Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Der Kläger wendet sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des Regierungspräsidiums Chemnitz für den Bau der Bundesautobahn A 72 Chemnitz – Leipzig im ersten Teilabschnitt zwischen dem Autobahnkreuz Chemnitz und der Anschlussstelle A 72/S 242 bei Hartmannsdorf. Er ist Eigentümer des mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks G.-Str. 8 (Flurstücks 1102 der Gemarkung R.). Das Grundstück liegt etwa 200 m südlich der geplanten A 72 und 500 m östlich der geplanten S 243n.
Die A 72 verbindet die A 9 beim Dreieck Bayerisches Vogtland bei Hof mit der A 4 beim Autobahndreieck Chemnitz. Sie soll durch die Gesamtbaumaßnahme bis Leipzig verlängert und dort an die A 38 in Richtung Kassel angebunden werden. Der knapp 7 km lange erste Teilabschnitt soll durch den Neu- und Ausbau der Staatsstraßen S 242 und S 243 mit dem bestehenden Verkehrsnetz verknüpft werden. Dadurch soll insbesondere die B 95 im Bereich der Ortsdurchfahrt Hartmannsdorf entlastet werden.
In der vom Vorhabenträger vorgelegten schalltechnischen Untersuchung wurden die von der A 72 herrührenden Geräuschimmissionen unter Berücksichtigung des vorgesehenen aktiven Schallschutzes auf dem Grundstück des Klägers berechnet. Nach diesen Berechnungen kann der Lärmgrenzwert von 49 dB(A) nachts nicht an allen Immissionspunkten eingehalten werden. Er wird im ersten Obergeschoß an der Nord- und der Ostseite um 0,3 dB(A) überschritten. Insoweit wurde ein Anspruch des Klägers auf passiven Schallschutz bejaht. Für den Außenwohnbereich wurden 55,6 dB(A) tags und 51,5 dB(A) nachts berechnet. Für die von der S 243n herrührenden Geräuschimmissionen wurde eine Berechnung nicht durchgeführt, weil insoweit aufgrund des Abstandes von der Trasse davon auszugehen sei, dass die Immissionsgrenzwerte nicht überschritten würden.
Im Anhörungsverfahren erhob der Kläger rechtzeitig Einwendungen. Er machte geltend, dass der Außenwohnbereich seines Anwesens faktisch nicht mehr nutzbar sein werde. Die geplanten Maßnahmen des passiven Schallschutzes könnten eine Überschreitung der Immissionsgrenzwerte nicht verhindern. Zum einen beschränkten sich diese auf die Nord- und die Ostfassade. Das Gebäude werde aber auch an der Westseite durch den geplanten Zubringer zur A 72 belastet. Zum anderen sie an der Ostfassade wegen eines dort angebauten großen Wintergartens passiver Schallschutz technisch nicht zu realisieren. Die zulässigen Grenzwerte für Luftschadstoffe würden voraussichtlich sämtlich erreicht bzw. überschritten. Insbesondere im Hinblick auf NO(2) sei mit einer Grenzwertüberschreitung zu rechnen. Der Neubau der A 72 führe außerdem zu einem nicht entschädigungslos hinzunehmenden Wertverlust des Anwesens.
Mit Bescheid vom 12. November 2003 stellte das Regierungspräsidium Chemnitz den Plan für den Neubau der BAB A 72 und gemäß § 78 VwVfG auch für den Neu- und Ausbau der Staatsstraßen S 242 und S 243 einschließlich aller erforderlichen Folgemaßnahmen fest und wies die Einwendungen des Klägers zurück.
Am 22. Januar 2004 hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben. Zur Begründung nimmt er auf seine bisherigen Einwendungen Bezug und trägt ergänzend vor:
Es fehle schon an der Verkehrswirksamkeit der neu zu bauenden Bundesfernstraße und damit an der Vereinbarkeit mit § 1 FStrG. Der Vorhabenträger gehe im Erläuterungsbericht selbst davon aus, dass die Verkehrswirksamkeit von Anfang an eine Zu- und Ableitung des Verkehrs an den Anschlussstellen und eine Verlegung der Staatsstraßen S 242 und S 243 erfordere. Auch stelle die geplante Autobahn eine Parallelplanung zur bestehenden Bundesstraße zwischen Chemnitz und Leipzig, der B 95, dar. Eine solche Planung stehe in Widerspruch zum Bündelungsgebot. Der Beklagte sei im Hinblick auf die Luftschadstoffe von Grenzwerten ausgegangen, die zum Zeitpunkt des Planfeststellungsbeschlusses bereits durch strengere Grenzwerte ersetzt worden seien. Er habe außerdem nicht das Merkblatt für Luftverunreinigungen an Straßen (MLuS 02) beachtet. Die Verkehrsströme insbesondere des Schwerlastverkehrs seien nicht zutreffend berechnet worden.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Planfeststellungsbeschluss des Regierungspräsidiums Chemnitz vom 12. November 2003 aufzuheben,
hilfsweise,
den Beklagten zu verpflichten, den Planfeststellungsbeschluss um Schutzauflagen zu seinen Gunsten und die Zuerkennung eines Entschädigungsanspruchs zu ergänzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verteidigt den Planfeststellungsbeschluss.
In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte dargelegt, dass sich die berechneten Beurteilungspegel durch eine Summation der von der A 72 und der S 243n herrührenden Lärmimmissionen nach einer Vergleichsberechnung um bis zu 0,8 dB(A) erhöhen würden. An der West- und der Südfassade würden die Grenzwerte auch bei dieser Berechnungsweise nicht überschritten; an der Nordfassade werde zusätzlich auch im Erdgeschoss der Nachtgrenzwert um 0,2 dB(A) überschritten. Eine solche Summation sei nach der 16. BImSchV jedoch nicht vorgesehen. Beim Zusammentreffen mehrerer Straßen sei jeder Verkehrsweg getrennt zu betrachten, selbst wenn die Planfeststellung für den Bau der Straßen gemäß § 78 VwVfG in einem Verfahren stattfinde. Diese Rechtsauffassung liege auch Nr. 10.6 der Richtlinien für den Verkehrslärmschutz an Bundesfernstraßen in der Baulast des Bundes vom 2. Juni 1997 – VLärmschR 97 – zugrunde.
