Entscheidungsstichwort (Thema)
Nordirak. Abschiebungsschutz. inländische Fluchtalternative. Erreichbarkeit. Reisepapiere
Leitsatz (amtlich)
Ein Asylbewerber, dem in seinem Heimatstaat politische Verfolgung droht, kann nur dann auf das Gebiet einer inländischen Fluchtalternative verwiesen werden, wenn er es in zumutbarer Weise erreichen kann (im Anschluss an BVerwGE 110, 74 und 104, 265). Eine Rückkehr in die sicheren Landesteile unmittelbar vom Ausland aus kann in diesem Sinne nur dann unzumutbar sein, wenn sie ihm dauerhaft nicht möglich ist.
Normenkette
AuslG § 51 Abs. 1
Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Entscheidung vom 31.05.2000; Aktenzeichen 23 B 99.32904) |
Bayerischer VGH (Entscheidung vom 23.03.2000; Aktenzeichen 23 B 99.32904) |
VG München (Entscheidung vom 06.02.1998; Aktenzeichen M 27 K 97.52540) |
Tenor
Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 23. März 2000 in der Fassung vom 31. Mai 2000 wird aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Tatbestand
I.
Der 1973 in Arbil im Nordirak geborene Beigeladene ist irakischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit. Er reiste im Mai 1997 nach Deutschland ein. Zur Begründung seines Asylantrags berief er sich im Wesentlichen darauf, er habe bei einem Funktionär des „Iraqi-National-Congress” Hausarbeit geleistet. Dieser sei ein ehemaliger irakischer Offizier gewesen, der in Opposition zum irakischen Regime stehe. Nach dem Einmarsch der irakischen Truppen in den Nordirak im Jahre 1996 habe er deshalb fliehen müssen. Sein Vater sei festgenommen worden und seitdem verschollen. Seine Frau und seine beiden Töchter lebten noch im Nordirak.
Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Bundesamt) lehnte den Asylantrag des Beigeladenen ab, stellte aber fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich des Irak vorliegen, weil ihm wegen der Asylantragstellung in seinem Heimatstaat politische Verfolgung drohe.
Die gegen die Zuerkennung von Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG gerichtete Klage des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten (Bundesbeauftragten) hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Auf die Berufung des Bundesbeauftragten hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof das Urteil des Verwaltungsgerichts und den Bescheid des Bundesamts aufgehoben, so weit darin hinsichtlich des Beigeladenen die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG festgestellt worden sind. Schutz nach dieser Bestimmung stehe dem Beigeladenen schon deshalb nicht zu, weil im kurdisch beherrschten Nordirak, aus dem er stamme, gegenwärtig weder staatliche Gewalt des Irak noch staatsähnliche Gewalt der Kurden bestehe. Auch Gewalt durch Agenten des zentralirakischen Regimes könne in diesem Gebiet keine politische Verfolgung darstellen.
Auf die Revision des Beigeladenen hat das Bundesverwaltungsgericht durch Urteil vom 5. Oktober 1999 – BVerwG 9 C 32.99 – den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Das Berufungsgericht habe weder geprüft, ob der Beigeladene vorverfolgt ausgereist sei, noch ob er im Falle seiner Rückkehr in andere Landesteile seines Heimatstaates staatlicher Verfolgung ausgesetzt wäre. In beiden Fällen dürfe er nur unter der Voraussetzung auf den Nordirak als sicheren Landesteil verwiesen werden, dass dort alle Bedingungen einer innerstaatlichen Fluchtalternative erfüllt seien. Eine abschließende Entscheidung sei dem Senat mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen im Berufungsurteil nicht möglich.
