Entscheidungsstichwort (Thema)
Sondervermögen Reichsbahn. Reichsbahn, Sondervermögen. Bundeseisenbahnvermögen. Eigentumsübergang kraft Gesetzes. gesetzlicher Eigentumsübergang. bahnnotwendige Nutzung. ausschließlich bahnnotwendige Nutzung. unmittelbar bahnnotwendige Nutzung. Übertragungsverpflichtung des Bundeseisenbahnvermögens. Nicht-Nutzung (Leerstand). partielle anderweitige Nutzung. Nutzung, partielle anderweitige bzw. Nicht-Nutzung. Einigung im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 6 VZOG. Rechtsverletzung (im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Klagebefugnis wegen Vereitelung eines gesetzlichen Übertragungsanspruchs
Leitsatz (amtlich)
Durch die Zuordnung einer Liegenschaft an einen anderen Zuordnungsprätendenten wird die Deutsche Bahn AG in ihren Rechten nicht nur dann verletzt, wenn das Eigentum an der Liegenschaft gemäß Art. 26 Abs. 1 Satz 1 EV in Verbindung mit § 21 BENeuglG kraft Gesetzes auf sie übergegangen ist, sondern auch dann, wenn sie im Falle des Art. 26 Abs. 1 Satz 2 EV im Vermögenszuordnungsverfahren die Zuordnung der Liegenschaft nach den §§ 20 ff. BENeuglG beanspruchen kann oder sie einen Eigentumsverschaffungsanspruch gegen das Bundeseisenbahnvermögen hat (Fall des Art. 26 Abs. 1 Satz 1 EV in Verbindung mit § 20 Abs. 2 BENeuglG).
Der “ausschließlichen Bahnnotwendigkeit” im Sinne des § 21 BENeuglG steht auch eine geringfügige Fremdnutzung der Liegenschaft durch Dritte entgegen.
Normenkette
EneuOG Art. 1; BENeuglG §§ 1-2, 20 Abs. 1-3, §§ 21, 23 Abs. 1 S. 4; EV Art. 26 Abs. 1 Sätze 1-2; VwGO § 42 Abs. 2, § 113 Abs. 1 S. 1; VZOG § 2 Abs. 1 S. 6
Verfahrensgang
VG Berlin (Urteil vom 01.02.2002; Aktenzeichen 3 A 1712.96) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 1. Februar 2002 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Tatbestand
I.
Die Klägerin wendet sich gegen die Zuordnung des Grundstücks Vossstraße 33 – 35/ Wilhelmstraße 96/Leipziger Straße 125 (Grundbuch von Berlin-Mitte, Bl. 193 N Flur 41 721, Flurstück 9) mit einer Fläche von 11 376 m(2) an die Beigeladene. Als Eigentümer dieses 1958 aus mehreren Vorläufergrundstücken gebildeten Grundstücks war am 3. Oktober 1990 das Deutsche Reich, Reichseisenbahnvermögen, eingetragen. Das Anwesen war seit 1990 Sitz der im März jenes Jahres gebildeten Generaldirektion der Deutschen Reichsbahn der DDR und ihr nachgeordneter Dienststellen. Im Juni 1994 unterzeichneten das Bundeseisenbahnvermögen und das Bundesministerium für Verkehr ein Übernahme-/Übergabeprotokoll, wonach die Liegenschaft mit den Aufbauten zum 1. August 1994 vom Bundeseisenbahnvermögen an die Beigeladene, vertreten durch das Ministerium, übergeben werde, soweit sie nicht schon übergeben sei; die Umschreibung im Grundbuch werde das Ministerium beantragen.
Mit Bescheid vom 23. September 1996 stellte die Beklagte auf Antrag der Beigeladenen deren Eigentum an dem streitbefangenen Grundstück fest und begründete dies mit überwiegender Nutzung des Grundstücks für Verwaltungszwecke des Bundes und dem zwischen der Klägerin und der Beigeladenen im Hinblick auf die Zuordnung erzielten Einvernehmen.
