Entscheidungsstichwort (Thema)
Entschädigung für mittelbare Schädigung in Form der Wertminderung der Beteiligung eines ausländischen Gesellschafters an einem Unternehmensträger. Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsrecht mit Ausnahme der Klagen auf Feststellung der Entschädigungsberechtigung. Versäumung der Rechtsmittelbegründungsfrist. Wiedereinsetzung. Verfahrenstrennung. Trennung von Verfahren. Entschädigung. Entschädigungsanspruch. Erfüllung. Anspruch auf Erfüllung. Anspruchserfüllung. Entschädigungserfüllungsanspruch. Antragsberechtigter. Entschädigungsberechtigter. Entschädigungsverpflichteter. Gesellschafter. ausländischer Gesellschafter. ausländische juristische Person. Anteilsinhaber. Beteiligung. inländische Beteiligung. ausländische Beteiligung. inländische Anteile. ausländische Anteile. Rechtsnachfolger. Gesamtrechtsnachfolge. unmittelbare Schädigung. mittelbare Schädigung. Enteignung. Teilenteignung. Entziehung. besatzungsrechtlich. besatzungshoheitlich. Minderung des Wertes. Wertminderung. Unternehmen. enteignetes Unternehmen. Unternehmensträger. enteigneter Unternehmensträger. Vermögenswert. enteigneter Vermögenswert. Freistellung. freigestellte Beteiligung. freigestellte ausländische Beteiligung. Entschädigungsversprechen. verdichtetes Entschädigungsversprechen. allgemeines Schutzversprechen. Rechtsfolgenverweisung. Höhe. Entschädigungshöhe. Erhöhung des Entschädigungsbetrages. Einheitswert. verwertbarer Einheitswert. Klageänderung
Leitsatz (amtlich)
§ 1 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 DDR-EErfG verweist auf die Rechtsfolge des § 1 Abs. 2 Satz 1 DDR-EErfG. Demzufolge setzt der Anspruch nach § 1 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 DDR-EErfG nicht voraus, dass ein verdichtetes Entschädigungsversprechen bestand und nicht erfüllt wurde.
Normenkette
DDR-EErfG § 1 Abs. 1 Sätze 1-2, Abs. 2 Sätze 1-2, Abs. 3 Nr. 2, § 3 S. 2; VwGO §§ 60, 93 S. 2, § 139 Abs. 3 Sätze 1, 4
Verfahrensgang
VG Berlin (Urteil vom 31.01.2013; Aktenzeichen 29 K 25.13) |
Tenor
Die Revisionen der Klägerin, des Beklagten und der Beigeladenen gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 31. Januar 2013, berichtigt durch Beschluss vom 7. März 2013, werden zurückgewiesen.
Von den Kosten des Revisionsverfahrens trägt die Klägerin 22%, der Beklagte und die Beigeladene jeweils 39%.
Tatbestand
I
Die Klägerin begehrt eine Entschädigung nach dem DDR-Entschädigungserfüllungsgesetz für die Beteiligung einer ausländischen Gesellschaft an der unter der Bezeichnung L. AG firmierenden Aktiengesellschaft.
Diese Aktiengesellschaft hatte ihren Sitz in B. Im Jahr 1934 betrug ihr Grundkapital 6 000 000 RM. An diesem Grundkapital waren die in der Schweiz lebende Vera L., Tochter des jüdischen Gesellschafters Fritz W., und deren Ehemann mit einem Aktienpaket in Höhe von nominell 597 000 RM beteiligt. Sie verkauften dieses sog. Schweizer Aktienpaket im Mai/Juni 1937 auf Veranlassung von Fritz W. an das Bankhaus W. in Z., das noch im selben Jahr einen Anteil in Höhe von nominell 397 000 RM an die S. weiterveräußerte. Letztere übertrug den von ihr erworbenen Anteil an die ClCA. Nach deren Auflösung ging der Anteil im Jahr 1950 zunächst auf die französische Muttergesellschaft, die B. A. Q., und anschließend im Wege der Fusion auf die S.E. Q. in C. bzw. E. Q. S.A. über. Die letztgenannte Gesellschaft änderte im Juni 1997 ihre Firmenbezeichnung in den Namen der Klägerin.
Bei Kriegsende gehörten zur L. AG neben dem Hauptbetrieb in B. ein Zweigbetrieb in N., eine weitere Tochtergesellschaft mit Vermögenswerten, eine Tochtergesellschaft in B. sowie diverse Zweigbetriebe und Niederlassungen in Brandenburg. Der unter dem 1. Dezember 1948 zum 1. Januar 1946 festgestellte Einheitswert für das im Ostsektor Berlins und der sowjetischen Besatzungszone belegene Vermögen betrug 2 848 000 RM.
Am 26. Dezember 1945 wurden aufgrund des Befehls Nr. 124 der Sowjetischen Militär-Administration in Deutschland (SMAD) vom 30. Oktober 1945 sämtliche in der sowjetischen Besatzungszone liegenden Vermögens- und Betriebsteile der Aktiengesellschaft beschlagnahmt.
Aufgrund des Gesetzes zur Einziehung von Vermögenswerten der Kriegsverbrecher und Naziaktivisten des Magistrats von Groß-Berlin vom 8. Februar 1949 in Verbindung mit dessen Durchführungsbeschluss vom gleichen Tage wurde das Vermögen der L. AG eingezogen und in Volkseigentum überführt. Die Veröffentlichung der Einziehung erfolgte in der Bekanntmachung vom 9. Februar 1949 (Liste 1) unter der laufenden Nummer … mit dem Klammerzusatz „deutsche Anteile enteignet”.
In der Folgezeit wurde die L. AG mit dem VEB S. zusammengelegt, der nach weiteren Zusammenlegungen mit anderen volkseigenen Betrieben im VEB G. aufging. Der VEB G. wurde 1990 in einzelne Gesellschaften umgewandelt, die nachfolgend von der Treuhand privatisiert und veräußert wurden.
In den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts leiteten die Erbinnen nach Fritz W. gegen das Bankhaus W. in Z. und die S. E. Q. in C. ein Rückerstattungsverfahren ein. Mit Teilbeschluss vom 2. September 1952 stellte das Landgericht B. fest, dass der Verkauf des sog. Schweizer Aktienpakets im Mai/Juni 1937 an das Bankhaus W. verfolgungsbedingt erfolgt und daher nichtig sei. Im Beschwerdeverfahren nahmen die Erbinnen nach Fritz W. ausweislich des rechtskräftigen Beschlusses des Kammergerichts B. vom 14. November 1953 ihren Rückerstattungsantrag zurück und verzichteten wirksam auf ihre Rechte aus dem Teilbeschluss.
Am 15. Juni 2004 stellte die Klägerin einen Anspruch auf Entschädigung nach dem DDR-Entschädigungserfüllungsgesetz (DDR-EErfG). Das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen lehnte den Antrag mit Bescheid vom 16. November 2009 ab. Mit ihrer nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobenen Klage begehrte die Klägerin eine Entschädigung in Höhe von 160 153,61 EUR nebst 4 v.H. Zinsen seit dem 17. Dezember 2003. Das Verwaltungsgericht hat der Klage hinsichtlich eines Teilbetrags in Höhe von 125 241,34 EUR nebst 4 v.H. Zinsen seit dem 17. Dezember 2003 stattgegeben, im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.
Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, Anspruchsgrundlage für das Begehren der Klägerin sei § 1 Abs. 2 Satz 2 DDR-EErfG. Die Klägerin sei entschädigungsberechtigt. Die von ihrer Rechtsvorgängerin erworbenen Anteile aus dem sog. Schweizer Aktienpaket seien auf sie übergegangen. Der im Rückerstattungsverfahren ergangene Teilbeschluss des Landgerichts B. rechtfertige keine andere Entscheidung, da die Erbinnen nach Fritz W. in der Folgezeit ihren Rückerstattungsantrag zurückgenommen und wirksam auf ihre Rechte aus dem Teilbeschluss verzichtet hätten. Der Anwendung des § 1 Abs. 2 Satz 2 DDR-EErfG stehe auch nicht entgegen, dass vorliegend nicht der Unternehmensträger als solcher, d.h. die Aktiengesellschaft, enteignet worden sei. Der Anwendungsbereich der Vorschrift sei auch dann eröffnet, wenn nur die im Osten belegenen Vermögenswerte eines Unternehmensträgers auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage enteignet worden seien. Davon sei hier auszugehen. Die Beteiligung der Rechtsvorgängerin der Klägerin an der L. AG sei freigestellt gewesen. Denn die Enteignung habe nach der in der Bekanntmachung vom 9. Februar 1949 veröffentlichten Liste 1 nicht die ausländischen Anteile, sondern nur deutsche Anteile erfasst. § 1 Abs. 2 Satz 2 DDR-EErfG enthalte eine Rechtsfolgenverweisung. Aus diesem Grund müsse nicht geprüft werden, ob für die freigestellte ausländische Beteiligung eine Entschädigung im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 DDR-EErfG vorgesehen gewesen sei. Auch die Frage der Zweitschädigung spiele keine Rolle. Die Höhe der Entschädigung bemesse sich gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 2 DDR-EErfG nach dem 1,3fachen des zum 1. Januar 1946 festgestellten Einheitswertes für das im Ostsektor Berlins und der sowjetischen Besatzungszone belegene Vermögen bezogen auf die hier streitgegenständliche Beteiligung in Höhe von 6,616 v.H. Es seien keine Umstände erkennbar, die die Unverwertbarkeit des Einheitswertes begründen könnten. Insbesondere gebe es keinen Anhaltspunkt, dass der Einheitswert entgegen der Auffassung der Klägerin nicht auch den Wert der Beteiligung der L. AG an der im Ostsektor belegenen IGH AG enthalte. Der Entschädigungsanspruch richte sich gegen die Beigeladene, da sie das enteignete Unternehmen aufgrund des Einigungsvertrages mittelbar erhalten habe.
Gegen dieses Urteil haben alle Beteiligten Revision eingelegt.
Die Klägerin verfolgt ihr erstinstanzliches Begehren weiter, soweit sie in der Vorinstanz nicht erfolgreich war, und beantragt eine weitere Entschädigung in Höhe von 34 912,27 EUR. Sie rügt eine Verletzung von § 1 Abs. 3 Nr. 2 DDR-EErfG i.V.m. § 4 EntschG. Der Beklagte begehrt wegen der Versäumung der Revisionsbegründungsfrist Wiedereinsetzung. In der Sache verfolgt er sein auf die gesamte Klageforderung gerichtetes Abweisungsbegehren weiter. Er hält die Vorschrift des § 1 Abs. 2 Satz 2 DDR-EErfG für verletzt. Die Beigeladene verfolgt ebenfalls ihr auf die gesamte Klageforderung gerichtetes Abweisungsbegehren weiter. Sie beanstandet die vom Verwaltungsgericht vollzogene Abtrennung der sich auf das sog. Schweizer Aktienpaket beziehenden Verpflichtungsklage als verfahrensfehlerhaft. In materieller Hinsicht rügt die Beigeladene ebenfalls vorrangig einen Verstoß gegen § 1 Abs. 2 Satz 2 DDR-EErfG.
Entscheidungsgründe
II
Die zulässigen (1.) Revisionen der Beteiligten sind unbegründet (2.).
1. Die Revisionen begegnen keinen Zulässigkeitsbedenken.
a) Die Revision des Beklagten ist nicht wegen Versäumens der am 15. April 2013 abgelaufenen Begründungsfrist des § 139 Abs. 3 Satz 1 VwGO unzulässig. Dem Beklagten ist die von ihm fristgerecht beantragte Wiedereinsetzung in die versäumte Rechtsmittelbegründungsfrist gemäß § 60 VwGO zu gewähren. Denn er war ohne Verschulden gehindert, die Revisionsbegründungsfrist einzuhalten.
Es kann davon ausgegangen werden, dass bei der Deutschen Post AG im Bundesgebiet werktags aufgegebene Postsendungen entsprechend ihrer amtlichen Verlautbarungen grundsätzlich am folgenden Werktag ausgeliefert werden. Ohne konkrete Anhaltspunkte muss ein Rechtsmittelführer deshalb nicht mit Postlaufzeiten rechnen, die die ernsthafte Gefahr der Fristversäumung begründen (Urteil vom 20. Juni 2013 – BVerwG 4 C 2.12 – BVerwGE 147, 37 Rn. 8 m.w.N.). Das gilt entgegen der Ansicht der Klägerin auch, wenn das zu befördernde Schriftstück der Post an einem Freitag zur Versendung übergeben wird. Denn Differenzierungen danach, ob eine eingetretene Verzögerung beispielsweise auf einer verminderten Dienstleistung der Deutschen Post AG etwa an Wochenenden beruht, sind unzulässig (BVerfG, Kammerbeschluss vom 25. September 2000 – 1 BvR 2104/99 – NJW 2001, 1566). Die Post-Universaldienstleistungsverordnung – PUDLV – vom 15. Dezember 1999 (BGBl I S. 2418), zuletzt geändert durch Gesetz vom 7. Juli 2005 (BGBl I S. 1970), steht dem nicht entgegen (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Mai 2009 – IV ZB 2/08 – NJW 2009, 2379 ≪2380≫).
Der Beklagte hat glaubhaft gemacht, dass der Revisionsbegründungsschriftsatz am Freitag, den 12. April 2013, als Großbrief bei der Post aufgegeben wurde. Der Umschlag war ordnungsgemäß an das Bundesverwaltungsgericht adressiert und ausreichend frankiert. Der Beklagte durfte daher erwarten, dass der Schriftsatz jedenfalls spätestens am zweiten Werktag nach der Einlieferung bei der Post, also am Montag, den 15. April 2013 ankommt, zumal er nur von B. nach Leipzig befördert werden musste.
b) Entgegen der Auffassung der Klägerin erweist sich auch die Revision der Beigeladenen als zulässig.
Der Klägerin ist nicht darin zu folgen, dass der Beigeladenen das Rechtsschutzinteresse zur Anfechtung des erstinstanzlichen Urteils deshalb fehle, weil sie im Tenor der Entscheidung nicht als Adressat des Entschädigungsanspruchs genannt werde. Die erforderliche Beschwer der Beigeladenen folgt daraus, dass das Verwaltungsgericht den Beklagten zur Festsetzung einer Entschädigung verpflichtet hat und sich aus den insoweit tragenden und mit Blick auf die Beschwer der Beigeladenen heranzuziehenden Entscheidungsgründen ergibt, dass diese Entschädigungsverpflichtete ist.
Die Revisionsbegründung der Beigeladenen genügt auch den formalen Anforderungen des § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO. Insbesondere enthält sie eine ausreichende und nicht nur formelhafte, allgemein gehaltene Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Urteils, der zu entnehmen ist, warum die Beigeladene das Urteil für fehlerhaft hält.
2. Das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts beruht nicht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Der Senat ist gehindert, der Frage des von der Beigeladenen gerügten Verfahrensmangels nachzugehen (a). In materiell-rechtlicher Hinsicht ist das erstinstanzliche Urteil revisionsrechtlich nicht zu beanstanden (b).
a) Das Bundesverwaltungsgericht ist auf die Überprüfung materiell-rechtlicher Fehler des angefochtenen Urteils beschränkt.
