Entscheidungsstichwort (Thema)
Bundesrechnungshof. bundesunmittelbare juristische Person des öffentlichen Rechts. Eisenbahn-Unfallkasse. Finanzkontrolle. gesetzliche Unfallversicherung. Garantieverpflichtung. grundrechtsfähig. Haushalts- und Wirtschaftsführung. Mitglied. Prüfungsrecht. Rechnungsprüfung. Selbstverwaltungsrecht. Sozialversicherungsträger. Unfallkasse des Bundes. Unfallkasse Post und Telekom. Unfallversicherungsträger. Verband. Verhältnismäßigkeit. Zuschuss
Leitsatz (amtlich)
Für ein Prüfungsrecht des Bundesrechnungshofs gegenüber einem privatrechtlich organisierten Verband von Sozialversicherungsträgern genügt es, dass (mindestens) ein Mitglied des Verbandes selbst der Prüfung durch den Bundesrechnungshof unterliegt.
Normenkette
GG Art. 19 Abs. 3, Art. 20 Abs. 3, Art. 114; BHO §§ 94-95, 111, 112 Abs. 1; SGB IV § 29 Abs. 1, § 30; SGB VII §§ 114, 125, 186 Abs. 3
Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Urteil vom 30.11.2009; Aktenzeichen 12 BV 08.573) |
VG München (Urteil vom 20.12.2007; Aktenzeichen M 17 K 06.3439) |
Tenor
Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 30. November 2009 wird aufgehoben.
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 20. Dezember 2007 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
I
Rz. 1
Die Klägerin begehrt die Prüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung des Beklagten durch den Bundesrechnungshof.
Rz. 2
Der Beklagte ist der privatrechtlich organisierte Spitzenverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften und der Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand, zu dem sich der Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften e.V. und der ursprünglich beklagte Bundesverband der Unfallkassen e.V. im Jahr 2007 zusammengeschlossen haben. Mitglieder des Beklagten sind neben gewerblichen Berufsgenossenschaften mehrere kommunale Unfallversicherungsverbände und Feuerwehrunfallkassen, 15 Landesunfallkassen sowie die Unfallkasse des Bundes (im Folgenden: UK-Bund), die Eisenbahn-Unfallkasse (EUK) und die Unfallkasse Post und Telekom (UKPT).
Rz. 3
Mit Schreiben vom 9. Februar 2006 kündigte der Bundesrechnungshof gegenüber dem Bundesverband der Unfallkassen an, dessen Haushalts- und Wirtschaftsführung zu prüfen. Der Bundesverband lehnte eine Prüfung mehrfach, zuletzt mit Schreiben vom 17. Juli 2006 ab.
Rz. 4
Am 12. September 2006 hat die Klägerin Klage beim Verwaltungsgericht erhoben mit dem Antrag, den Beklagten zu verpflichten, Erhebungen von Beauftragten des Bundesrechnungshofs über seine Haushalts- und Wirtschaftsführung in seinen Geschäftsräumen zu dulden, den Beauftragten des Bundesrechnungshofs Einsicht in die die Haushalts- und Wirtschaftsführung betreffenden Unterlagen zu gewähren sowie den Beauftragten die zur Haushalts- und Wirtschaftsführung erbetenen Auskünfte zu erteilen. Die Klägerin machte geltend, sie sei gemäß § 112 Abs. 1 Satz 2 der Bundeshaushaltsordnung (BHO) zur Prüfung des Beklagten berechtigt. Das Recht zur Prüfung eines Verbandes von Sozialversicherungsträgern sei bereits gegeben, wenn (nur) gegenüber einem Verbandsmitglied eine Prüfungsbefugnis des Bundesrechnungshofs begründet sei. Hier bestehe ein Prüfungsrecht gegenüber drei Mitgliedern des Beklagten. Die UK-Bund, die EUK und die UKPT seien bundesunmittelbare Träger der gesetzlichen Unfallversicherung im Sinne von § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO. Die Prüfungsunterworfenheit der UK-Bund und der EUK folge daraus, dass sie Zuschüsse des Bundes erhielten (§ 112 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BHO). Die UKPT unterliege der Prüfung durch den Rechnungshof, weil für sie eine Garantieverpflichtung des Bundes bestehe (§ 112 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BHO).
Rz. 5
Mit Urteil vom 20. Dezember 2007 hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben. Die zulässige Leistungsklage sei begründet. Die Klägerin habe gemäß § 112 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 111 BHO das Recht, die Haushalts- und Wirtschaftsführung des Beklagten durch den Bundesrechnungshof prüfen zu lassen. Ob die UK-Bund und die EUK Bundeszuschüsse erhielten, könne dahinstehen, weil jedenfalls die UKPT aufgrund der unstreitig bestehenden Garantieverpflichtung des Bundes der Prüfung durch den Rechnungshof unterliege. Der Mitgliederbegriff in § 112 Abs. 1 Satz 2 BHO sei so zu verstehen, dass es genüge, wenn gegenüber einem einzelnen Mitglied ein Prüfungsrecht des Bundesrechnungshofs begründet sei. Für diese weite Auslegung der Vorschrift sprächen neben der Gesetzessystematik und der Entstehungsgeschichte der Norm auch ihr Sinn und Zweck. Der Gesetzgeber habe dem Bundesrechnungshof überall dort ein Prüfungsrecht einräumen wollen, wo Haushaltsinteressen des Bundes betroffen seien. Der Legislative solle durch umfassende Prüfmöglichkeiten und Berichtspflichten des Bundesrechnungshofs eine wirksame parlamentarische Kontrolle in Bezug auf die Verwendung von Bundesmitteln ermöglicht werden. Haushaltsinteressen seien insbesondere auch berührt, wenn sich der Bund durch Zuschüsse oder Garantieverpflichtungen finanziell engagiere. Schließlich erweise sich die Prüfung des Beklagten durch den Bundesrechnungshof nicht als unverhältnismäßig. Das Selbstverwaltungsrecht des Beklagten begrenze das Prüfungsrecht nicht.
