Entscheidungsstichwort (Thema)
genehmigungsfreie Nebentätigkeit, Anzeigepflicht. Recht auf informationelle Selbstbestimmung. allgemeine Handlungsfreiheit. Wissenschaftsfreiheit. Gleichheitssatz. Verhältnismäßigkeit. Erforderlichkeit. Alimentation
Leitsatz (amtlich)
Die auch für Richter geltende Pflicht nach § 66 Abs. 2 Satz 1 BBG, eine als genehmigungsfreie Nebentätigkeit ausgeübte schriftstellerische, wissenschaftliche oder Vortragstätigkeit, für die er ein Entgelt oder einen geldwerten Vorteil erhält, seinem Dienstherrn anzuzeigen, ist mit höherrangigem Recht vereinbar.
Normenkette
BBG § 66; DRiG § 46; GG Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 5 Abs. 3; VwGO § 43 Abs. 2
Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Urteil vom 21.10.2005; Aktenzeichen 15 B 01.2490) |
VG München (Urteil vom 17.07.2001; Aktenzeichen 5 K 98.5096) |
Nachgehend
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 21. Oktober 2005 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
I
Die Klägerin ist Vorsitzende Richterin am Bundesfinanzhof. Nachdem durch das Zweite Nebentätigkeitsbegrenzungsgesetz vom 9. September 1997 (BGBl I S. 2294) die Pflicht zur Anzeige bestimmter genehmigungsfreier Nebentätigkeiten eingeführt worden war, übermittelte der Präsident des Bundesfinanzhofs allen Angehörigen dieses Gerichts zwei Schreiben vom 18. Dezember 1997 und 12. Februar 1998 zur Handhabung der Anzeigepflicht nebst einem dabei zu verwendenden Formblatt. Die Klägerin hat sich mit Widerspruch und in beiden Vorinstanzen erfolgloser Klage gegen die Verpflichtung zur Anzeige genehmigungsfreier Nebentätigkeiten gewandt. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Urteil ausgeführt:
Das Anfechtungsbegehren sei unstatthaft, da das Schreiben des Präsidenten des Bundesfinanzhofs vom 12. Februar 1998, in dem er die Richter abschließend über die Handhabung der Anzeigepflicht informiert habe, kein Verwaltungsakt sei. Das weiter erhobene Begehren auf Feststellung, dass die Klägerin nicht verpflichtet sei, ihre Nebentätigkeit hinsichtlich Art und Umfang sowie die voraussichtliche Höhe der Entgelte anzuzeigen, sei unbegründet. Die Klägerin sei nach § 66 Abs. 2 Satz 1 BBG i.V.m. § 46 DRiG zur Anzeige verpflichtet. Diese gesetzliche Pflicht sei mit höherrangigem Recht vereinbar. Ein Eingriff in das durch Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 GG geschützte Recht auf informationelle Selbstbestimmung durch Auferlegung der gesetzlichen Anzeigepflicht sei, da dieses Recht durch die verfassungsmäßige Ordnung eingeschränkt werden könne, prinzipiell zulässig. § 66 Abs. 2 Satz 1 BBG i.V.m. § 46 DRiG sei eine den rechtsstaatlichen Geboten der Bestimmtheit und Verhältnismäßigkeit genügende Regelung. Die Anzeigepflicht diene dem legitimen Zweck, es dem Dienstherrn zu ermöglichen, etwaige Nachteile, die sich aus der Nebentätigkeit für die ordnungsgemäße Wahrnehmung des Hauptamtes oder für das Vertrauen in die Rechtspflege ergeben können, frühzeitig zu erkennen und einzugreifen. Hierzu reichten die Informationen zum Zeitaufwand und zur voraussichtlichen Vergütung, so vage diese Angaben auch notgedrungen sein müssten, in den meisten Fällen aus.
