Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungsprofil eines Dienstpostens, Bindung des Dienstherrn an das – im Auswahlverfahren. Auswahl von Bewerbern für einen Beförderungsdienstposten. Beförderungsdienstposten, Besetzung eines –, Rückgängigmachen der Besetzung eines –. Erprobungszeit auf einem Beförderungsdienstposten. Konkurrentenstreit um einen Beförderungsdienstposten
Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Auswahl unter den Bewerbern um einen Beförderungsdienstposten hat der Dienstherr die Anforderungen des Art. 33 Abs. 2 GG zu beachten.
2. Das anlässlich einer Stellenausschreibung festgelegte „Anforderungsprofil” eines Beförderungsdienstpostens bleibt für den Dienstherrn bei der Auswahl der Bewerber verbindlich.
Normenkette
GG Art. 33 Abs. 2; BRRG § 12 Abs. 2; BLV §§ 11-12
Tenor
Die Bescheide der Beklagten vom 27. Juli 1999 und vom 21. Februar 2000 werden aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, über die Bewerbung der Klägerin um den Dienstposten des Leiters Lehrgruppe Sprachen unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Die Klägerin ist Regierungsdirektorin (BesGr A 15) im Dienste der Beklagten. Im November 1998 bewarb sie sich um einen Dienstposten, den die Beklagte im Oktober 1998 wie folgt ausgeschrieben hatte:
„Ab 01.01.1999 ist ein mit BesGrp A 16 bewerteter Dienstposten zu besetzen. Im Interesse der beruflichen Gleichstellung sind Bewerbungen von Frauen besonders erwünscht.
Ort: |
Zentrale |
Verwendung: |
Leiter Lehrgruppe Sprachen |
Qualifikation:
- Beamtin/Beamter mit der Befähigung für die Laufbahn des höheren Dienstes im BND
- erfolgreich abgeschlossenes Studium einer fremden Sprache an einer wissenschaftlichen Hochschule
- pädagogische und didaktische Fähigkeiten
- möglichst Erfahrung als Sprachlehrer, Übersetzer oder Dolmetscher
- Befähigung zum analytisch-planerischen Arbeiten, zur Erarbeitung und Umsetzung von Konzepten
- verantwortungsbereite, entscheidungsfreudige und durchsetzungsfähige Persönlichkeit
- Bewährung in Führungspositionen unterschiedlicher Bereiche
- Fähigkeit zum Management und zur Mitarbeiterführung”
Nach dem Geschäftsverteilungsplan obliegen dem Leiter der Lehrgruppe Sprachen die Dienst- und Fachaufsicht über die Bereiche Sprachausbildung, Sprachmittlerwesen (Übersetzer- und Dolmetscherdienst) und maschineller Übersetzungsdienst im BND.
Mit Schreiben vom 27. Juli 1999 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass die Entscheidung über die Besetzung des Dienstpostens zugunsten des Beigeladenen gefallen und der Zeitpunkt seiner Beförderung zum Leitenden Regierungsdirektor noch nicht absehbar sei. Mit der Wahrnehmung der Geschäfte des Leiters der Lehrgruppe Sprachen wurde der Beigeladene ab dem 1. August 1999 beauftragt. Den Widerspruch der Klägerin gegen die „Personalentscheidung” wies die Beklagte mit Bescheid vom 21. Februar 2000 zurück.