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat daraufhin die Berufung zurückgewiesen und damit die Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG zugunsten des Beigeladenen bestätigt. Zwar habe der Beigeladene den Irak nicht wegen erlittener oder unmittelbar bevorstehender politischer Verfolgung verlassen. Es sei nicht glaubhaft, dass er als Oppositioneller in das Blickfeld der zentralirakischen Behörden gelangt sei. Eine Gruppenverfolgung gegenüber den Kurden bestehe im Irak nicht. Wegen seiner ungenehmigten Ausreise und Asylantragstellung im westlichen Ausland habe der Beigeladene jedoch bei einer Rückkehr im Irak mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit asylerhebliche Verfolgungsmaßnahmen insbesondere in Form einer übermäßigen Bestrafung zu befürchten. Grundsätzlich könne der Beigeladene allerdings auf den kurdisch beherrschten Nordirak verwiesen werden. Dort sei er, da er sich nicht politisch exponiert habe, hinreichend sicher. Wegen seiner persönlichen Beziehungen in den Nordirak sei dort auch seine Existenz gesichert. Allerdings könne einem vernünftig denkenden, besonnenen Iraker aus dem Nordirak eine wohlbegründete Furcht vor einem jederzeit möglichen Wiedereinmarsch der Streitkräfte des irakischen Staates und vor einer Wieder-Inbesitznahme der drei kurdischen Provinzen nicht abgesprochen werden. Selbst bei einem solchen Wiedereinmarsch habe er indes keine asylrelevanten Maßnahmen zu befürchten, da nichts dafür spreche, dass den irakischen Machthabern dann seine Ausreise und Asylantragstellung bekannt würden. Der dem Beigeladenen danach grundsätzlich offen stehende Schutz vor politischer Verfolgung im Nordirak scheitere jedoch letztlich daran, dass er diese sichere Fluchtalternative nicht freiwillig zumutbar erreichen könne. Er sei nicht im Besitz gültiger irakischer Reisepapiere. Ohne solche Reisedokumente sei eine Durchreise durch Syrien, die Türkei oder den Iran in den sicheren Nordirak nicht möglich. Dem Beigeladenen könne auch nicht zugemutet werden, bei der irakischen Auslandsvertretung in der Bundesrepublik Deutschland Pass oder Rückreisepapiere zu beantragen, da so seine ungenehmigte Ausreise bekannt und zwangsläufig auch die Asylantragstellung im westlichen Ausland vermutet würde. Dafür, dass dem Beigeladenen von deutschen Behörden Rückreise-Ersatzpapiere ausgestellt würden, die für die Türkei auch als Grundlage für ein Transit-Visum genügten, seien konkrete Anhaltspunkte weder vorgetragen noch ersichtlich.
Der Bundesbeauftragte macht mit der Revision geltend, das Berufungsgericht habe unter Verstoß gegen Bundesrecht die Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG von der Unerreichbarkeit des Gebiets einer inländischen Fluchtalternative abhängig gemacht. Dies widerspreche auch dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. April 1997 – BVerwG 9 C 38.96 – (BVerwGE 104, 265). Dem Berufungsgericht hätten sich außerdem weitere Aufklärungsmaßnahmen zu der Frage aufdrängen müssen, ob der Beigeladene für eine Rückreise unmittelbar in den Nordirak die erforderlichen Reisepapiere erlangen könne.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist zulässig und begründet. Die Zurückweisung der Berufung des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten (Bundesbeauftragter) verstößt gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO).
Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist allerdings die Annahme des Berufungsgerichts, dass dem Beigeladenen politische Verfolgung in seinem Heimatstaat droht, ihm im kurdisch beherrschten Nordirak jedoch grundsätzlich eine inländische Fluchtalternative zur Verfügung steht. Nicht gegen Bundesrecht verstößt auch die Auffassung des Berufungsgerichts, der Beigeladene dürfe nur dann auf die Fluchtalternative verwiesen werden, wenn er sie zumutbar erreichen könne. Zu Recht rügt die Revision indes, dass das Berufungsgericht ohne weitere Sachaufklärung die Nichterreichbarkeit des sicheren Gebiets für den Beigeladenen bejaht hat. Hierauf beruht das angefochtene Urteil. Die Sache ist daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). Denn die Feststellungen des Berufungsgerichts reichen nicht aus, in der Sache selbst zu entscheiden (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO), und das Urteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO).
Nach den nicht mit Revisionsgründen angegriffenen und damit für den Senat bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) hat der Beigeladene wegen seiner ungenehmigten Ausreise und Asylantragstellung in Deutschland bei einer Rückkehr in den Irak mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit asylerhebliche Verfolgungsmaßnahmen, insbesondere eine unverhältnismäßige Bestrafung, zu befürchten. Denn diejenigen Iraker, die nicht nur vorübergehend das Land verlassen, sondern endgültig ausreisen und sich durch einen Asylantrag dem Schutz eines anderen Landes unterstellen, würden danach als Abtrünnige und Landesverräter angesehen und behandelt. Dies ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden. Auch die weitere Feststellung des Berufungsgerichts, dass dem Beigeladenen in den kurdisch beherrschten Provinzen des Nordirak grundsätzlich eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung stehe, weil er dort vor Verfolgungsmaßnahmen der irakischen Staatsgewalt hinreichend sicher sei und ihm auch keine sonstigen existentiellen Gefahren drohten, begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken. Sie wird von der Revision auch nicht angegriffen.
