Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Die Klägerin wendet sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des Regierungspräsidiums Dresden vom 14. September 2001 für den Neubau der Autobahn A 17 im zweiten Planfeststellungsabschnitt zwischen der Bundesstraße B 170 und der Anschlussstelle Pirna, soweit darin der Bau einer Zubringerstraße geplant wird. Sie ist Eigentümerin eines mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks an der …-Straße in Dresden (Ortsteil Nickern). Jenseits der genannten Straße sieht der Planfeststellungsbeschluss die Errichtung der S 191n als Zubringer zur Autobahn A 17 (Anschlussstelle Dresden-Prohlis) vor. In Höhe des Grundstücks der Klägerin verläuft die S 191n in Tieflage und wird von einem zwei Meter hohen Lärmschutzwall abgeschirmt. Das Wohnhaus ist von der Straßenmitte etwa 40 m entfernt. Die Klägerin macht insbesondere geltend, auf ihrem Grundstück seien durch den Verkehr auf dem Zubringer unzulässig hohe Geräusch- und Schadstoffimmissionen zu erwarten.
Im Planfeststellungsbeschluss wird ausgeführt, der im Erörterungstermin geforderte Verzicht auf diese Anschlussstelle würde die beabsichtigten Entlastungseffekte für das Oberzentrum Dresden gefährden. Zwar führe der Zubringer S 191n unter anderem durch den Stadtteil Nickern hindurch. Auf der Grundlage der durchgeführten Schadstoffprognose lägen jedoch keine Überschreitungen gültiger Grenzwerte oder Prüfwerte vor. Auch die Vorsorgewerte für die menschliche Gesundheit blieben gewahrt. Allerdings überschreite die zu erwartende Belastung im unmittelbaren Nahbereich der S 191n bis auf eine Entfernung von ca. 60 m den künftigen EG-Jahresgrenzwert für Stickstoffdioxid von 40 µg/m(3) NO(2) um bis zu 25 %. Dieser Grenzwert sei jedoch zurzeit noch nicht rechtskräftig in deutsches Recht überführt. Er entfalte keine Vorwirkung für die Einzelfallprüfung im Rahmen eines Planfeststellungsbeschlusses. Abgesehen davon biete der Bereich der …-Straße geeignete Flächen für Immissionsschutzpflanzungen an. Diese könnten die Schadstoffkonzentrationen gegenüber der freien Ausbreitung um ca. 50 – 70 % reduzieren. Selbst wenn man die Vorwirkungsrechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs heranziehe, ergäben sich keine anderen Rechtsfolgen, denn insgesamt sei die Aufgabe, die EG Richtlinien im Jahr 2010 einzuhalten, eine für die Bundesrepublik Deutschland lösbare Aufgabe. Der Betrieb der A 17 führe nicht zu vollendeten Tatsachen, welche später die Erfüllung der Vertragspflichten erschweren würden.
Die Klägerin hat im Dezember 2001 Klage erhoben. Im Erörterungstermin des Berichterstatters hat sich der Beklagte verpflichtet, eine weitere fachgutachterliche Stellungnahme zu den NO(2)-Immissionen vorzulegen. Nach dem im März 2002 erstellten Gutachten werden am Wohnhaus der Klägerin auch die EG-Grenzwerte eingehalten. Die Klägerin stellt dieses Ergebnis unter mehreren Gesichtspunkten in Frage und trägt zur Begründung ihrer Klage vor, der Planfeststellungsbeschluss verletze sie in ihren Rechten, da der zukünftige EG-Grenzwert für NO(2) nicht eingehalten werde. Dieser Wert sei auch ohne Umsetzung in nationales Recht im Rahmen der Planfeststellung zu beachten. Ferner seien die schalltechnischen Berechnungen fehlerhaft. Außerdem seien zu Unrecht Trassen für den Zubringer abgelehnt worden, die ihr Grundstück verschonen würden.