Mit ihrer Klage beantragt die Klägerin,
den Bescheid der Beklagten vom 27. Juli 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Februar 2000 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, über die Bewerbung der Klägerin für den Dienstposten des Leiters Lehrgruppe Sprachen unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
Sie trägt zur Begründung vor:
Bei der Auswahl des Beigeladenen habe die Beklagte gegen den Grundsatz der Bestenauslese verstoßen. Entgegen den Anforderungen nach der Stellenbeschreibung habe der Beigeladene keine offiziellen Führungspositionen als Sachgebietsleiter innegehabt.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
und macht geltend:
Bei einem Vergleich der persönlichen Eignung der drei in die engere Wahl gezogenen Bewerber um den ausgeschriebenen Dienstposten sei der Beigeladene als der Bestgeeignete ermittelt worden. Ausschlaggebend für die Besetzungsentscheidung seien seine im Sprachendienst des BND als Übersetzer, Überprüfer, Dolmetscher, Leiter des Sprachbereichs „romanische und andere Sprachen” und seit 1987 auch als Chefdolmetscher erbrachten herausragenden dienstlichen Leistungen. Aufgrund einer über 30-jährigen Tätigkeit im Sprachendienst seien ihm die Gegebenheiten in der Lehrgruppe Sprachen bestens vertraut. Da ihm die Schulung der neuen Mitarbeiter am Arbeitsplatz und als Chefdolmetscher auch die Weiterbildung der anderen Dolmetscher oblegen hätten, habe er in diesen Funktionen – wenn auch unterhalb der Sachgebietsleiterebene – Führungsaufgaben wahrgenommen. Aufgrund seiner Fachkompetenz sei ihm eine informelle Führungsrolle in der Lehrgruppe zugekommen. Dass in der dienstlichen Beurteilung bestimmte Befähigungsmerkmale nicht bewertet worden seien, sei unerheblich und behoben, weil die Leitung des BND diese Fähigkeiten bestätigt habe. Während der Erprobungszeit habe der Beigeladene die in ihn gesetzten Erwartungen erfüllt. Seiner Fachkompetenz in den Bereichen Übersetzer- und Dolmetscherdienst, die den weitaus größeren Teil des Aufgabenspektrums der Lehrgruppe Sprachen ausmachten, sei bei der Auswahlentscheidung das größere Gewicht beigemessen worden. Nach der Leistungs- und Befähigungsbeurteilung sei der Beigeladene nicht nur der besser geeignete, sondern auch der leistungsstärkste Kandidat. Es sei nunmehr beabsichtigt, ihn zum Leitenden Regierungsdirektor zu befördern, da der Bundespersonalausschuss durch Beschluss vom Januar 2001 eine allgemeine Ausnahme zu § 12 Abs. 4 Nr. 3 BLV zugelassen habe.
Die Beteiligten haben auf (eine weitere) mündliche Verhandlung verzichtet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien, die Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 25. Januar 2001 und den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten, der auch Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, verwiesen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Klage, über die das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO im ersten und letzten Rechtszug und gemäß § 101 Abs. 2 VwGO mit Einverständnis der Beteiligten ohne (eine weitere) mündliche Verhandlung entscheidet, ist begründet. Die Besetzung des Dienstpostens „Leiter Lehrgruppe Sprachen” im Juli 1999 war rechtswidrig, weil die Beklagte zum Nachteil der Klägerin bei der Auswahlentscheidung von selbst gesetzten Auswahlkriterien abgewichen ist.
Wird die Bewerbung eines Beamten um einen Beförderungsdienstposten abgelehnt, so kann er um Rechtsschutz durch die Verwaltungsgerichte nachsuchen. Das mit der Ausschreibung begonnene und mit der Übertragung des Beförderungsdienstpostens an einen anderen Bewerber fortgeführte Stellenbesetzungsverfahren ist nicht vor der Ernennung (Beförderung) des anderen Bewerbers endgültig abgeschlossen (vgl. Urteil vom 9. März 1989 – BVerwG 2 C 4.87 – Buchholz 232 § 23 BBG Nr. 36 S. 6). Weder die Beendigung der Ausschreibung noch die Übertragung des Beförderungsdienstpostens auf den Mitbewerber führt zu einer Erledigung des Konkurrentenstreits. War die Auswahlentscheidung zugunsten des Mitbewerbers rechtswidrig, so kann sie neu getroffen, durch eine andere Auswahlentscheidung ersetzt und gegebenenfalls die Übertragung des Dienstpostens auf den Mitbewerber rückgängig gemacht sowie der Beförderungsdienstposten anderweitig besetzt werden (vgl. Urteil vom 9. März 1989, a.a.O. S. 7).