Entscheidungsgründe
II.
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
1. Der Kläger kann nicht die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses verlangen. Ob und inwieweit der nicht von der enteignungsrechtlichen Vorwirkung betroffene Kläger befugt ist, die geltend gemachten Mängel des Planfeststellungsbeschlusses im Klagewege zu rügen, kann offen bleiben. Die Mängel liegen jedenfalls nicht vor. Der Planfeststellungsbeschluss ist auch insoweit rechtmäßig und verletzt den Kläger schon aus diesem Grund nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1.1 Der Neubau der BAB A 72 entspricht den Zielsetzungen des § 1 Abs. 1 FStrG. Das ergibt sich aus § 1 Abs. 2 des Fernstraßenausbaugesetzes – FStrAbG – in Verbindung mit dem Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen, der dem Gesetz als Anlage beigefügt ist. Der Bau einer Autobahn zwischen Chemnitz und Leipzig ist in den Bedarfsplan aufgenommen. In der bei Erlass des Planfeststellungsbeschlusses geltenden Fassung des Bedarfsplans vom 15. November 1993 (BGBl I S. 1877) war die Strecke zwischen dem Autobahnkreuz Chemnitz und der B 175 bei Penig, in der Fassung des Bedarfsplans vom 4. Oktober 2004 (BGBl I S. 2574) ist darüber hinaus auch die Strecke bis zum Anschluss an die A 38 bei Leipzig als vordringlicher Bedarf ausgewiesen. Nach der gesetzgeberischen Wertung ist damit unter Bedarfsgesichtspunkten auch die Planrechtfertigung gegeben (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Januar 2004 – BVerwG 4 A 11.02 – BVerwGE 120, 1 ≪2≫). Die Feststellung, dass ein Bedarf besteht, ist für die Planfeststellung nach § 17 FStrG verbindlich. Das gilt auch für das gerichtliche Verfahren (vgl. BVerwG, Urteile vom 19. Mai 1998 – BVerwG 4 A 9.97 – BVerwGE 107, 1 ≪9≫ und vom 19. März 2003 – BVerwG 4 A 33.02 – Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 173 ≪S. 157≫, stRspr). Die Ausführungen des Vorhabenträgers im Erläuterungsbericht zur Verkehrsbedeutung der Straße, die dem Kläger Anlass zu Bedenken gegen die Planrechtfertigung geben, sind von vornherein nicht geeignet, die gesetzliche Bedarfsfeststellung in Frage zu stellen. Im Übrigen beziehen sie sich auf die Rechtfertigung nicht des Gesamtvorhabens, sondern des hier in Rede stehenden Teilabschnitts.
Auch der Plan für den ersten Teilabschnitt ist gerechtfertigt. Bei jeder abschnittsweisen Planung muss der Entstehung eines Planungstorsos vorgebeugt werden. Deshalb muss jeder Abschnitt eine eigenständige Verkehrsfunktion haben. Damit wird gewährleistet, dass die Teilplanung auch dann noch sinnvoll bleibt, wenn sich das Gesamtplanungskonzept im nachhinein als nicht realisierbar erweist (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 26. Juni 1992 – BVerwG 4 B 1.92 u.a. – Buchholz 406.11 § 9 BauGB Nr. 55 ≪S. 60≫ und vom 2. November 1992 – BVerwG 4 B 205.92 – Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 92 ≪S. 105≫; Urteil vom 25. Januar 1996 – BVerwG 4 C 5.96 – BVerwGE 100, 238 ≪255≫). Die Verkehrsfunktion muss vor dem Hintergrund der Gesamtplanung gesehen werden. Sie kann auch darin liegen, bis zur Verwirklichung der Gesamtplanung in erster Linie regionalen Verkehr aufzunehmen und dadurch örtliche Verkehrsprobleme zu lösen. Die Bedeutung des Gesamtvorhabens für den weiträumigen Verkehr wird dadurch nicht in Frage gestellt.
Der hier in Rede stehende erste Teilabschnitt der A 72 hat eine eigenständige Verkehrsfunktion. Er soll über die verlegten Staatsstraßen S 242 und S 243 an die B 95 angebunden werden und dadurch die B 95 zwischen Chemnitz und Hartmannsdorf, die den gegenwärtigen Verkehr nicht mehr aufnehmen kann, entlasten.
1.2 Das Vorhaben ist nicht wegen einer Überschreitung der Immissionsgrenzwerte für Verkehrsgeräusche unzulässig.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteile vom 7. Juli 1978 – BVerwG 4 C 79.76 – BVerwGE 56, 110 ≪133≫ und vom 18. April 1996 – BVerwG 11 A 86.95 – Buchholz 310 § 78 VwVfG Nr. 6 ≪S. 19 f.≫; Beschluss vom 30. Juni 2003 – BVerwG 4 VR 2.03 – Buchholz 407.4 § 1 FStrG Nr. 10 ≪S. 5≫) besteht im Falle unzureichender Lärmvorsorge grundsätzlich nur ein Anspruch auf Planergänzung, nicht aber auf Planaufhebung. Eine (teilweise) Planaufhebung kommt nur in Betracht, wenn das Fehlen einer Schallschutzauflage – ausnahmsweise – von so großem Gewicht sein könnte, dass die Ausgewogenheit der Planung insgesamt in Frage gestellt wäre.