Die gesetzliche Regelung sei erforderlich; ein ebenso wirksames, das Recht der Klägerin auf informationelle Selbstbestimmung weniger beeinträchtigendes Mittel stehe nicht zur Verfügung. Da die Einbuße an grundrechtlich geschützter Freiheit nicht in einem unangemessenen Verhältnis zu den legitimen Gemeinwohlzwecken stehe, denen die Grundrechtseinschränkung diene, sei die Anzeigepflicht auch verhältnismäßig. Art. 3 Abs. 1 GG werde nicht dadurch verletzt, dass von den genehmigungsfreien Nebentätigkeiten nur einige angezeigt werden müssen. Denn bei diesen Nebentätigkeiten sei der Anreiz, sich zusätzlich zum Hauptamt zu betätigen, besonders groß. Schließlich werde der Schutzbereich des Art. 5 Abs. 3 GG durch die Verpflichtung zur Anzeige einer wissenschaftlichen Betätigung nicht tangiert.
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin die vom Berufungsgericht zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt die Verletzung materiellen Rechts und verweist zusätzlich auf ein wissenschaftliches Gutachten von Ossenbühl und Cornils aus dem Jahre 1999. Sie stellt den Antrag,
die Urteile des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 21. Oktober 2005 und des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 17. Juli 2001 aufzuheben und festzustellen, dass die Klägerin nicht verpflichtet ist, eine schriftstellerische, wissenschaftliche oder Vortragstätigkeit anzuzeigen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Der Senat kann dem Feststellungsbegehren nicht entsprechen. Dieses ist zwar zulässig, aber in der Sache nicht gerechtfertigt.
Die zwischen den Beteiligten streitige Pflicht der Klägerin, eine schriftstellerische, wissenschaftliche oder Vortragstätigkeit der Beklagten anzuzeigen, ist als eine einzelne aus dem Richterdienstverhältnis hergeleitete Verhaltenspflicht und damit als Teil dieses Rechtsverhältnisses feststellungsfähig (stRspr, vgl. u.a. Urteil vom 9. Juni 1983 – BVerwG 2 C 34.80 – BVerwGE 67, 222). Die Feststellungsklage ist nicht wegen des prinzipiellen Vorrangs der Gestaltungs- und Leistungsklage (§ 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO) unzulässig. Mit einer Anfechtungsklage gegen das Schreiben des Präsidenten des Bundesfinanzhofs vom 12. Februar 1998 könnte die Klägerin, falls dieses Schreiben überhaupt ein Verwaltungsakt wäre, lediglich eine Korrektur dieser punktuellen Entscheidung, und das möglicherweise auch nur aus einem nebensächlichen Grund, erreichen, während die eigentlich streitige Frage umfassend und generell durch ein Feststellungsurteil geklärt werden kann.
Die Klage ist nicht begründet. Die Klägerin ist verpflichtet, ihrem Dienstherrn eine schriftstellerische, wissenschaftliche oder Vortragstätigkeit anzuzeigen.
Nach § 66 Abs. 1 Nr. 3 BBG ist eine als Nebentätigkeit ausgeübte schriftstellerische, wissenschaftliche, künstlerische oder Vortragstätigkeit des Beamten nicht genehmigungspflichtig. Nach § 66 Abs. 2 Satz 1 BBG hat der Beamte jedoch eine solche Tätigkeit, wenn hierfür ein Entgelt oder geldwerter Vorteil geleistet wird, in jedem Einzelfall vor ihrer Aufnahme seiner Dienstbehörde unter Angabe insbesondere von Art und Umfang der Nebentätigkeit sowie der voraussichtlichen Höhe der Entgelte und geldwerten Vorteile schriftlich anzuzeigen; jede Änderung hat er unverzüglich schriftlich mitzuteilen. § 46 DRiG ordnet an, dass die Vorschriften des Bundesbeamtengesetzes und damit auch §§ 64 ff. BBG für die Rechtsverhältnisse der Richter im Bundesdienst entsprechend gelten. Aus der Rechtsstellung der Richter ergeben sich keine Besonderheiten, die der Anwendung des Nebentätigkeitsrechts für Beamte auf Richter entgegenstehen könnten (Urteil vom 24. November 2005 – BVerwG 2 C 32.04 – BVerwGE 124, 347 ≪350≫).