Rz. 6
Auf die Berufung des Beklagten hat der Verwaltungsgerichtshof mit Urteil vom 30. November 2009 die Klage unter Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung abgewiesen. Die Haushalts- und Wirtschaftsführung des Beklagten unterliege nicht der Prüfung durch den Bundesrechnungshof nach § 112 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 111 Abs. 1 BHO. Zwar seien mit der UK-Bund, der EUK und der UKPT Mitglieder des Beklagten der Prüfung durch den Bundesrechnungshof unterworfen. Gemäß § 3 Abs. 4 Postsozialversicherungsorganisationsgesetz i.V.m. § 2 Abs. 4 Postumwandlungsgesetz bestehe eine Garantieverpflichtung des Bundes für die UKPT. Die EUK sei nach § 16 Abs. 1 i.V.m. § 13 Abs. 3 des Bundeseisenbahnneugliederungsgesetzes zuschussberechtigt. Dabei handele es sich um Zuschüsse im Sinne von § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO, weil die EUK die ihr übertragenen Aufgaben der Unfallversicherung als eigene Aufgaben erfülle und nicht als fremde Aufgaben des Bundes wahrnehme. Ebenso verhalte es sich bei der UK-Bund nach § 125 SGB VII i.V.m. § 186 Abs. 3 SGB VII. Die Prüfrechte gegenüber den drei Unfallkassen des Bundes genügten aber nicht, um auch eine Prüfungsbefugnis des Bundesrechnungshofs gegenüber dem Beklagten zu begründen. § 112 Abs. 1 Satz 2 BHO sei dahin auszulegen, dass ein privatrechtlich organisierter Verband von weit überwiegend nicht der Prüfung unterworfenen Versicherungsträgern jedenfalls dann nicht selbst der Prüfung durch den Bundesrechnungshof unterliege, wenn die der Prüfung unterworfenen Mitglieder lediglich Beiträge an den Verband abgäben oder in geringfügigem Umfang selbst veranlasste Einzelleistungen des Verbandes finanziell beglichen und diese Zahlungen auch keinen mittelbaren Einfluss auf die Höhe der ein Prüfungsrecht begründenden Bundesmittel hätten. Unter diesen Voraussetzungen würden die prüfungsunterworfenen Mitglieder den Verband nicht in die vom Parlament im Auge zu behaltende Finanzverantwortung über Bundesmittel einbinden. Eine verfassungskonforme Auslegung des § 112 Abs. 1 Satz 2 BHO habe die verfassungsrechtlich geschützte Rechtsposition des Beklagten zu beachten, in die die Prüftätigkeit des Bundesrechnungshofs eingreife. Eine umfassende Prüfung nach § 111 Abs. 1 BHO sei nicht erforderlich, um eine uneingeschränkte parlamentarische Kontrolle über Zuschüsse und Garantieverpflichtungen des Bundes gegenüber Sozialversicherungsträgern sicherzustellen. Es sei nicht ersichtlich, dass der Normzweck allein durch eine Prüfung der UK-Bund, der EUK und der UKPT nicht hinreichend erreicht werden könne.
Rz. 7
Mit der vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Revision macht die Klägerin geltend, die einschränkende Auslegung des § 112 Abs. 1 Satz 2 BHO durch den Verwaltungsgerichtshof stehe in Widerspruch zu Wortlaut und Zweck der Regelung. Aus Art. 114 GG ergebe sich der Grundsatz der Lückenlosigkeit der externen Finanzkontrolle. Der verfassungsrechtliche Prüfauftrag des Bundesrechnungshofs werde nach Art. 114 Abs. 2 Satz 3 GG unter anderem durch § 111 und § 112 BHO konkretisiert. Mit dem Zweck einer lückenlosen Finanzkontrolle sei es nicht zu vereinbaren, Aktivitäten eines Verbandes von Sozialversicherungsträgern, der auch aus Bundesmitteln bezuschusst werde, von der Prüfung durch den Bundesrechnungshof auszunehmen. Auch machten weder Art. 114 Abs. 2 GG noch die Bundeshaushaltsordnung die Prüfungskompetenzen des Bundesrechnungshofs von einer Mindesthöhe der betroffenen Bundesmittel abhängig. Es genüge bereits eine potentielle Betroffenheit des Bundes, wie § 112 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 BHO zeige, wonach bereits eine Garantieverpflichtung des Bundes ein Prüfungsrecht des Bundesrechnungshofs begründe. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Prüftätigkeit des Rechnungshofs greife in die verfassungsrechtlich geschützte Rechtsstellung des Beklagten ein, sei verfehlt. Der Beklagte sei nicht Träger von Grundrechten. Ein privatrechtlich organisierter Verband, der ausschließlich aus nicht grundrechtsfähigen juristischen Personen des öffentlichen Rechts bestehe, könne keine grundrechtsfähige juristische Person sein. Auch das Selbstverwaltungsrecht des Beklagten sei allein einfachgesetzlich begründet. Schließlich sei mit der Prüftätigkeit des Bundesrechnungshofs ein für den Beklagten nur geringfügiger Eingriff verbunden. Daneben rügt die Klägerin eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör sowie der richterlichen Hinweispflicht.
