Entscheidungsstichwort (Thema)
Anlieferungsreferenzmenge. Milchreferenzmenge. Milchquote. Bescheinigung. Klagebefugnis. Sachbefugnis. Flächenbindung. flächenloser Übergang. Erwerb einer Milchquote vom Nichtberechtigten. Rechtskraft
Leitsatz (amtlich)
Die Befugnis, die Erteilung der Bescheinigung nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 MGV zu verlangen, steht nur dem Übernehmer der Referenzmenge zu, nicht aber dem bisherigen Inhaber.
Wird aufgrund eines Pachtvertrages der Betrieb übergeben, so geht die dem Betrieb zustehende Referenzmenge mit über. Ob der Verpächter zivilrechtlich zur Besitzverschaffung befugt war, ist hierfür ebenso gleichgültig wie die weitere Frage, ob der Pachtvertrag wirksam oder nichtig ist oder später rückwirkend angefochten oder sonst beseitigt wird.
Verpachtete Referenzmengen fallen nicht schon mit dem Auslaufen des Pachtvertrages an den Verpächter bzw. den Eigentümer zurück, sondern erst mit Rückgabe des verpachteten Betriebes. Das gilt auch bei anfänglicher Unwirksamkeit des Pachtvertrages.
Normenkette
MGV §§ 7, 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; VwGO § 121
Verfahrensgang
OVG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 07.01.2004; Aktenzeichen 8 A 10866/03) |
VG Trier (Entscheidung vom 20.03.2003; Aktenzeichen 6 K 1836/02.TR) |
Tenor
Die Revisionen der Kläger gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 7. Januar 2004, berichtigt am 18. Februar 2004, werden zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Revisionsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu jeweils einem Drittel.
Tatbestand
I.
Die Klägerinnen zu 1 und 2 haben mit Vertrag vom 30. März 2000 an den Kläger zu 3 Milchreferenzmengen in Höhe von 29 456 kg verkauft. Die Kläger begehren von der beklagten Behörde die Erteilung einer Bescheinigung über den Referenzmengenübergang.
1. Der Vater der 1967 und 1965 geborenen Klägerinnen führte einen milcherzeugenden Betrieb und belieferte eine Milchreferenzmenge von 32 200 kg. Er verstarb am 12. Oktober 1984. Das Amtsgericht erteilte am 20. Februar 1985 einen Erbschein, der die 1928 geborene Ehefrau des Verstorbenen zu ½ und die Klägerinnen zu je ¼ als gesetzliche Miterben auswies. Mit Verträgen vom 31. Oktober 1984 und vom 3. Januar 1985 verpachtete die Mutter der Klägerinnen die gesamte landwirtschaftliche Nutzfläche des Betriebes mit 11 039 ha samt der Milchreferenzmenge für die Dauer von zehn Jahren an den Vater des Beigeladenen. Der Vertrag sollte sich um drei Jahre verlängern, wenn er nicht zuvor gekündigt wurde. Der Rechtsvorgänger des Beklagten bescheinigte unter dem 6. November 1984 den Übergang der Referenzmenge.
Im Jahr 1995 übernahm der Beigeladene den Betrieb seines Vaters. Der Beklagte bescheinigte dem Beigeladenen unter dem 4. Mai 1995 den Übergang einer Referenzmenge von 364 773 kg, darunter auch die von der Mutter der Klägerinnen zugepachtete Referenzmenge von 32 200 kg. In der Folgezeit wurde die Gesamtreferenzmenge aufgrund von Flächenstilllegungen prozentual gekürzt.
Im Dezember 1999 stellte sich heraus, dass die Eltern der Klägerinnen 1964 einen beiderseitigen Erbverzichtsvertrag geschlossen hatten. Daraufhin zog das Amtsgericht den Erbschein vom 20. Februar 1985 ein und erteilte am 21. Dezember 1999 einen neuen Erbschein, der die Klägerinnen als Miterben zu je ½ auswies.