Mit ihrer am 23. Oktober 1996 erhobenen Klage machte die Klägerin geltend, die Zuordnung sei fehlerhaft, weil sie ihr nicht zugestimmt habe und das Grundstück im Zeitpunkt der Gründung der Klägerin (Anfang 1994) von dieser ausschließlich und unmittelbar bahnnotwendig genutzt worden sei, weshalb das Grundstück kraft Gesetzes auf sie übergegangen sei.
Mit Urteil vom 1. Februar 2002 hat das Verwaltungsgericht die Klage mit im Wesentlichen folgender Begründung abgewiesen: Ungeachtet der rechtlichen Bedeutung des Übernahme-/Übergabeprotokolls aus dem Jahre 1994 könne die Klage keinen Erfolg haben, da der angegriffene Bescheid – seine Rechtswidrigkeit vorausgesetzt – die Klägerin nur dann in eigenen Rechten verletze, wenn er im Widerspruch zu einem Eigentumsrecht der Klägerin an dem im Streit befindlichen Grundstück stehe. Das wiederum setze dessen Übergang am 3. Oktober 1990 nach Art. 26 Abs. 1 Satz 1 EV in das Sondervermögen Deutsche Reichsbahn und aus diesem nach In-Kraft-Treten des Eisenbahnneuordnungsgesetzes unmittelbar – d.h. kraft Gesetzes – auf die Klägerin voraus. Ob erstere Voraussetzung erfüllt sei, könne offen bleiben, da es jedenfalls an einem gesetzlichen Eigentumsübergang vom Bundeseisenbahnvermögen auf die Klägerin mangele. Nach § 21 des Bundeseisenbahnneugliederungsgesetzes – BENeuglG – seien die Liegenschaften des Bundeseisenbahnvermögens, die unmittelbar und ausschließlich bahnnotwendig gewesen seien, mit dem Tag der Eintragung der Klägerin in das Handelsregister (im Januar 1994) auf diese übergegangen. Es könne dahinstehen, ob das fragliche Grundstück für die Klägerin unmittelbar bahnnotwendig gewesen sei; jedenfalls sei es von ihr nicht ausschließlich genutzt worden. Unter ausschließlicher Nutzung sei eine vollständige Nutzung zu verstehen. Soweit eine teilweise bahnnotwendige Nutzung durch die Klägerin – verbunden mit einer teilweisen Fremd- oder Nicht-Nutzung (Leerstand) – vorgelegen habe (so genannte gemischte Nutzung), könne die Klägerin vom Bundeseisenbahnvermögen nur eine Übertragung der betroffenen Liegenschaften und diese nur insoweit beanspruchen, als die Bahnnotwendigkeit nachgewiesen sei. Ein Eigentumsübergang kraft Gesetzes komme für solche Grundstücke nicht in Betracht.
Eine vollständige Nutzung des in Rede stehenden Grundstücks durch die Klägerin Anfang 1994 sei nicht festzustellen. Wie die Klägerin vorgetragen habe, sei das Grundstück zwar zum maßgeblichen Stichtag nur untergeordnet, in einem die Anwendung des § 21 BENeuglG nicht hindernden Umfang durch Dritte genutzt worden. Aus den Darlegungen der Klägerin ergebe sich aber auch, dass 22,9 % der Nettogeschossfläche (2 115 m(2) von insgesamt 9 240 m(2)) ungenutzt gewesen seien und dass auf die insgesamt 7 388 m(2) unbebaute Fläche 2 205 m(2) Grünflächen (30 %) entfielen. Der hohe Anteil an Freiflächen sei entgegen der von der Klägerin geäußerten Auffassung nicht durch die Beschaffenheit der Bebauung – etwa als geschlossener Komplex mit großzügigen Frei- und Verkehrsflächen – bedingt gewesen, sondern sei durch teilweise Zerstörung der dort früher vorhanden gewesenen geschlossenen Bebauung im Krieg entstanden; vor allem die Grünfläche im Bereich Vossstraße/Wilhelmstraße sei in die 1994 vorhandene Nutzung nicht einbezogen gewesen und habe ohne weiteres zur anderweitigen Verwertung von dem Grundstück abgetrennt werden können.