Rz. 8
Sie beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 30. November 2009 die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 20. Dezember 2007 zurückzuweisen.
Rz. 9
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Rz. 10
Er verteidigt das angefochtene Urteil und führt ergänzend an, entgegen der Annahme des Berufungsgerichts erhielten die UK-Bund und die EUK keine Bundeszuschüsse. Auch über die UKPT lasse sich ein Prüfungsrecht des Bundesrechnungshofs gegenüber dem Beklagten nicht begründen, weil die frühere Garantieverpflichtung des Bundes nicht mehr bestehe.
Entscheidungsgründe
II
Rz. 11
Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet. Das angegriffene Urteil beruht auf der Verletzung von materiellem Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichtshofs unterliegt die Haushalts- und Wirtschaftsführung des Beklagten gemäß § 112 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 111 Abs. 1 BHO der Prüfung durch den Bundesrechnungshof.
Rz. 12
1. Die von der Klägerin erhobene Leistungsklage ist zulässig. Der Verwaltungsgerichtshof ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Klägerin nicht das Rechtsschutzbedürfnis fehlt, den geltend gemachten Anspruch auf Prüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung des Beklagten im Wege der allgemeinen Leistungsklage (vgl. § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO) zu verfolgen. Keiner Klärung bedarf, ob der Bundesrechnungshof befugt gewesen wäre, die erstrebte Prüftätigkeit mittels Verwaltungsakt durchzusetzen. Ungeachtet der Frage der Verwaltungsaktbefugnis des Bundesrechnungshofs (vgl. zum Streitstand z.B. Groß, VerwArch 2004 ≪Bd. 95≫, 194 ≪212 ff.≫; Hauser, DÖV 2004, 786 ff.; VGH Kassel, Beschluss vom 21. November 2000 – 10 TG 2627/99 – DÖV 2001, 873 ≪874 ff.≫) ist ein Rechtsschutzinteresse der Klägerin zu bejahen, weil der Erlass eines Verwaltungsakts keine gegenüber der Leistungsklage einfachere Möglichkeit zur Inanspruchnahme des Beklagten gewesen wäre. Angesichts der vorausgegangenen Prüfungsverweigerung des Beklagten war ohnehin mit einer gerichtlichen Auseinandersetzung zu rechnen (vgl. Urteile vom 28. September 1979 – BVerwG 7 C 22.78 – BVerwGE 58, 316 ≪318 f.≫ = Buchholz 407.4 § 7a FStrG Nr. 15 und vom 6. September 1988 – BVerwG 1 C 15.86 – BVerwGE 80, 164 ≪165 f.≫ = Buchholz 11 Art. 8 GG Nr. 4).
Rz. 13
2. Die Klage ist auch begründet. Entgegen der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs steht der Klägerin der geltend gemachte Anspruch zu. Sie ist gemäß § 112 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 111 Abs. 1 BHO berechtigt, die Haushalts- und Wirtschaftsführung des Beklagten durch den Bundesrechnungshof prüfen zu lassen. Der Beklagte ist ein Verband im Sinne von § 112 Abs. 1 Satz 2 BHO, weil drei seiner Mitglieder nach § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO der Prüfung durch den Rechnungshof unterliegen (a). Dies begründet ein Prüfungsrecht gegenüber dem Beklagten selbst, weil § 112 Abs. 1 Satz 2 BHO dahin auszulegen ist, dass bereits die Prüfungsunterworfenheit eines Mitglieds genügt, um eine Prüfungsbefugnis gegenüber dem Verband selbst entstehen zu lassen (b). Die Prüfung des Beklagten durch den Bundesrechnungshof erweist sich auch als verhältnismäßig (c).
Rz. 14
a) § 111 Abs. 1 Satz 1 BHO ermächtigt den Bundesrechnungshof zur Prüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung der bundesunmittelbaren juristischen Personen des öffentlichen Rechts. § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO bestimmt, dass auf die bundesunmittelbaren Träger (u.a.) der gesetzlichen Unfallversicherung § 111 BHO (nur) anzuwenden ist, wenn sie aufgrund eines Bundesgesetzes vom Bund Zuschüsse erhalten oder eine Garantieverpflichtung des Bundes gesetzlich begründet ist. Gemäß § 112 Abs. 1 Satz 2 BHO ist auf die Verbände und Arbeitsgemeinschaften der in Satz 1 der Vorschrift genannten Sozialversicherungsträger unabhängig von ihrer Rechtsform § 111 BHO anzuwenden, wenn Mitglieder dieser Verbände und Arbeitsgemeinschaften der Prüfung durch den Bundesrechnungshof unterliegen.