Die Nebentätigkeit, die anzuzeigen die Klägerin sich nicht als verpflichtet ansieht, ist eine solche nach § 66 Abs. 1 Nr. 3 BBG. Darüber besteht zwischen den Beteiligten Übereinstimmung. Die Pflicht nach § 66 Abs. 2 Satz 1 BBG, derartige Nebentätigkeiten anzuzeigen, gilt aufgrund der Verweisung in § 46 DRiG auch für Richter und damit auch für die Klägerin. Die Anordnung, dass die Vorschriften des Bundesbeamtengesetzes entsprechend gelten, besagt, dass dem durch die Verweisung geregelten Tatbestand wegen der festzustellenden Übereinstimmung seiner einzelnen Elemente nach Funktion und Stellung im Sinnzusammenhang des Tatbestandes mit denjenigen des Tatbestandes, auf dessen Rechtsfolge verwiesen wird, die gleiche Rechtsfolge zugeordnet wird. Diese erforderliche Übereinstimmung besteht zwischen dem Dienstverhältnis eines Beamten, als dessen Bestandteil der Gesetzgeber die Anzeigepflicht begründet hat, und dem Dienstverhältnis eines Richters, auch eines Bundesrichters. Die Anzeigepflicht nach § 66 Abs. 2 Satz 1 BBG steht in keinerlei Zusammenhang mit der Weisungsunterworfenheit, der Besoldung nach den Besoldungsordnungen A und B und der Bindung an Dienststunden als Elemente, in denen sich das Dienstverhältnis der Beamten von demjenigen der Richter unterscheidet. Deshalb stehen auch die mit dem Richterdienstverhältnis der Klägerin verbundene persönliche und sachliche Unabhängigkeit, die Besoldung nach der Besoldungsordnung R und die Freiheit von Dienststunden der Geltung der Anzeigepflicht für Richter nicht entgegen.
Auch wenn Bundesrichter, wie die Revision vorträgt, gehalten sind, die rechtswissenschaftliche Diskussion intensiv zu verfolgen, bedeutet dies nicht, dass sie dies – wie die Klägerin meint – dergestalt tun müssen, dass sie Aufsätze, Urteilsanmerkungen usw. verfassen und Vorträge halten müssten. Eine Pflicht von Bundesrichtern, Aufsätze oder Anmerkungen usw. zu schreiben, Vorträge zu halten oder Gesetzesvorschriften zu kommentieren, gibt es nicht. Sie kann daher einer entsprechenden Anwendung des § 66 Abs. 2 Satz 1 BBG gemäß § 46 DRiG ebenfalls nicht entgegenstehen.
§ 66 Abs. 2 Satz 1 BBG verstößt nicht gegen höherrangiges Recht.
Die Anzeigepflicht nach dieser Vorschrift greift allerdings in die durch Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 GG grundrechtlich geschützte Freiheit der informationellen Selbstbestimmung ein. Dieses Grundrecht gewährleistet dem Einzelnen das Recht, selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen (BVerfGE 65, 1 ≪43≫; ebenso BVerfG, NJW 2007, 753 ≪754≫). Geschützt wird damit die aus dem Grundrecht der Selbstbestimmung fließende Befugnis einer Person zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen sie persönliche Lebenssachverhalte offenbart (BVerfGE 65, 1 ≪43≫; 78, 77 ≪84≫; 96, 171 ≪181≫; 115, 320 ≪341≫). Es verleiht dem Grundrechtsträger insbesondere Schutz vor unbegrenzter Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe der ihn betreffenden individualisierten oder individualisierbaren Daten (BVerfGE 115, 320 ≪343≫). Dieser Schutz besteht gegenüber jeder Form staatlicher Datenerhebung und -verarbeitung, nicht nur gegenüber dem Einsatz elektronischer Datenverarbeitungstechniken. Die Angaben, die der Beamte und Richter nach § 66 Abs. 1 Satz 1 BBG seinem Dienstherrn machen muss, haben individualisierte persönliche Daten zum Gegenstand. Aufgrund der vorgeschriebenen Anzeige werden die Daten für den Dienstherrn verfügbar. Das Mitgeteilte gelangt ihm zur Kenntnis; er kann es aufzeichnen oder speichern, verwenden und weitergeben.