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision greift die Klägerin insbesondere die Auslegung des § 21 BENeuglG hinsichtlich des Merkmals der Ausschließlichkeit an. Sie führt aus, das streitbefangene Grundstück sei am 3. Oktober 1990 gemäß Art. 26 Abs. 1 Satz 1 EV auf das Sondervermögen Reichsbahn übergegangen, von dort Bestandteil des Bundeseisenbahnvermögens geworden und unterliege der bahninternen Vermögensaufteilung nach §§ 20 ff. BENeuglG, in deren Rahmen es nach § 21 BENeuglG auf sie kraft Gesetzes übergegangen sei. Sie beantragt die Aufhebung des verwaltungsgerichtlichen Urteils sowie des Vermögenszuordnungsbescheides der Beklagten vom 23. September 1996.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil vor allem unter Hinweis auf die partielle Fremdnutzung des streitbefangenen Anwesens. Diese stünde der Annahme einer “ausschließlichen Bahnnotwendigkeit” im Sinne des § 21 BENeuglG entgegen, so dass ein gesetzlicher Eigentumsübergang nach dieser Vorschrift nicht habe erfolgen können. Die Beigeladene verteidigt ebenfalls das Urteil des Verwaltungsgerichts und bestreitet die Bahnnotwendigkeit des Grundstücks.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist begründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichts verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO). Es erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Andererseits reichen die tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts nicht aus, um im Sinne der Klägerin auf eine Aufhebung des streitbefangenen Vermögenszuordnungsbescheides zu erkennen. Deshalb ist das angefochtene Urteil aufzuheben und der Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO), das die weiteren erforderlichen Feststellungen zu treffen haben wird.
1. Mit Bundesrecht vereinbar ist weder die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Klägerin könne im Hinblick auf die Zuordnung des streitbefangenen Grundstücks an einen bahnfremden Zuordnungsprätendenten nur dann in ihren Rechten verletzt sein, wenn diese im Widerspruch zu einem Eigentumsrecht der Klägerin stehe, noch die Auffassung, eine unbedeutende Nutzung der Liegenschaft durch Dritte hindere die Anwendung des § 21 BENeuglG nicht.
a) Richtig ist, dass der angefochtene Bescheid die Klägerin jedenfalls dann in eigenen Rechten verletzt, wenn er ihrem Eigentumsrecht widersprechen sollte. Dies wäre der Fall, wenn das Grundstück am 3. Oktober 1990 nach Art. 26 Abs. 1 Satz 1 des Einigungsvertrages – EV – in das Sondervermögen Deutsche Reichsbahn und aus diesem im Wege des gesetzlichen Eigentumsübergangs nach § 21 BENeuglG auf die Klägerin übergegangen wäre. Die Zuordnung an einen anderen Zuordnungsprätendenten würde ihr Eigentumsrecht verletzen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn – wie hier – die Klägerin am Vermögenszuordnungsverfahren beteiligt und der Vermögenszuordnungsbescheid deshalb auch für sie verbindlich ist (§ 2 Abs. 3 VZOG) und keinen Vorbehalt zu Gunsten der Klägerin als eine “im einzelnen bezeichnete Beteiligte” enthält (vgl. hierzu Urteil vom 12. Juni 2003 – BVerwG 3 C 2.03 – S. 4 UA).
Nicht mit Bundesrecht vereinbar ist hingegen die weitere Annahme des Verwaltungsgerichts, die Klägerin könne nur in der vorbezeichneten Fallgestaltung durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten verletzt sein. Diese Verengung verkennt die gesetzliche Regelungssystematik und die aus ihr abzuleitende Rechtsposition der Klägerin.
