Entscheidungsstichwort (Thema)
Abschiebungsandrohung. Abschiebungshindernis. Aufenthaltsbefugnis. unanfechtbare Ausreisepflicht. Ausweisungsgrund. Duldung. Regelversagungsgrund. maßgeblicher Zeitpunkt
Leitsatz (amtlich)
1. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 30 Abs. 4 AuslG müssen zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz erfüllt sein.
2. Ein Ausländer ist grundsätzlich unanfechtbar ausreisepflichtig i.S. von § 30 Abs. 4 AuslG, wenn die zuständige Behörde ihm mit bestandskräftigem Bescheid die Abschiebung angedroht hat.
Normenkette
AuslG § 7 Abs. 2, § 8 Abs. 1-2, § 30 Abs. 3-4
Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Entscheidung vom 02.08.2000; Aktenzeichen 24 B 99.3681) |
VG Ansbach (Entscheidung vom 06.07.1999; Aktenzeichen 13 K 96.31536) |
Tenor
Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 2. August 2000 wird aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Tatbestand
I.
Der Kläger, ein 1964 im Libanon geborener staatenloser Palästinenser, kam erstmals im August 1979 in die Bundesrepublik Deutschland. 1981 bis 1983 betrieb er erfolglos seine Anerkennung als Asylberechtigter. Am 25. Mai 1983 wurde er abgeschoben.
Im August 1986 reiste der Kläger illegal in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte einen Asylfolgeantrag, der mit Bescheid des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Bundesamt) vom 9. September 1987 abgelehnt wurde. Seine hiergegen erhobene Klage nahm er zurück. Das Ausländeramt der Stadt Passau wies den Kläger mit Bescheid vom 16. Dezember 1987 darauf hin, dass er zur Ausreise aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland verpflichtet sei, wenn er von der Ausländerbehörde dazu aufgefordert werde. Die Abschiebung wurde ihm für den Fall angedroht, dass er seiner Verlassenspflicht nicht nachkommt.
Am 17. Januar 1989 beantragte der Kläger bei der Stadtverwaltung Passau die Erteilung eines Fremdenpasses mit Aufenthaltserlaubnis. Die inzwischen zuständige Beklagte lehnte diesen Antrag durch Bescheid vom 20. November 1989 ab und wies den Kläger aus. Ihm wurde aus humanitären Gründen eine Duldung erteilt. Gegen die ablehnende Entscheidung legte der Kläger fristgerecht Widerspruch ein, über den bislang nicht entschieden wurde. In den folgenden Jahren erhielt der Kläger jeweils Duldungen.
Mit seit 4. März 1994 rechtskräftigem Urteil verurteilte das Landgericht Landshut den Kläger zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit illegalem Erwerb von Betäubungsmitteln in Tatmehrheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Am 18. Januar 1997 wurde er aus der Haft entlassen. Im Mai 1998 wurde er erneut wegen Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz zu einer Freiheitsstrafe von 11 Monaten verurteilt.
Zuvor hatte der Kläger am 26. September 1995 aus der Haftanstalt einen Asylfolgeantrag gestellt. Durch Bescheid vom 13. November 1995 lehnte das Bundesamt diesen Antrag ab und drohte dem Kläger die Abschiebung in den Libanon an. Das Verwaltungsgericht hat seine hiergegen erhobene Klage mit seit 26. April 1996 rechtskräftigem Gerichtsbescheid abgewiesen.