Der Eingriff ist jedoch rechtmäßig. Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ist nicht schrankenlos gewährt. Es kann gemäß Art. 2 Abs. 1 Halbs. 2 GG nur im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung ausgeübt werden. Diese wiederum entfaltet ihre beschränkende Wirkung gegenüber der Freiheitsbetätigung des Beamten vermittels der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG, die ihrerseits Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung sind. Als speziell dienstrechtlicher, d.h. aus den Erfordernissen des Dienstverhältnisses hergeleiteter und folglich auf dienstrechtliche Normen gestützter Eingriff ist die Anzeigepflicht rechtmäßig, wenn sie sich als ein nach den Maßstäben der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zulässiger Eingriff erweist (vgl. etwa Urteile vom 30. Juni 1983 – BVerwG 2 C 57.82 – BVerwGE 67, 287 ≪294≫ und vom 25. Januar 1990 – BVerwG 2 C 10.89 – BVerwGE 84, 299 ≪302 ff.≫). Das ist der Fall. Mit der Anzeigepflicht nach § 66 Abs. 2 Satz 1 GG soll Erschwernissen für die Realisierung des hergebrachten Grundsatzes, dass sich der Beamte mit voller Hingabe seinem Beruf zu widmen hat, § 36 BRRG, § 54 Satz 1 BBG, vorgebeugt werden. Es geht also um die Pflicht des Beamten, sich ganz für den Dienstherrn einzusetzen und diesem, grundsätzlich auf Lebenszeit, die eigene Arbeitskraft voll zur Verfügung zu stellen – wenn auch im Allgemeinen nur nach Maßgabe der Arbeitszeitvorschriften. Das bedeutet insbesondere, dass das Interesse des Dienstherrn und der Allgemeinheit zum einen an einer vollwertigen, nicht durch anderweitigen Einsatz der Arbeitskraft beeinträchtigten Dienstleistung des Beamten und zum anderen an einer Amtsausübung in Unbefangenheit, ungeteilter Loyalität und unter Vermeidung bereits des Anscheins möglicher Interessen- oder Loyalitätskonflikte geschützt sind (Urteil vom 25. Januar 1990 – BVerwG 2 C 10.89 – a.a.O.). Diesem Ziel dient die Anzeigepflicht nach § 66 Abs. 2 Satz 1 BBG. Die Einfügung der auf dieses Ziel gerichteten Vorschrift geht auf einen Antrag des Rechtsausschusses zurück. Dieser hatte zur Begründung auf die mögliche Verletzung dienstlicher Pflichten und auf eine mögliche Schädigung des Ansehens der öffentlichen Verwaltung hingewiesen (BTDrucks 13/8079 S. 19).
Diese Erwägung des Gesetzgebers wird von seinem weiten Einschätzungsspielraum in der Frage gedeckt, ob es – zusätzlichen – gesetzlichen Schutzes für ein Rechtsgut bedarf und wie ein etwaiger Schutz zu erreichen ist. Es liegt nicht fern, dass die im Prinzip unbegrenzt gewährte Möglichkeit, im Rahmen der Nebentätigkeit als Schriftsteller oder Wissenschaftler tätig zu sein oder Vorträge zu halten, geeignet ist, die dienstlichen Leistungen im Hauptamt zu gefährden und damit das Interesse des Staates und seiner Bürger und letztlich auch das notwendige Vertrauen der Öffentlichkeit in eine am Gemeinwohl orientierte, sachgerechte und pflichtgemäße Amtsführung der Beamten im Allgemeinen ernsthaft zu gefährden. Daher ist der Gesetzgeber, der – in Übereinstimmung mit Art. 33 Abs. 5 GG – den Anreiz zur Übernahme von Nebentätigkeiten verringern darf (BVerfGE 55, 207 ≪238≫), ebenfalls in Übereinstimmung mit dieser Verfassungsnorm auch berechtigt, den Beamten, der die Aufnahme einer Nebentätigkeit beabsichtigt, zu verpflichten, den Dienstherrn über deren Merkmale und Eigenschaften zu informieren, soweit diese für Ausmaß und Art der Belastung des Beamten aussagekräftig sind.