Am 21. März 2000 beantragte die Mutter der Klägerinnen “die Rückübertragung der auf meinen Namen eingetragenen Milch-Referenzmenge von 29 456 kg (…), wie es der berichtigte Erbschein vorsieht, zu je ½ Anteil” auf die Klägerinnen. Der Beklagte bescheinigte daraufhin den Übergang der Referenzmenge von der Mutter auf die Klägerinnen aufgrund Erbgangs, versah dies freilich mit der Bemerkung, dass die Referenzmenge derzeit noch an den Beigeladenen verpachtet sei. Einen Widerspruch hiergegen nahmen die Klägerinnen zurück.
Mit Vertrag vom 30. März 2000 verkauften die Klägerinnen die Referenzmenge von 29 456 kg mit Wirkung zum 29. März 2000 flächenlos an den Kläger zu 3. Den Antrag aller Kläger, den Übergang der Referenzmenge zu bescheinigen, lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 19. September 2000 ab, weil die Referenzmenge noch durch den Pachtvertrag mit dem Beigeladenen gebunden sei. Bevor die begehrte Bescheinigung erteilt werden könne, müsse das Schicksal dieses Pachtvertrages erst geklärt werden. Den Widerspruch der Klägerinnen wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12. Juni 2001 aus denselben Gründen zurück. Der Widerspruch des Klägers blieb unbeschieden.
2. Während des anschließenden Verwaltungsrechtsstreits führten die Klägerinnen einen Zivilrechtsstreit gegen den Beigeladenen. Unter dem 23. Juni 2000 hatten die Klägerinnen vorsorglich den Pachtvertrag, den ihre Mutter mit dem Beigeladenen geschlossen hatte, gekündigt. Auf ihre Klage hin verurteilte das Amtsgericht Bad Neuenahr-Ahrweiler den Beigeladenen mit Urteil vom 16. Mai 2002 zur Herausgabe der Pachtflächen bis zum 31. Oktober 2002. Der Pachtvertrag von 1984 sei gültig; denn die Mutter der Klägerinnen habe ihn mit deren Duldungsvollmacht, jedenfalls mit deren Genehmigung geschlossen. Der bis 1994 befristete und einmal bis 1997 verlängerte Vertrag sei in der Folge als unbefristeter fortgesetzt und durch die Kündigung vom 23. Juni 2000 zum nächstmöglichen Termin, nämlich zum 31. Oktober 2002 beendet worden. Soweit die Klägerinnen die Verurteilung des Beigeladenen zur Rückübertragung der Referenzmenge begehrten, hat das Amtsgericht die Klage abgewiesen, weil insofern keine Pacht, sondern Kauf vorliege.
Während des Berufungsverfahrens gab der Beigeladene die Pachtflächen am 31. Oktober 2002 an die Klägerinnen heraus, erklärte aber, hinsichtlich der Referenzmenge von seinem Übernahmerecht nach der Zusatzabgabenverordnung Gebrauch zu machen. Daraufhin wurde der Rechtsstreit hinsichtlich der Pachtflächen für erledigt erklärt. Insofern erlegte das Oberlandesgericht Koblenz im Urteil vom 14. Januar 2003 dem Beigeladenen die Kosten auf, weil die Klage begründet gewesen sei. Der Pachtvertrag von 1984 sei unwirksam, da die Mutter der Klägerinnen Nichtberechtigte gewesen sei und auch keine Vertretungsmacht gehabt habe. Jedenfalls sei der Pachtvertrag 1997 ausgelaufen und auch nicht unbefristet fortgesetzt worden. Im Übrigen stellte das Oberlandesgericht fest, dass die Klägerinnen Inhaber der Milchreferenzmenge von 29 456 kg seien. Eine wirksame Übertragung auf den Vater des Beigeladenen sei nicht erfolgt; die Mutter der Klägerinnen sei auch insofern Nichtberechtigte gewesen, und ein gutgläubiger Erwerb von Rechten scheide aus. Das Urteil wurde rechtskräftig.
3. Die Klägerinnen haben am 13. Juli 2001 Klage auf Bescheinigung des Übergangs einer Referenzmenge von 29 456 kg von ihnen auf den Kläger zum 29. März 2000 erhoben.
