschiebungshaft auf den Haftkostenbeitrag nach § 50 Abs. 2 StVollzG beschränkt hat (2.). Wegen der Notwendigkeit weiterer tatsächlicher Feststellungen kann der Senat in der Sache nicht abschließend entscheiden. Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
1. Das Berufungsgericht hat den Kläger zu 2 unter Verletzung von materiellem Recht als verpflichtet angesehen, die Abschiebungskosten seiner Tochter zu tragen. Denn für die Kosten der Abschiebung eines minderjährigen Kindes haften neben den Kostenschuldnern des § 82 AuslG (jetzt § 66 AufenthG) auch die Eltern, wenn sie die Einleitung aufenthaltsbeendender Maßnahmen gegen ihr minderjähriges Kind nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 VwKostG mitveranlasst haben.
a) Allerdings ist das Berufungsurteil zu Recht von der Zuständigkeit der Bezirksregierung Lüneburg zum Erlass der angefochtenen Leistungsbescheide ausgegangen. Wie der Senat mit Urteil vom heutigen Tag in der Revisionssache BVerwG 1 C 11.04 entschieden hat, ist die Ausländerbehörde auch zur Geltendmachung von Kosten der Polizei durch Leistungsbescheid befugt, wenn diese – wie hier – auf Ersuchen der für aufenthaltsbeendende Maßnahmen nach § 63 Abs. 1 AuslG (jetzt § 71 Abs. 1 AufenthG) zuständigen Ausländerbehörde tätig wird. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf dieses Urteil Bezug genommen. Die Bezirksregierungen waren vom Niedersächsischen Innenministerium als zuständige Ausländerbehörden zur Geltendmachung der Abschiebungskosten – einschließlich der Kosten der Polizei – nach § 63 Abs. 1 Satz 2 AuslG (jetzt § 71 Abs. 1 Satz 2 AufenthG) bestimmt worden.
b) Das Berufungsgericht ist im Ansatz ebenfalls zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger zu 2 für die Kosten der Abschiebung seiner Tochter haftet, sofern er diese nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 VwKostG (mit) veranlasst hat. Entgegen der vom Kläger zu 2 in seiner Revision vertretenen Auffassung ist die Aufzählung der Kostenschuldner in § 82 AuslG (jetzt § 66 AufenthG) nicht abschließend. § 82 AuslG nennt als Kostenschuldner neben dem Ausländer (Abs. 1) noch den Verpflichtungsschuldner (Abs. 2), den Beförderungsunternehmer (Abs. 3), den Arbeitgeber (Abs. 4 Satz 1) und den Schleuser (Abs. 4 Satz 2). Diese Regelung dient der Präzisierung und Erweiterung der fortbestehenden Veranlasserhaftung, nicht hingegen ihrer Begrenzung. Nach § 81 Abs. 2 Satz 2 AuslG (jetzt § 69 Abs. 2 Satz 2 AufenthG) findet für die Erhebung von Gebühren und Auslagen nach diesem Gesetz das Verwaltungskostengesetz Anwendung, soweit das Ausländergesetz (jetzt Aufenthaltsgesetz) keine abweichenden Vorschriften enthält. § 82 AuslG ist eine abweichende Regelung insofern, als sie den Kreis der Kostenschuldner gegenüber dem Veranlasserprinzip nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 VwKostG erweitert (z.B. in Gestalt der Arbeitgeberhaftung), für einzelne Kostenschuldner bestimmte Haftungsvoraussetzungen und den Haftungsumfang regelt sowie die Haftung des Ausländers im Verhältnis zu einzelnen anderen Kostenschuldnern als nachrangig erklärt (§ 82 Abs. 4 Satz 3 AuslG). Eine darüber hinausgehende Einschränkung der Veranlasserhaftung nimmt § 82 AuslG hingegen nicht vor. Dafür spricht schon die Gesetzesbegründung der Bundesregierung vom 27. Januar 1990 zu § 82 AuslG (BTDrucks 11/6321, S. 83 f.). Danach “bestimmt sich nach § 13 des Verwaltungskostengesetzes”, wer Kostenschuldner der in § 81 AuslG bezeichneten Gebühren und Auslagen ist (a.a.O., S. 83). Zu den in § 81 AuslG genannten Auslagen zählen auch die Abschiebungskosten im Sinne von § 82 AuslG. Ferner sprechen die Gesetzesmaterialien davon, dass § 82 Abs. 1 AuslG eine “weitere Kostentragungspflicht” normiert und klarstellt, dass der Ausländer “stets als Veranlasser dieser Maßnahmen im Sinne des § 13 Abs. 1 Nr. 1 VwKostG anzusehen ist” (a.a.O.).