Im Dezember 1995 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 14. Februar 1996 ab. Auf die hiergegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht die Beklagte verpflichtet, über den Antrag des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
Auf die Berufung der Beklagten hat der Verwaltungsgerichtshof das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt: Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis an den Kläger bzw. für eine diesbezügliche Ermessensentscheidung seien nicht gegeben. Auf § 30 Abs. 1 AuslG könne der Kläger sein Begehren nicht stützen, weil diese Vorschrift nicht für Ausländer gelte, die sich bereits im Bundesgebiet aufhielten. Ein Anspruch aus § 30 Abs. 2 AuslG scheitere am Fehlen eines rechtmäßigen Aufenthalts des Klägers. Die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis nach § 30 Abs. 3 AuslG scheide wegen der Sperrwirkung des § 8 Abs. 2 AuslG aus, weil der Kläger am 25. Mai 1983 abgeschoben worden sei. Auch die Voraussetzungen des § 30 Abs. 4 AuslG lägen nicht vor. Maßgeblich sei insoweit der Zeitpunkt der Antragstellung und nicht – wie es sonst grundsätzlich bei Verpflichtungsklagen der Fall sei – der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts. Nach materiellem Recht könne nämlich maßgeblich sein, ob die Tatbestandsvoraussetzungen zu einem früheren Zeitpunkt erfüllt gewesen seien. Von Bedeutung sei dies vornehmlich bei solchen begünstigenden Verwaltungsakten, bei denen das Gesetz für das Entstehen eines Anspruchs an einen bestimmten Zeitpunkt anknüpfe, zu dem die Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen müssten, und ihm nicht zu entnehmen sei, dass bei Nichterfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen zu dem bestimmten Zeitpunkt mit Zeitablauf ein entsprechender Anspruch entstehe. Zum Zeitpunkt der Antragstellung am 12. Dezember 1995 sei der Kläger noch nicht unanfechtbar ausreisepflichtig gewesen. Eine unanfechtbare Ausreisepflicht des Klägers ergebe sich weder aus dem Ausweisungsbescheid vom 20. November 1989, der noch nicht bestandskräftig sei, noch auf Grund des erst nach der Stellung des Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahrens.
Zur Begründung seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision macht der Kläger im Wesentlichen geltend: Für das Vorliegen der tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 30 Abs. 4 AuslG sei entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung in der letzten Tatsacheninstanz maßgeblich. Zu diesem Zeitpunkt sei er unanfechtbar ausreisepflichtig gewesen. Dies gelte im Übrigen auch bezogen auf den vom Verwaltungsgerichtshof angenommenen Zeitpunkt.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 2. August 2000 aufzuheben und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagte tritt der Revision entgegen.
Entscheidungsgründe
II.
Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten damit einverstanden sind (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Die Revision ist begründet. Das Berufungsurteil verletzt Bundesrecht. Die Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs lassen eine abschließende Entscheidung des Senats nicht zu. Dies führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an den Verwaltungsgerichtshof (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
Die mit der Klage angestrebte Verpflichtung der Beklagten zur Neubescheidung des auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis gerichteten Antrags des Klägers beurteilt sich nach § 30 AuslG.
1. Der Verwaltungsgerichtshof hat zu Recht angenommen, dass die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis an den Kläger nach § 30 Abs. 1 und 2 AuslG nicht in Betracht kommt. Dies gilt unabhängig davon, ob § 30 Abs. 5 AuslG der Anwendung dieser Vorschriften wegen der unanfechtbaren Ablehnung des Asylantrags des Klägers entgegensteht oder ob – was mangels entsprechender berufungsgerichtlicher Feststellungen nicht beurteilt werden kann – gemäß § 31 Abs. 1 AuslG von § 30 Abs. 5 AuslG abgewichen werden kann. § 30 Abs. 1 AuslG gilt jedenfalls nicht für Ausländer, die sich – wie der Kläger – bereits im Bundesgebiet aufhalten (vgl. Urteil vom 3. Juni 1997 – BVerwG 1 C 7.96 – Buchholz 402.240 § 18 AuslG Nr. 1 S. 6). Hinsichtlich des § 30 Abs. 2 AuslG fehlt es an dem erforderlichen rechtmäßigen Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet.
2. Auch nach § 30 Abs. 3 AuslG kann dem Kläger keine Aufenthaltsbefugnis erteilt werden. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass insoweit die Versagungsgründe des § 8 Abs. 2 AuslG Anwendung finden. Dies ergibt sich aus einem Vergleich mit § 30 Abs. 4 AuslG, der – anders als Abs. 3 dieser Bestimmung – ausdrücklich vorsieht, dass eine Aufenthaltsbefugnis unter den dort genannten Voraussetzungen abweichend von § 8 Abs. 2 AuslG erteilt werden kann. Damit scheitert die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis nach § 30 Abs. 3 AuslG bereits an der Sperrwirkung des § 8 Abs. 2 Sätze 1 und 2 AuslG, weil der Kläger am 25. Mai 1983 abgeschoben worden ist. Keiner Entscheidung bedarf, ob auch der noch nicht bestandskräftigen Ausweisungsverfügung vom 20. November 1989 eine derartige Wirkung zukommt. Außerdem fehlt es an Feststellungen dazu, ob die Voraussetzungen des § 55 Abs. 2 AuslG für eine Duldung vorliegen (vgl. unten 3 d).
