Verfahrensgang
VG Halle (Saale) (Urteil vom 11.06.2012; Aktenzeichen 3 A 124/11 HAL) |
Tenor
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Halle vom 11. Juni 2012 wird aufgehoben. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Tatbestand
I
Die Klägerin wendet sich mit ihrer Fortsetzungsfeststellungsklage gegen die ordnungsrechtliche Verfügung der Beklagten vom 23. Juni 2010, mit der ihr unter Androhung von unmittelbarem Zwang und unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die Durchführung eines für den 26. Juni 2010 in der Gaststätte „A.” in der W. geplanten Pokerturniers in der Spielvariante „Texas Hold'em” mit der Begründung untersagt wurde, es handele sich hierbei um ein unerlaubtes Glücksspiel.
Die Klägerin ist nach ihren Angaben Lizenznehmerin des Bundes Deutscher Poker-Veranstalter, der die so genannte Poker-Bundesliga betreibt. Die Lizenz sieht vor, dass die Klägerin in den Bundesländern Sachsen-Anhalt, Berlin, Sachsen und Thüringen Pokerturniere durchführen kann. An dem Pokerturnier in W. sollte jeder Interessierte teilnehmen können, wenn er vor Beginn der Veranstaltung einen Betrag von 15 EUR an den Veranstalter entrichtete, wofür ihm eine bestimmte Anzahl von Chips ausgehändigt wurde; möglich war auch, einen Spieler-Pass für 50 EUR zu erwerben, der zur Teilnahme an fünf Turnieren berechtigte. Nach den Angaben der Klägerin, denen die Beklagte nicht entgegen getreten ist, war folgender Ablauf in der Turnierform „Sit and Go” vorgesehen: Gespielt werden sollte nach den Regeln der Pokervariante des „Texas Hold'em” an mindestens zwei Tischen mit jeweils bis zu zehn Spielern, die für ihre Wetteinsätze ausschließlich die ihnen ausgehändigten Chips verwenden durften. Jeder Spieler erhält vom jeweiligen Kartengeber zwei Spielkarten, die nur von ihm eingesehen werden können (verdeckte Karten). Fünf für alle Mitspieler sichtbare Karten (offene Karten) werden nach und nach bei den Gebotsrunden in der Mitte des Tisches angeordnet. Jeder Spieler stellt sein Blatt zusammen, indem er seine zwei eigenen (verdeckten) Karten mit den anderen Karten (virtuell) kombiniert. Die beste Kombination mit fünf Karten gewinnt. An jedem Spieltisch werden vier Wettrunden ausgespielt, bei denen es jeweils darum geht, hinsichtlich des Wetteinsatzes drei prinzipielle Entscheidungen zu treffen: mitgehen, erhöhen oder aussteigen. Die Sieger jedes Spieltisches sollten anschließend eine Turnier-Endrunde austragen. Die drei besten Teilnehmer des Pokerturniers sollten jeweils einen Pokal im Wert von 13,30 EUR brutto erhalten; dem Turniersieger sollte außerdem ein „Turniersiegerhemd” im Wert von 25 EUR übergeben werden. Den fünf besten Spielern des Turniers wurden jeweils zwischen 5 000 und 10 000 Bonus-Chips („Startstacks”) zugesagt. Mit jeweils 5 000 dieser Bonus-Chips erwarben diese Spieler die Berechtigung zur unentgeltlichen Teilnahme an einem der von der Klägerin organisierten MonatsPokerturniere mit jeweils 100 bis 150 Spielern. Die Sieger dieser Turniere durften an der „Deutschen Meisterschaft” teilnehmen, wo ihnen Sachpreise winkten; ihnen wurden auch geldwerte Gutscheine für kostenfreie Reisen inklusive Übernachtungen in Aussicht gestellt, die aufgrund vertraglicher Vereinbarungen der Klägerin mit den jeweiligen Veranstaltern u.a. eine kostenfreie Teilnahme an internationalen Pokerturnieren in Tschechien und/oder in den USA ermöglichten, bei denen es erhebliche Geld- oder Sachpreise zu gewinnen gab.