Das Verwaltungsgericht Trier hat der Klage mit Urteil vom 20. März 2003 stattgegeben. Die Klägerinnen seien klagebefugt. § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 MGV vermittele nicht nur dem Erwerber, sondern auch dem Veräußerer einer Referenzmenge einen Anspruch auf Ausstellung der Übertragungsbescheinigung, da ein einheitlicher Übertragungsvorgang in Rede stehe und die Bescheinigung auch für den Veräußerer erforderlich sei, um die Referenzmenge tatsächlich veräußern zu können. Die Klägerinnen hätten auch einen Anspruch auf die begehrte Bescheinigung. Insbesondere seien sie am 29. März 2000 Inhaber der streitigen Referenzmenge gewesen. Sie hätten die Referenzmenge aufgrund Erbgangs nach ihrem Vater erworben. Diese Inhaberschaft hätten sie nicht im Vollzug des Pachtvertrages von 1984 verloren; denn dieser Vertrag sei, weil von der Mutter als Nichtberechtigter geschlossen, nichtig und habe dem Beigeladenen daher kein Recht zum Besitz verschaffen können, weshalb auch der Besitzwechsel an den bewirtschafteten Flächen keinen Übergang der Referenzmenge habe bewirken können. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der hierüber erteilten Bescheinigung des Beklagten, die ebenfalls nichtig sei.
Der Beklagte und der Beigeladene haben die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt. Nachdem das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Bedenken gegen die Klagebefugnis der Klägerinnen geäußert hatte, ist der bis dahin zum Rechtsstreit beigeladene Kläger zu 3 der Klage beigetreten. Mit Urteil vom 7. Januar 2004, berichtigt am 18. Februar 2004, hat das Oberverwaltungsgericht das erstinstanzliche Urteil geändert und die Klagen abgewiesen. Die Klagen der Klägerinnen seien unzulässig, weil § 9 MGV nur dem Übernehmer von Referenzmengen, nicht aber dem Übertragenden einen Bescheinigungsanspruch gebe. Der Klagebeitritt des Klägers sei zulässig, ebenso sein Klageantrag, der als – noch fristgerechte – Anschlussberufung zu werten sei. Die Klage sei nach § 75 VwGO auch im Übrigen zulässig. Sie sei jedoch nicht begründet. Der Kläger habe keinen Anspruch auf die begehrte Bescheinigung. Die zu bescheinigende Übertragung setze voraus, dass die Klägerinnen am 29. März 2000 Inhaber der Referenzmenge gewesen seien. Daran fehle es. An dieser Feststellung sei das Berufungsgericht durch das rechtskräftige Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz nicht gehindert, da dieses Urteil gegenüber dem an jenem Rechtsstreit unbeteiligten Beklagten keine Wirkung entfalte. Zudem habe das Oberlandesgericht nur über die zivilrechtliche Rechtslage befunden und die Bescheinigung vom 6. November 1984 ausgeblendet. Der Kläger könne sich aber wegen der Feststellungswirkung dieser Bescheinigung auf die materielle Rechtslage nicht berufen. Die Bescheinigung sei entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht nichtig. Sie sei auch weder durch die Bescheinigung vom 4. Mai 1995 noch durch die weitere vom 23. März 2000 geändert worden. Der Kläger könne sich auch nicht darauf berufen, dass die Klägerinnen jedenfalls ab dem Auslaufen des Pachtvertrages am 1. November 1997 Inhaber der Referenzmengen gewesen seien; denn hierzu hätten ihnen die Pachtflächen zuerst zurückgegeben werden müssen.