Demgegenüber findet sich für die Auffassung, das Veranlasserprinzip werde durch die Kostentragungspflicht in § 82 Abs. 1 AuslG durchbrochen (so Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: Januar 2005, § 66 AufenthG Rn. 1) und § 82 AuslG schließe einen Rückgriff auf die Veranlasserhaftung nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 VwKostG aus (VGH Mannheim, Beschluss vom 9. November 2004 – 13 S 1504/04 – InfAuslR 2005, 78 f.), in den Gesetzesmaterialien kein Anhalt. Auch aus der Gesetzesbegründung zu den Absätzen 2 bis 5 des § 82 AuslG lässt sich nichts dafür herleiten, dass § 13 VwKostG neben § 82 AuslG keine Anwendung finden soll. Ersichtlich ging es dem Gesetzgeber bei der Einführung der Norm darum, von ihm erkannte Zweifelsfragen zu klären (vgl. die Formulierungen in der Gesetzesbegründung: “stellt klar”, “beseitigt eine in der Praxis eingetretene Rechtsunsicherheit”) und vorhandene Haftungslücken zu schließen (“berücksichtigt ferner”, “erweitert die Kostenhaftung”, “schützt … weitergehend”). Dafür, dass er darüber hinaus auch eine abschließende, die Anwendung des Verwaltungskostengesetzes ausschließende Regelung treffen wollte, ist nichts ersichtlich. Insbesondere kann nicht angenommen werden, dass im Falle der Abschiebung einer Familie mit minderjährigen Kindern nur die Kinder selbst zu den Kosten ihrer Abschiebung herangezogen werden sollten, nicht aber die hierfür regelmäßig in erster Linie verantwortlichen Eltern.
Das Berufungsgericht hat jedoch verkannt, dass sich eine Veranlasserhaftung des Klägers zu 2 nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 VwKostG nicht schon aus seiner vermuteten Mitwirkung an der illegalen Einreise seiner Tochter ableiten lässt. Die Haftung nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 VwKostG trifft denjenigen, der die kostenverursachende Amtshandlung – hier die aufenthaltsbeendenden Maßnahmen gegen die Tochter des Klägers zu 2 – verursacht hat. Sie knüpft also an einen Verursachungsbeitrag bei der Beendigung und nicht bei der Begründung des illegalen Aufenthalts eines Ausländers an. Allerdings lässt sich aus dem gesetzlich normierten Aufenthaltsbestimmungsrecht der Eltern für ihre minderjährigen Kinder die Regelvermutung ableiten, dass sie notwendig gewordene Abschiebemaßnahmen gegen ihre Kinder mit veranlasst haben. Denn typischerweise ist davon auszugehen, dass sie ihre Kinder zu einer freiwilligen Ausreise aus Deutschland hätten veranlassen können. Allerdings lässt sich diese Regelvermutung entkräften, wenn die Eltern darlegen können, dass sie aufgrund besonderer Umstände außerstande waren, ihr Aufenthaltsbestimmungsrecht gegenüber einem ausreisepflichtigen minderjährigen Kind durchzusetzen. Dabei wirkt grundsätzlich zu Lasten der Eltern, wenn sie bereits an der Begründung eines illegalen Aufenthalts ihres Kindes mitgewirkt haben, insbesondere dann, wenn ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen illegaler Einreise und angeordneter Ausreise besteht. Mit dem Abstellen auf das gesetzlich begründete Aufenthaltsbestimmungsrecht der Eltern gegenüber ihren bei Einleitung des Vollzugs aufenthaltsbeendender Maßnahmen noch minderjährigen Kindern wird die Veranlasserhaftung nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 VwKostG zugleich begrenzt und der Befürchtung (vgl. VGH Mannheim, a.a.O., S. 79) entgegengewirkt, sie könne zur Heranziehung jedes Dritten führen, der irgendeinen Kausalbeitrag zur Nichtausreise ausreisepflichtiger Ausländer leistet.