Nachdem ein Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz ohne Erfolg geblieben war, sagte die Klägerin das Pokerturnier in W. ab. Ihr gegen die Untersagungsverfügung erhobener Widerspruch wurde vom Landkreis W. mit Widerspruchsbescheid vom 21. April 2011 zurückgewiesen.
Zur Begründung ihrer Fortsetzungsfeststellungsklage hat die Klägerin im Wesentlichen geltend gemacht, bei der Pokervariante „Texas Hold'em” handele es sich um ein Geschicklichkeitsspiel und nicht um ein Glücksspiel im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 des Glücksspielstaatsvertrages (GlüStV 2008) und § 284 StGB. Die Teilnahmegebühr sei kein Entgelt für den Erwerb einer Gewinnchance, sondern diene nur der Deckung der Kosten des Pokerturniers.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 11. Juni 2012 als unbegründet abgewiesen. Beim Pokerspiel handele es sich auch in der Variante „Texas Hold'em” um ein Glücksspiel. Die Entscheidung über den Gewinn oder Verlust hänge ganz oder jedenfalls überwiegend vom Zufall ab. Es sei insoweit entgegen der Auffassung der Klägerin nicht auf einen professionellen, geübten Spieler, sondern auf das Durchschnittspublikum abzustellen. Die Teilnehmer zahlten für den Erwerb einer Gewinnchance 15 EUR, da ihnen damit der Weg zu erheblichen Preisen eröffnet werde, wenn auch über eine umfängliche Kette von Siegen.
Zur Begründung ihrer Sprungrevision macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, das Verwaltungsgericht habe die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV 2008 verkannt. Zum einen habe es außer Acht gelassen, dass das Startgeld der einzelnen Spieler in Höhe von 15 EUR ausschließlich zur Deckung der Veranstaltungskosten diene und damit eine reine Teilnahmegebühr darstelle. Es handele sich nicht um ein Entgelt für den Erwerb einer Gewinnchance. Für die Spieler habe gar nicht die Möglichkeit bestanden, einen direkten vermögenswerten Vorteil zu erlangen. Die Turniersieger hätten lediglich an gesonderten Finalveranstaltungen unentgeltlich teilnehmen dürfen, bei denen dann ausschließlich von Sponsoren zur Verfügung gestellte Preise gewonnen werden könnten. Zum anderen habe das Verwaltungsgericht verkannt, dass bei „Texas Hold'em” der Spielgewinn gerade nicht ganz oder überwiegend vom Zufall abhänge. Mehrere vorliegende Studien hätten gezeigt, dass der Ausgang des Pokerspiels nach den Regeln dieser Spielvariante ganz wesentlich von den Fähigkeiten, Kenntnissen und dem Grad der Aufmerksamkeit des Spielers abhänge. Das oberste Gericht der Niederlande, der Hoge Raad, habe in seinem Urteil vom 2. Juli 2010 (Aktenzeichen 09/867520/08) die Pokerspielvariante „Texas Hold'em” als Geschicklichkeitsspiel eingeordnet. Er habe sich dabei auf eine von Professor Ben van der Gnugten (Universität Tilburg/NL), einem Experten auf dem Gebiet der Statistik und der Wahrscheinlichkeitsberechnung, in Zusammenarbeit mit dem Mathematikprofessor Peter Born erstellte Untersuchung gestützt. Dem Geschicklichkeitsanteil eines Spiels werde in dieser Studie ein Wert („Skill-Faktor”) zwischen null (kein Geschicklichkeitsanteil) und eins (höchster Geschicklichkeitsanteil) zugeordnet. Nach dieser Formel sei der Anteil des Skill-Faktors so hoch wie die Differenz im Ergebnis eines Spieles zwischen einem Anfänger und einem Experten. Poker in der Spielvariante „Texas Hold'em” habe einen Skill-Anteil von 0,4 und liege nach der vorbezeichneten Studie nahe beim Schach oder Bridge, die allgemein als Skill-Games angesehen würden. Das Verwaltungsgericht habe zudem in rechtsfehlerhafter Weise nicht über den im Klagebegründungsschriftsatz der Klägerin vom 10. Juni 2009 gestellten Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens der … GmbH zur Einordnung der Pokerspielvariante „Texas Hold'em” als Spiel mit überwiegenden Geschicklichkeitsanteilen entschieden. Das angegriffene Urteil verstoße außerdem gegen Art. 12 Abs. 1 GG. Da die Voraussetzungen für eine Untersagung nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV 2008 i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV 2008 nicht vorlägen, sei der Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit ohne gesetzliche Grundlage erfolgt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Halle vom 11. Juni 2012 zu ändern und festzustellen, dass die Untersagungsverfügung der Beklagten vom 23. Juni 2010 und der Widerspruchsbescheid des Landkreises W. vom 21. April 2011 rechtswidrig waren.