Der Eingriff ist geeignet, wenn mit seiner Hilfe die ihn tragenden Gemeinwohlbelange gefördert werden können. Er ist erforderlich, wenn kein anderes gleichwirksames Mittel zur Verfügung steht, dessen Einsatz das Grundrecht nicht oder doch weniger fühlbar einschränkt (Urteil vom 24. November 2005 – BVerwG 2 C 32.04 – a.a.O. S. 353 m. Hinweis auf die Rspr des BVerfG). Eignung und Erforderlichkeit können nur aufgrund prognostischer Einschätzungen beurteilt werden. Hierfür ist dem Gesetzgeber gleichfalls ein Bewertungsspielraum eröffnet, dessen Reichweite von der Eigenart des jeweiligen Regelungsbereichs und der auf dem Spiel stehenden Rechtsgüter abhängt (BVerwG, a.a.O.). Der Bewertungsspielraum des Gesetzgebers bei der Regelung der Nebentätigkeit von Beamten und Richtern ist weit (BVerfG, NVwZ 2007, 571). Zum einen unterliegen Richter und Beamte einer besonderen Pflichtenbindung, aufgrund der sie Beschränkungen bei der Grundrechtsausübung aus Rücksicht auf dienstliche Belange hinnehmen müssen. Zum anderen kommt Erschwernissen und Einschränkungen bei der Ausübung von Nebentätigkeiten keine existenzielle Bedeutung zu, weil der Lebensunterhalt der Beamten und Richter und ihrer Familien durch die Alimentation sichergestellt wird. Die Alimentation wird gewährt, um es den Beamten und Richtern zu ermöglichen, sich in wirtschaftlicher Unabhängigkeit mit vollem Einsatz dem Hauptamt zu widmen. Die Wahrnehmung des Hauptamtes soll nicht infolge eines Mangels an Zeit und Sorgfalt quantitativ oder qualitativ darunter leiden, dass Beamte und Richter sich durch anderweitige Beschäftigungen etwas hinzuverdienen wollen oder müssen (BVerwG, a.a.O. S. 354 m. Hinweis auf die Rspr des BVerfG).
In Wahrnehmung dieses Bewertungsspielraums konnte der Gesetzgeber die Angabe zu Art und Umfang der Nebentätigkeit sowie zur voraussichtlichen Höhe des Entgelts als ein geeignetes Mittel ansehen, einen übermäßigen Einsatz der Arbeitskraft des Beamten für die Nebentätigkeit und eine Schmälerung des Ansehens der Verwaltung zu verhindern. Außer der Art der Nebentätigkeit, die erkennen lässt, ob der Beamte durch sie über eine längere oder kürzere Zeit in Anspruch genommen sein wird, erlaubt in vielen Fällen auch die voraussichtliche Höhe des Entgelts Rückschlüsse auf das voraussichtliche Ausmaß der Belastung. Unerheblich ist, dass die Kenntnis, die der Dienstherr durch die Angaben erhält, in vielen Fällen vage sein wird. Denn die Anzeigepflicht zielt – naturgemäß – nicht auf eine vollständige und lückenlose Transparenz. Der Dienstherr soll lediglich eine ungefähre Vorstellung gewinnen (vgl. die Begründung des Änderungsantrags des Rechtsausschusses zur Neufassung des § 66 BBG, BTDrucks 13/8079 S. 19), die dann allerdings durch etwaige spätere ergänzende Angaben (vgl. § 66 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 sowie Satz 3 BBG) weiter präzisiert werden kann. Jedenfalls ist die in § 66 Abs. 2 Satz 1 BBG vorgesehene Anzeigepflicht keine schlechthin ungeeignete Maßnahme. Falls der Beamte nicht einmal vage Angaben zum voraussichtlichen Entgelt und zum voraussichtlichen Zeitaufwand machen kann, ist er nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen insoweit von der Anzeigepflicht befreit.