Die Rüge der Beigeladenen, die Voraussetzungen des § 93 Satz 2 VwGO für eine Abtrennung der sich auf das sog. Schweizer Aktienpaket beziehenden Verpflichtungsklage hätten nicht vorgelegen, muss bereits daran scheitern, dass die Trennung von Verfahren generell nach § 146 Abs. 2 VwGO mit der Folge unanfechtbar ist, dass sie als solche nicht der Nachprüfung durch das Bundesverwaltungsgericht unterliegt (§ 173 VwGO i.V.m. § 557 Abs. 2 ZPO; Beschluss vom 20. Mai 2011 – BVerwG 8 B 64.10 – juris Rn. 5 m.w.N. und Urteil vom 25. März 2010 – BVerwG 5 C 15.09 – Buchholz 428.41 § 1 EntschG Nr. 4 Rn. 24).
Unbeschadet dessen kann der Rechtsmittelführer Mängel rügen, die als Folge der beanstandeten Trennung dem angefochtenen Urteil selbst anhaften, also auf die der Nachprüfung durch das Revisionsgericht unterliegende Sachentscheidung durchschlagen (Beschluss vom 20. Mai 2011 a.a.O. Rn. 6 m.w.N.). Solche Mängel sind von der Beigeladenen aber nicht in einer den Anforderungen des § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO genügenden Weise dargelegt worden. Ihr Einwand, die Klage hätte überwiegend keinen Erfolg gehabt, wenn die Trennung unterblieben wäre, sodass die Klägerin ihre – der Beigeladenen – Kosten hätte tragen müssen, bezieht sich auf die Nebenentscheidung über die Kostentragungspflicht. Ihre Ausführungen, das Verwaltungsgericht habe mit seiner Auslegung des Klageantrags dem Ansatz der Klägerin widersprochen, hinsichtlich der Beteiligung an der L. AG in Form von zwei Aktienpaketen einen einheitlichen Entschädigungsanspruch geltend zu machen, betreffen die Grundlage der Sachentscheidung, nicht aber die Sachentscheidung selbst.
Da die Trennung des Verfahrens durch das Verwaltungsgericht nicht der revisionsgerichtlichen Kontrolle unterliegt, kann die Beigeladene auch nicht mit Erfolg geltend machen, die angeblich fehlerhafte Trennung habe eine Verletzung des § 88 VwGO bewirkt.
b) Das Verwaltungsgericht nimmt im Ergebnis ohne Rechtsverstoß an, dass der Klägerin gegen die Beigeladene ein Anspruch auf Erfüllung eines Entschädigungsanspruchs in Höhe von 125 241,34 EUR (aa) nebst 4 v.H. Zinsen für das Jahr ab dem 17. Dezember 2003 (bb) zusteht.
aa) Der geltend gemachte Anspruch auf Erfüllung eines Entschädigungsanspruchs folgt aus § 1 Abs. 2 Satz 2 des Gesetzes zur Regelung in der Deutschen Demokratischen Republik nicht erfüllter Entschädigungsansprüche aus Enteignung (DDR-Entschädigungserfüllungsgesetz – DDR-EErfG) vom 10. Dezember 2003 (BGBl I S. 2471, ber. BGBl I 2004, S. 1654). Danach gilt die entsprechende Anwendung dieses Gesetzes – d.h. des DDR-Entschädigungserfüllungsgesetzes – auch für zunächst freigestellte Beteiligungen von ausländischen Gesellschaftern an den auf der genannten – d.h. besatzungsrechtlichen oder besatzungshoheitlichen – Grundlage enteigneten Unternehmensträgern, wobei der Antragsteller in diesen Fällen den Verzicht auf etwaig fortbestehende Beteiligungs- oder sonstige Vermögensrechte zu erklären hat, die im Zusammenhang mit der Enteignung dem ausländischen Gesellschafter an dem neu gebildeten Unternehmen eingeräumt worden waren. Das DDR-Entschädigungserfüllungsgesetz ist darauf gerichtet, Entschädigungsansprüche zu erfüllen, die nach dem Recht der Deutschen Demokratischen Republik bestanden. Während § 1 Abs. 1 DDR-EErfG einen derartigen Entschädigungserfüllungsanspruch hinsichtlich solcher Enteignungen verleiht, die in die Zeit des Bestehens der Deutschen Demokratischen Republik fallen, erstreckt § 1 Abs. 2 Satz 1 DDR-EErfG diesen Erfüllungsanspruch auf Entschädigungen, die im Beitrittsgebiet bei Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage vorgesehen waren. § 1 Abs. 2 Satz 2 DDR-EErfG trägt in spezieller Weise einem schutzwürdigen Interesse bestimmter Anteilseigner dadurch Rechnung, dass ihnen unter den genannten Voraussetzungen ein Entschädigungsanspruch zuerkannt wird. Der Sache nach geht es dabei um eine Entschädigung für eine mittelbare Schädigung in Form der Minderung des Wertes der Beteiligung eines ausländischen Gesellschafters an einem Unternehmensträger infolge einer Enteignung von Vermögenswerten der Gesellschaft. Das Verwaltungsgericht geht zu Recht davon aus, dass die anspruchsbegründenden Voraussetzungen der Vorschrift erfüllt sind ((1)), § 1 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 DDR-EErfG eine Rechtsfolgenverweisung auf § 1 Abs. 2 Satz 1 DDR-EErfG enthält ((2)), für den Anspruch ohne Bedeutung ist, ob die Klägerin möglicherweise Zweitgeschädigte ist ((3)) und die Beigeladene in entsprechender Anwendung des § 1 Abs. 1 Satz 1 DDR-EErfG zur Leistung der Entschädigung verpflichtet ist ((4)). Die vom Verwaltungsgericht zugesprochene Höhe der Entschädigung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ((5)).
(1) Die Voraussetzungen des Entschädigungserfüllungsanspruchs nach § 1 Abs. 2 Satz 2 DDR-EErfG liegen vor. Die Klägerin ist antrags- und entschädigungsberechtigt ((a)). Die von § 1 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 DDR-EErfG geforderte Enteignung eines Unternehmensträgers ist auch gegeben, wenn – wie in Bezug auf die L. AG festgestellt – nur sein im Beitrittsgebiet belegenes Vermögen enteignet wurde ((b)). Die Enteignung der Vermögenswerte der L. AG erfolgte auf besatzungshoheitlicher Grundlage ((c)). Die Beteiligung der Rechtsvorgängerin der Klägerin an der L. AG war zunächst freigestellt ((d)). Abgesehen davon ist zwischen den Beteiligten nicht streitig, dass die Klägerin den nach § 1 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 DDR-EErfG geforderten Verzicht erklärt sowie die Antragsfrist des § 5 Satz 1 DDR-EErfG eingehalten hat und der Anspruch nicht gemäß § 7 DDR-EErfG ausgeschlossen ist.