Rz. 15
Danach hat der Verwaltungsgerichtshof ohne Rechtsfehler angenommen, dass der Beklagte ein Verband im Sinne von § 112 Abs. 1 Satz 2 BHO ist. In ihm sind mit den gewerblichen Berufsgenossenschaften und den drei Unfallkassen des Bundes bundesunmittelbare Träger der gesetzlichen Unfallversicherung (vgl. § 114 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 3 bis 5 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch – SGB VII, § 90 Abs. 1 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch – SGB IV) zusammengeschlossen. Unerheblich ist, dass der Beklagte daneben auch landesunmittelbare Unfallversicherungsträger als Mitglieder hat.
Rz. 16
Zu Recht bejaht das angegriffene Urteil eine Prüfungsunterworfenheit der UKPT aufgrund einer Garantieverpflichtung nach § 112 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BHO (aa) und der UK-Bund aufgrund eines Zuschusses nach § 112 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BHO. Auch die EUK unterliegt der Prüfung durch den Bundesrechnungshof. Allerdings ist die das Prüfungsrecht begründende Zuschussgewährung einem anderen rechtlichen Zusammenhang zu entnehmen als er vom Verwaltungsgerichtshof zugrunde gelegt worden ist (bb).
Rz. 17
aa) Das Prüfungsrecht des Bundesrechnungshofs gegenüber der UKPT folgt daraus, dass für deren Verbindlichkeiten bis zum 14. Dezember 2010 eine gesetzliche Garantieverpflichtung des Bundes im Sinne von § 112 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BHO begründet gewesen ist. Die Garantieverpflichtung beruhte auf § 3 Abs. 4 des Gesetzes über die Träger der gesetzlichen Sozialversicherung im Bereich der früheren Deutschen Bundespost (Postsozialversicherungsorganisationsgesetz – PostSVOrgG vom 14. September 1994, BGBl I S. 2325, 2338, zuletzt geändert durch Art. 15 Abs. 101 des Gesetzes vom 5. Februar 2009, BGBl I S. 160) i.V.m. § 2 Abs. 4 des Gesetzes zur Umwandlung der Unternehmen der Deutschen Bundespost in die Rechtsform der Aktiengesellschaft (Postumwandlungsgesetz – PostUmwG vom 14. September 1994, BGBl I S. 2325, 2339, zuletzt geändert durch Art. 15 Abs. 103 des Gesetzes vom 5. Februar 2009, BGBl I S. 160). Dass § 3 PostSVOrgG durch Art. 97, Art. 112 des Gesetzes über die weitere Bereinigung von Bundesrecht vom 8. Dezember 2010 (BGBl I S. 1864, 1879) mit Wirkung vom 15. Dezember 2010 aufgehoben worden ist, lässt die Voraussetzungen des § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO nicht entfallen. Zwar sind im Revisionsverfahren Änderungen der Rechtslage, die sich nach Erlass des Berufungsurteils ergeben, für die Entscheidung des Revisionsgerichts beachtlich, wenn das Berufungsgericht, entschiede es nunmehr an dessen Stelle, die Rechtsänderung zu beachten hätte (stRspr, vgl. Urteil vom 23. Oktober 2007 – BVerwG 1 C 10.07 – BVerwGE 129, 367 ≪380 Rn. 40≫ m.w.N.). Der Verwaltungsgerichtshof müsste, wenn er nunmehr über das Klagebegehren entschiede, auf die gegenwärtige Rechtslage abstellen. Dass aktuell eine Garantieverpflichtung des Bundes zugunsten der UKPT nicht mehr besteht, steht einer Prüfungsberechtigung des Bundesrechnungshofs gegenüber der UKPT jedoch nicht entgegen. Die Prüftätigkeit des Rechnungshofs ist eine ex-post-Kontrolle; sie bezieht sich auf in der Vergangenheit liegende, abgeschlossene Sachverhalte (Engels, in: Bonner Kommentar zum GG, Stand Oktober 2010, Art. 114 Rn. 226). Daraus ergibt sich, dass für die Prüfungsbefugnis des Bundesrechnungshofs allein darauf abzustellen ist, ob für den in Blick genommenen Prüfungszeitraum eine Garantieverpflichtung des Bundes begründet gewesen ist (vgl. Eibelshäuser/Wallis, in: Heuer/Engels/Eibelshäuser, Kommentar zum Haushaltsrecht, Stand: Juli 2010, § 112 BHO Rn. 6). Dem Bundesrechnungshof ist daher ein Prüfungsrecht gegenüber der UKPT eröffnet, soweit es den Prüfzeitraum vor dem Wegfall der Garantieverpflichtung, also bis zum 14. Dezember 2010, betrifft.
Rz. 18
bb) Die UK-Bund und die EUK unterliegen der Prüfung durch den Bundesrechnungshof, weil sie aufgrund eines Bundesgesetzes vom Bund Zuschüsse erhalten (§ 112 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BHO).