Die Auswahl zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen hatte sich an den Maßstäben des Art. 33 Abs. 2 GG zu orientieren. Zwar dienen die Schaffung und Besetzung von Stellen des öffentlichen Dienstes grundsätzlich allein dem öffentlichen Interesse an einer bestmöglichen Erfüllung der öffentlichen Aufgaben. Dadurch nimmt der Dienstherr keine Verpflichtungen gegenüber seinen Beamten wahr. Die Bewertung der Dienstposten und ihre Zuordnung zu statusrechtlichen Ämtern einer bestimmten Besoldungsgruppe erfolgt im Rahmen der Vorgaben des Besoldungs- und Haushaltsrechts vor (stRspr; z.B. Urteil vom 22. Juni 1999 – BVerwG 2 C 14.98 – Buchholz 237.2 § 12 BlnLBG S. 5 m.w.N.). Über die Einrichtung und nähere Ausgestaltung von Dienstposten entscheidet der Dienstherr nach organisatorischen Bedürfnissen und Möglichkeiten. Deshalb hat ein Beamter grundsätzlich keinen Rechtsanspruch auf Schaffung oder auf Besetzung eines Dienstpostens oder gar darauf, dass ihm ein bestimmter Dienstposten übertragen wird. Er kann aber beanspruchen, dass über seine Bewerbung ohne Rechtsfehler entschieden wird (stRspr; vgl. Urteile vom 26. Juni 1986 – BVerwG 2 C 41.84 – Buchholz 237.4 § 8 LBG Hamburg Nr. 1 S. 2 f. und vom 25. April 1996 – BVerwG 2 C 21.95 – BVerwGE 101, 112 ≪114 f.≫).
Die Auswahl unter Bewerbern, deren statusrechtliches Amt der Rangordnung nach niedriger ist als die Besoldungsgruppe, der der zu besetzende Dienstposten zugeordnet ist, hat gemäß Art. 33 Abs. 2 GG und den die Verfassungsnorm konkretisierenden beamtenrechtlichen Vorschriften allein nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung zu erfolgen (vgl. Urteil vom 25. April 1996, a.a.O. ≪115≫). Gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 BLV kann ein Beförderungsamt verliehen werden, wenn die Voraussetzungen des § 11 BLV erfüllt sind. Nach Satz 1 dieser Vorschrift hat der Beamte seine Eignung für einen höher bewerteten Dienstposten in einer Erprobungszeit nachzuweisen. Diese Vorschriften konkretisieren für den Bundesdienst § 12 Abs. 2 Nr. 4 BRRG, wonach der Beamte nicht befördert werden darf „vor Feststellung der Eignung für einen höher bewerteten Dienstposten in einer Erprobungszeit, für die durch Rechtsvorschrift eine Dauer von mindestens drei Monaten festzulegen ist”.
Die Übertragung des höherwertigen Dienstpostens soll unter den Bedingungen praktischer Tätigkeit die Prognose bestätigen, dass der Inhaber des Dienstpostens – besser als etwaige Mitbewerber – den Anforderungen des Beförderungsamtes genügen wird. Nur der erfolgreich Erprobte hat die Chance der Beförderung. Andere Interessenten, die bislang nicht auf einem höherwertigen Dienstposten erprobt worden sind, kommen für eine Beförderung aus laufbahnrechtlichen Gründen nicht in Betracht. Damit wird die Auslese für Beförderungsämter vorverlagert auf die Auswahl unter den Bewerbern um „Beförderungsdienstposten”.
Die Entscheidung des Dienstherrn darüber, welcher Beamte der Bestgeeignete für einen Beförderungsdienstposten ist, kann als Akt wertender Erkenntnis des für die Beurteilung zuständigen Organs gerichtlich nur eingeschränkt überprüft werden (stRspr; Urteile vom 19. März 1998 – BVerwG 2 C 5.97 – BVerwGE 106, 263 ≪266 ff.≫ und vom 10. Februar 2000 – BVerwG 2 A 10.98 – ZBR 2000, 303 f.). Die Auswahl beruht auf der Bewertung der durch Art. 33 Abs. 2 GG vorgegebenen persönlichen Merkmale, die in Bezug zu dem „Anforderungsprofil” des jeweiligen Dienstpostens gesetzt werden. Erst dieser Vergleich ermöglicht die Prognose, dass der in Betracht kommende Beamte den nach der Dienstpostenbeschreibung anfallenden Aufgaben besser als andere Interessenten gerecht werden und damit auch – nach Bewährung auf dem höher bewerteten Dienstposten – für ein höherwertiges Statusamt geeignet sein wird.