Ein derartiges Lärmschutzdefizit hat der Kläger nicht schlüssig vorgetragen. Er hat lediglich eingewandt, dass ein erheblich höherer Anteil von LKW ab 2,8 t an der durchschnittlichen täglichen Verkehrsstärke (DTV) als 18,6 % zu erwarten und der Berechnung der Beurteilungspegel zugrunde zu legen sei. Dass dadurch Lärmschutzprobleme entstehen könnten, die die Ausgewogenheit der Planung insgesamt in Frage stellen, macht er selbst nicht geltend. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, worauf sich seine Bedenken gegen den der Planung zugrunde gelegten LKW-Anteil gründen. Für die A 72 ist der LKW-Anteil – wie es nach § 3 der 16. BImSchV i.V.m. Anlage 1 der Verordnung zulässig ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 21. März 1996 – BVerwG 4 A 10.95 – Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 13 ≪S. 39 f.≫, vom 11. Januar 2001 – BVerwG 4 A 13.99 – und vom 23. November 2001 – BVerwG 4 A 46.99 – Buchholz 406.25 § 43 BImSchG Nr. 16 ≪S. 16 f.≫ und Nr. 19 ≪S. 44 f.≫) – projektbezogen, nämlich durch Auswertung der Verkehrszählungen an den automatischen Dauermessstellen im sächsischen Verkehrsnetz, ermittelt worden. Die Messstellen erfassen LKW ab 3,5 t. Die Auswertung ergab einen Anteil der LKW ab 3,5 t an der DTV von 15,9 %. Der Anteil der LKW ab 2,8 t wurde aufgrund von Angaben der Bundesanstalt für Straßenwesen durch Multiplikation des LKW-Anteils ab 3,5 t mit dem Faktor 1,17 auf 18,6 % errechnet. Es gibt keinen Anhalt dafür, dass der Bundesanstalt für Straßenwesen bei der Ermittlung dieses Faktors ein methodischer Fehler unterlaufen sein könnte.
1.3 Das Vorhaben wirft keine Probleme für die Luftqualität auf, die im angefochtenen Planfeststellungsbeschluss hätten bewältigt werden müssen.
1.3.1 In zeitlicher Hinsicht war im Planfeststellungsbeschluss vom 12. November 2003 die am 18. September 2002, also nach Stellung des Planfeststellungsantrags am 9. August 2002, in Kraft getretene 22. BImSchV vom 11. September 2002 (BGBl I S. 3626) anzuwenden. Davon ist auch die Planfeststellungsbehörde ausgegangen. Die 22. BImSchV dient der Umsetzung der Richtlinie 96/92/EG des Rates vom 27. September 1996 über die Beurteilung und die Kontrolle der Luftqualität (ABl EG Nr. L 296 S. 55) und der Richtlinie 1999/30/EG vom 22. April 1999 (1999/30/EG) über Grenzwerte für Schwefeldioxid, Stickstoffdioxid und Stickstoffoxide, Partikel und Blei in der Luft (ABl EG Nr. L 163 S. 41).
Für Stickstoffdioxid legt § 3 der Verordnung für die Zeit ab 1. Januar 2010 zum Schutz der menschlichen Gesundheit einen über ein Jahr gemittelten Immissionsgrenzwert von 40 µg/m(3) fest (§ 3 Abs. 4 der 22. BImSchV). Für Partikel ist seit 1. Januar 2005 ein über ein Kalenderjahr gemittelter Immissionsgrenzwert von 40 µg/m(3) und ein über 24 Stunden gemittelter Immissionsgrenzwert von 50 µg/m(3) bei 35 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr einzuhalten (§ 4 Abs. 2 und 4 der 22. BImSchV). Untersuchungen im Auftrag der Bundesanstalt für Straßenwesen haben ergeben, dass zwischen dem Jahresmittelwert der PM(10)-Konzentration und der Anzahl der Überschreitungen des 24-Stunden-Grenzwertes ein enger statistischer Zusammenhang besteht. Danach muss bei Überschreitung eines Jahresmittelwertes von etwa 28 µg/m(3) mit einer Überschreitung des 24-Stunden-Grenzwertes an mehr als 35 Tagen gerechnet werden (vgl. Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e.V., Merkblatt über Luftverunreinigungen an Straßen ohne oder mit lockerer Randbebauung, Ausgabe 2002 – MLuS 02 – S. 11, Bild 3.2.2; Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Luftreinhalte-/Aktionsplan Berlin 2005 – 2010 – Februar 2005, S. A 38, http://www.stadtentwicklung.berlin.de/umwelt/luftqualitaet/de/luftreinhalteplan/dokumentation.shtml). Der Kläger meint, dass darüber hinaus die in der Anlage 1 der 22. BImSchV festgelegten oberen und unteren Beurteilungsschwellen einzuhalten seien. Das trifft nicht zu. Die genannten Beurteilungsschwellen sind keine Immissionsgrenzwerte im Sinne des § 1 Nr. 3 der 22. BImSchV; sie sind allein maßgebend dafür, ob zur Beurteilung der Luftqualität nur Messungen oder auch eine Kombination von Messungen und Modellrechnungen oder Schätzverfahren angewandt werden dürfen (§ 1 Nr. 11 und 12, § 10 Abs. 2 bis 4 der 22. BImSchV).
Die 22. BImSchV ist – auch soweit es um die Einhaltung künftiger Grenzwerte geht – bereits im Verfahren der Zulassung von Vorhaben anwendbar. Eine Verpflichtung der Planfeststellungsbehörde, die Einhaltung der Grenzwerte der Verordnung im Planfeststellungsverfahren vorhabenbezogen sicherzustellen, besteht jedoch nicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Mai 2004 – BVerwG 9 A 6.03 – DVBl 2004, 1289 ≪1291≫). Die Grenzwerte stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit dem System der Luftreinhalteplanung (vgl. § 47 BImSchG, § 11 der 22. BImSchV). Mit ihm hat der deutsche Gesetz- und Verordnungsgeber in Umsetzung der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben einen abgestuften Regelungsmechanismus vorgesehen, der Grenzwertüberschreitungen immissionsquellenunabhängig begegnen soll. Werden die durch eine Rechtsverordnung nach § 48a Abs. 1 BImSchG festgelegten Immissionsgrenzwerte einschließlich festgelegter Toleranzmargen überschritten, so hat die für den Immissionsschutz zuständige Behörde nach § 47 Abs. 1 BImSchG einen Luftreinhalteplan aufzustellen. Darin werden die erforderlichen Maßnahmen zur dauerhaften Verminderung von Luftverunreinigungen festgelegt, die nach Maßgabe des § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG entsprechend dem Verursacheranteil unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegen alle Emittenten zu richten sind. Zwar werden hierdurch auf die Einhaltung der Grenzwerte gerichtete Maßnahmen außerhalb der Luftreinhalteplanung nicht ausgeschlossen. Die durch das Gemeinschaftsrecht gewährte Freiheit, zwischen den zur Einhaltung der Grenzwerte geeigneten Mitteln zu wählen, wird durch die Regelungen des BImSchG und der 22. BImSchV jedoch nicht beschränkt. Sie schließt eine Verpflichtung der Planfeststellungsbehörde, die Einhaltung der Grenzwerte vorhabenbezogen zu garantieren, aus (vgl. Urteil vom 26. Mai 2004, a.a.O.).