3. In Betracht kommt, wie auch die Revision annimmt, allein die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis gemäß § 30 Abs. 4 AuslG. Nach dieser Vorschrift kann einem Ausländer, der seit mindestens zwei Jahren unanfechtbar ausreisepflichtig ist und eine Duldung besitzt, abweichend von § 8 Abs. 1 und 2 AuslG eine Aufenthaltsbefugnis erteilt werden, es sei denn, der Ausländer weigert sich, zumutbare Anforderungen zur Beseitigung des Abschiebungshindernisses zu erfüllen. Die Vorschrift dient dazu, den – typischerweise längeren – zu duldenden oder geduldeten Aufenthalt eines Ausländers legalisieren zu können (vgl. Urteil vom 1. Februar 2000 – BVerwG 1 C 14.99 – Buchholz 402.240 § 69 AuslG Nr. 5 S. 3).
a) Zu Unrecht hat der Verwaltungsgerichtshof angenommen, die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 30 Abs. 4 AuslG müssten zum Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis erfüllt sein. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist bei Verpflichtungsklagen, die auf Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltsgenehmigung gerichtet sind, grundsätzlich auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz abzustellen, soweit es darum geht, ob schon aus Rechtsgründen eine Aufenthaltsgenehmigung erteilt oder versagt werden muss (vgl. Urteile vom 24. Januar 1995 – BVerwG 1 C 2.94 – BVerwGE 97, 301, 310, vom 28. Januar 1997 – BVerwG 1 C 23.94 – Buchholz 402.240 § 7 AuslG Nr. 6 S. 23 f. und vom 18. November 1997 – BVerwG 1 C 22.96 – Buchholz 402.240 § 20 AuslG Nr. 4 S. 18; Beschluss vom 26. Februar 1997 – BVerwG 1 B 5.97 – Buchholz 402.240 § 45 AuslG Nr. 8). Dies hat auch hinsichtlich der Frage zu gelten, ob bei einer auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis gerichteten Verpflichtungsklage die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 30 Abs. 4 AuslG vorliegen; denn hiervon hängt ab, ob die Erteilung der Aufenthaltsbefugnis zwingend zu versagen ist oder im Ermessen der Behörde steht (vgl. auch Urteile vom 8. April 1997 – BVerwG 1 C 12.94 – BVerwGE 104, 210, 212 und vom 9. Dezember 1997 – BVerwG 1 C 19.96 – Buchholz 402.240 § 30 AuslG Nr. 8 S. 16).
Zwar kann sich aus dem Regelungsgehalt ausländerrechtlicher Vorschriften ausnahmsweise ergeben, dass abweichend von dem oben erwähnten Grundsatz ein früherer Zeitpunkt maßgeblich ist. Das ist etwa der Fall, wenn der Zweck der Vorschrift verfehlt würde, sofern der Zeitpunkt der Entscheidung der Tatsacheninstanz maßgebend wäre (vgl. Urteil vom 18. November 1997 – BVerwG 1 C 22.96 – a.a.O. zur Altersgrenze nach § 20 Abs. 2 Nr. 2 AuslG). Derartige Besonderheiten bestehen aber im Falle des § 30 Abs. 4 AuslG nicht. Sie sind auch den vom Berufungsgericht angestellten Überlegungen nicht zu entnehmen.
Auf den Umstand, dass § 30 Abs. 4 AuslG eine Ermessensentscheidung eröffnet, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Der angegriffene Bescheid vom 14. Februar 1996 ist auf das Fehlen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 30 Abs. 4 AuslG gestützt und enthält keine – auch nicht hilfsweise angestellte (vgl. hierzu Urteil vom 19. November 1996 – BVerwG 1 C 25.94 – Buchholz 402.240 § 47 AuslG Nr. 11 S. 17 f.) – Ermessenserwägungen; der für die Überprüfung von Ermessensentscheidungen maßgebliche Zeitpunkt (vgl. Urteil vom 24. Januar 1995 – BVerwG 1 C 2.94 – a.a.O.) ist daher hier ohne Bedeutung.
b) § 30 Abs. 4 AuslG setzt voraus, dass der Ausländer seit mindestens zwei Jahren unanfechtbar ausreisepflichtig ist. Der Verwaltungsgerichtshof, der insoweit auf den Zeitpunkt der Antragstellung abstellt, hat diese tatbestandliche Voraussetzung zu Unrecht als nicht erfüllt angesehen.