Wem letztlich ein bestimmter Vermögensgegenstand zuzuordnen ist, ergibt sich aus dem Zusammenspiel der vermögenszuordnungsrechtlichen Bestimmungen des Einigungsvertrages einschließlich des Vermögenszuordnungsgesetzes – VZOG – mit den §§ 20 ff. BENeuglG. Während der erste Normenkomplex die vorrangige Frage regelt, ob überhaupt eine Vermögenszuordnung an den (untechnisch gesprochen) Bahnbereich erfolgen kann und hierfür mit den Sätzen 1 und 2 des Art. 26 Abs. 1 EV zwei Möglichkeiten eröffnet, betrifft der zweite Normenkomplex die daran anknüpfende bahninterne Aufteilung von Vermögensgegenständen zwischen dem Bundeseisenbahnvermögen und der Klägerin. Zentrales, die bahninterne Aufteilung steuerndes Tatbestandsmerkmal ist das der “Bahnnotwendigkeit” von Vermögenswerten. Anknüpfend an die Grundnorm des § 20 Abs. 1 Satz 1 BENeuglG, derzufolge bahnnotwendige Liegenschaften oder sonstiges bahnnotwendiges Vermögen auf die Klägerin zu übertragen sind, differenzieren diese Regelungen in dreifacher Weise: Unmittelbar und ausschließlich bahnnotwendige Liegenschaften gehen kraft Gesetzes auf die Klägerin mit dem Tag ihrer Eintragung in das Handelsregister über (§ 21 BENeuglG); nicht bahnnotwendige Liegenschaften verbleiben beim Bundeseisenbahnvermögen (§ 20 Abs. 3 BENeuglG); nicht unmittelbar und ausschließlich bahnnotwendige Liegenschaften sind auf die Klägerin insoweit zu übertragen, als ihre Bahnnotwendigkeit nachgewiesen ist (§ 20 Abs. 2 BENeuglG). Im Rahmen der Sätze 1 und 2 des Art. 26 Abs. 1 EV und der §§ 20 ff. BENeuglG sind demnach insgesamt sechs unterschiedliche Fallgestaltungen denkbar. Von diesen können im vorliegenden Zusammenhang die der nicht bahnnotwendigen Liegenschaften von der weiteren Betrachtung ausgenommen werden. Da insoweit kein Anspruch der Klägerin auf diese Liegenschaften bestehen kann, scheidet eine Verletzung in eigenen Rechten durch die Zuordnung derartiger Liegenschaften an einen anderen Zuordnungsprätendenten aus. Von den verbleibenden vier Fallgestaltungen hat das Verwaltungsgericht sich nur mit der Kombination von Art. 26 Abs. 1 Satz 1 EV und § 21 BENeuglG befasst. Nicht bedacht hat es hingegen das mögliche Zusammenspiel von Art. 26 Abs. 1 Satz 2 EV und § 21 BENeuglG bzw. § 20 Abs. 2 BENeuglG sowie von Art. 26 Abs. 1 Satz 1 EV und § 20 Abs. 2 BENeuglG mit der sich hieraus ergebenden Konsequenz, dass die Klägerin durch den angefochtenen Bescheid auch dann in ihren Rechten insoweit verletzt wird, als sie “nur” einen Eigentumsverschaffungsanspruch nach § 20 Abs. 2 BENeuglG für sich in Anspruch nehmen kann.