Rz. 19
(1) Zuschuss im Sinne von § 112 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BHO ist eine gesetzlich begründete, zweckgebundene unmittelbare oder mittelbare Geldleistung des Bundes, die dem Sozialversicherungsträger zur Finanzierung eigener Aufgaben zufließt.
Rz. 20
Zweckgebunden meint, dass die Geldleistung zur Finanzierung einer festgelegten (eigenen) Aufgabe bestimmt ist, das heißt der Versicherungsträger hat keine Dispositionsfreiheit bei der Mittelverwendung (Hugo/Sandfort, in: Heuer/Engels/Eibelshäuser, Kommentar zum Haushaltsrecht, Stand: Juli 2010, § 23 BHO Rn. 7; Nebel, in: Piduch, Bundeshaushaltsrecht, Stand: Dezember 2008, § 23 BHO Rn. 1, S. 5). Erfasst werden nicht nur unmittelbare Geldleistungen. Ein Zuschuss kann auch darin liegen, dass dem Versicherungsträger Sachmittel oder Personal gestellt werden (BSG, Urteil vom 23. November 1981 – 8/8a RK 15/80 – BSGE 52, 294 ≪297≫).
Rz. 21
Von einer eigenen Aufgabe des Sozialversicherungsträgers (vgl. § 30 Abs. 1 SGB IV) ist auszugehen, wenn die Aufgabenwahrnehmung in eigener Zuständigkeit und mit entsprechender Entscheidungskompetenz erfolgt. In Abgrenzung dazu dient eine Geldleistung zur Finanzierung fremder Aufgaben, wenn dem Sozialversicherungsträger lediglich fremde Aufgaben gesondert übertragen sind, er also im Auftrag beispielsweise für eine Stelle der unmittelbaren Bundesverwaltung tätig wird und ihm die hierbei entstehenden Aufwendungen erstattet werden (vgl. § 30 Abs. 2 SGB IV; Eibelshäuser/Wallis, a.a.O., § 55 HGrG Rn. 4; Baumhauer/Michalak, NZS 2006, 467 ≪468≫). Eine solche auf einer auftragsweisen Aufgabenwahrnehmung beruhende Aufwendungserstattung erfüllt den Zuschussbegriff in § 112 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BHO nicht.
Rz. 22
Diese Differenzierung knüpft an den Sinn und Zweck der Regelung an, im Interesse einer umfassenden, möglichst lückenlosen parlamentarischen Finanzkontrolle über die Verwendung von Bundesmitteln (vgl. BTDrucks 5/4378, 4379 S. 16; BTDrucks 16/9154 S. 42) auch die Haushalts- und Wirtschaftsführung der bezeichneten bundesunmittelbaren Sozialversicherungsträger der Prüfung durch den Bundesrechnungshof zu unterstellen. Erfüllt ein Sozialversicherungsträger fremde Aufgaben und erhält er für hierbei anfallende Aufwendungen Erstattungsleistungen, kann eine Finanzkontrolle hinreichend gewährleistet werden, indem der Auftraggeber der Prüfung durch den Bundesrechnungshof unterliegt. Denn der Rechnungshof ist berechtigt, auch bei Stellen außerhalb des Auftraggebers zu prüfen, wenn dorthin Bundesmittel fließen (vgl. § 111 Abs. 1 i.V.m. § 91 Abs. 1 Satz 1 BHO). Über seine Aufsichtsbefugnisse kann der Auftraggeber auf eine ordnungsgemäße Erfüllung der übertragenen Aufgaben und damit regelmäßig auch auf eine sachgemäße Verwendung der dabei einzusetzenden öffentlichen Mittel hinwirken. Nimmt ein Sozialversicherungsträger demgegenüber eigene Aufgaben wahr und werden ihm dafür Bundesmittel zur Verfügung gestellt, fordert das Gebot einer effektiven Finanzkontrolle, die Haushalts- und Wirtschaftsführung des Versicherungsträgers selbst der Prüfung durch den Bundesrechnungshof zu unterwerfen.
Rz. 23
Der Zuschussbegriff in § 112 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BHO verlangt nicht, dass es sich um eine freiwillige Leistung des Bundes handelt. Anders als für den Begriff der Zuwendung nach § 23 BHO (vgl. dazu Hugo/Sandfort, a.a.O.; Nebel, a.a.O., § 23 Rn. 1, S. 4) kommt dem Freiwilligkeitskriterium keine Bedeutung zu. Davon unberührt bleibt das Erfordernis einer bundesgesetzlichen Bestimmung der Zuschussgewährung, wobei die Regelung durch förmliches Gesetz getroffen werden kann oder aufgrund eines solchen im Rahmen einer untergesetzlichen Normierung (vgl. Eibelshäuser/Wallis, a.a.O., § 112 BHO Rn. 3).
Rz. 24
(2) Gemessen daran sind die Voraussetzungen eines Bundeszuschusses bei der UK-Bund erfüllt.