Die Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Klägerin ist begründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichts verstößt hinsichtlich der Auslegung des Glücksspielbegriffs gegen Bundesrecht (1.) und stellt sich auch nicht gemäß § 144 Abs. 4 VwGO aus anderen Gründen als richtig dar (2.). Mangels hinreichender tatsachengerichtlicher Feststellungen zur seinerzeit geplanten Verwendung des von allen Teilnehmern des Pokerturniers geforderten Betrages von 15 EUR kann der Senat nicht in der Sache selbst entscheiden, so dass das angefochtene Urteil gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen ist (3.).
1. Das Verwaltungsgericht hat ohne hinreichende Prüfung angenommen, das von der Klägerin in dem für den 26. Juni 2010 geplanten Pokerturnier vorgesehene Pokerspiel der Variante „Texas Hold'em” sei ein Glücksspiel im Sinne von § 3 Abs. 1 des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes des Landes Sachsen-Anhalt vom 18. Dezember 2007 (GVBl LSA S. 412 – im Folgenden: GlüStV 2008). Darin liegt ein Verstoß gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).
Das kann der Senat überprüfen, obwohl der Glücksspielstaatsvertrag als solcher Landesrecht und im hier maßgeblichen Zeitpunkt sowohl bei Ergehen der Untersagungsverfügung vom 23. Juni 2010 als auch bei ihrer Erledigung noch nicht revisibel war. Denn das Verwaltungsgericht hat sich ebenso wie die handelnden Behörden bei der Auslegung des Glücksspielbegriffs ersichtlich von den bundesrechtlichen Vorgaben in § 284 StGB leiten lassen. Das ist auch geboten, denn nur in diesem Umfang hat das bundesrechtlich geregelte Gewerberecht in § 33h Nr. 3 GewO dem Landesgesetzgeber einen eigenen Regelungsbereich gelassen, weshalb Landesrecht den Glücksspielbegriff jedenfalls nicht weiter fassen darf als den Glücksspielbegriff des § 284 StGB (vgl. Urteil vom 16. Oktober 2013 – BVerwG 8 C 21.12 – juris Rn. 16).