aa) Die Klägerin kann durch die Zuordnung einer von ihr beanspruchten Liegenschaft an einen anderen Zuordnungsprätendenten auch dann in ihren Rechten verletzt sein, wenn ein Fall des Art. 26 Abs. 1 Satz 2 EV vorliegen sollte. Für diesen Fall schreibt § 23 Abs. 1 Satz 4 BENeuglG die Entscheidung durch Zuordnungsbescheid nach dem Vermögenszuordnungsgesetz vor und weicht damit von dem in § 23 Abs. 1 Satz 1 BENeuglG vorgesehenen Verfahren der bahninternen Aufteilung von Vermögensgegenständen durch einen vom Bundeseisenbahnvermögen zu erlassenden Übergabebescheid ab, weil dieses Verfahren auf die bloße Umverteilung des Bundeseisenbahnvermögens begrenzt sein soll und die Fälle des Art. 26 Abs. 1 Satz 2 EV diesen Rahmen sprengen würden (BTDrucks 12/4609 ≪neu≫ S. 73). In dem somit nach dem Vermögenszuordnungsgesetz durchzuführenden Verfahren kann nach § 18 Abs. 1 Satz 1 VZOG eine Zuordnung unmittelbar an die Klägerin erfolgen. Umgekehrt bedeutet dies, dass die Klägerin – rechtzeitige Antragstellung nach § 18 Abs. 1 Satz 3 VZOG sowie das Vorliegen der übrigen Voraussetzungen unterstellt – einen Anspruch auf Zuordnung eines bestimmten Vermögensgegenstandes gegen die Zuordnungsbehörde hat. Dabei hat die Zuordnungsbehörde auch die Regelungen der §§ 20 ff. BENeuglG zu berücksichtigen, da sie anderenfalls gar nicht entscheiden könnte, ob eine Zuordnung im Falle des Art. 26 Abs. 1 Satz 2 EV etwa an das Bundeseisenbahnvermögen oder die Klägerin zu erfolgen hat. Der Gesetzgeber hat sich mit der Regelung des § 23 Abs. 1 Satz 4 BENeuglG sowie § 18 Abs. 1 Satz 1 VZOG für die Fälle des Art. 26 Abs. 1 Satz 2 EV ganz offenkundig dafür entschieden, die Vermögenszuordnung einschließlich der bahninternen Aufteilung der in Betracht kommenden Vermögensgegenstände abschließend durch die nach dem Vermögenszuordnungsgesetz zuständige Behörde vornehmen zu lassen. Ordnet diese eine von der Klägerin beanspruchte Liegenschaft einem anderen Zuordnungsprätendenten zu und vereitelt damit den von der Klägerin reklamierten Zuordnungsanspruch, so wird diese – sofern sich der von ihr erhobene Anspruch im Ergebnis bestätigen sollte – in ihren Rechten verletzt. Diese Rechtsverletzung besteht zum einen, wenn es sich um eine unmittelbar und ausschließlich bahnnotwendige Liegenschat im Sinne des § 21 BENeuglG handelt, sie besteht zum anderen aber auch, wenn und soweit der Klägerin ein Eigentumsverschaffungsanspruch nach § 20 Abs. 2 BENeuglG zusteht.
bb) Entsprechendes gilt im Falle des Art. 26 Abs. 1 Satz 1 EV i.V.m. § 20 Abs. 2 BENeuglG. In diesem Falle entscheidet das Bundeseisenbahnvermögen über die bahninterne Zuordnung und erlässt nach Maßgabe des § 23 BENeuglG einen Übergabebescheid, der bei gemischt genutzten Grundstücken zu einer teilweisen Zuordnung an die Klägerin führen müsste. Eine Abschrift des Übergabebescheides ist an den zuständigen Präsidenten der Oberfinanzdirektion zu übersenden (§ 23 Abs. 2 Satz 3 BENeuglG), der das Grundbuchamt um Eintragung einer Vormerkung zu Gunsten eines anderen Zuordnungsprätendenten ersuchen kann (§ 23 Abs. 4 Satz 2 BENeuglG). Ordnet dieser das Grundstück sodann einem anderen Zuordnungsprätendenten etwa in der Annahme zu, es liege ein Fall des Art. 21 Abs. 1 EV vor, kann die Klägerin deshalb in ihren Rechten verletzt sein, weil sich ihr Eigentumsverschaffungsanspruch durch die Entscheidung des Bundeseisenbahnvermögens schon weiter verdichtet hat.
Im Ergebnis nichts anderes gilt, wenn das Bundeseisenbahnvermögen – aus welchen Gründen auch immer – noch keine Entscheidung über die bahninterne Zuordnung getroffen hat. Unproblematisch ist es, wenn im Rahmen des Zuordnungsverfahrens schon die Zuordnungsbehörde zu dem Ergebnis gelangt, es liege ein Fall des Art. 26 Abs. 1 Satz 1 EV vor: In Ermangelung einer dem § 18 Abs. 1 Satz 1 VZOG vergleichbaren Vorschrift kann sie zwar keine direkte Zuordnung an die Klägerin vornehmen; vielmehr wird die Zuordnung an das Bundeseisenbahnvermögen erfolgen, das sodann nach Maßgabe der §§ 20 ff. BENeuglG die bahninterne Verteilung vorzunehmen hat.