Sie beantragt,
den Planfeststellungsbeschluss des Regierungspräsidiums Dresden vom 14. September 2001 aufzuheben, soweit darin der Bau des Zubringers S 191n festgestellt wird
hilfsweise,
den Beklagten zu verpflichten, in Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses des Regierungspräsidiums Dresden vom 14. September 2001 dem Träger des Vorhabens Vorkehrungen aufzuerlegen, mit denen die gesetzlichen Anforderungen an den Schutz vor Geräusch- und Schadstoffimmissionen auf dem Grundstück der Klägerin eingehalten werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er trägt ergänzend vor, auch die in der Zwischenzeit in Kraft getretene neue 22. BImSchV ändere an der Rechtslage nichts, da ihr trotz eines gewissen Umsetzungsverzugs keine Rückwirkung zukomme. Davon abgesehen verfolgten sowohl diese Verordnung als auch die zugrunde liegende Richtlinie der EG einen großflächigen Schutzansatz; sie seien daher in Planfeststellungsverfahren nicht unmittelbar anwendbar. Außerdem stellten beide Regelungen auf Gebiete und Ballungsräume ab; eine lediglich punktuelle Grenzwertüberschreitung für einzelne Flächen im Nahbereich der Trasse verstoße nicht gegen ihre Vorgaben.
Entscheidungsgründe
II.
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Der Planfeststellungsbeschluss ist in dem angefochtenen Umfang rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Dabei ist zu beachten, dass die Klägerin nicht enteignungsbetroffen ist und daher nur Nachteile rügen kann, die sie und ihr Grundstück betreffen. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf über den Planfeststellungsbeschluss hinausgehende Schutzvorkehrungen (§ 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG), so dass ihr Hilfsantrag ebenfalls ohne Erfolg bleibt.
1. Die Einwände der Klägerin gegen die gewählte Trasse der S 191n im Bereich ihres Grundstücks greifen nicht durch. Die Entscheidung der Planfeststellungsbehörde zugunsten eines Zubringers von der A 17 bis zur innerstädtischen Verknüpfung mit der S 172 in Dresden ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Die Planfeststellungsbehörde beruft sich darauf, dass ein Verzicht auf die Anschlussstelle Dresden-Prohlis und den Zubringer S 191n die beabsichtigten Verkehrsentlastungseffekte für Dresden gefährden würde. Die Anschlussstelle diene der Anbindung der südöstlichen Stadtteile an die Autobahn (PFB S. 107). Das ist ohne weiteres nachvollziehbar. Auch die Trassenführung ist nicht zu beanstanden. Eine Planfeststellungsbehörde handelt nicht schon dann abwägungsfehlerhaft, wenn eine von ihr verworfene Trassenführung ebenfalls mit guten Gründen vertretbar gewesen wäre, sondern erst dann, wenn sich ihr diese Lösung als die vorzugswürdige hätte aufdrängen müssen (vgl. Senatsurteile vom 25. Januar 1996 – BVerwG 4 C 5.95 – BVerwGE 100, 238 ≪249 f.≫ und vom 20. Mai 1999 – BVerwG 4 A 12.98 – Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 154, stRspr). Der Planfeststellungsbeschluss setzt sich eingehend mit den Varianten auseinander, die auch im Erörterungstermin ausführlich behandelt worden sind (PFB S. 108 – 119). Die Klägerin beruft sich in diesem Zusammenhang auf das so genannte Bündelungsgebot. Diesen Grundsatz hat das Bundesverwaltungsgericht zum Schutz von Natur und Landschaft hervorgehoben. Danach kann eine Bündelung von Verkehrswegen dem Vermeidungsgebot entsprechen (vgl. den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. September 1995 – BVerwG 11 VR 16.95 – Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 6). Darum geht es vorliegend jedoch nicht. Vielmehr verlaufen die …-Straße und die neue S 191n unmittelbar nebeneinander. Da die S 191n als neuer Autobahnzubringer dem Durchgangsverkehr und die …-Straße dem örtlichen Verkehr einschließlich der Erschließung und des Busverkehrs dienen sollen, ist die Neutrassierung der S 191n bei gleichzeitiger Beibehaltung der …-Straße rechtlich nicht zu beanstanden. Die Planfeststellungsbehörde war auch nicht gehalten, die …-Straße künftig zu sperren oder sie als Sackgasse zu führen, da sie dann nicht mehr dem Busverkehr dienen könnte (vgl. hierzu PFB S. 117). Die Überlegung der Planfeststellungsbehörde, dass der zu oder von der A 17 fahrende Verkehr die neu zu errichtende S 191n benutzen und die …-Straße, die nicht den Bestweg darstelle, meiden werde, erscheint dem Senat in diesem Zusammenhang ebenfalls als einleuchtend .
2. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf weitergehenden Schallschutz. Vor ihrem Grundstück wird ein Lärmschutzwall errichtet; die Trasse der S 191n befindet sich in Tieflage. Nach dem Ergebnis der schalltechnischen Berechnungen werden die Grenzwerte der 16. BImSchV eingehalten (vgl. Unterlage 11.1.3). Dem liegt für den Lkw-Anteil eine projektbezogene Verkehrsuntersuchung zugrunde. Dies ist zulässig und begegnet keinen Bedenken (vgl. zu den Einzelheiten Senatsurteil vom 11. Januar 2001 – BVerwG 4 A 13.99 – Buchholz 406.25 § 43 BImSchG Nr. 16). Soweit die Klägerin die zugrunde liegenden Unterlagen kritisiert, stellt sie den Berechnungen des Vorhabenträgers und der Planfeststellungsbehörde lediglich eigene Annahmen und Prognosen gegenüber, trägt aber nichts dafür vor, dass die der Planfeststellung zugrunde liegenden Prognosen von falschen Voraussetzungen ausgingen oder an methodischen Fehlern litten. Hierfür ist auch aus der Sicht des Senats nichts ersichtlich. Die Planfeststellungsbehörde war auch nicht gehalten, die S 191n vollständig zu überdeckeln, zumal sie in Tieflage verläuft, ein Lärmschutzwall mit Immissionsschutzpflanzungen vorgesehen ist und die Lärmgrenzwerte eingehalten werden.
3. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Schutzvorkehrungen gegen Luftschadstoffe, die über den Planfeststellungsbeschluss hinausgehen.
3.1 Die zum Zeitpunkt des Planfeststellungsbeschlusses (14. September 2001) maßgeblichen Immissionswerte nach deutschem Recht (ohne Beachtung der Richtlinie 1999/30/EG des Rates vom 22. April 1999 über Grenzwerte für Schwefeldioxid, Stickstoffdioxid und Stickstoffoxide, Partikel und Blei in der Luft [ABlEG vom 29. Juni 1999 Nr. L 163/41]) werden vorliegend unstreitig eingehalten (vgl. insbesondere § 1 Abs. 6 der 22. BImSchV 1993).
Auch das verfassungsrechtliche Gebot des Staates, die Gesundheit seiner Bewohner zu schützen, gebietet entgegen der Auffassung der Klägerin nicht die Einhaltung niedrigerer Grenzwerte. Die Klägerin beruft sich insoweit auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. März 1996 – BVerwG 4 C 9.95 – (BVerwGE 101,1). Dort hat der erkennende Senat entschieden, dass die Vorbelastung durch bereits vorhandenen Verkehrslärm und die durch den Bau oder durch die wesentliche Änderung einer öffentlichen Straße entstehende zusätzliche Lärmbeeinträchtigung zu keiner Gesamtbelastung führen dürfen, die eine Gesundheitsgefährdung darstellt. Dem liegt die Regelung zugrunde, dass die Verkehrslärmschutzverordnung nur die durch den Bau oder die wesentliche Änderung von Straßen neu entstehende zusätzliche Lärmbeeinträchtigung berücksichtigt, während die Vorbelastung allein nach der Verordnung unbeachtet bliebe (vgl. § 1 Abs. 1 der 16. BImSchV). Eine Übertragung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall kommt nicht in Betracht, denn hier gelangen die Berechnungen zu dem Ergebnis, dass die künftige Gesamtbelastung die maßgeblichen Werte nicht überschreitet. Dafür, dass der Gesetz- und Verordnungsgeber mit der Festlegung der Immissionswerte der 22. BImSchV 1993 gegen das verfassungsrechtliche Schutzgebot des Staates verstoßen hätte, trägt die Klägerin selbst nichts vor. Hierfür ist auch nichts ersichtlich.