Durch die Bestimmung des Anforderungsprofils eines Dienstpostens legt der Dienstherr die Kriterien für die Auswahl der Bewerber fest. Zwar ist der Dienstherr nicht nur befugt, das Besetzungsverfahren abzubrechen (vgl. Urteil vom 25. April 1996, a.a.O. ≪115 f.≫), sondern auch berechtigt, den „Zuschnitt” eines Dienstpostens zu ändern und die Anforderungen, die an den Inhaber gestellt werden, zu modifizieren, solange eine normative Festlegung nicht besteht. Für das Auswahlverfahren bleibt die Dienstpostenbeschreibung aber verbindlich. Die Funktionsbeschreibung des Dienstpostens bestimmt objektiv die Kriterien, die der Inhaber erfüllen muss. An ihnen werden die Eigenschaften und Fähigkeiten der Bewerber um den Dienstposten bemessen, um eine optimale Besetzung zu gewährleisten. Im Auswahlverfahren ist der Dienstherr an das von ihm entwickelte Anforderungsprofil gebunden, da er andernfalls in Widerspruch zu dem selbst gesteckten Ziel bestmöglicher Aufgabenwahrnehmung gerät. Ob der Dienstherr diese Auswahlkriterien beachtet hat, unterliegt in vollem Umfange gerichtlicher Kontrolle. Erst wenn mehrere Bewerber allen Anforderungskriterien gerecht werden, haben – in der Regel durch dienstliche Beurteilungen ausgewiesene – Abstufungen der Qualifikation Bedeutung. Unter dieser Voraussetzung bleibt es der Entscheidung des Dienstherrn überlassen, welchen der zur Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung zu rechnenden Umstände er das größere Gewicht beimisst (vgl. Beschluss vom 10. November 1993 – BVerwG 2 ER 301.93 – Buchholz 232 § 8 BBG Nr. 50 S. 12).
Mit der Auswahlentscheidung zugunsten des Beigeladenen hat sich die Beklagte von den Anforderungen gelöst, die sie selbst für die Besetzung des Beförderungsdienstpostens aufgestellt hat. Nach der Stellenausschreibung war erforderlich die „Bewährung in Führungspositionen unterschiedlicher Bereiche”. In „Führungspositionen” konnte sich nur jemand „bewährt” haben, der die Aufgaben eines Vorgesetzten (vgl. § 3 Abs. 2 Satz 2 BBG) für längere Zeit unbeanstandet erfüllt hat. Darüber hinaus war die Wahrnehmung von Leitungsfunktionen in verschiedenen Organisationsbereichen gefordert.
Der Beigeladene hatte bis zu der Auswahlentscheidung keine Führungspositionen besetzt. Ihm war nach dem übereinstimmenden Vorbringen der Parteien keine Stelle übertragen, die ihn dazu berechtigte, anderen Mitarbeitern Anordnungen zu erteilen. Deshalb sahen die dienstlichen Beurteilungen des Beigeladenen davon ab, das Leistungsmerkmal „Führung” zu bewerten. Zudem war der Beigeladene ausschließlich in dem Bereich „Übersetzer- und Dolmetscherdienst” eingesetzt – also nicht, wie in der Ausschreibung gefordert, in „unterschiedlichen Bereichen”.
Soweit die Beklagte geltend macht, der Beigeladene habe eine „informelle Führungsrolle” übernommen und im Übrigen sei die Anforderung „verzichtbar” gewesen, weil dem Beigeladenen die geforderten Führungs- und Managementfähigkeiten von den Vorgesetzten und der Leitung des BND attestiert worden seien, hat sie deutlich gemacht, dass sie während des Auswahlverfahrens die selbst gestellten Anforderungen aufgegeben hat. Denn nach dem in der Stellenausschreibung konkretisierten Anforderungsprofil reichten „Führungsqualitäten” des Bewerbers nicht aus; vielmehr mussten solche Eigenschaften durch die Wahrnehmung von „Führungspositionen unterschiedlicher Bereiche” nachgewiesen worden sein.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Unterschriften
Dr. Silberkuhl, Dawin, Dr. Kugele, Groepper, Dr. Bayer
Fundstellen
BVerwGE, 58 |
ZBR 2002, 207 |
ZTR 2001, 579 |
AP, 0 |
DÖD 2001, 279 |
DÖV 2001, 1044 |
ZfPR 2002, 112 |
ZfPR 2002, 50 |
BayVBl. 2002, 500 |
DVBl. 2002, 132 |
IÖD 2002, 50 |