Erfolgt die Zuordnung hingegen – wie etwa im vorliegenden Fall nach Art. 21 Abs. 1 EV – an einen anderen Zuordnungsprätendenten, kann die Klägerin in ihrem sich aus Art. 26 Abs. 1 Satz 1 EV i.V.m. § 20 Abs. 2 BENeuglG ergebenden Eigentumsverschaffungsanspruch verletzt sein. Die Klägerin kann zwar auf dieser Grundlage von der Zuordnungsbehörde nicht die direkte Zuordnung des fraglichen Grundstücks an sich selbst verlangen, da § 18 Abs. 1 Satz 1 VZOG nur die Fälle des Art. 26 Abs. 1 Satz 2 EV betrifft, jedoch kann die Klägerin aus den bereits dargelegten Gründen ihren Eigentumsverschaffungsanspruch der anderweitigen Zuordnung entgegensetzen. Damit stellt sie der Zuordnungsentscheidung letztlich eine noch stärkere Rechtsposition entgegen, als sie durch Art. 26 Abs. 1 Satz 2 EV vermittelt wird. Während im Anwendungsbereich dieser Vorschrift der Eigentumsübergang gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 VZOG durch einen Vermögenszuordnungsbescheid zu erfolgen hat, sieht Art. 26 Abs. 1 Satz 1 EV bereits einen gesetzlichen – also unbedingten – Eigentumsübergang vor. Darüber hinaus sind die §§ 20 ff. BENeuglG von dem Gedanken geprägt, der Klägerin diejenigen Liegenschaften zukommen zu lassen, die sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigt. Das sind sämtliche bahnnotwendigen Liegenschaften. Sähe man die Klägerin durch die Zuordnung an einen bahnfremden Zuordnungsprätendenten und die hierdurch eintretende Vereitelung ihres Eigentumsverschaffungsanspruchs nicht als in ihren Rechten verletzt an, könnte sie eine solche Zuordnung nicht mit Aussicht auf Erfolg abwehren. Dies hätte zur Folge, dass eine bahnnotwendige Liegenschaft dauerhaft der Klägerin entzogen wäre, was dem Zweck der §§ 20 ff. BENeuglG erkennbar zuwider laufen würde.
b) Ebenfalls mit Bundesrecht nicht in Einklang steht die Auffassung des Verwaltungsgerichts, eine untergeordnete Nutzung der Liegenschaft durch Dritte schließe die Anwendung des § 21 BENeuglG nicht aus. Das in dieser Vorschrift verwandte Merkmal der “Ausschließlichkeit” lässt schon nach seinem eindeutigen Wortlaut keinen Raum für eine einschränkende Auslegung. Vielmehr steht jede Fremdnutzung, sei sie auch noch so geringfügig, der Annahme der Ausschließlichkeit entgegen. Dies ergibt sich auch aus Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung. Stünden geringfügige Fremdnutzungen der Subsumtion unter den Begriff der Ausschließlichkeit nicht entgegen, wäre eine nicht mehr zu handhabende Kasuistik in Bezug auf die zu tolerierende Geringfügigkeit die Folge. Die dadurch resultierende Unsicherheit widerspräche dem vom Gesetz gewollten gesetzlichen Eigentumsübergang in den eindeutigen Fällen. Ein enger, keine Ausnahmen zulassender Maßstab entspricht überdies der vom erkennenden Senat entwickelten Abgrenzung zwischen Art. 26 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 EV, die maßgeblich auf der Erkenntnis beruht, dass die einem gesetzlichen Eigentumsübergang unterliegenden Vermögensgegenstände eindeutig und ohne weiteres zu identifizieren sein müssen (Urteile vom 26. Mai 1999 – BVerwG 3 C 27.98 – BVerwGE 109, 128, 130 und vom 24. Oktober 2002 – BVerwG 3 C 42.01 – BVerwGE 117, 125, 128). Schließlich entsteht der Klägerin bei Anlegung dieses Maßstabs vor dem Hintergrund der gesetzlichen Regelung, ihr die zur Erfüllung ihrer Aufgaben notwendigen Liegenschaften zukommen zu lassen, kein ins Gewicht fallender Nachteil, denn soweit diese Bahnnotwendigkeit nachgewiesen ist, erhält sie die Liegenschaft auch bei nicht-ausschließlicher Bahnnotwendigkeit, wenn auch nicht kraft Gesetzes, sondern durch konstitutiv wirkenden Übergabe- oder (im Falle des Art. 26 Abs. 1 Satz 2 EV) Zuordnungsbescheid.
Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts fand zum maßgeblichen Zeitpunkt eine Nutzung der Liegenschaft auch durch Dritte statt. Einer Anwendung des § 21 BENeuglG steht im Lichte der vorstehenden Ausführungen bereits dieser Umstand entgegen, während dies – entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts – für eine partielle Nicht-Nutzung des Anwesens (z.B. durch Leerstand oder Freiflächen) nicht gilt. Wie der erkennende Senat mit Urteil vom 12. Juni 2003 (BVerwG 3 C 19.02) entschieden hat, ist nämlich eine partielle Nicht-Nutzung gewissermaßen das Gegenteil einer Nutzung, sodass für sie grundsätzlich andere Maßstäbe gelten müssen als diejenigen, die für die vom erkennenden Senat mehrfach behandelten und entschiedenen Fälle der gemischten Nutzung gelten.
2. Das angefochtene Urteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig im Sinne von § 144 Abs. 4 VwGO. Da das Verwaltungsgericht ausdrücklich davon abgesehen hat, abschließende Feststellungen zum Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 26 Abs. 1 Satz 1 EV zu treffen, und es ausgehend von seinem Rechtsstandpunkt die Vorschriften der Art. 26 Abs. 1 Satz 2 EV und § 20 Abs. 2 BENeuglG nicht in den Blick genommen und folglich hierzu gleichfalls keine Feststellungen getroffen hat, kann der Senat derzeit weder die objektive Rechtmäßigkeit des Bescheides beurteilen noch auf dieser Grundlage eine Verletzung der Klägerin in eigenen subjektiv-öffentlichen Rechten abschließend verneinen.
Aus dem gleichen Grunde ist der Senat auch nicht im Stande, den angefochtenen Bescheid aufzuheben. Vielmehr ist der Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO), weshalb sich auch Ausführungen zu den von der Klägerin erhobenen Verfahrensrügen erübrigen.
Bei seiner erneuten Befassung mit der Sache wird das Verwaltungsgericht zunächst festzustellen haben, ob das Sondervermögen Deutsche Reichsbahn oder nachfolgend das Bundeseisenbahnvermögen und die Beigeladene sich noch vor Eintragung der Klägerin in das Handelsregister wirksam im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 6 VZOG über die Zuordnung des streitbefangenen Grundstücks geeinigt haben, wozu auch ein Verzicht auf die Geltendmachung eigener Zuordnungsansprüche ausreichend wäre (vgl. hierzu Senatsurteil vom 18. Juli 2002 – BVerwG 3 C 30.01 – Buchholz 428.2 § 2 VZOG Nr. 13 = VIZ 2002, 678). Eine derartige Einigung wäre nicht wegen eines etwaigen Verstoßes gegen § 63 Abs. 3 Satz 1 der Bundeshaushaltsordnung – BHO – gemäß § 59 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 134 BGB nichtig. Diese haushaltsrechtliche Bestimmung kann als Verbotsgesetz deshalb nicht angesehen werden, weil § 61 Abs. 3 Satz 3 BHO unter bestimmten Voraussetzungen von der in Satz 1 normierten Verpflichtung zur Werterstattung abweichende Verwaltungsvereinbarungen erlaubt und es deshalb an der für ein Verbotsgesetz erforderlichen Voraussetzung fehlt, dass der mit dem Verstoß erreichte Rechtserfolg durch die verletzte Rechtsnorm unbedingt ausgeschlossen, d.h. strikt und ausnahmslos untersagt ist (vgl. Bonk in Stelkens/ Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 6. Aufl. 2001, § 59 Rz. 52 ff.). Da die Einigung nach § 2 Abs. 1 Satz 6 VZOG Vorrang vor der ansonsten anzuwendenden Verfahrensweise hat, wäre in diesem Fall für weitere Überlegungen, wem das Grundstück ansonsten hätte zugeordnet werden müssen, kein Raum mehr.