3.2 Auch der Hinweis der Klägerin auf die Richtlinie 1999/30/EG des Rates vom 22. April 1999 über Grenzwerte für Schwefeldioxid, Stickstoffdioxid und Stickstoffoxide, Partikel und Blei in der Luft (ABlEG vom 29. Juni 1999 Nr. L 163/41) stützt ihr Begehren nicht, den Beklagten zu verpflichten, dem Träger des Vorhabens gemäß § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG weitere Vorkehrungen zum Schutz vor Luftschadstoffen aufzuerlegen.
Nach Art. 4 Abs. 1 dieser Richtlinie treffen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die Konzentrationen von (unter anderem) Stickstoffdioxid und gegebenenfalls Stickstoffoxiden in der Luft die Grenzwerte des Anhangs ab den dort genannten Zeitpunkten nicht überschreiten. Der Jahresgrenzwert für den Schutz der menschlichen Gesundheit beträgt ab 1. Januar 2010 40 µg/m(3) NO(2); für den Zeitraum vom In-Kraft-Treten der Richtlinie bis zum Jahr 2010 kommen linear reduzierte Toleranzmargen hinzu (vgl. Anhang II unter I.). Dabei bezeichnet der Ausdruck Grenzwert einen Wert, der innerhalb eines bestimmten Zeitraums erreicht werden muss und danach nicht überschritten werden darf (Art. 2 Nr. 5). Die genannte Richtlinie betrifft, wie sich bereits aus der Überschrift ergibt, nur bestimmte Schadstoffe und beruht ihrerseits auf der als Rahmenrichtlinie bezeichneten Richtlinie 96/62/EG des Rates vom 27. September 1996 über die Beurteilung und die Kontrolle der Luftqualität (ABlEG vom 21. November 1996 Nr. L 296/55). Auch diese enthält die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die Einhaltung der Grenzwerte zu sichern (Art. 7 Abs. 1).
Nach Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 1999/30/EG hatten die Mitgliedstaaten die Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft zu setzen, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie bis 19. Juli 2001 nachzukommen. In der Bundesrepublik Deutschland sind die genannten Richtlinien insbesondere durch das Siebte Gesetz zur Änderung des BImSchG vom 11. September 2002, (BGBl I S. 3622 bzw. Neubekanntmachung vom 26. September 2002 BGBl I S. 3830) und die Zweiundzwanzigste Verordnung zur Durchführung des BImSchG (22. BImSchV) vom 11. September 2002 (BGBl I S. 3626) – und somit nach Erlass des angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses – umgesetzt worden. Danach ergreifen die zuständigen Behörden die erforderlichen Maßnahmen, um die Einhaltung der in der Verordnung festgelegten Immissionswerte sicherzustellen. Hierzu gehören insbesondere Luftreinhaltepläne und Aktionspläne nach § 47 BImSchG (§ 45 Abs. 1 BImSchG). Diese Luftreinhaltepläne und Aktionspläne sehen bei Überschreiten der Grenzwerte Maßnahmen vor. Derartige Maßnahmen sind entsprechend des Verursacheranteils unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegen alle Emittenten zu richten, die zu einem Überschreiten der Werte beitragen. Erfasst ist also auch der Straßenverkehr. Maßnahmen im Straßenverkehr sind im Einvernehmen mit den zuständigen Straßenbau- und Straßenverkehrsbehörden festzulegen (§ 47 Abs. 4 BImSchG). In der Gesetzesbegründung wird davon ausgegangen, dass dem Bund und den Ländern Kosten entstehen werden, wenn Trassenänderungen oder bauliche Maßnahmen erforderlich werden (BRDrucks 1073/01 S. 14). Wenn in den genannten Plänen planungsrechtliche Festlegungen vorgesehen sind, haben die zuständigen Planungsträger dies bei ihren Planungen zu berücksichtigen (§ 47 Abs. 6 Satz 2 BImSchG). Der vorliegend kritische Grenzwert für NO(2) ist in § 3 Abs. 4 der 22. BImSchV n.F. umgesetzt worden; der Jahresmittelwert beträgt ebenso wie in der Richtlinie 1999/30/EG 40 µg/m(3) NO(2).