Der Bundesgesetzgeber durfte die Anzeigepflicht auch zur Erreichung des angestrebten Ziels für erforderlich halten. Der Dienstherr ist auf die Kenntnis, die er durch sie erlangt, besonders angewiesen, wenn Richter rechtswissenschaftliche Abhandlungen verfassen oder Vorträge vorbereiten. Der Richter ist, da er keine Dienststunden einzuhalten und sich, von Zeiten der mündlichen Verhandlung und von Beratungen abgesehen, nicht im Dienstgebäude aufzuhalten braucht, berechtigt, sich auch während der anderswo üblichen Dienststunden mit wissenschaftlichen Arbeiten oder der Vorbereitung eines Vortrags außerhalb des Dienstgebäudes zu befassen. Hinzu kommt, dass die genannten Arten von Nebentätigkeit in enger, oft schwer trennbarer Beziehung zu dem stehen, womit sich der Richter im Hauptamt befasst. Die Suche nach Antwort auf Rechtsfragen, die Teil der Aufgaben des Hauptamtes eines Richters ist, wird oft auch Gegenstand seiner schriftstellerischen, wissenschaftlichen oder Vortragstätigkeit sein (BVerfG, Beschluss vom 27. März 1981 – 2 BvR 1472/80 – für Hochschullehrer). Ob hier das rechte Maß des Einsatzes im Verhältnis von Hauptamt und Nebentätigkeit eingehalten wird, lässt sich allein anhand erledigter Pensen weniger deutlich überblicken.
Es gibt kein milderes, aber ebenso wirksames Mittel, dem Dienstherrn die notwendigen Informationen zu verschaffen. Der Gesetzgeber hat die Nebentätigkeit nach § 66 Abs. 1 Nr. 3 BBG nicht einer Genehmigungspflicht unterworfen; die im Vergleich zu dieser ohnehin mildere Anzeigepflicht gilt für Nebentätigkeiten nach § 66 Abs. 1 Nr. 3 BBG auch nur, wenn der Beamte für sie ein Entgelt oder einen geldwerten Vorteil erhält.
Die Anzeigepflicht ist verhältnismäßig im engeren Sinne. Werden die Schwere des Eingriffs, von dem der Beamte oder Richter betroffen ist, und die Gründe, die diesen Eingriff veranlasst haben, gegeneinander abgewogen, so zeigt sich, dass die Grenze des Zumutbaren gewahrt ist (vgl. BVerfG, BVerfGE 78, 77 ≪85≫). Das Interesse des Beamten oder Richters, keine Angaben zu machen, wiegt geringer als das Interesse des Dienstherrn, die gewünschten Informationen zu erhalten. Die Schwere und belastende Wirkung des Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung besteht in der – jedenfalls partiellen – Zurückdrängung des Interesses des Beamten oder Richters an der Geheimhaltung der Daten. Dieses Interesse wiederum bestimmt sich nach der Art der Angaben, die zu machen sind. Wesentlich sind auch der Zweck, der mit der Erhebung verfolgt wird, und die Möglichkeiten, wie die Daten verknüpft und verwendet werden können (BVerfGE 65, 1 ≪45≫).
Die nach § 66 Abs. 2 Satz 1 BBG anzuzeigenden Daten haben einen Bezug zu den Pflichten, die dem Hauptamt des Beamten entfließen, und damit zu dem Hauptamt selbst, dessen ordnungsgemäße Wahrnehmung der Dienstherr zu überwachen hat. Die Verwendung der Daten ist auf diesen Zweck begrenzt; eine anderweitige Verwendung ist nicht vorgesehen und auch ausgeschlossen. Der Inhalt der Daten tangiert die Persönlichkeit dessen, den sie betreffen, nur am Rande. Die allgemeinen Vermögensverhältnisse dieser Person werden nicht offenbart; Inhalt und Gegenstand einer wissenschaftlichen Ausarbeitung oder eines Vortrags sind ohnehin für eine – von Fall zu Fall mehr oder weniger begrenzte – Öffentlichkeit bestimmt.
Die Anzeigepflicht verstößt ferner nicht gegen Art. 2 Abs. 1 GG in seiner Funktion als Gewährleistung der allgemeinen Handlungsfreiheit. Diese Freiheit ist gleichfalls durch die verfassungsmäßige Ordnung und damit auch durch die verfassungskonforme Vorschrift des § 66 Abs. 2 Satz 1 BBG begrenzt. Unterfiele die Ausübung von Nebentätigkeit nicht dem Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG, sondern demjenigen des Art. 12 Abs. 1 GG, wäre die Anzeigepflicht als bloße Berufsausübungsregelung durch die vernünftige und gemeinwohlorientierte Erwägung, dass die Beobachtung des Ausmaßes der Nebentätigkeit eines Beamten zum Schutze der ordnungsgemäßen Wahrnehmung seines Hauptamtes geboten ist, gerechtfertigt (Urteil vom 24. November 2005 a.a.O ≪353≫).