Lässt sich eine solche Einigung nicht feststellen, kommt es darauf an, ob das streitbefangene Grundstück am maßgeblichen Stichtag nach Art. 26 Abs. 1 EV in das Sondervermögen Deutsche Reichsbahn gefallen ist. Nur wenn dies der Fall ist, kann die Klägerin dem angefochtenen Bescheid eigene Rechte entgegensetzen. Sollte das Verwaltungsgericht zu dem Ergebnis kommen, dass ein Fall von Art. 26 Abs. 1 EV nicht vorliegt, wäre die Klage abzuweisen.
Dabei wird das Verwaltungsgericht zu prüfen haben, ob die Voraussetzungen des Art. 26 Abs. 1 Satz 1 EV oder des Art. 26 Abs. 1 Satz 2 EV vorliegen. Denn die Klägerin kann in dem einen wie dem anderen Fall einen Eigentumsverschaffungsanspruch nach § 20 Abs. 2 BENeuglG haben, den sie dem Zuordnungsbescheid entgegensetzen kann. Feststellungen und Überlegungen zum Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 26 Abs. 1 Satz 2 EV erübrigen sich, falls das Verwaltungsgericht feststellen sollte, dass ein Vermögenszuordnungsantrag nicht innerhalb der Frist des § 18 Abs. 1 Satz 3 VZOG (30. Juni 1994) gestellt worden ist (vgl. zur Antragsfrist den Beschluss vom 2. Oktober 2002 – BVerwG 3 B 76.02 – Buchholz 111 Art. 26 EV Nr. 9).
Die Klägerin wird durch den angefochtenen Zuordnungsbescheid aber dann nicht in ihren Rechten verletzt, wenn sie selbst sich mit der Beigeladenen wirksam im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 6 VZOG über die Vermögenszuordnung geeinigt haben sollte, wovon jedenfalls der Vermögenszuordnungsbescheid der Beklagten ausgeht. Sollte das Verwaltungsgericht eine solche Einigung nicht feststellen können, wird es der Frage nachzugehen haben, ob das Bundeseisenbahnvermögen nach Eintragung der Klägerin in das Handelsregister eine entsprechende Übereinkunft mit der Beigeladenen wirksam und mit Wirkung gegen die Klägerin getroffen hat. Das wäre allenfalls unter der Voraussetzung möglich, dass ein Fall des Art. 26 Abs. 1 Satz 1 EV i.V.m. § 20 Abs. 2 BENeuglG vorliegen sollte. Hingegen scheidet eine zu Lasten der Klägerin wirkende Einigung aus, wenn diese die Zuordnung des Grundstücks nach Art. 26 Abs. 1 Satz 2 EV beanspruchen kann. In diesem Fall hat sie einen eigenen gegen die Vermögenszuordnungsbehörde gerichteten Zuordnungsanspruch, über den das Bundeseisenbahnvermögen nicht zu Lasten der Klägerin hätte verfügen können. Darüber hinaus müsste die Klägerin eine nach ihrer Eintragung in das Handelsregister zwischen dem Bundeseisenbahnvermögen und einem anderen Zuordnungsprätendenten erzielte Einigung im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 6 VZOG auch im Falle des Art. 26 Abs. 1 Satz 1 EV i.V.m. § 21 BENeuglG nicht gegen sich gelten lassen, weil sie dann mit ihrer Eintragung in das Handelsregister Eigentümerin der betreffenden Liegenschaft geworden wäre.
Unterschriften
Prof. Dr. Driehaus, van Schewick, Dr. Borgs-Maciejewski, Liebler
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Brunn ist wegen Abordnung an das Bundesministerium für Justiz an der Unterzeichnung verhindert.
Prof. Dr. Driehaus
Fundstellen
Haufe-Index 1033182 |
BVerwGE 2004, 361 |