4. Gegen dieses Urteil richten sich die vom Senat zugelassenen Revisionen der Kläger. Zur Begründung tragen sie vor: Auch die Klägerinnen seien als Verkäufer der Referenzmenge klagebefugt. Richtig sei, dass ein Verkäufer keine Bescheinigung über eine etwa bei ihm verbleibende restliche Referenzmenge verlangen könne. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts könne er jedoch die Erteilung der im Gesetz vorgesehenen Bescheinigung über die übertragene Referenzmenge zugunsten des Übertragungsempfängers aus eigenem Recht verlangen. Das ergebe sich schon aus der Einheitlichkeit des Übertragungsvorganges. Der Verkäufer besitze auch ein eigenes schützenswertes Interesse daran, dass die Bescheinigung alsbald ausgestellt werde. Das Berufungsurteil verletze ferner Bundesrecht, indem es seine Entscheidung maßgeblich auf eine Feststellungswirkung der Bescheinigung vom 6. November 1984 gründe, obwohl diese nichtig sei. Sie sei widersprüchlich, weil als Übertragender der – verstorbene – Vater der Klägerinnen, als Verpächter aber ihre Mutter angegeben werde. Sie sei ferner nichtig, weil sie eine vom Gesetz nicht vorgesehene Übertragung von Referenzmengen durch Nichtberechtigte bescheinige. Selbst wenn die Bescheinigung nicht nichtig sein sollte, so habe das Berufungsgericht die Reichweite ihrer Feststellungswirkung verkannt. Zudem müsse der Beklagte die Bescheinigung von 1984 jedenfalls ab Anfang 2000 aufheben, wodurch geschütztes Vertrauen des jedenfalls seit diesem Zeitpunkt bösgläubigen Beigeladenen nicht verletzt werde. Schließlich beruhe das Urteil auf einem Verfahrensfehler. Das Berufungsgericht habe nicht aufgeklärt, ob der Beigeladene gegen die Bescheinigung vom 23. März 2000 tatsächlich Widerspruch erhoben habe.
Der Beklagte und der Beigeladene treten den Revisionen entgegen; sie verteidigen das Berufungsurteil.
Der Vertreter des Bundesinteresses beteiligt sich am Verfahren. Er hält die Revisionen für unbegründet.
Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revisionen bleiben ohne Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht hat die Klagen im Ergebnis mit Recht abgewiesen. Den Klägern steht der geltend gemachte Bescheinigungsanspruch nicht zu.
1. Zur Entscheidung des Rechtsstreits sind diejenigen Vorschriften des Gemeinschaftsrechts und des nationalen Rechts heranzuziehen, die sich für den Zeitpunkt des behaupteten Referenzmengenübergangs Geltung beilegen; denn der Übergang wird nicht durch die umstrittene Bescheinigung bewirkt, sondern erfolgt unabhängig von ihr. Dies hat der Senat für die Fälle der Übertragung oder Überlassung des ganzen Milcherzeugungsbetriebes oder von Betriebsteilen aufgrund Erbgangs, Verkaufs oder Verpachtung ausgesprochen, in denen das Gesetz den Übergang der Referenzmenge an den Besitzwechsel knüpft (Urteil vom 30. November 1989 – BVerwG 3 C 47.88 – BVerwGE 84, 140 ≪144≫; stRspr). Nichts anderes gilt jedoch für den Fall der flächenlosen Übertragung oder Überlassung von Referenzmengen. Auch hier kommt der behördlichen Bescheinigung keine konstitutive Wirkung zu; das Gesetz knüpft den Übergang der Referenzmenge vielmehr an die Vereinbarung der Beteiligten. Daran ändert auch nichts, dass in der Bescheinigung die Zulässigkeit der Vereinbarung festzustellen ist (§ 7 Abs. 2a Satz 6 MGV).
Die Kläger begehren die Ausstellung einer Bescheinigung über den Übergang der umstrittenen Referenzmenge, deren flächenlose Übertragung sie am 30. März 2000 vereinbart haben. Der Antrag ist bei der zuständigen Behörde noch am 30. März 2000 eingegangen. Die Übertragung konnte damit noch innerhalb des Zwölfmonatszeitraums wirksam werden, der mit dem 31. März 2000 endete (§ 7 Abs. 2a Satz 8 MGV). Maßgebend sind damit die Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 des Rates vom 28. Dezember 1992 über die Erhebung einer Zusatzabgabe im Milchsektor (ABl Nr. L 405/1) in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 751/99 der Kommission vom 9. April 1999 (ABl Nr. L 96/11) sowie die Verordnung über die Abgaben im Rahmen von Garantiemengen im Bereich der Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse (Milch-Garantiemengen-Verordnung – MGV) vom 25. Mai 1984 (BGBl I S. 720) i.d.F. der Bekanntmachung vom 21. März 1994 (BGBl I S. 586), zuletzt geändert durch die 33. Änderungsverordnung vom 25. März 1996 (BGBl I S. 535). Noch nicht anwendbar sind hingegen die erst zum 1. April 2000 in Kraft getretenen Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1256/1999 des Rates vom 17. Mai 1999 (ABl Nr. L 160/73) und der Zusatzabgabenverordnung – ZAV – vom 12. Januar 2000 (BGBl I S. 27).