Unanfechtbar ausreisepflichtig ist ein Ausländer nicht schon dann, wenn er kraft Gesetzes zur Ausreise verpflichtet ist, weil er nicht oder nicht mehr im Besitz einer erforderlichen Aufenthaltsgenehmigung ist (§ 42 Abs. 1 AuslG). Es reicht auch nicht aus, dass die Ausreisepflicht nach Maßgabe des § 42 Abs. 2 AuslG vollziehbar ist. Mit dem Tatbestandsmerkmal der Unanfechtbarkeit hat der Gesetzgeber an das Vorliegen eines die Ausreisepflicht selbständig begründenden oder feststellenden Verwaltungsakts angeknüpft, weil nur dieser anfechtbar ist und infolgedessen unanfechtbar werden kann (vgl. Urteile vom 3. Juni 1997 – BVerwG 1 C 7.96 – a.a.O. und vom 24. November 1998 – BVerwG 1 C 8.98 – Buchholz 402.240 § 30 AuslG Nr. 9 S. 25).
Ein die Ausreisepflicht feststellender Verwaltungsakt braucht diese nicht erst zu begründen. Mit der Anknüpfung an einen unanfechtbaren Verwaltungsakt bezweckt der Gesetzgeber, dass eine Aufenthaltsbefugnis nach § 30 Abs. 4 AuslG nur erteilt werden darf, wenn die Ausreisepflicht eindeutig feststeht. Diesem Erfordernis entspricht grundsätzlich ein bestandskräftiger Bescheid der zuständigen Behörde, in dem diese – nicht notwendig ausdrücklich – von der schon kraft Gesetzes bestehenden Ausreisepflicht des Ausländers ausgeht und ihm die Abschiebung androht (vgl. auch Urteil vom 24. November 1998 – BVerwG 1 C 8.98 – a.a.O.). Dies muss auch für einen mit einer Abschiebungsandrohung versehenen bestandskräftigen Bescheid des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Bundesamt) gelten, mit dem ein Folgeantrag i.S. des § 71 AsylVfG abgelehnt worden ist (zur aufenthaltsrechtlichen Stellung des Folgeantragstellers während der Prüfung seines Antrags vgl. die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Ausländergesetz – AuslG-VwV – vom 28. Juni 2000, GMBl S. 618, zu § 55 AuslG Nr. 55.1.10).
Danach war der Kläger zum Zeitpunkt der Berufungsentscheidung seit mehr als zwei Jahren unanfechtbar ausreisepflichtig. Denn der Bescheid des Bundesamts vom 13. November 1995, mit dem der Folgeantrag des Klägers abgelehnt und ihm gemäß § 71 Abs. 4 i.V.m. § 34 AsylVfG die Abschiebung angedroht wurde, ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts seit dem 26. April 1996 bestandskräftig.
c) Da die Aufenthaltsbefugnis nach § 30 Abs. 4 AuslG abweichend von § 8 Abs. 1 und 2 AuslG erteilt werden kann, ist unschädlich, dass der Kläger 1983 abgeschoben wurde und ohne erforderliches Visum wieder eingereist ist.
d) Ob die weiteren Voraussetzungen für eine von der Ausländerbehörde nach § 30 Abs. 4 AuslG vorzunehmende Ermessensentscheidung gegeben sind, kann nicht abschließend beurteilt werden, da der Verwaltungsgerichtshof, von seinem Rechtsstandpunkt aus zutreffend, insoweit keine hinreichenden tatsächlichen Feststellungen getroffen hat. Da das Bundesverwaltungsgericht als Revisionsgericht diese nicht nachholen kann, ist die Sache unter Aufhebung des Berufungsurteils zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
Der Verwaltungsgerichtshof wird zu klären haben, ob der Kläger eine Duldung besitzt. § 30 Abs. 4 AuslG erfordert freilich nicht, dass er bereits seit zwei Jahren förmlich geduldet wird (vgl. Urteil vom 24. November 1998 – BVerwG 1 C 8.98 – a.a.O. S. 27 f.).