Die Auswirkungen des Vorhabens auf die Luftqualität dürfen im Planfeststellungsverfahren jedoch nicht unberücksichtigt bleiben. Aus dem planungsrechtlichen Abwägungsgebot folgt, dass der Planungsträger grundsätzlich die durch die Planungsentscheidung geschaffenen oder ihr sonst zurechenbaren Konflikte zu bewältigen hat und sie hierzu – gegebenenfalls in Form von Vorkehrungen gemäß § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG – einer Lösung zuführen muss (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Januar 1981 – BVerwG 4 C 68.78 – BVerwGE 61, 307 ≪311≫; Beschluss vom 14. Juli 1994 – BVerwG 4 NB 25.94 – Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 75). Die Problembewältigung kann allerdings auch darin bestehen, dass die Planfeststellungsbehörde die endgültige Problemlösung einem nachfolgenden Verwaltungsverfahren überlässt, wenn dort die Durchführung der erforderlichen Problemlösungsmaßnahmen sichergestellt ist. Das gilt auch für das Verhältnis von straßenrechtlicher Planfeststellung und Luftreinhalteplanung. Das Gebot der Konfliktbewältigung ist erst verletzt, wenn die Planfeststellungsbehörde das Vorhaben zulässt, obgleich absehbar ist, dass seine Verwirklichung die Möglichkeit ausschließt, die Einhaltung der Grenzwerte mit den Mitteln der Luftreinhalteplanung in einer mit der Funktion des Vorhabens zu vereinbarenden Weise zu sichern (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Mai 2004, DVBl 2004, 1289 ≪1292≫). Das ist insbesondere der Fall, wenn die von einer planfestgestellten Straße herrührenden Immissionen bereits für sich genommen die maßgeblichen Grenzwerte überschreiten. Von diesem Fall abgesehen geht der Gesetzgeber davon aus, dass sich die Einhaltung der Grenzwerte in aller Regel mit den Mitteln der Luftreinhalteplanung sichern lässt (vgl. BVerwG, Urteile vom 24. Juni 2004, a.a.O. und vom 18. November 2004 – BVerwG 4 CN 11.03 – UA S. 19 f., zur Veröffentlichung in BVerwGE vorgesehen). Für die Annahme, dass dies nicht möglich ist, müssen deshalb besondere Umstände vorliegen. Derartige Umstände können sich vor allem aus ungewöhnlichen örtlichen Gegebenheiten (zentrale Verkehrsknotenpunkte, starke Schadstoffvorbelastung durch eine Vielzahl von Emittenten) ergeben, die sich der Planfeststellungsbehörde auf der Grundlage des Anhörungsverfahrens, insbesondere der Beteiligung der zuständigen Fachbehörden, erschließen (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2004, a.a.O.).
1.3.2 Gemessen hieran ist der angefochtene Planfeststellungsbeschluss nicht zu beanstanden. Die Planfeststellungsbehörde ist auf der Grundlage der vom Vorhabenträger vorgelegten Untersuchung der SPACETEC vom 6. August 2002 davon ausgegangen, dass der Betrieb des planfestgestellten Abschnitts der A 72 die Belastung im Bereich der Wohnbebauung durch Stickstoffdioxid um bis zu 10 µg/m(3) und durch Partikel (PM(10)) um bis zu 6 µg/m(3) erhöhen wird (vgl. S. 96 f. des Planfeststellungsbeschlusses). Im Hinblick auf die Partikel hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass nur die durch den Auspuff emittierten Anteile, nicht – wie dies im Zeitpunkt der Planfeststellung möglich gewesen wäre (vgl. Merkblatt über Luftverunreinigungen an Straßen ohne oder mit lockerer Randbebauung, Ausgabe 2002, S. 5) – die Feinstäube aus Straßen-, Reifen-, Kupplungs- und Bremsabrieb abgeschätzt wurden. Diese Anteile seien in etwa so hoch wie der Auspuff-Anteil, so dass sich die Belastung im Prognosejahr 2015 vorhabenbedingt um bis zu 12 µg/m(3) erhöhen werde.
Die Einwände des Klägers gegen die Berechnung der dem Vorhaben zuzurechnenden Schadstoffkonzentrationen greifen nicht durch. Er meint auch insoweit, dass der Schwerverkehrsanteil mit 18,6 % zu niedrig angesetzt worden sei. Die Planfeststellungsbehörde habe verkannt, dass die Zahl der Klein-LKW bis 2,8 t nach den Statistiken des Kraftfahrtbundesamtes zwischen dem 1. Juli 2000 und dem 1. Januar 2004 von 755 053 auf 975 563, mithin um etwa 30 %, gestiegen sei. Dies müsse sich auf die Berechnung der Schadstoffimmissionen auswirken.