(a) § 1 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 DDR-EErfG nennt als Normadressaten und damit als möglichen Antrags- und Entschädigungsberechtigten ausdrücklich nur die ausländischen Gesellschafter enteigneter Unternehmensträger. In Fällen der vorliegenden Art, in denen der ausländische Gesellschafter des geschädigten Unternehmensträgers – wie hier – eine juristische Person ist, sind über den Wortlaut hinaus zumindest die Rechtsnachfolger antrags- und entschädigungsberechtigt, die im Wege der Gesamtrechtsnachfolge in vollem Umfang in die Rechtsposition der ausländischen juristischen Person eingetreten sind, also auch hinsichtlich eines möglichen Entschädigungsanspruchs nach den im Beitrittsgebiet anzuwendenden gesetzlichen Bestimmungen, und die somit erworbene gesellschaftsrechtliche Beteiligung auch in der Folgezeit nicht verloren haben. Das folgt aus dem allgemeinen Grundsatz, dass geldwerte Ansprüche des öffentlichen Rechts, die ihrer Art nach nicht höchstpersönlicher Natur sind, grundsätzlich auf andere Rechtsträger übertragen werden können, wenn nichts Gegenteiliges geregelt ist (vgl. Urteil vom 29. Juni 1960 – BVerwG 5 C 447.58 – BVerwGE 11, 43 ≪46≫; s.a. Urteil vom 21. September 1989 – BVerwG 3 C 22.87 – Buchholz 427.3 § 261 LAG Nr. 53 S. 2 f.).
Bei den in der Deutschen Demokratischen Republik nicht erfüllten Entschädigungsansprüchen handelt es sich um solche Ansprüche. Sie gehören zu den geldwerten Ansprüchen des öffentlichen Rechts, die mangels gegenteiliger Anhaltspunkte nicht nach Art eines höchstpersönlichen Anspruchs an die Person des ausländischen Gesellschafters gebunden sind, der im Zeitpunkt der Enteignung an dem unmittelbar geschädigten Unternehmensträger beteiligt war. Auch dem DDR-Entschädigungserfüllungsgesetz ist nichts Gegenteiliges zu entnehmen. Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich deutlich, dass der Gesetzgeber die Rechtsnachfolger des geschädigten früheren Eigentümers von Vermögenswerten grundsätzlich in den Kreis der Anspruchsberechtigten einbeziehen wollte (vgl. BTDrucks 15/1180 S. 25). Dementsprechend ging er von der Übertragbarkeit der nach dem Recht der Deutschen Demokratischen Republik begründeten, am 2. Oktober 1990 noch offenen Entschädigungsansprüche aus. Dies wird von § 1 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 DDR-EErfG bestätigt, der zwischen dem Antragsteller und dem ausländischen Gesellschafter unterscheidet und diese einander gegenüberstellt. Ob und gegebenenfalls welche weiteren Kriterien zur Bestimmung des Antrags- und Entschädigungsberechtigten heranzuziehen sind, wenn die von einer ausländischen juristischen Person gehaltene Beteiligung an einem enteigneten Unternehmensträger isoliert an einen Dritten übertragen wurde, bedarf hier keiner Entscheidung.
Mit Rücksicht auf diese rechtlichen Vorgaben nimmt das Verwaltungsgericht auf der Grundlage der von ihm getroffenen Tatsachenfeststellungen zu den einzelnen Übertragungsvorgängen an, dass die Klägerin Rechtsnachfolgerin der CI-CA und ihr demzufolge der von der CICA im Zeitpunkt der Enteignung gehaltene streitgegenständliche Anteil aus dem sog. Schweizer Aktienpaket an der L. AG zuzuordnen ist.
Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts hat die CICA im Jahr 1937 einen Anteil in Höhe von nominell 397 000 RM (entspricht einem Anteil an der L. AG in Höhe von 6,616 v.H.) aus dem sog. Schweizer Aktienpaket von der S. erworben. Letztere hatte diesen Anteil zuvor vom Bankhaus W. in Z. gekauft, dem seinerseits das gesamte sog. Schweizer Aktienpaket in Höhe von nominell 597 000 RM im Mai/Juni 1937 von den ursprünglichen Gesellschaftern übertragen worden war. Der im Rückerstattungsverfahren erlassene Teilbeschluss des Landgerichts B. vom 2. September 1952, der den Verkauf des Aktienpaketes für nichtig erklärte, steht der Wirksamkeit der Übertragung nicht entgegen, da dem rechtskräftigen Beschluss des Kammergerichts B. vom 14. November 1953 die Feststellung zu entnehmen ist, dass der Antrag auf Rückerstattung bezüglich des sog. Schweizer Aktienpakets gegenüber der Verwaltung zurückgenommen und auf die Rechte aus dem Teilbeschluss wirksam verzichtet wurde. Infolge der Auflösung der CICA gingen die Aktien 1950 auf deren französische Muttergesellschaft B. A. Q. über. Von dieser wurden sie im Wege der Fusion auf die S.E. Q. in C. bzw. E. Q. S.A. übertragen. Ausweislich der Bescheinigung des Notars Julio Q. vom 3. November 2004 hat die letztgenannte Gesellschaft im Juni 1997 ihre Firmenbezeichnung in den Namen der Klägerin geändert. Diese Feststellungen des Verwaltungsgerichts sind gemäß § 137 Abs. 2 VwGO für den Senat bindend, da gegen sie insbesondere von der Beigeladenen – die allein noch die Anspruchsberechtigung der Klägerin bestreitet – keine zulässigen und begründeten Verfahrensrügen erhoben werden. Die darauf aufbauende rechtliche Schlussfolgerung der Vorinstanz, die Klägerin sei für die Geltendmachung des Entschädigungsanspruchs hinsichtlich der Anteile aus dem sog. Schweizer Aktienpaket aktivlegitimiert, ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden.
(b) Die Annahme des Verwaltungsgerichts, enteigneter Unternehmensträger im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 DDR-EErfG könne auch ein Unternehmensträger sein, der im Zeitpunkt seiner Schädigung Vermögenswerte im Beitrittsgebiet und außerhalb dieses Gebietes besessen habe, von denen nur erstere enteignet worden seien, hält der revisionsrechtlichen Prüfung stand ((aa)). Eine Enteignung der im Beitrittsgebiet belegenen Vermögenswerte der L. AG wird vom Verwaltungsgericht zu Recht bejaht ((bb)).
(aa) Das Tatbestandsmerkmal „enteigneten Unternehmensträgern” im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 DDR-EErfG erfüllt auch ein Rechtsträger (= natürliche oder juristische Person bzw. rechtsfähige Personenhandelsgesellschaft), der mit seinen im Beitrittsgebiet belegenen Vermögenswerten der Sache nach lediglich teilenteignet wurde. Dies ergibt sich zweifelsfrei aus der Entstehungsgeschichte der Bestimmung ((aaa)). Der Wortlaut der Rechtsnorm steht dem nicht entgegen ((bbb)).
(aaa) Aus der Entstehungsgeschichte des § 1 Abs. 2 Satz 2 DDR-EErfG folgt, dass der Gesetzgeber den von der Bestimmung verliehenen Anspruch insbesondere ausländischen Gesellschaftern gewähren will, die an enteigneten Unternehmensträgern beteiligt waren, die im Zeitpunkt ihrer Schädigung Vermögenswerte im Beitrittsgebiet und außerhalb dieses Bereiches besaßen, denen aber nur ihre im Beitrittsgebiet belegenen Werte entzogen wurden.
§ 1 Abs. 2 Satz 2 DDR-EErfG war in dem ursprünglichen Entwurf des DDR-Entschädigungserfüllungsgesetzes nicht enthalten (Art. 4 des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Entschädigungsgesetzes und anderer Vorschriften ≪Entschädigungsrechtsänderungsgesetz – EntschRÄndG≫, BTDrucks 15/1180). Die Bestimmung geht zurück auf die Beschlussempfehlung des Finanzausschusses des Bundestages (BTDrucks 15/1808). Der Finanzausschuss ließ sich insoweit ersichtlich von den Erkenntnissen leiten, die er aufgrund der Öffentlichen Anhörung zu dem Entwurf des Entschädigungsrechtsänderungsgesetzes gewonnen hatte. Im Rahmen der Anhörung wurde von einem Sachverständigen die Ergänzung des Entwurfs des DDR-Entschädigungserfüllungsgesetzes um eine Bestimmung angeregt, die dem § 1 Abs. 2 Satz 2 DDR-EErfG entspricht. Der Sachverständige hatte – wie das Verwaltungsgericht zutreffend darlegt – die Frage der Entschädigung für freigestellte ausländische Beteiligungen ausdrücklich mit Blick auf Beteiligungen an Unternehmen wie AEG, Daimler-Benz und Siemens aufgeworfen (vgl. BT, 15. WP, Finanzausschuss, Öffentliche Anhörung vom 8. Oktober 2003, Protokoll Nr. 33 S. 21). Diese Unternehmen zeichneten sich dadurch aus, dass ihr räumlicher Tätigkeitsbereich nicht auf das Beitrittsgebiet beschränkt war, so dass ihre Schädigung nur hinsichtlich eines Teils ihrer Vermögenswerte eintreten konnte.