2. Die Kläger begehren die Ausstellung einer Bescheinigung gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 MGV zugunsten des Klägers zu 3. Das Berufungsgericht hat den Klägerinnen zu 1 und 2 hierfür die Sachbefugnis abgesprochen. Hiergegen wendet sich die Revision ohne Erfolg.
Durch die Bescheinigung nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 MGV hat der Milcherzeuger dem Käufer (der Molkerei) nachzuweisen, welche Referenzmenge, zu welchem Zeitpunkt, von welchem Milcherzeuger, mit welchem Referenzfettgehalt auf ihn übergegangen ist. Wer ein subjektives Recht auf Erteilung dieser Bescheinigung hat, sagt das Gesetz nicht. Es lässt sich aber im Wege der Auslegung erschließen. Die Vorlage der Bescheinigung ist Voraussetzung für die Freistellung des Milcherzeugers von der Abgabepflicht. Sie betrifft mithin die Rechte und Pflichten des Milcherzeugers in seinem Abgaberechtsverhältnis zur Finanzbehörde. Die Befugnis, die Erteilung der Bescheinigung nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 MGV zu beantragen und gegebenenfalls vor Gericht mit der Verpflichtungsklage zu erstreiten, kann daher nur demjenigen Milcherzeuger zustehen, der geltend macht, dass die Referenzmenge auf ihn übergegangen sei. Dem bisherigen Inhaber steht lediglich – aber immerhin – die Anfechtungsklage gegen die erteilte Bescheinigung offen, wenn er geltend macht, der bescheinigte Übergang habe nicht stattgefunden oder es sei eine geringere Referenzmenge übergegangen als bescheinigt (Beschluss vom 26. November 1991 – BVerwG 3 B 105.91 – Buchholz 451.512 Nr. 45).
Demzufolge sieht die Verordnung – abgesehen vom Sonderfall des § 9 Abs. 2 MGV – keine Bescheinigung zugunsten des bisherigen Inhabers über die bei ihm etwa verbliebene Referenzmenge vor (Urteil vom 7. September 1992 – BVerwG 3 C 23.89 – Buchholz 451.512 Nr. 60). Sie kennt auch keinen Anspruch des bisherigen Inhabers auf Erteilung der Bescheinigung über die übergegangene Referenzmenge zugunsten des Übernehmers. Für die Annahme, § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 MGV habe einen derartigen Anspruch auf eine drittbegünstigende Bescheinigung einräumen wollen, fehlt jeder Anhaltspunkt. Die Revision macht geltend, der bisherige Inhaber habe ein eigenes Interesse an der Erteilung der Bescheinigung, weil er nur dann seiner Verpflichtung aus der Vereinbarung mit dem Übernehmer ganz nachgekommen sei und seinen Anspruch auf die etwa vereinbarte Gegenleistung durchsetzen könne. Dem kann nicht gefolgt werden. Zum einen ist die Erteilung der Bescheinigung, wie gezeigt, für den Übergang der Referenzmenge nicht konstitutiv; der bisherige Inhaber kann seine Verpflichtung mithin unabhängig von der Bescheinigung erfüllen. Zum anderen hat § 9 Abs. 1 MGV nicht das zivilrechtliche Rechtsverhältnis des Übernehmers zum bisherigen Inhaber, sondern sein abgabenrechtliches Verhältnis zur Finanzbehörde im Auge. Die Befugnis, die Ausstellung der Bescheinigung zu verlangen, kann daher aus diesem zivilrechtlichen Rechtsverhältnis nicht hergeleitet werden.