a) Das Verwaltungsgericht ist zwar rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass ein erlaubnispflichtiges Glücksspiel im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV 2008 i.V.m. § 284 StGB vorliegt, wenn im Rahmen eines Spiels für den Erwerb einer Gewinnchance ein Entgelt verlangt wird und die Entscheidung über den Gewinn ganz oder überwiegend vom Zufall abhängt. Es hat jedoch verkannt, dass sich das Tatbestandsmerkmal des Entgelts für den Erwerb einer Gewinnchance mit dem des Einsatzes für ein Glücksspiel im Sinne des § 284 StGB jedenfalls insoweit deckt, als verlangt wird, dass die Gewinnchance gerade aus dem Entgelt erwächst. Hierfür genügt nicht jede vom Veranstalter geforderte Geldzahlung durch die Spielteilnehmer. Unter „Einsatz” fällt jede Leistung, die erbracht wird in der Hoffnung, im Falle des „Gewinnens” eine gleiche oder höherwertige Leistung zu erhalten, und in der Befürchtung, dass sie im Falle des „Verlierens” dem Gegenspieler oder dem Veranstalter anheimfällt (vgl. BGH, Beschluss vom 29. September 1986 – 4 StR 148/86 – BGHSt 34, 171 ≪176≫). Die Gewinnchance – und nicht der Gewinn selbst – muss sich gerade aus der Entgeltzahlung des Spielteilnehmers ergeben. Zwischen der Aufwendung des Vermögenswertes durch den Spieler und dessen Gewinn oder Verlust muss ein notwendiger Zusammenhang bestehen (BGH, Urteil vom 29. September 1986 a.a.O. S. 177). Daran fehlt es, wenn mit der Zahlung des Entgelts lediglich die Berechtigung zum Betreten des Veranstaltungsortes oder zur Teilnahme am Spiel erworben wird. Das ist jedenfalls dann der Fall, wenn mit dem Entgelt der Teilnehmer ausschließlich oder doch ganz überwiegend die Veranstaltungskosten gedeckt werden und von den Teilnehmern keine weiteren Zahlungen, aus denen sich eine Gewinnchance ergeben könnte, zu leisten sind. Dann handelt es sich nur um eine Teilnahmegebühr mit der Folge, dass kein Glücksspiel im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV 2008 i.V.m. § 284 StGB vorliegt (vgl. dazu Urteil vom 16. Oktober 2013 a.a.O. Rn. 21 ff.).
Das Verwaltungsgericht hat es für den notwendigen Zusammenhang zwischen Entgeltzahlung und dem Erwerb der Gewinnchance genügen lassen, dass mit der Entrichtung des Entgelts „der Weg zu erheblichen Gewinnen eröffnet” wird, und dies auch bei einer bloßen Teilnahmegebühr bejaht. Das ist revisionsrechtlich fehlerhaft.
Der festgestellte Verstoß gegen Bundesrecht ist auch entscheidungserheblich. Handelte es sich bei der von der Klägerin von den Teilnehmern des Pokerturniers geforderten Entgeltzahlung um eine reine Teilnahmegebühr, mit der vollständig oder jedenfalls ganz überwiegend die Kosten der Veranstaltung gedeckt werden sollten, und fehlte es bereits aus diesem Grund an dem notwendigen Zusammenhang zwischen der Geldzahlung und dem Erwerb der Gewinnchance, wäre der Bescheid der Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheides schon deshalb rechtswidrig gewesen und die Klage hätte nicht abgewiesen werden dürfen.
b) Die Annahme des Verwaltungsgerichts, das Pokerspiel in der Variante „Texas Hold'em” sei kein Geschicklichkeitsspiel, weil die Entscheidung über den Gewinn ganz oder überwiegend vom Zufall abhängt, verstößt dagegen nicht gegen Bundesrecht.
Keine Einwände sind zunächst dagegen zu erheben, dass das Verwaltungsgericht bei der Prüfung der Zufallsabhängigkeit nicht auf den professionellen geübten Spieler, sondern auf das Durchschnittspublikum und damit auf den durchschnittlichen Spieler abgestellt hat (vgl. dazu u.a. BGH, Urteil vom 28. September 2011 – I ZR 93/10 – juris Rn. 81). Das entspricht in Bezug auf das untersagte Pokerturnier in W. dem gesetzlichen Schutzzweck. Denn die Teilnahme an diesem war nicht auf professionelle oder besonders geübte Spieler beschränkt, sondern publikumsoffen. Es sollte grundsätzlich jeder teilnehmen können, der das Entgelt von 15 EUR entrichtete. Dies bestimmte das erforderliche Schutzniveau.
Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang rügt, das Verwaltungsgericht habe dem von ihr mit Schriftsatz vom 10. Juni 2011 vorgebrachten Begehren auf Einholung eines Sachverständigengutachtens der … GmbH zur Einordnung der Pokerspielvariante „Texas Hold'em” als Spiel mit überwiegenden Geschicklichkeitsanteilen nicht entsprochen, ergibt sich daraus kein Verstoß gegen Verfahrensrecht. Denn es handelte sich insoweit nur um eine Beweisanregung, nicht aber um einen in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag, der gemäß § 86 Abs. 2 VwGO förmlich hätte beschieden werden müssen. Dem Verwaltungsgericht musste sich insoweit auch nicht die Notwendigkeit einer weiteren Beweiserhebung aufdrängen. Die Klägerin hatte zwar auf eine einer Entscheidung eines niederländischen Obergerichts („Hoge Raad”) zugrunde liegende mathematisch-statistische Untersuchung hingewiesen, wonach beim Poker der Spielvariante „Texas Hold'em” der Geschicklichkeitsanteil („Skill-Faktor”) nahe beim Schach oder Bridge liege, die allgemein als Geschicklichkeitsspiele angesehen würden. Aus ihrem Vorbringen ergibt sich jedoch, dass diese von ihr angeführte Studie für diese Pokervariante lediglich einen Skill-Faktor von 0,4 und damit einen Geschicklichkeitsanteil von weniger als 50 v.H. ermittelt hatte. Selbst unter Zugrundelegen dieses Parteivortrags war damit von einer überwiegenden Zufallsabhängigkeit der Entscheidung über den Gewinn auszugehen. Angesichts dessen hat für das Verwaltungsgericht keine Veranlassung bestanden, das von der Klägerin angeregte Sachverständigengutachten einzuholen.
2. Das Urteil des Verwaltungsgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Insbesondere konnte die angefochtene und zwischenzeitlich erledigte Untersagungsverfügung der Beklagten nicht auf §§ 1 und 13 des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes Sachsen-Anhalt (SOG LSA, GVBl LSA 2003 S. 214 i.V.m. § 33d Abs. 1 Satz 1 GewO gestützt werden. Das darf das Bundesverwaltungsgericht überprüfen, obwohl auch Landesrecht betroffen ist; denn das Verwaltungsgericht ist – von seinem rechtlichen Standpunkt aus folgerichtig – auf die damit verbundenen Fragen nicht eingegangen.
Allerdings hätte sich die Klägerin, selbst wenn das von ihr geplante Pokerturnier mangels Entgeltcharakters der den Teilnehmern abverlangten Zahlung nicht als Glücksspiel im Sinne des § 3 Abs. 1 GlüStV 2008 anzusehen sein sollte, rechtswidrig verhalten. In diesem Falle hätte sie nämlich für das Pokerturnier, das sie im Rechtssinne gewerbsmäßig veranstalten wollte, nach § 33d Abs. 1 Satz 1 GewO der Erlaubnis der zuständigen Behörde bedurft, die sie nicht eingeholt hatte. Das geplante Turnier war auch nicht ausnahmsweise nach § 33g Nr. 1 GewO i.V.m. § 5a der Verordnung über Spielgeräte und andere Spiele mit Gewinnmöglichkeit in der Fassung vom 27. Januar 2006 (BGBl I S. 280) – SpielV – erlaubnisfrei. Das hätte nach § 33g Nr. 1 GewO vorausgesetzt, dass das Spiel überwiegend der Unterhaltung dient, was Ziffer 1a, 2 und 3 der Anlage zu § 5a SpielV dahin konkretisiert, dass es sich um ein Geschicklichkeitsspiel handeln muss. Wie gezeigt, hängt der Ausgang des Pokerspiels in der Variante „Texas Hold'em” nach den insoweit fehlerfreien Feststellungen des Verwaltungsgerichts jedoch überwiegend vom Zufall ab.