Die Klägerin vertritt vor diesem Hintergrund die Rechtsauffassung, auch ein bereits in dieser Zeit ergangener Planfeststellungsbeschluss sei rechtswidrig, wenn er nicht auf der durch entsprechende Tatsachen erhärteten Einschätzung beruhe, die in der Richtlinie 1999/30/EG festgelegten Grenzwerte würden auf dem – zum Wohnen genutzten – Grundstück der Klägerin auch nach Abschmelzen der Toleranzmargen im Jahre 2010 eingehalten werden. Die Regelungen der Richtlinie seien hinreichend bestimmt und daher unmittelbar anwendbar gewesen. Die Klägerin habe als Eigentümerin eines in nächster Nähe der geplanten Straße liegenden Grundstücks ein Recht auf Einhaltung der in der Richtlinie genannten Grenzwerte. Dieses Recht könne sie einem Planfeststellungsbeschluss entgegensetzen.
Der Beklagte meint demgegenüber, die Richtlinien könnten im vorliegenden Fall nicht unmittelbar angewendet werden. Daran ändere die Neufassung der 22. BImSchV nichts, da ihr trotz des Umsetzungsverzugs keine Rückwirkung zukomme. Davon abgesehen verfolgten sowohl diese Verordnung als auch das BImSchG und die zugrunde liegende Richtlinie 1999/30/EG einen umfassenden, quellenübergreifenden und großflächigen Schutz. Dieser solle mit Hilfe von großräumigen Instrumentarien, insbesondere Luftreinhalteplänen und Aktionsplänen, verwirklicht werden. Daher seien die Grenzwerte in einem einzelnen Planfeststellungsverfahren nicht unmittelbar anwendbar. Es genüge, wenn der Planfeststellungsbeschluss – wie vorliegend – zu dem Ergebnis gelangt sei, die Einhaltung der Vorschriften sei eine im verbleibenden Zeitraum für die Bundesrepublik Deutschland lösbare Aufgabe. Außerdem stellten die Regelungen auf Gebiete und Ballungsräume ab; eine lediglich punktuelle Grenzwertüberschreitung für einzelne Flächen im Nahbereich einer Trasse verstoße nicht gegen ihre Vorgaben.
Der Senat lässt ausdrücklich offen, welche rechtliche Bedeutung die angeführten Regelungen im Allgemeinen und für straßenrechtliche Planfeststellungen im Besonderen besitzen (vgl. hierzu grundlegend Jarass, Luftqualitätsrichtlinien der EU und die Novellierung des Immissionsschutzrechts, NVwZ 2003, S. 257 ff.). Denn selbst bei einem Verständnis, das dem Rechtsstandpunkt der Klägerin in vollem Umfang Rechnung trägt, wäre ein Rechtsverstoß nicht erkennbar. Zugunsten der Klägerin mag also Folgendes unterstellt werden. Erstens: Die bei Erlass des Planfeststellungsbeschlusses in Kraft befindlichen, aber noch nicht in nationales Recht umgesetzten Richtlinien haben unmittelbare Wirkung entfaltet. Zweitens: Die Einhaltung des Jahresgrenzwertes für Stickstoffdioxid (quellenunabhängige Gesamtbelastung) am 1. Januar 2010 ist eine (drittschützende) Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für die Zulassung eines Straßenbauvorhabens durch Planfeststellung oder Plangenehmigung. Drittens: Dieser Grenzwert ist auf jedem von dem Straßenbauvorhaben betroffenen Grundstück einzuhalten, auf dem sich üblicherweise Menschen aufhalten.