Im vorliegenden Fall hat das Berufungsgericht die Haftung des Klägers zu 2 nicht aus dessen Verhalten bei der Einleitung aufenthaltsbeendender Maßnahmen gegen seine minderjährige Tochter, sondern aus seiner vermuteten Mitwirkung bei ihrer illegalen Einreise abgeleitet. Feststellungen zum Verhalten des Klägers zu 2 bei Beendigung des Aufenthalts seiner Tochter hat das Berufungsgericht nicht getroffen. Wegen der darin liegenden Verletzung des § 13 Abs. 1 Nr. 1 VwKostG war das angefochtene Urteil insoweit aufzuheben und zur Nachholung der erforderlichen Feststellungen und erneuten Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
c) Kein Rechtsfehler zum Nachteil des Klägers zu 2 lässt sich aus der Tatsache ableiten, dass der an ihn gerichtete Kostenbescheid keine Ausführungen dazu enthält, warum die Bezirksregierung ihn und nicht die Klägerin zu 1 zur Erstattung der Abschiebungskosten für die gemeinsame Tochter herangezogen hat, wie das der Prozessbevollmächtigte des Klägers zu 2 beanstandet hat. Denn der vom Kläger zu 2 angefochtene Bescheid nimmt ausdrücklich auf die gesamtschuldnerische Haftung der Kläger nach § 1664 BGB Bezug und lässt erkennen, dass sich die Bezirksregierung der Notwendigkeit einer Auswahlentscheidung unter den gesamtschuldnerisch Haftenden bewusst war und diese Entscheidung dahin getroffen hat, den Kläger zu 2 in Anspruch zu nehmen.
d) Einer Zurückverweisung der Sache bedarf es auch wegen fehlender Feststellungen zur Rechtmäßigkeit der gegen die Tochter des Klägers zu 2 verhängten Abschiebungshaft. Denn gegen Minderjährige darf Abschiebungshaft nach gefestigter Rechtsprechung nur dann verhängt werden, wenn mildere Maßnahmen, wie z.B. die Unterbringung in einer Jugendeinrichtung, nicht in Betracht kommen und sowohl die haftantragstellende Behörde wie auch das Haftgericht derartige mildere Mittel geprüft und abgelehnt haben (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 11. September 2002 – 16 Wx 164/02 – NVwZ-Beilage I 8 2003, 64; OLG Braunschweig, Beschluss vom 18. September 2003 – 6 W 26/03 – InfAuslR 2004, 119; OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 30. August 2004 – 20 W 245/04 – juris; KG, Beschluss vom 18. März 2005 – 25 W 64/04 – InfAuslR 2005, 268). Ob im vorliegenden Fall mildere Maßnahmen als die Verhängung von Abschiebungshaft von der Bezirksregierung Lüneburg und vom Amtsgericht Tostedt in dessen Beschluss vom 24. Mai 2001 geprüft und mit Recht als ungeeignet verworfen wurden, hätte das Berufungsgericht als Voraussetzung für die Inanspruchnahme des Klägers zu 2 untersuchen müssen. Dies gebietet auch § 14 Abs. 2 Satz 1 VwKostG, wonach solche Kosten nicht erhoben werden dürfen, die bei richtiger Behandlung der Sache durch die Behörde nicht entstanden wären (hier die Kosten der Abschiebungshaft).
2. Zum Nachteil der Beklagten verletzt das Berufungsurteil Bundesrecht insofern, als es die zu erstattenden Haftkosten auf den Haftkostenbeitrag nach § 50 Abs. 2 StVollzG beschränkt hat. Denn § 83 Abs. 4 Satz 1 AuslG (jetzt § 67 Abs. 3 Satz 1 AufenthG) berechtigt zur Erhebung der Abschiebungshaftkosten in der tatsächlich entstandenen Höhe.
§ 83 AuslG regelt spezialgesetzlich den Umfang der Kostenhaftung für ausländerrechtliche Abschiebungen, Zurückschiebungen und Zurückweisungen. § 83 Abs. 1 Nr. 2 AuslG stellt klar, dass zu den Kosten der Abschiebung auch die Kosten für die Abschiebungshaft zählen. § 83 Abs. 4 Satz 1 AuslG bestimmt, dass die in Abs. 1 und 2 genannten Kosten – also auch die einer Abschiebungshaft – in Höhe der tatsächlich entstandenen Kosten erhoben werden.