3. Der Kläger zu 3 beansprucht eine Bescheinigung, derzufolge die fragliche Referenzmenge mit dem angegebenen Referenzfettgehalt am 29. März 2000 von den Klägerinnen auf ihn übergegangen sei. Der Übergang soll nach § 7 Abs. 2a Satz 2 Nr. 1 MGV erfolgt sein. Nach dieser Bestimmung kann der Milcherzeuger einem anderen Referenzmengen ohne Übergang des entsprechenden Betriebes oder der entsprechenden Fläche mit Wirkung für mindestens zwei Zwölfmonatszeiträume durch schriftliche Vereinbarung übertragen oder überlassen. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die Klägerinnen waren am 29. März 2000 keine Milcherzeuger. Ihnen stand die umstrittene Referenzmenge auch nicht unabhängig hiervon zu. Die Klägerinnen haben bis zum 29. März 2000 keine Milch erzeugt. Das Berufungsgericht hat angenommen, dass § 7 Abs. 2a Satz 2 Nr. 1 MGV auch dann Anwendung findet, wenn der Übertragende, obwohl er nicht Milcherzeuger ist, gleichwohl Inhaber der Referenzmenge ist. Das ist richtig. Allerdings ist eine Referenzmenge ein Recht in der Hand des Milcherzeugers; sie stellt ihn von der prinzipiellen Abgabepflicht bei der Anlieferung von Milch frei. Dass eine Referenzmenge einem Nichterzeuger zusteht, kann daher nur ausnahmsweise und kurzfristig – im Sinne eines “Durchgangserwerbs” – vorkommen, namentlich in Fällen der Beendigung eines Pachtverhältnisses, wenn der Verpächter die an ihn zurückfallende Referenzmenge sogleich an einen anderen Milcherzeuger wiederum verpachtet oder sonst überträgt (Urteil vom 30. November 1989, a.a.O. ≪S. 151≫; Urteil vom 18. Dezember 2003 – BVerwG 3 C 48.02 – Buchholz 451.512 Nr. 138 ≪S. 23≫). Eine längere Inhaberschaft eines Nichterzeugers ist demgegenüber ausgeschlossen. Gemäß Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 werden Referenzmengen der Erzeuger, die während eines Zwölfmonatszeitraums weder Milch noch andere Milcherzeugnisse vermarktet haben, der einzelstaatlichen Reserve zugeschlagen. Dass der Nichterzeuger dem gemäß Art. 6 der Verordnung (EWG) Nr. 3950/92, § 7a MGV durch zeitweilige Übertragung der nicht ausgenutzten Referenzmenge an einen Erzeuger entgehen kann, ändert an diesem Grundsatz nichts.