Rz. 25
Die UK-Bund ist u.a. für die Unfallversicherung der beim Deutschen Roten Kreuz haupt- und ehrenamtlich Tätigen zuständig (§ 125 Abs. 1 Nr. 5 SGB VII), desgleichen für Unfallversicherungsleistungen im Bereich der Fremdrenten (§ 9 Abs. 2 und Abs. 3 des Fremdrentengesetzes – FRG – vom 25. Februar 1960, BGBl III 824-2, i.d.F. des Gesetzes vom 19. Dezember 2007, BGBl I S. 3024) sowie für Leistungen, die auf der Übernahme von Rentenleistungen für Arbeitsunfälle aus der ehemaligen DDR beruhen (Nr. 1 Buchst. c Abs. 8 Nr. 2 Doppelbuchst. aa, dd, ee der Anlage I Kap VIII Sachgebiet I – Gesetzliche Unfallversicherung Abschnitt III des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands – Einigungsvertrag – vom 31. August 1990, BGBl II S. 885, 1064 i.V.m. § 218b Abs. 1 SGB VII). Es handelt sich jeweils um Aufgaben, die der UK-Bund als eigene zugewiesen sind (vgl. § 125 Abs. 1 SGB VII; § 9 FRG; Nr. 1c Abs. 8 der Anlage I Kap VIII Sachgebiet I Abschnitt III Einigungsvertrag i.V.m. § 218b Abs. 2 Satz 1 SGB VII).
Rz. 26
Gemäß § 186 Abs. 3 Satz 3 und Satz 5 SGB VII werden der UK-Bund die Aufwendungen, die ihr infolge der Aufgabenwahrnehmung in den genannten Versicherungsbereichen entstehen, durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales erstattet (vgl. zu den diesbezüglichen Einnahmen der UK-Bund auch deren Haushaltsplan 2009, Beiakte III, S. IV). Diese gesetzlich begründeten Geldleistungen des Bundes sind ungeachtet ihrer Bezeichnung als Aufwendungserstattungen als Zuschuss im Sinne von § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO zu qualifizieren, weil sie der Finanzierung eigener Aufgaben der UK-Bund dienen (vgl. auch BTDrucks 14/9007 S. 40). Nach der gesetzlichen Systematik sowie Sinn und Zweck der Regelung meint der Begriff “Aufwendungen” in § 186 SGB VII nichts anderes als den Einsatz von Mitteln für die Aufgabenerfüllung (vgl. Höller, Hauck/Noftz, SGB VII, 2. Bd., Stand November 2010, § 186 Rn. 1, 5, 13). Die Vorschrift regelt die Art und Weise der Mittelaufbringung für die UK-Bund und differenziert zwischen Umlagen (Beiträgen) und Erstattungen, mit denen gemeinsam die Aufwendungen der UK-Bund gedeckt werden. Dem entspricht es, dass der Begriff “Aufwendungen” auch in anderen Bestimmungen im selben Regelungskomplex allgemein zur Beschreibung von Ausgabenlasten verwendet wird (vgl. § 177 Abs. 1, § 184b Abs. 1, § 185 Abs. 2 und Abs. 3 SGB VII). Danach ergeben sich keine Anhaltspunkte, dass mit den der UK-Bund nach § 186 Abs. 3 Satz 3 und Satz 5 SGB VII zufließenden Bundesmitteln eine Anknüpfung an die Wahrnehmung fremder Aufgaben bezweckt sein könnte.
Rz. 27
Unerheblich ist, dass die Geldleistungen den Finanzierungsbedarf der UK-Bund in dem betreffenden Aufgabenbereich vollumfänglich abdecken. Die Voraussetzungen eines Zuschusses sind auch dann erfüllt, wenn der Sozialversicherungsträger mit den Bundesmitteln die bei der Aufgabenerfüllung entstehenden Ausgaben zu 100 % finanzieren kann, der Bund also die gesamte Ausgabenlast trägt (Eibelshäuser/Wallis, a.a.O., § 55 HGrG Rn. 4 a.E.). Dieses Verständnis ergibt sich mit Rücksicht auf das mit § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO verfolgte Ziel einer umfassenden Finanzkontrolle über die Bundesmittel. Denn eine Kontrolle ist umso mehr veranlasst, je größer der Finanzierungsanteil des Bundes und damit dessen finanzielle Betroffenheit sind.
Rz. 28
(3) Auch die EUK erhält einen Zuschuss im Sinne von § 112 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BHO und unterliegt damit der Prüfung durch den Bundesrechnungshof.