Entgegen der Ansicht der Revision ist auch die Auffassung des Berufungsgerichts nicht zu beanstanden, dass die Verweisung des Beigeladenen auf die inländische Fluchtalternative im Nordirak grundsätzlich von der Erreichbarkeit des sicheren Gebiets abhängt. Dies steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. In seinem Urteil vom 16. November 1999 – BVerwG 9 C 4.99 – (BVerwGE 110, 74) hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts in Anknüpfung an seine bisherige Rechtsprechung (Urteile vom 13. Mai 1993 – BVerwG 9 C 59.92 – Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 162, S. 389 und vom 3. November 1992 – BVerwG 9 C 21.92 – BVerwGE 91, 150 ≪154 f.≫) ausgeführt, dass der Asylbewerber, dem politische Verfolgung in seinem Heimatstaat droht, nur dann auf das Gebiet einer inländischen Fluchtalternative verwiesen werden kann, wenn er es, sei es auch nur freiwillig, in zumutbarer Weise erreichen kann. Lediglich dann ist es mit Rücksicht auf die Subsidiarität des Asylrechts gerechtfertigt, ihm asylrechtlichen Schutz in Deutschland zu versagen. Ergibt die im Asylverfahren anzustellende Prognose hingegen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit, dass der Asylbewerber das sichere Gebiet in seinem Heimatstaat nicht zumutbar, insbesondere nicht ohne erhebliche Gefährdungen erreichen kann, steht ihm die festgestellte innerstaatliche Zufluchtsmöglichkeit nur theoretisch offen (vgl. Urteil vom 15. April 1997 – BVerwG 9 C 38.96 – BVerwGE 104, 265 ≪279≫). Dann gebietet der humanitäre Charakter des Asylrechts die Anerkennung als politischer Flüchtling. Ob hiervon Ausnahmen in Betracht kommen, wenn – etwa bei krankheitsbedingter dauernder Reiseunfähigkeit – Umstände vorliegen, die in keinem Zusammenhang mit dem Schutzzweck des Asylrechts stehen, lässt der Senat offen; solche Umstände liegen hier nicht vor.
Die Frage der Erreichbarkeit des Gebiets einer inländischen Fluchtalternative stellt sich für den im Ausland befindlichen Asylbewerber allerdings grundsätzlich anders als für denjenigen, der sich in seinem Heimatstaat in einem Gebiet aufhält, in dem ihm (regionale) politische Verfolgung unmittelbar droht. Wer bei einer Rückkehr in den Heimatstaat die sicheren Landesteile zwar nicht vom Inland, aber unmittelbar vom Ausland aus erreichen kann, bedarf des asylrechtlichen Schutzes nicht. Asylrechtlich unbeachtlich ist in einem solchen Fall auch die nur vorübergehende Nichterreichbarkeit der sicheren Gebiete, etwa infolge unterbrochener Verkehrsverbindungen oder typischerweise behebbarer Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Reisepapieren und Transitvisa. Die Anerkennung des Asylbewerbers als politischer Flüchtling nach Art. 16 a GG und § 51 Abs. 1 AuslG in Verbindung mit Art. 1 A GFK ist in solchen Fällen mithin erst gerechtfertigt, wenn feststeht, dass ihm die Rückkehr in eine sichere Region des Heimatstaates, die auch sonst alle Anforderungen an eine inländische Fluchtalternative erfüllt, dauerhaft nicht zumutbar möglich ist.
Diese Grundsätze stehen entgegen der Auffassung des Bundesbeauftragten nicht in Widerspruch zum Urteil des 9. Senats vom 15. April 1997 (a.a.O. S. 277 ff.). Dort hat das Bundesverwaltungsgericht bereits betont, dass ein Abschiebungshindernis nach § 53 AuslG besteht – allein darum ging es in jenem Zusammenhang –, wenn die festgestellte Zufluchtsmöglichkeit bei Ankunft im Zielland nicht zumutbar erreicht werden kann und damit nur theoretisch existiert (a.a.O. S. 279). Die nur vorübergehende Unmöglichkeit der Rückreise in den Heimatstaat begründet hingegen regelmäßig lediglich ein von der Ausländerbehörde festzustellendes Vollstreckungshindernis im Sinne des § 55 Abs. 2 oder Abs. 4 Satz 1 AuslG (a.a.O. S. 278). Die Pflicht des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, im Streitfall zu klären, ob der Asylbewerber bei seiner Rückkehr die inländische Fluchtalternative entweder bei Ankunft im Heimatstaat oder jedenfalls direkt vom Ausland aus überhaupt zumutbar erreichen kann, wurde damit nicht in Frage gestellt.
Es wird allerdings vielfach kein Anlass bestehen, die Erreichbarkeit der inländischen Fluchtalternative im Rahmen des Asylverfahrens ausdrücklich zu prüfen und festzustellen. Wie das Bundesverwaltungsgericht bereits in dem Urteil vom 16. November 1999 (a.a.O., S. 77) betont hat, ist es in erster Linie Sache des Asylbewerbers, substantiiert Tatsachen vorzutragen, die ausnahmsweise eine Rückkehr in verfolgungsfreie Orte des Heimatstaates als unzumutbar erscheinen lassen können. Nur wenn die dauerhafte Nichterreichbarkeit der inländischen Fluchtalternative substantiiert geltend gemacht wird oder sich die Frage ernsthaft aufdrängt, bedarf es der ausdrücklichen Auseinandersetzung damit.