(bbb) Diesem Ergebnis der historischen Auslegung steht der Wortlaut des § 1 Abs. 2 Satz 2 DDR-EErfG nicht entgegen. Es liegt innerhalb des möglichen Wortsinns, dass mit den „enteigneten Unternehmensträgern” ausschließlich der Adressat der Schädigung angesprochen wird. Der Wortlaut gibt keine zwingende Begrenzung dahin vor, dass mit den „enteigneten Unternehmensträgern” auf den Umfang der Schädigung verwiesen und vorausgesetzt wird, dass der betreffende Unternehmensträger in seiner Gesamtheit enteignet wurde.
(bb) Der Enteignungsbegriff des § 1 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 DDR-EErfG greift den vermögensrechtlichen Enteignungsbegriff auf. Das ist bereits dem Gesetzeswortlaut mit hinreichender Sicherheit zu entnehmen. Mit der Formulierung „auf der genannten Grundlage enteigneten” knüpft der Wortlaut des § 1 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 DDR-EErfG an die Wendung „Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage” in § 1 Abs. 2 Satz 1 DDR-EErfG an, die ihrerseits mit der Formulierung in § 1 Abs. 8 Buchst. a des Gesetzes zur Regelung offener Vermögensfragen (Vermögensgesetz – VermG) vom 9. Februar 2005 (BGBl I S. 205), zuletzt geändert durch Gesetz vom 1. Oktober 2013 (BGBl I S. 3719), identisch ist. Die Merkmale der Enteignung im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 DDR-EErfG entsprechen mithin denen des faktischen Enteignungsbegriffes des Vermögensrechts. Letzterer setzt keine bestimmte Form der Vermögensentziehung voraus. Auch auf deren Rechtmäßigkeit kommt es nicht an. Maßgeblich ist vielmehr, dass der frühere Eigentümer durch hierauf gerichtete staatliche Maßnahmen vollständig und endgültig aus seinem Eigentum verdrängt wurde und dass diese Verdrängung in der Rechtswirklichkeit für den Eigentümer greifbar zum Ausdruck kam (stRspr; z.B. Urteil vom 28. November 2012 – BVerwG 8 C 20.11 – ZOV 2013, 34 Rn. 15 m.w.N.). Das Verwaltungsgericht wendet diesen rechtlichen Maßstab zwar nicht ausdrücklich, aber der Sache nach an und erkennt auf der Grundlage seiner tatsächlichen Feststellungen zu Recht dahin, dass die Vermögenswerte der L. AG enteignet wurden.
Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des Verwaltungsgerichts wurde das Vermögen der L. AG auf der Grundlage des Gesetzes zur Einziehung von Vermögenswerten der Kriegsverbrecher und Naziaktivisten des Magistrats von Groß-Berlin vom 8. Februar 1949 (VOBl Teil I Nr. 5 S. 34) in Verbindung mit dem Durchführungsbeschluss des Magistrats von Groß-Berlin vom gleichen Tag (VOBl Teil I Nr. 5 S. 33) eingezogen und in Volkseigentum überführt. Die Veröffentlichung der Einziehung erfolgte in der Bekanntmachung über nach dem Enteignungsgesetz vom 8. Februar 1949 eingezogene Vermögenswerte vom 11. Februar 1949 (Liste 1) des Magistrats von Groß-Berlin unter der laufenden Nummer … mit dem Klammerzusatz „deutsche Anteile enteignet” … Daraus ergibt sich, dass sich jedenfalls die deutschen Anteilseigner mit der Bekanntmachung der Liste 1 als vollständig und endgültig aus ihrem Eigentum verdrängt betrachten mussten.
(c) Die Vermögenswerte der L. AG wurden auch auf besatzungshoheitlicher Grundlage enteignet.
Dem Merkmal „besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage” im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 DDR-EErfG, auf den § 1 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 DDR-EErfG mit der Formulierung „auf der genannten Grundlage” Bezug nimmt, liegt ebenfalls das Begriffsverständnis des Vermögensrechts zugrunde. Auch das ergibt sich schon mit hinreichender Deutlichkeit aus der Übernahme der in § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG verwandten Formulierung in § 1 Abs. 2 Satz 1 DDR-EErfG. Im Sinne des Vermögensrechts liegt eine besatzungsrechtliche Enteignung vor, wenn die Enteignung auf Beschluss der sowjetischen Besatzungsmacht vorgenommen wurde. Unter Enteignungen auf besatzungshoheitlicher Grundlage sind solche Enteignungen zu verstehen, die zwar nicht auf Beschluss der sowjetischen Besatzungsmacht vorgenommen wurden, aber auf deren Wünsche oder Anregungen zurückgehen oder sonst ihrem generellen oder im Einzelfall geäußerten Willen entsprachen. Das folgt aus dem Zweck des Restitutionsausschlusses in § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG, die frühere Besatzungsmacht Sowjetunion hinsichtlich der von ihr zu verantwortenden Enteignungen von dem die Restitution begleitenden Unrechtsvorwurf freizustellen (vgl. Urteil vom 30. Juni 1994 – BVerwG 7 C 58.93 – BVerwGE 96, 183 ≪185≫ m.w.N.). Gemessen an diesem – von ihm der Sache nach zugrunde gelegten – rechtlichen Maßstab, nimmt das Verwaltungsgericht zutreffend an, dass die Enteignung der Vermögenswerte der L. AG auf besatzungshoheitlicher Grundlage erfolgte.
Das Bundesverwaltungsgericht hat für die vom Magistrat von Groß-Berlin nach Maßgabe der Liste 1 zum Gesetz zur Einziehung von Vermögenswerten der Kriegsverbrecher und Naziaktivisten vom 8. Februar 1949 vorgenommenen Enteignungen den besatzungshoheitlichen Charakter bereits bejaht. Zur Begründung hat es ausgeführt, derartige Enteignungen seien durch Akte der sowjetischen Besatzungsmacht gezielt ermöglicht worden und hätten maßgeblich auf deren Entscheidung beruht. Denn die enteigneten Vermögenswerte seien – wie auch im vorliegenden Fall – zuvor von der sowjetischen Besatzungsmacht aufgrund des auch in Berlin gültigen Befehls Nr. 124 der Sowjetischen Militär-Administration in Deutschland (SMAD) vom 30. Oktober 1945 betreffend die „Auferlegung der Sequestration und Übernahme in zeitweilige Verwaltung einiger Vermögenskategorien” beschlagnahmt worden. An die damit von der sowjetischen Besatzungsmacht in ihrem Sektor geschaffene Sach- und Rechtslage habe der Magistrat von Groß-Berlin angeknüpft, indem er beschlossen habe, von den aus dem Sequester der Besatzungsmacht freigegebenen Betrieben und Vermögen der „Kriegsverbrecher und Naziaktivisten” die in der Liste 1 genannten Vermögenswerte zu enteignen (vgl. Nr. 1 des Beschlusses des Magistrats von Groß-Berlin vom 8. Februar 1949 zur Durchführung des Gesetzes vom 8. Februar 1949). Dementsprechend nehme das Gesetz vom 8. Februar 1949 ausdrücklich auf den Befehl Nr. 124 der SMAD Bezug. Mit diesem Gesetz seien die Enteignungsaktionen gegen „Kriegsverbrecher und Naziaktivisten”, die in den Ländern der sowjetischen Besatzungszone mit Billigung der Besatzungsmacht bereits durchgeführt gewesen seien, im sowjetischen Sektor von Berlin nachgeholt worden (vgl. Urteil vom 29. April 1994 – BVerwG 7 C 47.93 – BVerwGE 96, 8 ≪15 f.≫; s.a. Urteil vom 30. Juni 1994 a.a.O.). An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest.