Entgegen der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts bestimmt sich die Kostenerstattung für die Abschiebungshaft weder nach dem Gerichtskostengesetz noch nach der Kostenordnung, sondern nach der spezialgesetzlichen Regelung in § 83 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 4 Satz 1 AuslG. Denn die Verweisung auf die Vorschriften der Kostenordnung erfolgt bereits in § 14 Abs. 1 FreiheitsEntzG, das auf eine gerichtlich angeordnete Abschiebungshaft Anwendung findet (vgl. § 103 Abs. 2 AuslG, § 8 Abs. 2 FreiheitsEntzG), unter dem Vorbehalt, dass gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Ein Vorbehalt gleichen Inhalts findet sich in § 1 KostO. Für Kosten der Abschiebungshaft trifft aber § 83 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 4 Satz 1 AuslG die (abweichende) gesetzliche Bestimmung, dass diese durch Leistungsbescheid in Höhe der tatsächlich entstandenen Kosten zu erheben sind.
Dabei kann dahingestellt bleiben, ob für die Kostenerhebung auf die Rechtslage im Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung abzustellen ist (hier: Ende Dezember 2001) – wie das Berufungsgericht meint – oder auf die Rechtslage im Zeitpunkt der Entstehung der Kostenschuld (hier: Mai/Juni 2001) – wovon das erstinstanzliche Gericht ausgeht –. Denn die kostenrechtlichen Regelungen des Freiheitsentziehungsgesetzes, der Kostenordnung und des Gerichtskostengesetzes fanden weder vor noch nach In-Kraft-Treten des Gesetzes über elektronische Register und Justizkosten für Telekommunikation (ERJuKoG) vom 10. Dezember 2001 (BGBl I S. 3422 – in Kraft getreten am 15. Dezember 2001) auf eine Abschiebungshaft nach § 57 AuslG Anwendung. Zwar ordnete § 8 Abs. 2 FreiheitsEntzG vor wie nach In-Kraft-Treten des ERJuKoG die entsprechende Anwendung von Vorschriften des Strafvollzugsgesetzes an, wobei bis zu der Gesetzesänderung die Vorschrift des § 50 Abs. 2 StVollzG über den Haftkostenbeitrag in der Verweisungskette enthalten war, nachher hingegen nicht mehr. Die Verweisung in § 8 Abs. 2 FreiheitsEntzG erfolgte aber auch schon vor der Novelle nur auf Vorschriften zum “Vollzug” von Ordnungs-, Sicherungs-, Zwangs- und Erzwingungshaft (siehe Abschnittsüberschrift zu §§ 171 ff. StVollzG und Text des § 171 StVollzG). Die Regelung über die Kosten einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung traf vor wie nach der Gesetzesnovelle § 14 Abs. 1 FreiheitsEntzG. Auch der Bundesrat hat mit der von ihm vorgeschlagenen Streichung des § 50 Abs. 2 StVollzG aus der Verweisungskette des § 171 StVollzG keine inhaltliche Änderung des Kostenrechts, sondern lediglich eine Klarstellung bezweckt (vgl. Stellungnahme des Bundesrats vom 22. Juni 2001, BTDrucks 14/6855, Anlage 2, S. 33). Soweit nach der Stellungnahme des Bundesrats die Kostenerhebung nach dem Gerichtskostengesetz “auch für Verfahren nach § 8 Abs. 2 des Freiheitsentziehungsgesetzes” gilt (a.a.O.), vernachlässigt dies, dass die Vorschriften des Gerichtskostengesetzes auf Abschiebungshaft keine Anwendung finden, weil § 83 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 4 Satz 1 AuslG insoweit etwas anderes bestimmen.