In Übereinstimmung mit diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht geprüft, ob der Beigeladene, der nicht im Besitz gültiger irakischer Reisepapiere ist, den Nordirak unmittelbar vom Ausland aus erreichen kann. Denn bei der Rückreise über den Zentralirak hätte er nach den für den Senat bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts beachtlich wahrscheinlich politische Verfolgung zu befürchten. Das Fehlen der Reisepapiere begründet danach ein möglicherweise dauerhaftes Rückreisehindernis in den Nordirak, da dem Beigeladenen auch nicht zugemutet werden könne, bei der irakischen Auslandsvertretung in der Bundesrepublik Deutschland Pass oder Rückreisepapiere zu beantragen. Ein solcher Antrag ziehe Nachforschungen im Irak zur Feststellung der Identität des Antragstellers nach sich und führe ebenfalls zum Bekanntwerden der ungenehmigten Ausreise und des ungenehmigten Verbleibs im Ausland und damit zwangsläufig zur Vermutung der Asylantragstellung im westlichen Ausland. Angesichts dieser Feststellungen hat es das Berufungsgericht zu Recht nicht bei der Annahme bewenden lassen, dass Reisepapiere regelmäßig besorgt werden könnten.
Es mag dahinstehen, ob die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts zu den grundsätzlich in Frage kommenden Rückreisewegen in den Nordirak durch Syrien, den Iran oder die Türkei die rechtliche Schlussfolgerung des Berufungsgerichts tragen, der Beigeladene könne das sichere Gebiet nicht freiwillig zumutbar erreichen, und ob das Berufungsgericht damit die dauerhafte Nichterreichbarkeit gemeint hat. Das Berufungsurteil kann jedenfalls deshalb keinen Bestand haben, weil diese auch aus der Sicht des Berufungsgerichts entscheidungserheblichen Feststellungen vom Bundesbeauftragten erfolgreich mit einer Verfahrensrüge angegriffen werden. Der Bundesbeauftragte rügt zu Recht einen Verstoß gegen die richterliche Sachaufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO). Zur Klärung der Frage, ob der Beigeladene ohne gültige irakische Reisepapiere vor allem über die Türkei in den Nordirak einreisen kann, hätte sich das Berufungsgericht nicht mit der Feststellung begnügen dürfen, konkrete Anhaltspunkte dafür, dass dem Beigeladenen von deutschen Behörden Rückreise-Ersatzpapiere ausgestellt würden, die der Türkei als Grundlage für ein Transitvisum genügten, seien weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Gerade vor dem Hintergrund des auch vom Berufungsgericht gewürdigten Erlasses des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 31. Oktober 1997 an die nachgeordneten Ausländerbehörden, wonach ausreisepflichtigen (passlosen) irakischen Staatsangehörigen bis zu einer gegenteiligen Erfahrung zur Ausreise in den Irak ein Reisedokument auszustellen und Gelegenheit zum Eintrag eines türkischen Visums zu geben sei, hätten sich dem Berufungsgericht auch ohne ausdrücklichen Beweisantrag des Bundesbeauftragten weitere Erkundigungen beim Staatsministerium des Innern und beim Auswärtigen Amt dazu aufdrängen müssen, ob und inwieweit auf der angesprochenen Grundlage die freiwillige Rückkehr in den Nordirak möglich ist, insbesondere ob und in welchem Umfang solche Reisepapiere und Transitvisa bereits erteilt worden sind.
Das Berufungsgericht muss die unterlassene Aufklärung nunmehr nachholen. Entsprechende Auskünfte hat das Berufungsgericht im Übrigen ausweislich der vom Bundesbeauftragten im Revisionsverfahren vorgelegten Unterlagen, die hier als neue Tatsachen allerdings nicht berücksichtigt werden können, zwischenzeitlich eingeholt und gestützt darauf in jüngeren Entscheidungen die Erreichbarkeit des Nordirak über die Türkei angenommen.
Unterschriften
Dr. Paetow, Hund, Richter, Richterin am Bundesverwaltungsgericht Beck ist wegen Erkrankung gehindert zu unterschreiben. Dr. Paetow, Dr. Eichberger
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 16.01.2001 durch Battiege Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
BVerwGE, 345 |
NVwZ 2001, 572 |
ZAP 2001, 374 |
DÖV 2001, 519 |
InfAuslR 2001, 241 |
ZAR 2001, 84 |
AuAS 2001, 102 |
DVBl. 2001, 667 |