(d) Das Verwaltungsgericht geht im Ergebnis zu Recht davon aus, dass die Beteiligung der Rechtsvorgängerin der Klägerin an der L. AG (zunächst) freigestellt war.
Der Begriff der (zunächst) „freigestellten Beteiligung” im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 DDR-EErfG ist mit Rücksicht auf seine inhaltliche Verknüpfung zum Begriff der Enteignung auszufüllen. Freistellung bedeutet, dass die Enteignungswirkung der besatzungsrechtlichen oder besatzungshoheitlichen Grundlage bezüglich des von der Beteiligung vermittelten Eigentumsanteils an dem enteigneten Unternehmensträger bzw. dessen Vermögenswerten jedenfalls in wirtschaftlicher Hinsicht zurückgenommen wird (vgl. insoweit auch Urteil vom 10. August 2005 – BVerwG 8 C 18.04 – Buchholz 428 § 1 Abs. 8 VermG Nr. 32 Rn. 30 = ZOV 2005, 372). Wegen seiner systematischen Wechselbeziehung zur Enteignung lässt sich die Freistellung – entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts – nicht auf den Begriff verengen, der in der Verordnung des Ministerrates der Deutschen Demokratischen Republik vom 23. August 1956 bzw. der Verordnung des Magistrats von Groß-Berlin vom 15. Oktober 1956 verwandt wird. Es ist daher nicht erforderlich, dass Beteiligungen „auf Vorschlag der Sequesterkommission durch Beschluss der ehemaligen Landesregierungen freigestellt wurden” (vgl. § 1 der Verordnung vom 23. August 1956) bzw. „in der Bekanntmachung über weitere Einziehungen aufgrund des Gesetzes vom 8. Februar 1949 (Liste 3) (VOBl I S. 425) freigestellt worden sind” (vgl. § 1 der Verordnung vom 15. Oktober 1956). Vielmehr ist der Begriff der Freistellung ebenso wie derjenige der Enteignung vornehmlich im faktischen Sinn zu verstehen. Die Freistellung setzt mithin keine bestimmte Form voraus. Auch auf deren Rechtmäßigkeit kommt es nicht an. Maßgeblich ist vielmehr, dass in der Rechtswirklichkeit deutlich zum Ausdruck gekommen ist, dass der Anteilsinhaber durch die Enteignung auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage zumindest wirtschaftlich betrachtet aus seiner Stellung nicht vollständig und endgültig verdrängt werden sollte (vgl. Urteil vom 10. August 2005 a.a.O.). In Anwendung dieser rechtlichen Grundsätze ist dahin zu erkennen, dass sich die CICA mit der Bekanntmachung der Liste 1 zum Gesetz zur Einziehung von Vermögenswerten der Kriegsverbrecher und Naziaktivisten vom 8. Februar 1949 durch den Magistrat von Groß-Berlin vom 11. Februar 1949 zumindest wirtschaftlich betrachtet nicht als vollständig und endgültig aus ihrer Stellung als Aktionärin verdrängt sehen musste. Das folgt im Umkehrschluss aus dem Klammerzusatz „deutsche Anteile enteignet”.
Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts war zwar die L. AG in Liste 1 unter der laufenden Nummer … als einer der Betriebe bzw. (juristischen) Personen aufgeführt, deren Eigentum aufgrund von § 8 des Gesetzes vom 8. Februar 1949 zur Einziehung von Vermögenswerten der Kriegsverbrecher und Naziaktivisten als Vermögen von solchen Personen entschädigungslos eingezogen und in Volkseigentum überführt wird. Jedoch enthält die Veröffentlichung den Klammerzusatz „deutsche Anteile enteignet”. Nach dem Wortlaut sollte also ersichtlich nur das Eigentum deutscher Rechtsträger enteignet werden. Daraus ist in einem Umkehrschluss zu folgern, dass alles, was nicht im Sinne des Klammerzusatzes deutscher Anteil an der L. AG war, von der Enteignung(-swirkung) nicht erfasst werden sollte. Hierzu zählt die ausländischen (natürlichen oder juristischen) Personen gehörende Beteiligung an der L. AG und deren Vermögenswerte. Der Klammerzusatz ist als Antwort auf den wiederholt geäußerten Willen der sowjetischen Besatzungsmacht zu werten, den Eigentumsstatus des bei Ende des Krieges vorhandenen ausländischen Vermögens zu schützen (vgl. zum allgemeinen Schutzversprechen der sowjetischen Besatzungsmacht z.B. Beschlüsse vom 24. Juni 2005 – BVerwG 7 B 6.05 – ZOV 2006, 277 und vom 23. März 2005 – BVerwG 8 B 3.05 – Buchholz 428 § 2 VermG Nr. 80 S. 97 f. m.w.N.).
(2) Das Verwaltungsgericht geht im Einklang mit Bundesrecht davon aus, dass § 1 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 DDR-EErfG auf die Rechtsfolge des § 1 Abs. 2 Satz 1 DDR-EErfG verweist. Demzufolge setzt der Anspruch nach § 1 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 DDR-EErfG entgegen der Ansicht des Beklagten und der Beigeladenen nicht voraus, dass ein verdichtetes Entschädigungsversprechen bestand und nicht erfüllt wurde. Das lässt sich aus dem Sinn und Zweck der Norm folgern ((a)). Der Gesetzeswortlaut lässt ein derartiges Normverständnis zu ((b)).
(a) Die aus den Gesetzesmaterialien ermittelte Zielsetzung des § 1 Abs. 2 Satz 2 DDR-EErfG spricht eindeutig für eine Rechtsfolgenverweisung.
Das DDR-Entschädigungserfüllungsgesetz soll insbesondere die Lücke schließen, die sich für Fallgestaltungen ergab, bei denen es für Enteignungen im Beitrittsgebiet nach den damaligen gesetzlichen Bestimmungen der Deutschen Demokratischen Republik ein Entschädigungsversprechen gab, das zwar normativ oder in der Verwaltungspraxis verdichtet war, hingegen nicht erfüllt wurde. In diesen Fällen schied ein Anspruch nach dem Vermögensgesetz aus, weil die Enteignungen nicht als „entschädigungslos” i.S.v. § 1 Abs. 1 Buchst. 1a VermG anzusehen waren (vgl. dazu Beschluss vom 19. März 2009 – BVerwG 5 B 106.08 – Buchholz 428.43 DDR-EErfG Nr. 2 Rn. 4 und 7 f.). Das DDR-Entschädigungserfüllungsgesetz schließt diese Schutzlücke, indem es unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf nachträgliche Erfüllung des Entschädigungsanspruchs verleiht.