Neben dem Wortlaut von § 83 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 4 Satz 1 AuslG spricht auch der vom Gesetzgeber verfolgte Zweck für eine Verpflichtung der Kostenschuldner zur Erstattung der Haftkosten in tatsächlicher Höhe. Denn Sinn und Zweck des § 83 Abs. 4 AuslG ist – wie aus der Gesetzesbegründung ersichtlich – “die Beitreibung von Zurückweisungs-, Zurückschiebungs- und Abschiebungskosten, insbesondere von Beförderungsunternehmern, zu erleichtern” (BTDrucks 12/2062 vom 12. Februar 1992, S. 46). Damit soll das allgemeine Ziel der in §§ 82 ff. AuslG getroffenen Kostenregelungen umgesetzt werden, die Verursacher derartiger Kosten und weitere als mitverantwortlich angesehene Kostenschuldner in Anspruch zu nehmen und nicht die öffentlichen Haushalte zu belasten (vgl. Gesetzesbegründung zu § 83 Abs. 1 AuslG, BTDrucks 11/6321 vom 27. Januar 1990, S. 84: “erhebliche Belastung der öffentlichen Haushalte”). Es ist kein sachlicher Grund ersichtlich, warum diesem gesetzgeberischen Zweck zuwider die Allgemeinheit einen Teil dieser Kosten, nämlich die gesamten Haftkosten oder jedenfalls den ganz überwiegenden Teil dieser Kosten, tragen soll. Soweit demgegenüber das Berufungsgericht im Einklang mit einigen Stimmen in der Literatur (Funke-Kaiser, in: Gemeinschaftskommentar Ausländerrecht, März 2002, § 83 Rn. 13; Hailbronner, Ausländerrecht, Januar 2005, § 67 AufenthG Rn. 6; Westphal/Stoppa, Ausländerrecht für die Polizei, 2. Aufl. 2001, S. 484) im Ergebnis von einer Begrenzung der Erstattungsfähigkeit von Kosten der Abschiebungshaft auf den in § 50 StVollzG geregelten Haftkostenbeitrag ausgeht, wird vernachlässigt, dass auch dieser Haftkostenbeitrag nur von Gefangenen erhoben werden kann, die in einem freien Beschäftigungsverhältnis stehen. Dies ist bei Abschiebungshäftlingen typischerweise nicht der Fall, so dass von ihnen nicht einmal der Haftkostenbeitrag erhoben werden könnte. Dies bestätigt, dass der Gesetzgeber in § 83 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 AuslG eine abschließende, spezielle Kostenerhebungsregelung auch für die Haftkosten getroffen hat. Denn wenn der Gesetzgeber die Kosten für die Abschiebungshaft in § 83 Abs. 1 Nr. 2 AuslG dem Grunde nach den zu erstattenden Kosten der Abschiebung, Zurückschiebung oder Zurückweisung zuordnet, geht er ersichtlich davon aus, dass die Kosten bei angeordneter Abschiebungshaft auch der Höhe nach berechnet und typischerweise erhoben werden können. Soweit die Pflicht zur Erstattung der Haftkosten wegen ihrer Höhe etwa zu einer faktischen Einreisesperre führt, ist deren Verhältnismäßigkeit bei der Entscheidung über die Wiedereinreise zu prüfen, steht aber der Erhebung dieser Kosten nach § 83 Abs. 4 AuslG als Folge der Abschiebungsentscheidung nicht entgegen.
Allerdings kann die Beklagte nach § 83 Abs. 4 Satz 1 AuslG nur die tatsächlichen Kosten der Abschiebungshaft beanspruchen und nicht die (höheren) tatsächlichen Kosten für Strafgefangene im Justizvollzug. Wie im Berufungsurteil ausgeführt, fallen im Strafvollzug auch Kosten an, welche die Abschiebehäftlinge nicht betreffen – z.B. Maßnahmen zur Resozialisierung; sozialtherapeutische Betreuung von Sexualstraftätern etc. (vgl. hierzu auch Urteil des VG Hamburg vom 14. November 2001 – 22 VG 702/98 – S. 18 f.). Derartige Maßnahmen sind für den Vollzug der Abschiebungshaft nicht erforderlich, die durch sie verursachten Kosten sind daher auszuscheiden (vgl. § 14 Abs. 2 VwKostG). Die Beklagte hat ihren angefochtenen Leistungsbescheiden keine gesonderte Berechnung der Haftkosten für Abschiebungshäftlinge zugrunde gelegt. Damit steht die Höhe der erstattungsfähigen Haftkosten noch nicht fest. Die Sache war daher auch insoweit an das Berufungsgericht zur weiteren Aufklärung zurückzuverweisen.
Unterschriften
Eckertz-Höfer, Richter, Beck, Prof. Dr. Dörig, Prof. Dr. Berlit
Fundstellen
Haufe-Index 1436789 |
BVerwGE 2006, 1 |
FamRZ 2005, 2067 |
DÖV 2006, 172 |
InfAuslR 2005, 480 |
AuAS 2006, 14 |
DVBl. 2006, 53 |
FamRBint 2005, 92 |
NPA 2006, 0 |