Das Berufungsgericht hat weiter angenommen, die Klägerinnen seien am 29. März 2000 nicht Inhaber der umstrittenen Referenzmenge gewesen. Die Referenzmenge sei vielmehr im November 1984 auf den Vater des Beigeladenen übergegangen und erst am 31. Oktober 2002 an die Klägerinnen gefallen. Die Revision bestreitet schon, dass die Referenzmenge im November 1984 auf den Vater des Beigeladenen übergegangen sei. Hätte sie damit Recht, so wäre die Klage von vornherein unbegründet; denn in den Händen der Klägerinnen, die zu keinem Zeitpunkt Milch oder andere Milcherzeugnisse angeliefert haben, hätte die Referenzmenge keinesfalls über fünfzehn Jahre lang ungenutzt verbleiben können, vielmehr wäre sie dann in die staatliche Reserve gefallen. Im Übrigen liegt auf der Hand, dass die Referenzmenge im November 1984 auf den Vater des Beigeladenen überging. Der Einwand der Kläger, es gebe keinen gutgläubigen Erwerb von Rechten, geht schon deshalb fehl, weil der Übergang von Referenzmengen im November 1984 nicht durch Rechtsgeschäft bewirkt werden konnte, sondern allein kraft Gesetzes erfolgte (Urteil vom 30. November 1989, a.a.O. ≪S. 144≫). Maßgebend waren insofern Art. 7 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 857/84 des Rates vom 31. März 1984 (ABl Nr. L 90/13), Art. 5 der Durchführungsverordnung Nr. 1371/84 der Kommission vom 16. Mai 1984 (ABl Nr. L 132/11) sowie § 7 der Milch-Garantiemengen-Verordnung in der Fassung der Zweiten Änderungsverordnung vom 27. November 1984 (BGBl I S. 1434). Hiernach geht, wenn ein ganzer Betrieb oder die gesamte Betriebsfläche aufgrund eines Pachtvertrages überlassen wird, die entsprechende Referenzmenge auf den Pächter über (vgl. Urteil vom 18. Dezember 2003, a.a.O. ≪S. 27 f.≫). Diese Voraussetzungen lagen vor: Der ganze Betrieb bzw. die gesamte Betriebsfläche ist aufgrund eines Pachtvertrages auf den Vater des Beigeladenen übergeben worden, weshalb die dem Betrieb zustehende Referenzmenge mit überging. Ob der Verpächter zivilrechtlich zur Besitzverschaffung befugt war, ist hierfür ebenso gleichgültig wie die weitere Frage, ob der Pachtvertrag wirksam oder nichtig war oder später rückwirkend angefochten oder sonst beseitigt wird. Bewirtschaftet der Übernehmer die Flächen zu Unrecht, so ist dies Sache des zivilrechtlichen Ausgleichs mit dem Berechtigten.
Die Klage könnte hiernach nur Erfolg haben, wenn die Referenzmenge kurz vor dem 29. März 2000 vom Beigeladenen als dem bisherigen Inhaber an die Klägerinnen gefallen wäre. Hierfür bestehen keine Anhaltspunkte. Zwar war der Pachtvertrag nach Auffassung des Oberlandesgerichts Koblenz von Anfang an unwirksam, jedenfalls aber mit dem Oktober 1997 ausgelaufen, so dass der Beigeladene spätestens seit dem 1. November 1997 zur Herausgabe der Pachtflächen an die Klägerinnen als die Eigentümer verpflichtet war. Verpachtete Referenzmengen fallen jedoch nicht schon mit dem Auslaufen des Pachtvertrages an den Verpächter bzw. den Eigentümer zurück, sondern erst mit Rückgabe des verpachteten Betriebes oder der verpachteten Flächen (Urteil vom 1. September 1994 – BVerwG 3 C 1.92 – BVerwGE 96, 337 ≪345 f.≫). Das gilt auch bei anfänglicher Unwirksamkeit des Pachtvertrages. Referenzmengen, die aufgrund eines Pachtvertrages zusammen mit den Pachtflächen auf den Pächter übergehen, sind und bleiben flächengebunden, auch wenn sich der Pachtvertrag als nichtig erweist. Der Beigeladene aber hat die Pachtflächen erst am 31. Oktober 2002 an die Klägerinnen herausgegeben. Ob er den Klägerinnen deswegen Schadensersatz schuldet, ist wiederum Frage der zivilrechtlichen Beurteilung. Für das öffentliche Recht ist die etwaige Pflichtverletzung ohne Belang.
Auch die Bescheinigung, die der Beklagte den Klägerinnen am 23. März 2000 erteilt hat, führt zu keinem anderen Ergebnis. Darin hat der Beklagte den Klägerinnen bescheinigt, dass die umstrittene Referenzmenge mit Wirkung zum 24. März 2000 im Wege des Erbgangs von ihrer Mutter auf sie übergegangen sei. Das war in zweifacher Hinsicht unrichtig: Zum einen wies der vorgelegte Erbschein die Klägerinnen nicht als Erben ihrer Mutter – die noch lebte –, sondern als Erben ihres Vaters aus. Zum anderen konnte die Referenzmenge aufgrund Erbgangs nicht zum 24. März 2000 übergehen, sondern allenfalls mit dem Tode des Vaters am 12. Oktober 1984 übergegangen sein. Doch mag das dahinstehen. Jedenfalls enthält die Bescheinigung den Vermerk, dass die Referenzmenge derzeit an den Beigeladenen verpachtet sei. Dies macht deutlich, dass der Beklagte nur einen Wechsel in der Person des Verpächters bescheinigen wollte, nicht jedoch den Rückfall der Referenzmenge vom Pächter auf den Verpächter bzw. Eigentümer. Auf die Frage, ob der Beigeladene gegen diese Bescheinigung Widerspruch eingelegt hat, kommt es danach nicht an.