Insoweit geht der Kläger von falschen tatsächlichen Voraussetzungen aus. Der behauptete Zuwachs bei den LKW unter 2,8 t beruht auf einem Ablesefehler aus den in Bezug genommenen Tabellen des Kraftfahrtbundesamtes. Nach diesen Tabellen betrug die Zahl der LKW zwischen 2 001 und 2 800 kg am 1. Juli 2000 insgesamt 1 035 162 (280 109 LKW zwischen 2 001 und 2 500 kg und 755 053 LKW zwischen 2 501 und 2 800 kg), am 1. Januar 2004 975 563. Sie hat mithin sogar abgenommen. Im Übrigen lassen Statistiken des Kraftfahrtbundesamtes über den “Bestand an Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern nach zulässigem Gesamtgewicht und Fahrzeugarten in Deutschland” keine Rückschlüsse auf die Zusammensetzung des Verkehrs auf dem hier streitigen Abschnitt der A 72 zu.
Der Kläger meint außerdem, dass die Schadstoffimmissionen nach dem Merkblatt über Luftverunreinigungen an Straßen ohne oder mit lockerer Randbebauung – Ausgabe 2002 (MLuS 02) hätten berechnet werden müssen. Die dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde liegenden Schadstoffberechnungen wurden mit dem Programm IMMPROG durchgeführt. Das Gericht hat Prognosen als rechtmäßig hinzunehmen, soweit sie methodisch einwandfrei zustande gekommen und in der Sache vernünftig sind. Es kann daher eine Prognose grundsätzlich nur darauf prüfen, ob sie mit den seinerzeit zur Verfügung stehenden Erkenntnismitteln methodengerecht erstellt wurde (vgl. Urteil vom 19. März 2003 – BVerwG 9 A 33.02 – Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 173 ≪S. 158≫ m.w.N.). Zweifel an der methodischen Eignung des Programms IMMPROG hat der Kläger nicht aufgezeigt. Dass die zu erwartenden Immissionen auch auf der Grundlage des MLuS 02 hätten berechnet werden können, stellt die methodische Eignung des Programms IMMPROG nicht in Frage.
Auf der Grundlage der dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde liegenden Berechnungen ist mithin davon auszugehen, dass die von dem Vorhaben herrührenden NO(2)- und PM(10)-Immissionen für sich genommen den jeweiligen über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwert von 40 µg/m(3) nicht überschreiten werden. Die Annahme der Planfeststellungsbehörde, dass die Grenzwerte der 22. BImSchV auch in der Summe aus Vor- und Zusatzbelastung in jeder Hinsicht ohne Luftreinhalteplanung eingehalten werden können, begegnet allerdings Bedenken. Probleme könnte insbesondere die Einhaltung des 24-Stunden-Grenzwertes für PM(10) bereiten. Schon auf der Grundlage des von der Planfeststellungsbehörde zugrunde gelegten Vorbelastungswertes von 19 µg/m(3) dürfte bei einer Zusatzbelastung von bis zu 12 µg/m(3) mit mehr als 35 Überschreitungen des 24-Stunden-Grenzwertes zu rechnen sein. Im Übrigen ist auch die Ermittlung des Vorbelastungswertes nicht frei von rechtlichen Bedenken. Sie beruht auf vorhabenbezogenen Messungen der Vorbelastung. Das ist nicht zu beanstanden. Die Messergebnisse wurden jedoch nicht für jede Messstelle gesondert ausgewertet, sondern es wurde aus den Messergebnissen ein einheitlicher Vorbelastungswert abgeleitet. Ein Verfahren hierfür stellt die 22. BImSchV nicht zur Verfügung (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. November 2004, a.a.O.). Außerdem genügt es nicht, dass die Grenzwerte im Gesamtgebiet nicht flächendeckend oder im Durchschnitt nicht überschritten werden; der 22. BImSchV und der Richtlinie 1999/30/EG liegt keine ausschließlich gebiets- oder ballungsraumbezogene Betrachtung zugrunde (vgl. BVerwG, Urteile vom 26. Mai 2004 – BVerwG 9 A 6.03 – DVBl 2004, 1289 ≪1291≫ und vom 18. November 2004 – BVerwG 4 CN 11.03 – UA S. 18). Ob die dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde liegende Abschätzung der Gesamtbelastung tragfähig ist, kann jedoch offen bleiben. Denn besondere Umstände, die die Annahme rechtfertigen würden, dass die Einhaltung der Grenzwerte nicht jedenfalls im Wege der Luftreinhalteplanung sichergestellt werden kann, liegen nicht vor. Die Realisierung des Vorhabens wird im Hinblick auf Ausbaustandard, Verkehrsbelastung und Lage nicht zu einer atypischen Schadstoffsituation führen. Planfestgestellt ist eine Autobahn mit vier Fahrstreifen. Die durchschnittliche tägliche Verkehrsstärke ist für das Prognosejahr 2015 auf 52 600 Fahrzeuge und der Anteil der LKW ab 2,8 t auf 18,6 % prognostiziert worden. Damit hält sich das Vorhaben im Rahmen des für eine Autobahn Üblichen (vgl. MLuS 02, S. 19 f.). Größere Steigungen oder eine schluchtartige Randbebauung weist der Planungsabschnitt nicht auf. Auf der Grundlage der vorhabenbezogen ermittelten Vorbelastungswerte sind, wenn überhaupt, jedenfalls keine extremen Grenzwertüberschreitungen zu erwarten. Diese dürften die Luftreinhalteplanung nicht vor eine unlösbare Aufgabe stellen. Auch die beteiligten Fachbehörden haben im Hinblick auf die Luftqualität keine Bedenken gegen die Planung erhoben. Das Staatliche Umweltfachamt hat in seiner Stellungnahme vom 16. Oktober 2002 zwar nicht ausschließen wollen, dass es sowohl bei NO(2) als auch bei Feinstaub (PM(10)) an der Wohnbebauung, die sehr nahe der Trasse liegt, zu Überschreitungen der Grenzwerte kommt; dass diese Überschreitungen auch im Wege der Luftreinhalteplanung nicht zu verhindern seien, hat es jedoch nicht geltend gemacht.