Rz. 29
Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs erfüllen die Geldleistungen, die der EUK gemäß § 13 Abs. 3 Satz 2 und 4 des Gesetzes zur Zusammenführung und Neugliederung der Bundeseisenbahnen (Bundeseisenbahnneugliederungsgesetz – BEZNG vom 27. Dezember 1993, BGBl I S. 2378; 1994 I S. 2439, zuletzt geändert durch Art. 15 Abs. 112 des Gesetzes vom 5. Februar 2009, BGBl I S. 160) i.V.m. § 1 Abs. 1 der Verordnung über die Kostenerstattung an die Eisenbahn-Unfallkasse für die auftragsweise Wahrnehmung der Aufgaben für die Prävention für die Beamten (Eisenbahn-Unfallkasse Kostenerstattungsverordnung – EUKKostErstV vom 15. Juni 2000, BGBl I S. 912, zuletzt geändert durch Art. 38 des Gesetzes vom 19. September 2006, BGBl I S. 2146) zufließen, nicht den Zuschussbegriff des § 112 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BHO. Es handelt sich bei der Aufgabe der Prävention für die Beamten des Bundeseisenbahnvermögens, die der EUK nach § 13 Abs. 3 Satz 2 BEZNG obliegt, nicht um die Wahrnehmung einer eigenen Aufgabe. Bereits die Bezeichnung als “übertragene Aufgabe” in § 13 Abs. 3 Satz 2 und 3 BEZNG deutet darauf hin, dass die EUK im Bereich der Prävention lediglich auftragsweise tätig wird und die Tätigkeit somit als Wahrnehmung einer fremde Aufgabe zu klassifizieren ist. Auf ein bloßes Auftragsverhältnis verweist des Weiteren § 13 Abs. 3 Satz 3 BEZNG, wonach in Bezug auf die Durchführung der der EUK übertragenen Aufgabe die Vorschriften über die Selbstverwaltung der Sozialversicherungsträger (vgl. §§ 29 ff. SGB IV) keine Anwendung finden. Bestätigt wird dieser Befund durch die zugehörige Kostenerstattungsverordnung, die ausdrücklich von einer “auftragsweisen” Aufgabenwahrnehmung spricht.
Rz. 30
Die Voraussetzungen eines gesetzlich begründeten Zuschusses des Bundes liegen aber vor, weil die EUK gemäß § 3 der Verordnung über den Übergang der Rechte und Pflichten des Bundes auf die Eisenbahn-Unfallkasse (Eisenbahn-Unfallkassenübergangsverordnung vom 7. Februar 1994, BGBl I S. 198, i.d.F. der Bekanntmachung vom 20. Februar 1995, BGBl I S. 264) Kostenerstattungen erhält. Nach dieser Vorschrift erstattet das Bundeseisenbahnvermögen der EUK die Kosten für Entschädigungsansprüche aus Arbeitsunfällen, wenn diese vor dem 1. Januar 1994 bestandskräftig festgestellt worden sind und wenn die Versicherten im Unfallzeitpunkt in einem Arbeitsverhältnis zur Deutschen Bundesbahn oder Deutschen Reichsbahn standen (vgl. auch § 31 der Satzung der EUK vom 1. Januar 1999 i.d.F. des Dritten Nachtrags vom 1. Januar 2005/1. Januar 2006; Geschäftsbericht der EUK 2008, Beiakte V, S. 32). Erfüllt die EUK die in der Regelung bezeichneten versicherungsrechtlichen Leistungen, wird sie anders als nach § 13 Abs. 3 BEZNG nicht im Auftragsverhältnis tätig, sondern nimmt eigene Aufgaben im Rahmen der ihr nach § 126 SGB VII zugewiesenen Zuständigkeiten wahr. Dies ergibt sich aus § 1 Abs. 1 Eisenbahn-Unfallkassenübergangsverordnung, wonach die EUK in die Rechte und Pflichten des Bundes als Träger der gesetzlichen Unfallversicherung eingetreten ist und die bislang nach § 766 der Reichsversicherungsordnung von der Bundesbahn-Ausführungsbehörde für Unfallversicherung wahrgenommenen Aufgaben übernommen hat.
Rz. 31
Der Einstufung als eigene Aufgabe steht nicht entgegen, dass die EUK den in §§ 1, 3 Eisenbahn-Unfallkassenübergangsverordnung genannten Aufgabenbereich von einem vormaligen Zuständigkeitsträger übernommen hat. Der Zuschussbegriff in § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO verlangt keine seit jeher originäre Zuständigkeit. Die Beurteilung, ob eine eigene oder eine fremde Aufgabenwahrnehmung vorliegt, erfolgt zeitpunktbezogen. Entscheidend für die Qualifizierung als eigene Aufgabe ist, dass die zugewiesene Aufgabe im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt in eigener Zuständigkeit erfüllt wird.
Rz. 32
Bei den der EUK nach § 3 Eisenbahn-Unfallkassenübergangsverordnung aus dem Bundeseisenbahnvermögen zufließenden Geldleistungen handelt es sich auch um Bundesmittel im Sinne von § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO. Das Bundeseisenbahnvermögen ist ein nicht rechtsfähiges Sondervermögen des Bundes, das vom Bund verwaltet wird, § 1 BEZNG, und dessen nicht durch eigene Einnahmen gedeckten Aufwendungen aus dem Bundeshaushalt getragen werden, § 16 Abs. 1 BEZNG (vgl. auch § 26 Abs. 2, § 88 Abs. 1 BHO). Die Zuschussgewährung erfolgt auch aufgrund eines Bundesgesetzes. Dafür genügt die Regelung durch Rechtsverordnung, die ihre Ermächtigungsgrundlage in Art. 7 § 1 Abs. 1 des Gesetzes zur Neuordnung des Eisenbahnwesens (Eisenbahnneuordnungsgesetz – ENeuOG vom 27. Dezember 1993, BGBl I S. 2378, 2425) findet.