§ 66 Abs. 2 Satz 1 BBG ist auch mit Art. 5 Abs. 3 GG vereinbar. Die Anzeigepflicht hindert die Ausübung von Wissenschaft nicht. § 66 BBG stellt in seinem ersten Absatz die schriftstellerische, wissenschaftliche und Vortragstätigkeit gerade genehmigungsfrei. Der dem Beamten und Richter auferlegte Akt der Formulierung und Absendung der Anzeige beeinträchtigt diese Tätigkeit nicht. Dadurch, dass der Dienstherr durch die Anzeige von der Nebentätigkeit erfährt, wird der Beamte nicht, wie die Revision meint, gezwungen, die Nebentätigkeit unter der Beobachtung durch Vorgesetzte und damit nicht frei und unbefangen auszuüben. Denn mit der Wahl einer schriftstellerischen, wissenschaftlichen oder Vortragstätigkeit hat sich der Beamte für eine Nebentätigkeit entschieden, deren Ergebnis zur Kenntnisnahme durch andere bestimmt ist.
Schließlich ist die Anzeigepflicht auch mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Der Gesetzgeber kann innerhalb eines weiten Gestaltungsspielraums zur Regelung der Frage, in welchen Tätigkeitsbereichen er Nebentätigkeiten überhaupt zulässt, ob er sie für nur anzeigepflichtig oder für genehmigungspflichtig erklärt oder ob er Vergütungen der Anzeigepflicht unterwirft, auch bestimmen, welche Nebentätigkeiten von solchen Beschränkungen freizustellen sind, ohne damit gegen den Gleichheitssatz zu verstoßen (BVerfG, NVwZ 2007, 571; BVerfG, Beschluss vom 27. März 1981 – 2 BvR 1472/80 – Umdruck S. 14; BVerwG, Beschluss vom 14 August 2002 – BVerwG 2 B 9.02 – Buchholz 237.8 § 71a RhPLBG Nr. 1). Er steht nicht vor der Wahl des “Alles oder Nichts”. Der Gesetzgeber kann deshalb auch einzelne der genehmigungsfreien Nebentätigkeiten, die er für bedeutsam hält, der Anzeigepflicht unterwerfen und andere weniger bedeutsame davon ausnehmen, zugleich aber für alle genehmigungsfreien Nebentätigkeiten die Untersagung vorsehen, wenn dienstliche Pflichten verletzt werden (vgl. § 66 Abs. 2 Satz 3 BBG). Aufgrund seines Bewertungsspielraums ist er berechtigt, vorrangig bei den Nebentätigkeiten nach § 66 Abs. 1 Nr. 3 BBG einen Anreiz anzunehmen, sich ihnen zuzuwenden, und deshalb bei diesen Tätigkeiten die abstrakte Gefährdung dienstlicher Interessen größer als bei Tätigkeiten des Beamten in Berufsverbänden und Gewerkschaften, vgl. § 66 Abs. 1 Nr. 5 BBG, zu veranschlagen. Auch war der Gesetzgeber weder gehalten, auf die Anzeigepflicht bei wissenschaftlicher Nebentätigkeit zu verzichten, weil er eine solche Pflicht bei einer Tätigkeit in Gewerkschaften oder Berufsverbänden, die gleichfalls durch ein vorbehaltslos gewährleistetes Grundrecht geschützt ist, nicht vorgesehen hat, noch manifestiert sich in §§ 65, 66 BBG ein geschlossenes, nicht ohne weiteres zu durchbrechendes Regelungssystem, wonach genehmigungsfreie Nebentätigkeiten nur bei Missständen untersagt, nicht aber voraussetzungslos anzeigepflichtig gemacht werden können.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Unterschriften
Albers, Prof. Dawin, Dr. Heitz, Thomsen
RiBVerwG Groepper ist wegen Urlaubs verhindert zu unterschreiben.
Albers
Fundstellen
Haufe-Index 1786236 |
ZTR 2008, 58 |
DSB 2008, 14 |
DVP 2008, 168 |
VR 2007, 358 |
AUR 2007, 365 |
DVBl. 2007, 1185 |
DVBl. 2008, 114 |