1.4 Die Abwägungsentscheidung, die die Planfeststellungsbehörde in Anwendung des § 17 Abs. 1 Satz 2 FStrG getroffen hat, hält einer rechtlichen Überprüfung ebenfalls stand. Ihre Entscheidung, nicht die B 95 zu ertüchtigen, sondern die A 72 neu zu bauen, ist nicht zu beanstanden. Der Einwand des Klägers, dass die parallele Führung beider Verkehrswege im Abstand weniger Kilometer dem Bündelungsgebot widerspreche, geht fehl. Eine “Bündelung” der beiden Verkehrswege käme hier nur in der Weise in Betracht, dass die B 95 auf jeweils zwei Richtungsfahrbahnen unter Umgehung der Ortschaften ausgebaut und auf einen Neubau der A 72 verzichtet wird. Wie sich der Kläger eine teilweise Nutzung der vorhandenen Trasse der B 95 vorstellt, legt er nicht dar. Überlegungen in diese Richtung mussten sich der Planfeststellungsbehörde jedenfalls nicht aufdrängen.
2. Der hilfsweise gestellte Antrag, den Beklagten zu verpflichten, den Planfeststellungsbeschluss um Schutzauflagen zugunsten des Klägers und die Zuerkennung eines Entschädigungsanspruchs zu ergänzen, ist ebenfalls unbegründet.
2.1 Ein Anspruch gemäß §§ 41, 43 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG i.V.m. § 2 der 16. BImSchV auf ergänzende Vorkehrungen des aktiven Schallschutzes steht dem Kläger nicht zu. Nach dieser Regelung ist bei dem Bau einer öffentlichen Straße sicherzustellen, dass der nach § 3 der 16. BImSchV berechnete Beurteilungspegel auf den in der Nachbarschaft gelegenen Grundstücken bestimmte Immissionsgrenzwerte nicht überschreitet; dies gilt nicht, soweit die Kosten der Schutzmaßnahme außer Verhältnis zu dem angestrebten Schutzzweck stehen würden.
2.1.1 Nach der vom Vorhabenträger vorgelegten schalltechnischen Untersuchung werden die nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 der 16. BImSchV maßgeblichen Immissionsgrenzwerte von 59 dB(A) tags und 49 dB(A) nachts nur an der Nord- und der Ostseite im ersten Obergeschoss um bis zu 0,3 dB(A) überschritten. Im Übrigen werden die Immissionsgrenzwerte eingehalten. Das gilt auch für den Außenbereich. Für ihn ist, da die zu schützende Nutzung nur am Tage ausgeübt wird, nur der Taggrenzwert anzuwenden (vgl. § 2 Abs. 3 der 16. BImSchV).
Die Beurteilungspegel sind zu Recht nur für die von der A 72 herrührenden Verkehrsgeräusche berechnet worden. Das klägerische Grundstück wird zwar auch durch den von der S 243n ausgehenden Lärm beeinträchtigt; nach dem Ergebnis der schalltechnischen Untersuchung ist jedoch für den hier in Rede stehenden Streckenabschnitt jenseits eines Abstands von 140 m von der Straßenachse nicht mehr mit einer Überschreitung der für Wohnbebauung geltenden Grenzwerte zu rechnen. Das klägerische Grundstück liegt etwa 500 m von der S 243n entfernt.
Es ist auch nicht geboten, aus dem von der A 72 und der S 243n herrührenden Verkehrslärm einen “Summenpegel” zu berechnen. Nach § 2 Abs. 1 der 16. BImSchV ist bei dem Bau oder der wesentlichen Änderung von öffentlichen Straßen oder Schienenwegen sicherzustellen, dass der Beurteilungspegel einen der dort genannten Immissionsgrenzwerte nicht überschreitet. Dabei kommt es, wie sich aus § 1 der Verordnung und ihrer Entstehungsgeschichte ergibt, allein auf den von dem zu bauenden oder zu ändernden Verkehrsweg ausgehenden Verkehrslärm an (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. März 1996 – BVerwG 4 C 9.95 – BVerwGE 101, 1; Beschluss vom 11. November 1996 – BVerwG 11 B 66.96 – NVwZ 1997, 394). Die Beurteilungspegel sind für jeden Verkehrsweg gesondert zu berechnen. Für Straßen ergibt sich dies aus Anlage 1 der 16. BImSchV. Diese Anlage lässt in die Berechnung nur Faktoren eingehen, welche sich auf die jeweilige neue oder zu ändernde Straße beziehen. Auswirkungen, die von anderen Verkehrswegen ausgehen, bleiben unberücksichtigt (vgl. BVerwGE 101, 1 ≪4≫). Die Verordnung regelt auch weder, wie dies für die Berechnung von Gesamtbeurteilungspegeln erforderlich wäre, das Berechnungsverfahren noch die Kostentragung. Das Fehlen einer Regelung des Berechnungsverfahrens würde insbesondere zu Problemen führen, wenn eine Straße mit einem Verkehrsvorhaben anderer Art, z.B. einem Schienenweg oder einem Flughafen, zusammentrifft. Die Frage, wer die Kosten für den erforderlichen Lärmschutz zu tragen hat, würde sich stellen, wenn – wie hier – Verkehrswege gleicher Art, aber unterschiedlicher Baulastträger, zusammentreffen. Für die Annahme, der Verordnungsgeber habe diese Fragen übersehen oder sie der Rechtsanwendung im Einzelfall überlassen wollen, fehlt es an einem tragfähigen Anhalt.