Auch von diesem rechtlichen Ausgangspunkt aus wird die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt. Der Planfeststellungsbeschluss sieht auf dem 2 m hohen Schallschutzwall zwischen dem neu zu errichtenden Autobahnzubringer und der vor dem Grundstück der Klägerin verlaufenden …-Straße die Anlegung von Schutzpflanzungen vor. Diese sind geeignet, auch in dem nach Abschmelzen der Toleranzmargen kritischen Zeitraum ab 2010 die Einhaltung der Grenzwerte sicherzustellen. Dies ergibt sich im Einzelnen aus folgenden Erwägungen:
Der Beklagte hat während des Klageverfahrens für das Grundstück der Klägerin eine eingehendere Begutachtung vornehmen lassen. Das vom Büro L.… im Anschluss an die Stellungnahme vom Dezember 1999 im März 2002 erstattete Gutachten gelangt für das Grundstück der Klägerin zu dem Ergebnis, dass der Grenzwert nach der Richtlinie 1999/30/EG im Jahr 2004 (unter Berücksichtigung der Toleranzmarge) um mindestens 33 % und im Jahr 2010 um mindestens 25 % unterschritten werde. Die von der Klägerin hiergegen erhobenen Einwendungen greifen nicht durch. Der Senat ist nicht gehindert, das vom Beklagten eingeholte Gutachten zu verwerten. Das Gebot des § 86 Abs. 1 VwGO, den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären, verwehrt es dem Tatsachengericht nicht, für seine tatsächlichen Feststellungen auch das Vorbringen der Beteiligten zu verwerten, soweit es ihm überzeugend erscheint und nicht durch anderweitiges Parteivorbringen schlüssig in Frage gestellt wird (ständige Rechtsprechung, vgl. Urteil vom 8. Juni 1979 – BVerwG 4 C 1.79 – Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 120). Ob ein Parteigutachten als “Interessenten”-Vortrag bloß zur Kenntnis genommen wird oder als maßgebliche Entscheidungsgrundlage dient, ist eine Frage der inhaltlichen Bewertung. Je unzweifelhafter eine gutachterliche Äußerung als Ausdruck der Sachkundigkeit, Unparteilichkeit und Objektivität zu qualifizieren ist, desto unbedenklicher ist sie verwertbar (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Februar 1994 – BVerwG 4 B 35.94 – Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 97). Die Notwendigkeit, einen gutachterlich aufgehellten Sachverhalt weiter zu erforschen, muss sich grundsätzlich nur dann aufdrängen, wenn das vorhandene Gutachten unvollständig, widersprüchlich oder aus sonstigen Gründen nicht überzeugend ist, wenn es auf unzutreffenden tatsächlichen Annahmen beruht, wenn Zweifel an der Sachkunde oder der Unparteilichkeit des erstbeauftragten Sachverständigen bestehen, wenn ein anderer Sachverständiger über neuere oder überlegene Forschungsmittel verfügt oder wenn die Erkenntnisse, die in dem vorliegenden Gutachten ihren Niederschlag gefunden haben, durch substantiierte Einwände eines Beteiligten oder durch die übrige Ermittlungstätigkeit des Gerichts ernsthaft in Frage gestellt erscheinen (vgl. BVerwG, Urteile vom 6. Februar 1985 – BVerwG 8 C 15.84 – BVerwGE 71, 38 und vom 15. Oktober 1985 – BVerwG 9 C 3.85 – Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 38; Beschluss vom 26. Juni 1992 – BVerwG 4 B 1.92 – 11.92 – Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 89). Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung sind die Angriffe der Klägerin nicht geeignet, die Aussagekraft des Gutachtens vom März 2002 zu erschüttern.