4. Ohne Erfolg beruft sich der Kläger schließlich auf die Rechtskraft des Urteils des Oberlandesgerichts Koblenz vom 14. Januar 2003.
Das Berufungsgericht meint, dieses Urteil binde schon deshalb nicht, weil der Beklagte am dortigen Rechtsstreit nicht beteiligt war. Ob dem gefolgt werden kann, ist zweifelhaft. Der Beklagte wird im vorliegenden Rechtsstreit auf Erteilung einer Bescheinigung über einen Referenzmengenübergang in Anspruch genommen, für den Vorfrage ist, ob die Klägerinnen oder der Beigeladene im Zeitpunkt des behaupteten Übergangs Inhaber der Referenzmenge waren. Es spricht vieles dafür, dass eine gerichtliche Entscheidung dieser Vorfrage in einem Rechtsstreit zwischen den Prätendenten nicht nur die unmittelbar Beteiligten, sondern auch die bescheinigende Behörde bindet, die insofern keine eigenen Rechte oder Interessen wahrnimmt, sondern in der Rolle eines bloß beurkundenden Dritten steht.
Keinesfalls scheitert eine Bindungswirkung der Rechtskraft daran, dass das Oberlandesgericht über einen Streitgegenstand befunden hat, für den der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten nicht gegeben war, wie der Beklagte meint.
Der rechtskräftige Ausspruch des Oberlandesgerichts berührt den vorliegenden Rechtsstreit jedoch sachlich nicht. Das Oberlandesgericht hat festgestellt, dass die Klägerinnen Inhaber der umstrittenen Referenzmengen “sind”. Diese Feststellung hat es aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 10. Dezember 2002 getroffen; das Präsens der Feststellung bezieht sich mithin auf diesen Zeitpunkt. Den 29. März 2000 hat das Oberlandesgericht in seine Feststellung nicht einbezogen. In den Entscheidungsgründen hat es zwar ausgeführt, dass die Referenzmenge schon 1984 nicht auf den Vater des Beigeladenen übertragen worden sei. Offenbar ist es der Auffassung, dass die Klägerinnen seit dem Tod ihres Vaters ununterbrochen Inhaber der Referenzmenge gewesen seien. Doch ist dies lediglich ein Begründungselement, das an der Rechtskraft nicht teilnimmt.
Bei dieser Rechtslage kann offen bleiben, ob die Rechtskraftwirkung des Urteils des Oberlandesgerichts jedenfalls von der Feststellungswirkung der Bescheinigung überlagert wird, die der Beklagte am 6. November 1984 dem Vater des Beigeladenen erteilt hat, wie das Berufungsgericht meint. Hiergegen bestünden freilich schon deshalb durchgreifende Bedenken, weil diese Bescheinigung weder den Klägerinnen noch gar dem Kläger im Sinne von § 1 LVwVfG RP i.V.m. § 41 VwVfG bekanntgemacht worden ist. Die bloße Mitteilung durch den Beklagten während des Widerspruchsverfahrens im vorliegenden Bescheinigungsverfahren war bloße Wissens-, keine Willenserklärung und konnte daher eine innere Wirksamkeit der 17 Jahre zuvor erlassenen Bescheinigung für die Klägerinnen nicht erzeugen.
Unterschriften
Prof. Dr. Driehaus, van Schewick, Dr. Dette, Liebler, Prof. Dr. Rennert
Fundstellen
DÖV 2006, 128 |
AuUR 2006, 49 |