Hinsichtlich freigestellter inländischer Beteiligungen an – auch auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage – enteigneten Unternehmen(-strägern) ging der Gesetzgeber erkennbar davon aus, dass nach dem Recht der Deutschen Demokratischen Republik grundsätzlich eine Entschädigung im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 DDR-EErfG vorgesehen war. Dafür ließ er sich – wie den Gesetzgebungsmaterialien zweifelsfrei zu entnehmen ist (vgl. BTDrucks 15/1180 S. 25 f. und BTDrucks 15/1808 S. 13) – von der Vorstellung leiten, solche Beteiligungen unterfielen der Verordnung des Ministerrates der Deutschen Demokratischen Republik über die Entschädigung ehemaliger Gesellschafter für Beteiligungen an enteigneten Unternehmen und die Befriedigung langfristiger Verbindlichkeiten aus der Zeit nach dem 8. Mai 1945 vom 23. August 1956 (GBl I S. 683). Deren § 1 ordnete an, dass für Beteiligungen, die bis zum Übergang des Unternehmens in das Eigentum des Volkes bestanden haben, an die ehemaligen Gesellschafter des enteigneten Unternehmens nach den Bestimmungen der Verordnung Entschädigungen zu leisten sind, wenn ihre Beteiligung auf Vorschlag der Sequesterkommission durch Beschluss der ehemaligen Landesregierungen freigestellt wurden. Die auf der Verordnung vom 23. August 1956 gründende Annahme des Gesetzgebers erstreckte sich auf sämtliche inländische Beteiligungen ohne Rücksicht darauf, ob diese im Gebiet der früheren Deutschen Demokratischen Republik oder im Ostteil von Berlin angesiedelt waren.
Der ursprüngliche Entwurf des DDR-Entschädigungserfüllungsgesetzes enthielt – wie aufgezeigt – keine dem § 1 Abs. 2 Satz 2 DDR-EErfG entsprechende Bestimmung. Sie wurde im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens in den Entwurf eingefügt, weil der Gesetzgeber hinsichtlich der von der Regelung erfassten freigestellten ausländischen Beteiligungen es als zumindest möglich ansah, dass insoweit ein für einen Anspruch nach § 1 Abs. 2 Satz 1 DDR-EErfG erforderliches verdichtetes Entschädigungsversprechen nicht gegeben war. Wie der Begründung zu § 1 Abs. 2 Satz 2 DDR-EErfG (BTDrucks 15/1808 S. 13) zu entnehmen ist, hegte der Gesetzgeber Zweifel, ob insoweit auch mit Blick auf die hier in Rede stehenden Beteiligungen auf die Verordnung des Ministerrates der Deutschen Demokratischen Republik über die Entschädigung ehemaliger Gesellschafter für Beteiligungen an enteigneten Unternehmen und die Befriedigung langfristiger Verbindlichkeiten aus der Zeit nach dem 8. Mai 1945 vom 23. August 1956 (a.a.O.) abgestellt werden kann. Dagegen sprach aus Sicht des Gesetzgebers, dass nach Nummer 3 Buchstabe c der Anweisung Nummer 38/56 des Ministeriums der Finanzen der Deutschen Demokratischen Republik vom 14. November 1956 ein Entschädigungsverfahren für die freigestellten ausländischen Beteiligungen nicht durchgeführt werden konnte. Mit Blick darauf wird in der Gesetzesbegründung (a.a.O.) festgestellt, dass eine abschließende Behandlung dieser Beteiligungen stets einer späteren vertraglichen Regelung vorbehalten worden sei, zu der es jedoch nicht gekommen sei. Damit hat sich der Gesetzgeber der Sache nach die Zweifel zu eigen gemacht, die im Rahmen der Öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses zu dem Entwurf des Entschädigungsrechtsänderungsgesetzes in Zusammenhang mit der Frage geäußert wurden, ob auch hinsichtlich ausländischer Beteiligungen ein verdichtetes Entschädigungsversprechen vorlag (vgl. BT, 15. WP, Finanzausschuss, Öffentliche Anhörung vom 8. Oktober 2003, Protokoll Nr. 33 S. 21 f.). Die sich aus der Anweisung Nummer 38/56 ergebenden Rechtsunsicherheiten sollten durch § 1 Abs. 2 Satz 2 DDR-EErfG beseitigt werden. Den ausländischen Gesellschaftern sollte für ihre freigestellten Beteiligungen in jedem Fall ein Entschädigungsanspruch eingeräumt werden. § 1 Abs. 2 Satz 2 DDR-EErfG stellt sicher, dass Inländer und Ausländer bei Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage nach dem DDR-Entschädigungserfüllungsgesetz den gleichen Schutz genießen (vgl. BTDrucks 15/1808 a.a.O.). Auch insoweit hat der Gesetzgeber nicht zwischen Beteiligungen unterschieden, die in der Deutschen Demokratischen Republik oder im Ostteil von Berlin angesiedelt waren. Dem dargestellten Zweck des § 1 Abs. 2 Satz 2 DDR-EErfG würde es zuwiderlaufen, wenn auch in seinem Anwendungsbereich zu prüfen wäre, ob ein hinreichend konkretes Entschädigungsversprechen gegeben war. Soweit dem die Beschlüsse des Senats vom 19. März 2009 (a.a.O.) und vom 13. Dezember 2010 (BVerwG 5 B 20.10 – ZOV 2011, 45) entgegenstehen, wird daran nicht festgehalten. Dass durch § 1 Abs. 2 Satz 2 DDR-EErfG für ausländische Gesellschafter möglicherweise erstmals ein Entschädigungsanspruch begründet wird, hat der Gesetzgeber dabei in Kauf genommen.
(b) Das Auslegungsergebnis ist mit dem Wortlaut des § 1 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 DDR-EErfG vereinbar. Der Formulierung „dies gilt auch” kann nicht ausschließlich oder zumindest hinreichend deutlich entnommen werden, dass auf die anspruchsbegründenden Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 DDR-EErfG Bezug genommen wird. Sie ist auch für eine Auslegung dahin offen, dass damit nur auf die Rechtsfolge des § 1 Abs. 1 Satz 1 DDR-EErfG („Dieses Gesetz ist entsprechend … anzuwenden”) verwiesen wird.
(3) Das Verwaltungsgericht stellt zutreffend fest, dass sich die Beigeladene nicht mit Erfolg darauf berufen kann, der Anspruch sei ausgeschlossen, weil die Klägerin Zweitgeschädigte sei und die Rechtsnachfolger der jüdischen Erstgeschädigten bereits eine Entschädigung nach dem Vermögensgesetz erhalten hätten. Die Frage der Zweitschädigung ist für den geltend gemachten Anspruch ohne Bedeutung. Es fehlt an dem erforderlichen normativen Anknüpfungspunkt, dass eine Entschädigung nach § 1 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 DDR-EErfG nicht auch dem Zweitgeschädigten zustehen kann.
(4) Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass sich der Anspruch in entsprechender Anwendung des § 1 Abs. 1 Satz 1 DDR-EErfG gegen die Beigeladene als Nachfolgerin der Treuhandanstalt richtet.