Die Klägerin begründet ihre Zweifel am Gutachten L.… vom März 2002 zunächst damit, dass dasselbe Büro im Dezember 1999 noch zu anderen Schlussfolgerungen gekommen sei. Denn damals habe es ausgeführt, bis zu einem Abstand von 60 m zur neuen Straße sei mit Überschreitungen des Grenzwerts für NO(2) nach der Richtlinie 1999/30/EG zu rechnen. Derartige Zweifel sind jedoch nicht gerechtfertigt. Denn das im Dezember 1999 erstellte Gutachten ist seiner damaligen Aufgabenstellung entsprechend wesentlich allgemeiner gehalten, geht nicht auf die Situation an einzelnen Standorten ein und berücksichtigt insbesondere nicht die zwischen der …-Straße und der geplanten S 191n vorgesehenen Immissionsschutzpflanzungen. Dagegen legt das neuere Gutachten die Besonderheiten der örtlichen Lage vor dem Grundstück der Klägerin einschließlich der Bedingungen der Kaltluftwindfelder zugrunde. Ferner berücksichtigt es die im Landschaftspflegerischen Begleitplan als Maßnahme G 7 enthaltenen Immissionsschutzpflanzungen (vgl. Unterlage 12.3.2 Blatt Nr. 15: “Landschaftsgerechte Einbindung und Immissionsschutz”). Diese bewirken nach den Angaben des Gutachters eine höhere Anfangsverdünnung der Schadstoffe; das ist ohne weiteres nachvollziehbar. Im Übrigen ist bereits der Vorhabenträger in seinen Antragsunterlagen davon ausgegangen, dass durch die Immissionsschutzpflanzungen die Immissionskonzentrationen unter “den zukünftigen EU-Grenzwert gesenkt werden könnten” (vgl. die Untersuchung durch igi Niedermeyer Institute, Unterlage 11.2 S. 4/41). Das veränderte Ergebnis des Gutachtens L.… vom März 2002 begründet somit für sich genommen keinen Anlass, an der Richtigkeit dieser neueren Untersuchung zu zweifeln.
Die Klägerin stellt ferner die zugrunde gelegte Vorbelastung in Frage. Das Gutachten geht für das Jahr 1999 von einer Vorbelastung von 24 µg/m(3) aus (Gutachten L.… 2002, Tabelle 4.1 auf S. 9). Diese beruhen nach Angaben des Gutachters auf aktuellen Messungen an der …straße und damit in unmittelbarer Nähe des Grundstücks der Klägerin. Die Klägerin wendet ein, dieser Wert von 24 µg/m(3) sei im Jahresbericht zur Immissionssituation 2000 für den gesamten Regierungsbezirk Dresden festgestellt worden. Es sei jedoch unmöglich, einen Wert, der sich auf den gesamten Regierungsbezirk beziehe, auf ihre Situation anzuwenden, denn dieser umfasse auch weitgehend unbelastete Gebiete. Hierzu haben die Vertreter des Beklagten nachvollziehbar dargelegt, dass es sich insoweit um ein zufälliges Zusammentreffen desselben Zahlenwerts aus zwei Untersuchungen handele. Das Büro L.… habe nicht etwa einen Mittelwert für einen ganzen Regierungsbezirk herangezogen, sondern sich auf (zeitweilige – es handelt sich nicht um eine Dauermessstelle) Messungen gestützt. Der danach herangezogene Wert ist im Übrigen auch auf der Grundlage der von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Kartendarstellung plausibel. Denn ihr Grundstück befindet sich nicht in demjenigen Teil von Dresden, in dem höhere Werte festgestellt worden sind. Mit den Bereichen um die Dauermessstellen Dresden-Mitte (Postplatz) oder Dresden-Nord (Schlesischer Platz) ist die Lage an der …-Straße nicht gleichzusetzen. Der Senat hat auch keinen Anlass anzunehmen, dass die vom Ingenieurbüro L.… nach seiner Angabe in Abstimmung mit dem Sächsischen Landesamt für Umwelt und Geologie herangezogenen Messungen an der …straße (und für ein Parallelverfahren an einer anderen Stelle) etwa überhaupt nicht stattgefunden oder zu gänzlich anderen Ergebnissen geführt hätten.