Auch wenn hiernach die Beklagte das geplante Turnier wegen der fehlenden Erlaubnis grundsätzlich hätte untersagen dürfen, so könnte die angefochtene Untersagungsverfügung doch gleichwohl nicht aus diesem Grunde als rechtmäßig erachtet werden. Die Verfügung ist nämlich auf diesen rechtlichen Gesichtspunkt nicht gestützt worden; die Behörden haben sich vielmehr – namentlich bei der Ausübung ihres Untersagungsermessens – davon leiten lassen, ein nach § 3 Abs. 1 GlüStV 2008 verbotenes Glücksspiel zu unterbinden. Das gilt jedenfalls für die Widerspruchsbehörde, die allein auf den Glücksspielstaatsvertrag abgestellt hat. Es gilt aber auch für die Ausgangsbehörde. Diese hat zwar als Ermächtigungsgrundlage nicht den Glücksspielstaatsvertrag, sondern § 33d GewO angeführt und auch § 5a SpielV genannt. Sie hat jedoch in den Gründen ihrer Verfügung ausschließlich darauf abgehoben, dass die Klägerin ein nach § 284 StGB verbotenes Glücksspiel betreiben wolle, und sich mithin ebenfalls allein von dem strafrechtlichen Glücksspielbegriff leiten lassen, der – wie erwähnt – auch § 3 Abs. 1 GlüStV 2008 zugrunde liegt. Damit ist nicht ausgeschlossen, dass die Beklagte von ihrem Untersagungsermessen einen anderen Gebrauch gemacht hätte, hätte sie erwogen, ob der Klägerin die durch § 33d GewO geforderte Erlaubnis – welche deren Zuverlässigkeit sowie das Vorliegen einer Unbedenklichkeitsbescheinigung des Bundeskriminalamts voraussetzt (§ 33d Abs. 2 und 3 GewO) – nicht hätte erteilt werden können. Bei dieser Sachlage braucht der Frage nicht weiter nachgegangen zu werden, ob Gegenstand der Anfechtungs- oder der Fortsetzungsfeststellungsklage der Ausgangsbescheid auch dann in der Gestalt des Widerspruchsbescheides ist (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), wenn der Widerspruchsbescheid nicht mehr hätte ergehen dürfen, weil sich das Aufhebungsbegehren bereits zuvor erledigt hatte.
3. Das angegriffene Urteil ist gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen, weil es an hinreichenden tatsächlichen Feststellungen zur seinerzeit geplanten Verwendung des von den Teilnehmern des Pokerturniers geforderten Betrages von 15 EUR fehlt und der Senat auf der Grundlage des Akteninhalts und der Angaben der Beteiligten diese auch nicht selbst treffen kann.
Das Verwaltungsgericht hat in tatsächlicher Hinsicht zwar festgestellt, dass die Teilnehmer des von der Klägerin beabsichtigten Spiels im Voraus einmal 15 EUR zu entrichten haben, und hat dies im Tatbestand des Urteils als Teilnahmegebühr bezeichnet. Ob die Zahlung dieses von der Klägerin geforderten Betrages, die zur Aushändigung der für die Einsätze beim Pokerspiel während des Pokerturniers notwendigen Chips führt, ausschließlich oder jedenfalls ganz überwiegend der Deckung der Kosten des Turniers dienen sollte, hat das Verwaltungsgericht dagegen nicht festgestellt. Die Klägerin hatte einen solchen Verwendungszweck sowohl im Verwaltungs- als auch im gerichtlichen Verfahren zwar behauptet. Das Oberverwaltungsgericht hatte dies im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens jedoch in Zweifel gezogen. Es hatte ausgeführt, bei dem von der Klägerin geplanten Pokerturnier sei „nicht sichergestellt, dass die zu entrichtenden Startgelder nicht (auch) im Sinne von § 3 Abs. 1 GlüStV 2008 für den Erwerb einer Gewinnchance geleistet werden”. Im Hauptsacheverfahren bedurfte diese Frage näherer Prüfung, die das Verwaltungsgericht jedoch unterlassen hat.
4. Die Entscheidung über die Kosten muss der Schlussentscheidung vorbehalten bleiben.
Unterschriften
Prof. Dr. Dr. h.c. Rennert, Dr. Deiseroth, Dr. Hauser
Fundstellen
Haufe-Index 6649264 |
DÖV 2014, 580 |
JZ 2014, 275 |
NJ 2014, 11 |
VR 2014, 252 |
DVBl. 2014, 3 |
GRUR-Prax 2014, 211 |
GV/RP 2014, 487 |
NPA 2014 |
FuBW 2014, 631 |
FuHe 2014, 466 |
FuNds 2014, 244 |
ZfWG 2014, 202 |