Mehrere rechtlich selbständige Straßen können, wenn für ihren Bau gemäß § 78 Abs. 1 VwVfG nur ein Planfeststellungsverfahren stattfindet, auch nicht als ein Verkehrsweg im Sinne der 16. BImSchV angesehen werden. Erst recht kann ein Summenpegel nicht – wie dies in der Literatur teilweise gefordert wird (vgl. Jarass, BImSchG, 6. Aufl. 2005, § 41 Rn. 41; ders., Aktuelle Rechtsprobleme des Lärmschutzes an Straßen und Schienenwegen, UPR 1998, 415 ≪418≫; Sparwasser/Engel/Vosskuhle, Umweltrecht, 5. Aufl. 2003, § 10 Rn. 344) – gebildet werden, wenn die Errichtung oder Änderung mehrerer Verkehrswege unabhängig von ihrer verfahrensrechtlichen Verbindung in einem zeitlichen und funktionalen Zusammenhang steht. Treffen mehrere selbständige Vorhaben, für deren Durchführung Planfeststellungsverfahren vorgeschrieben sind, derart zusammen, dass für diese Vorhaben nur eine einheitliche Entscheidung möglich ist, und ist mindestens eines der Planfeststellungsverfahren bundesrechtlich geregelt, findet gemäß § 78 VwVfG für diese Vorhaben nur ein Planfeststellungsverfahren statt; Zuständigkeiten und Verfahren richten sich nach den Rechtsvorschriften über das Planfeststellungsverfahren, das für diejenige Anlage vorgeschrieben ist, die einen größeren Kreis öffentlich-rechtlicher Beziehungen berührt. Das Zusammentreffen mehrerer Vorhaben in der genannten Weise (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 18. April 1996 – BVerwG 11 A 86.95 – BVerwGE 101, 73 ≪77 ff.≫) hat hiernach Rechtsfolgen nur für die Zuständigkeit der Behörden und das Verfahrensrecht; das im Planfeststellungsverfahren anzuwendende materielle Recht, zu dem auch die 16. BImSchV gehört, wird durch § 78 VwVfG nicht modifiziert. § 78 VwVfG kommt im Übrigen nur zur Anwendung, wenn “selbständige” Vorhaben zusammentreffen. Verbunden werden die Vorhaben nur im Verfahren; im Übrigen bleibt ihre Selbständigkeit unberührt.
Einzuräumen ist, dass es für den Betroffenen keinen Unterschied macht, ob die Lärmimmissionen auf seinem Grundstück von dem Bau eines Verkehrsweges oder mehrerer rechtlich selbständiger, aber in einem Verfahren als Gesamtbaumaßnahme geplanter Verkehrswege herrühren. Im Bereich des Verkehrslärmschutzes gibt das Bundes-Immissionsschutzgesetz eine allein auf den Betroffenen abstellende Sichtweise jedoch nicht zwingend vor. Für den Begriff der schädlichen Umwelteinwirkungen (§ 3 Abs. 1 BImSchG) kommt es zwar nicht darauf an, woher die zu beurteilende Beeinträchtigung stammt (vgl. BVerwGE 101, 1 ≪7≫); nach § 41 Abs. 1 BImSchG ist bei dem Bau oder der wesentlichen Änderung öffentlicher Straßen jedoch nur sicherzustellen, dass “durch diese” keine schädlichen Umwelteinwirkungen hervorgerufen werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind. Für den Bau u.a. von öffentlichen Straßen gilt das Bundes-Immissionsschutzgesetz – wie § 2 Abs. 1 Nr. 4 BImSchG klarstellt – nur “nach Maßgabe der §§ 41 bis 43”. Der Senat hat bereits entschieden (vgl. Urteil vom 21. März 1996, a.a.O.), dass es beim Bau oder der wesentlichen Änderung einer Straße nicht geboten ist, vorhandenen Verkehrslärm in die Beurteilung einzubeziehen, obwohl es aus der Sicht des Betroffenen auch insoweit ohne Bedeutung ist, ob die ihn beeinträchtigenden Verkehrswege in einem Verfahren geplant werden oder ob eine neue Straße zu bereits vorhandenen Verkehrswegen hinzutritt. Für den in einem Planfeststellungsverfahren verbundenen Bau mehrerer Straßen kann nichts anderes gelten; auch für diesen Fall muss der Verordnungsgeber die Berechnung von Gesamtbeurteilungspegeln nicht vorsehen.
Es ist schließlich nicht aus Gründen des Grundrechtsschutzes geboten, bei der gemäß § 78 VwVfG verbundenen Planung mehrerer Verkehrswege einen Gesamtbeurteilungspegel zu berechnen. Das gilt jedenfalls, solange keine Gesamtbelastung zu erwarten ist, die mit Gesundheitsgefahren oder Eingriffen in die Substanz des Eigentums verbunden ist (vgl. BVerwGE 101, 1 ≪9≫; Urteil vom 20. Mai 1998 – BVerwG 11 C 3.97 – Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 18 ≪S. 51≫; Urteil vom 10. November 2004 – BVerwG 9 A 67.03 – juris). Die Grenzwerte der 16. BImSchV wollen – wie sich aus § 2 Abs. 1 der 16. BImSchV, § 41 Abs. 1 und § 3 Abs. 1 BImSchG ergibt – bereits vor erheblichen Belästigungen schützen. Sie markieren nicht den Übergang zur Gesundheitsgefährdung, sondern sind bewusst niedriger angesetzt (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Februar 2003 – BVerwG 9 A 1.02 – juris). In diesem Bereich kommt dem Verordnungsgeber ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Es kann deshalb nicht vorausgesetzt werden, dass der Verordnungsgeber die Grenzwerte in gleicher Höhe festgesetzt hätte, wenn er davon ausgegangen wäre, dass bei der verbundenen Planfeststellung mehrerer Verkehrswege Gesamtbeurteilungspegel zu berechnen sind.
Im vorliegenden Fall war hiernach die Bildung eines Summenpegels nicht geboten. Die A 72 und die S 243n sind rechtlich selbständige Verkehrswege. Sie werden im jeweiligen Straßenverzeichnis als eigenständige Straßen geführt. Die Baulast trägt für die A 72 der Bund (vgl. § 5 Abs. 1 FStrG), für die S 243n der Freistaat Sachsen (vgl. § 44 Abs. 1 SächsStrG). Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass die Gesamtbelastung des klägerischen Grundstücks Werte von 70 dB(A) tags und 60 dB(A) nachts erreichen könnte, oberhalb derer in Wohngebieten ein aus Sicht des Grundrechtsschutzes kritischer Bereich beginnt (vgl. BVerwG, Urteile vom 20. Mai 1998 und vom 10. November 2004, jeweils a.a.O.).