Ferner stellt die Klägerin die vom Gutachten angenommenen Reduktionsfaktoren in Frage. Diese sind 0,94 (also 6 % weniger) für das Jahr 2004 und 0,88 (also 12 % weniger) für das Jahr 2010. Die Reduktionsfaktoren sind nach dem Gutachten entsprechend den Empfehlungen des LAI-Unterausschusses Verkehrsimmissionen “mit Sicherheiten behaftet”. Der Gutachter verweist ferner auf eigene Fachuntersuchungen, die er im Auftrag der Bundesanstalt für Straßenwesen durchgeführt hat. Der Beklagte verweist ergänzend darauf, dass die Werte durch das inzwischen (im September 2002) eingeführte Merkblatt des BMVBW über Luftverunreinigungen an Straßen (MLuS 02) bestätigt werden. Dies trifft nach den dem Senat vorliegenden Unterlagen, die mit den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung erörtert wurden, auch zu.
Der Senat kann somit davon ausgehen, dass auf dem Grundstück der Klägerin die Grenzwerte für den hier kritischen Schadstoff NO(2) nach der Richtlinie 1999/30/EG und der 22. BImSchV auch nach dem Bau und der Inbetriebnahme des Zubringers S 191n eingehalten werden. Dies wird unter anderem durch die vorgesehenen Immissionsschutzpflanzungen erreicht. Diese sind bereits im Planfeststellungsbeschluss und den ihm zugrunde liegenden Antragsunterlagen enthalten. Im Anschluss an die detaillierteren Umschreibungen im Gutachten des Ingenieurbüros L.… (vgl. dort S. 6) hat der Beklagte dem Senat im Schreiben vom 11. Juni 2003 näher dargelegt, welche Pflanzen im Einzelnen in Betracht kommen und dass diese geeignet sind, die angestrebten Wirkungen innerhalb von drei Jahren zu erreichen. An der Verpflichtung des Vorhabenträgers, diese Pflanzungen anzulegen, und ihrer Eignung für die gewünschte Abschirmwirkung sind somit keine Zweifel angebracht.
4. Soweit die Klägerin in ihrer Stellungnahme vom 12. September 2002 ferner erstmalig darauf verweist, im Planfeststellungsbeschluss fehle eine Begutachtung der Belastung mit Schwebstaubpartikeln, so dass unklar sei, ob der in der Richtlinie 1999/30/EG für das Jahr 2010 enthaltene Jahresgrenzwert von 20 µg/m(3) PM(10) eingehalten werden könne (vgl. Anhang III der Richtlinie), ist ihr Vorbringen nach § 5 VerkPBG präkludiert. Denn sie ist in ihrer Klagebegründung hierauf nicht eingegangen. Daher kommt es nicht darauf an, ob insoweit dem Vortrag des Beklagten zu folgen ist, wonach die Umsetzung der die Partikel betreffende Regelung in Art. 5 und Anhang III der Richtlinie 1999/30/EG dadurch relativiert sei, dass die für 2010 geltenden Grenzwerte erst noch im Lichte der von den Mitgliedstaaten gemachten Erfahrungen zu überprüfen sind (vgl. Anhang III, Stufe 2, Fußnote 1). Im Übrigen trägt die Klägerin Anhaltspunkte dafür, dass eine Einhaltung der Grenzwerte in der Zukunft nicht möglich sein wird, selbst nicht vor.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Unterschriften
Paetow, Lemmel, Halama, Jannasch
Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rojahn ist wegen Urlaubs gehindert zu unterschreiben.
Paetow
Fundstellen