Falls der Kläger eine Duldung besitzt, wird der Verwaltungsgerichtshof weiter zu prüfen haben, ob die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis nach § 30 Abs. 4 AuslG ausscheidet, weil der Kläger sich weigert, zumutbare Anforderungen zur Beseitigung des Abschiebungshindernisses zu erfüllen. Die Vorschrift stellt damit auf die Obliegenheit des ausreisepflichtigen Ausländers ab, alles in seiner Kraft Stehende und ihm Zumutbare dazu beizutragen, etwaige Abschiebungshindernisse zu überwinden. Dafür ist es nicht erforderlich, dass der Ausländer sich „förmlich” weigert, ein Abschiebungshindernis zu beseitigen. Es genügt, dass er zumutbare Handlungen zur Ermöglichung seiner Ausreise unterlässt oder verzögert. Derartige Handlungen können allerdings nicht verlangt werden, wenn sie von vornherein aussichtslos sind, d.h. wenn praktisch ausgeschlossen erscheint, dass sie das Abschiebungshindernis beseitigen können. Ohne Bedeutung ist dabei, ob das Hindernis schuldhaft geschaffen worden ist (vgl. Urteil vom 24. November 1998 – BVerwG 1 C 8.98 – a.a.O. S. 28).
Sofern die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis nach § 30 Abs. 4 AuslG nicht bereits aus anderen Gründen ausscheidet, wird der Verwaltungsgerichtshof schließlich zu klären haben, ob ihrer Erteilung ein Regelversagungsgrund nach § 7 Abs. 2 AuslG entgegensteht (vgl. auch Beschluss vom 26. März 1999 – BVerwG 1 B 18.99 – Buchholz 402.240 § 7 AuslG Nr. 8 m.w.N.; zum auch insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Tatsachengericht vgl. Urteil vom 28. Januar 1997 – BVerwG 1 C 23.94 – a.a.O. S. 23 f.). Nach den bisherigen Feststellungen spricht insbesondere angesichts der Tatsache, dass der wegen eines Drogendelikts zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilte Kläger in jüngster Zeit schon bald nach seiner Entlassung aus der Strafhaft erneut einschlägig strafrechtlich in Erscheinung getreten und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden ist, einiges für das Vorliegen eines Ausweisungsgrundes und damit eines Regelversagungsgrundes (§ 7 Abs. 2 Nr. 1 AuslG). Der Verwaltungsgerichtshof wird deshalb zu beurteilen haben, ob unter Berücksichtigung auch des zwischenzeitlichen Verhaltens des Klägers gleichwohl eine Ermessensentscheidung nach § 30 Abs. 4 AuslG eröffnet ist (vgl. hierzu auch Urteile vom 27. August 1996 – BVerwG 1 C 8.94 – BVerwGE 102, 12, 17 ff., vom 28. Januar 1997 – BVerwG 1 C 23.94 – a.a.O. S. 23 und vom 9. Dezember 1997 – BVerwG 1 C 20.97 – Buchholz 402.240 § 8 AuslG Nr. 14 S. 38 f.).
Sollte die vom Verwaltungsgerichtshof vorzunehmende Prüfung ergeben, dass die Voraussetzungen des § 30 Abs. 4 AuslG vorliegen und einer Ermessensentscheidung auch sonst keine rechtlichen Hindernisse entgegenstehen, hat der Verwaltungsgerichtshof die Beklagte zu verpflichten, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO; vgl. zu der von der Beklagten ggf. vorzunehmenden Ermessensentscheidung auch zu § 30 AuslG Nr. 30.4.6 Satz 2 AuslG-VwV).
Auf die weiteren vom Verwaltungsgerichtshof im Berufungsurteil – teilweise auf Grund unzutreffender rechtlicher Prämissen – erörterten Fragen kommt es nicht an.
Unterschriften
Dr. Paetow, Dr. Mallmann, Hund, Richter, Beck
Fundstellen
BVerwGE, 9 |
NVwZ 2001, 929 |
DÖV 2001, 920 |
InfAuslR 2001, 350 |
ZAR 2001, 180 |
AuAS 2001, 182 |
DVBl. 2001, 1520 |