2.1.2 Die Planfeststellungsbehörde hat den Kläger wegen der errechneten Grenzwertüberschreitungen auf passive Schallschutzmaßnahmen verwiesen, weil die Kosten weitergehenden aktiven Schallschutzes außer Verhältnis zu dem damit erreichbaren Zweck stehen würden. Das ist nicht zu beanstanden. Im Planfeststellungsbeschluss wird dargelegt, dass die Einhaltung der Grenzwerte am Gebäude des Klägers sowie an zwei weiteren Gebäuden, an denen es zu Überschreitungen des Nachtgrenzwertes kommt, eine Erhöhung der Lärmschutzwand auf der Brücke (Bau-km 2+150 bis 2+570) von 4,45 m auf 5,5 m und auf der Strecke von Bau-km 2+570 bis 2+750 von 5,45 auf 8,5 m sowie eine Erhöhung des Lärmschutzwalls von Bau-km 1+900 bis 2+150 von 7 m auf 8,5 m – jeweils über Gradiente – erfordern würde. Die Lärmpegel könnten dadurch um 1 bis 2 dB(A) gemindert werden. Die Mehrkosten für die höhere Lärmschutzwand bzw. den höheren Wall beliefen sich auf 368 733 €. Der Kläger hat diese Feststellungen der Planfeststellungsbehörde nicht bestritten. Da nur eine geringe Lärmminderung zu erreichen wäre, stehen die Mehrkosten auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass Aufwendungen für passiven Schallschutz erspart werden könnten, außer Verhältnis zum Erfolg.
2.2 Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Zuerkennung eines Entschädigungsanspruchs wegen der behaupteten Wertminderung seines Grundstücks. Als Rechtsgrundlage für einen solchen Anspruch kommt allein § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG in Betracht. Nach § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG hat der von der Planung Betroffene einen Anspruch auf angemessene Entschädigung in Geld, wenn (weitere) Schutzvorkehrungen nicht vorgenommen werden können. Der Entschädigungsanspruch ist ein Surrogat für nicht realisierbare Schutzmaßnahmen; greift § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG, der den Anspruch auf Schutzvorkehrungen regelt, tatbestandlich nicht ein, so ist auch für die Anwendung von § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG kein Raum (vgl. BVerwG, Urteile vom 29. Januar 1991 – BVerwG 4 C 51.89 – BVerwGE 77, 332 ≪377≫; vom 14. Mai 1992 – BVerwG 4 C 8.89 – Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 88 und vom 27. November 1996 – BVerwG 11 A 27.96 – Buchholz 445.5 § 14 WaStrG Nr. 7). § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG setzt voraus, dass Vorkehrungen zur Vermeidung nachteiliger Wirkungen auf Rechte anderer erforderlich sind. Die Beeinträchtigungen müssen, unabhängig davon, ob der Gewährleistungsgehalt des Art. 2 Abs. 2 GG oder des Art. 14 GG berührt ist, die Grenze des Zumutbaren überschreiten (vgl. BVerwG, Urteile vom 7. Juli 1978 – BVerwG 4 C 79.76 u.a. – BVerwGE 56, 110 ≪131≫; vom 20. Oktober 1989 – BVerwG 4 C 12.87 – BVerwGE 84, 31 ≪39 f.≫ jeweils zu § 17 Abs. 4 FStrG a.F.; vom 28. Januar 1999 – BVerwG 4 CN 5.98 – BVerwGE 108, 248 ≪254≫ zu § 41 BImSchG). Derartige Beeinträchtigungen hat der Kläger nicht geltend gemacht. Im Bereich des Wintergartens werden die Lärmgrenzwerte eingehalten. Die schalltechnische Untersuchung hat für das Erdgeschoss an der Ostseite Beurteilungspegel von 52,9 dB(A) tags und 48,7 dB(A) nachts ergeben. Da passiver Schallschutz im Bereich des Wintergartens nicht erforderlich ist, kann offen bleiben, ob und gegebenenfalls mit welchem Aufwand er technisch zu realisieren wäre. Im Übrigen begehrt der Kläger einen Ausgleich für den durch die Lage zur A 72 bedingten Wertverlust seines Grundstücks. Dass ein Grundstück am Grundstücksmarkt wegen seiner Belegenheit zur Autobahn an Wert verliert, ist jedoch keine nachteilige Wirkung auf ein Recht des Grundstückseigentümers. Derartige Wertminderungen werden deshalb von § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG nicht erfasst. Die darin liegende Beschränkung des finanziellen Ausgleichs ist mit Art. 14 GG vereinbar. Der Gesetzgeber muss nicht vorsehen, dass jede durch staatliches Verhalten ausgelöste Wertminderung ausgeglichen wird (vgl. BVerwG, Urteile vom 21. März 1996 – BVerwG 4 C 9.95 – BVerwGE 101, 1 ≪11 f.≫ und vom 24. Mai 1996 – BVerwG 4 A 39.95 – Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 39 ≪S. 18 f.≫). Allerdings können die Betroffenen auf der Grundlage von § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG die Übernahme des Grundstücks verlangen, wenn die Beeinträchtigungen faktisch ein derartiges Gewicht haben, dass eine weitere Nutzung des Grundstücks als unzumutbar erscheint (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. Juni 2002 – BVerwG 4 A 44.00 – Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 59). Das ist etwa bei schweren und unerträglichen Lärmbelastungen angenommen worden (vgl. BVerwG, Urteile vom 29. Januar 1991 – BVerwG 4 C 51.89 – BVerwGE 87, 332 ≪383≫ und vom 21. März 1996 – BVerwG 4 C 9.95 – BVerwGE 101, 1 ≪12≫). Eine derartige Lage besteht nach dem eigenen Vorbringen des Klägers nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Unterschriften
Dr. Paetow, Halama, Gatz, Dr. Jannasch, Dr. Philipp
Fundstellen