Aus der Verweisung auf die Rechtsfolge des § 1 Abs. 2 Satz 1 DDR-EErfG ergibt sich, dass der zur Leistung der Entschädigung nach § 1 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 DDR-EErfG Verpflichtete in entsprechender Anwendung des § 1 Abs. 1 DDR-EErfG zu bestimmen ist. Nach dieser Vorschrift ist für die Bestimmung des Entschädigungsverpflichteten das Schicksal des enteigneten Vermögenswertes maßgeblich, von dem der Anspruch auf Erfüllung eines Entschädigungsanspruchs abgeleitet wird. Ist der enteignete Vermögenswert aufgrund der Bestimmung des Einigungsvertrages unmittelbar oder mittelbar einem Träger der öffentlichen Verwaltung übertragen worden, ist der betreffende Träger der öffentlichen Verwaltung entschädigungspflichtig (§ 1 Abs. 1 Satz 1 DDR-EErfG). Wurde der enteignete Vermögenswert vor dem 3. Oktober 1990 aus Volkseigentum veräußert oder ist vor dem 3. Oktober 1990 für den enteigneten Vermögenswert nachweislich eine Gegenleistung an den Staatshaushalt der Deutschen Demokratischen Republik entrichtet worden, hat der Entschädigungsfond die Entschädigung zu leisten (§ 1 Abs. 1 Satz 2 DDR-EErfG). Im Rahmen der entsprechenden Anwendung ist der enteignete Vermögenswert im Sinne der Bezugsnorm der Vermögenswert, dessen Schädigung den Anspruch nach § 1 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 DDR-EErfG auslöst. Mithin ist abzustellen auf den Unternehmensträger, dessen im Beitrittsgebiet belegene Vermögenswerte ganz oder teilweise enteignet wurden. Gemessen daran ergibt sich, dass die Beigeladene der Klägerin zur Erfüllung des geltend gemachten Anspruchs verpflichtet ist.
Aus den bindenden Feststellungen des Verwaltungsgerichts zum Schicksal der enteigneten Vermögenswerte der L. AG ist zu folgern, dass diese Werte der Treuhandanstalt auf der Grundlage des Art. 25 des Einigungsvertrages i.V.m. § 1 Abs. 4 des Gesetzes zur Privatisierung und Reorganisation des volkseigenen Vermögens (Treuhandgesetz) vom 17. Juni 1990 (GBl DDR I Nr. 33 S. 330), zuletzt geändert durch Gesetz vom 12. Dezember 2007 (BGBl I S. 2840), zumindest mittelbar übertragen wurden. Denn sie waren in den Gesellschaften enthalten, die 1990 durch Aufspaltung des VEB G. gebildet und von der Treuhandanstalt übernommen wurden. In dem VEB G. war zuvor der VEB S. aufgegangen, auf den die enteigneten Vermögenswerte der L. AG übergegangen waren. Etwas anderes folgt entgegen der Auffassung der Beigeladenen nicht daraus, dass die L. AG 1950/52 stillgelegt wurde. Aufgrund der zeitlich vorangegangenen Zusammenlegung mit dem VEB S. waren die Vermögenswerte der L. AG zu diesem Zeitpunkt bereits auf diesen übergegangen.
(5) Die vom Verwaltungsgericht zugesprochene Höhe der Entschädigung hält der revisionsrechtlichen Prüfung stand.
Die Höhe einer – wie hier – in der früheren DDR nicht festgesetzten Entschädigung bemisst sich gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 2 DDR-EErfG bei Gesellschaftsanteilen nach dem 1,3fachen des im Hauptfeststellungszeitraumes vor der Schädigung zuletzt festgestellten Einheitswertes, Ersatzeinheitswertes oder Reinvermögens im Sinne von § 4 EntschG. In Anwendung dieser Vorschrift hat das Verwaltungsgericht auf der Grundlage seiner tatsächlichen Feststellungen die Entschädigung zutreffend auf 125 241,34 EUR festgesetzt (a). Das Vorbringen der Klägerin betreffend die IGH AG rechtfertigt keine höhere als die bereits zugesprochene Entschädigung (b).
(a) Die Entschädigung ist unter Heranziehung des Einheitswertes zu bemessen. Nach Feststellungen des Verwaltungsgerichts wurde für die im Beitrittsgebiet belegenen Vermögenswerte der L. AG vor deren Enteignung zuletzt zum 1. Januar 1946 ein Einheitswert in Höhe von 2 848 000 RM festgestellt. Dass dieser Einheitswert verwertbar ist, wird auch von der Klägerin nicht bestritten. Sie ist lediglich der Auffassung, dass neben dem Einheitswert auch das Reinvermögen der IGH AG als weitere Bemessungsgrundlage heranzuziehen ist, weil der Einheitswert nicht den Wert der Beteiligung der L. AG an der IGH AG abbilde. Letzteres widerspricht den tatrichterlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts. Dieses stellt fest, dass es keinen Anhaltspunkt dafür gibt, dass der Wert der Beteiligung der L. AG an der IGH AG nicht in dem Einheitswert enthalten ist, und stützt sich insoweit auf die Feststellung, dass die Beteiligung der L. AG an der IGH AG im Zeitpunkt der Feststellung des Einheitswertes bereits seit vielen Jahren bestand. An diese Feststellungen ist der Senat – wie in der mündlichen Verhandlung erörtert – gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden. Das 1,3fache des Einheitswertes beträgt 3 702 400 RM/DM. Von diesem Betrag kann die Klägerin entsprechend dem Anteil ihrer Rechtsvorgängerin an der L. AG in Höhe von 6,616 v.H. einen Betrag von 244 950,78 RM/DM bzw. 125 241,34 EUR als Entschädigung beanspruchen.
(b) Ein Anspruch auf eine weitere an die Berücksichtigung des Reinvermögens der IGH AG geknüpfte Entschädigung in Höhe von 34 912,27 EUR lässt sich auch nicht – wie von der Klägerin in einem zweiten Begründungsstrang vertreten – daraus herleiten, dass aufgrund der Beteiligung der L. AG an der IGH AG die Enteignung der L. AG die Enteignung der IGH AG bewirkt habe, was einen eigenständigen Anspruch nach § 1 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 DDR-EErfG begründe. Es kann offenbleiben, ob die Berufung auf diesen Sachverhalt als Klageänderung zu werten ist und in welcher Instanz diese – bejahendenfalls – vorgenommen wurde. Sie kann in keinem Fall zur Erhöhung des Entschädigungsbetrages führen.
Sollte von einer Klageänderung in der Revisionsinstanz auszugehen sein, wäre sie gemäß § 142 Abs. 1 Satz 1 VwGO unzulässig und der Sachvortrag der Klägerin schon aus diesem Grund nicht zu berücksichtigen. Sollte der Sachvortrag von der Klägerin im Wege der Klageänderung bereits in das erstinstanzliche Verfahren einbezogen und vom Verwaltungsgericht verfahrensfehlerhaft übergangen worden sein, würde die Feststellung einer etwaigen Verfahrensfehlerhaftigkeit des angefochtenen Urteils bereits daran scheitern, dass die Klägerin einen solchen Mangel nicht in einer § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO genügenden Weise gerügt hat. Sollte der Vortrag der Klägerin nicht als Klageänderung zu werten, sondern allein als Rechtsausführung zu verstehen sein, hätte sich das Verwaltungsgericht von seinem Standpunkt aus dazu nicht weiter verhalten müssen. Denn nach seinen Feststellungen wurde der Wert der Beteiligung der L. AG an der IGH AG im Einheitswert berücksichtigt und spiegelt sich demzufolge in der Höhe der zugesprochenen Entschädigung wider. Auf die zweite Begründung, die auf dasselbe Ergebnis zielt, kommt es daher nicht an. Dies gilt auch für die vorliegende Entscheidung, da die Feststellung des Verwaltungsgerichts – wie dargelegt – für den Senat bindend ist.
(aa) Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts, dass der zugesprochene Entschädigungserfüllungsanspruch gemäß § 3 Satz 2 DDR-EErfG ab dem 17. Dezember 2003 mit 4 v.H. für das Jahr zu verzinsen ist, begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 Alternative 2 VwGO.
Unterschriften
Vormeier, Prof. Dr. Kraft, Stengelhofen, Dr. Häußler, Dr. Fleuß
Fundstellen
Haufe-Index 7490932 |
BVerwGE 2015, 200 |
JZ 2015, 33 |