Rz. 33
(4) Die von dem Beklagten in diesem Zusammenhang vorsorglich in Gestalt der “Gegenrüge” erhobene Verfahrensrüge ist gegenstandslos. Der Beklagte bringt die Rüge für den Fall an, dass die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, die UK-Bund und die EUK seien Empfänger von Bundeszuschüssen im Sinne von § 112 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BHO, als Tatsachenfeststellung anzusehen sein sollte und nicht als rechtliche Subsumtion. Danach geht die “Gegenrüge” ins Leere, weil es sich bei der Annahme des Berufungsgerichts um eine rechtliche Würdigung handelt, die mit Verfahrensrügen nicht angegriffen werden kann.
Rz. 34
b) Rechtsfehlerhaft hat der Verwaltungsgerichtshof angenommen, die Prüfungsunterworfenheit der drei Bundes-Unfallkassen führe nicht dazu, ein Prüfungsrecht des Bundesrechnungshofs gegenüber dem Beklagten selbst zu begründen. Entgegen der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts ist § 112 Abs. 1 Satz 2 BHO dahin auszulegen, dass es zur Begründung eines Prüfungsrechts gegenüber einem Verband von Sozialversicherungsträgern genügt, wenn mindestens ein Mitglied nach § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO der Prüfung durch den Bundesrechnungshof unterliegt.
Rz. 35
aa) Der Wortlaut des § 112 Abs. 1 Satz 2 BHO enthält keine beschränkenden Vorgaben in Bezug auf die Zahl der Mitglieder, die nach § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO prüfungsunterworfen sein müssen, um zugleich eine Prüfungsbefugnis auch gegenüber dem Verband auszulösen. Der Verwendung des Begriffs “Mitglieder” ohne bestimmten Artikel lässt darauf schließen, dass es nicht einer Prüfungsunterworfenheit aller Mitglieder bedarf. Hätte der Gesetzgeber Gegenteiliges beabsichtigt, hätte es nahegelegen, dies durch die Formulierung “die Mitglieder” oder “alle Mitglieder” klarzustellen. Ebenso wäre eine ausdrückliche Regelung zu erwarten gewesen, wenn er das Prüfungsrecht gegenüber dem Verband (oder der Arbeitsgemeinschaft) davon hätte abhängig machen wollen, dass eine “überwiegende” oder “erhebliche” Zahl von Mitgliedern oder ein in sonstiger Weise bestimmter Mitgliederanteil prüfungsunterworfen ist. Das Fehlen einer diesbezüglichen Formulierung in § 112 Abs. 1 Satz 2 BHO stützt daher die Annahme, dass es für die Erstreckung des Prüfungsrechts auf den Verband (oder die Arbeitsgemeinschaft) ausreicht, wenn einzelne Mitglieder oder auch nur ein Mitglied nach § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO der Prüfung durch den Bundesrechnungshof unterliegt. Jedenfalls schließt der Wortlaut der Regelung ein solches Normverständnis nicht aus. Dem steht nicht entgegen, dass der Begriff “Mitglied” im Plural verwendet wird. Denn die Bezeichnung “Mitglieder” ist wegen der Verknüpfung mit den Pluralen “Verbänden” und “Arbeitsgemeinschaften” grammatikalisch geboten.
Rz. 36
bb) Systematische Erwägungen lassen ebenfalls den Schluss zu, die Prüfungsunterworfenheit bereits eines einzelnen Verbandsmitglieds begründe nach § 112 Abs. 1 Satz 2 BHO ein Prüfungsrecht auch gegenüber dem Verband selbst.
Rz. 37
Aus dem Kontext der §§ 88 ff. BHO ergibt sich, dass die Rechnungsprüfung durch den Bundesrechnungshof auf eine umfassende Kontrolle der Verwendung von Bundesmitteln ausgerichtet ist. Erfasst wird zunächst die gesamte Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes einschließlich seiner Sondervermögen und Betriebe (§ 88 Abs. 1 BHO). Dabei ist der Bundesrechnungshof auch berechtigt, bei Stellen außerhalb der unmittelbaren Bundesverwaltung zu prüfen, wenn sie mit dem Bundeshaushalt verflochten sind, indem sie Bundesmittel erhalten oder verwalten oder zu ihren Gunsten Gewährleistungen des Bundes bestehen (§ 91 Abs. 1 Satz 1 BHO). Die Prüfungsbefugnis erstreckt sich darüber hinaus auf Dritte, an die diese Stellen Mittel weiterleiten (§ 91 Abs. 1 Satz 2 BHO). § 91 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, § 92 BHO räumen dem Bundesrechnungshof ein Prüfungsrecht auch bei privatrechtlichen Unternehmen ein, an denen der Bund unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist. Während nach § 91 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, § 92 BHO die Prüfung “bei” den dort genannten Stellen erfolgt, das heißt der Bund Prüfungsadressat bleibt, erweitert § 104 BHO die Prüfungsbefugnisse des Bundesrechnungshofs auf juristische Personen des Privatrechts als Prüfungsadressat. Anknüpfungspunkt ist auch hier, dass Haushaltsinteressen des Bundes berührt sind, wie etwa im Fall der Zuschussgewährung (§ 104 Abs. 1 Nr. 1 BHO) oder der Gewinnbeteiligung (§ 104 Abs. 3 BHO).
Rz. 38
Das Anliegen einer umfassenden Finanzkontrolle wird des Weiteren durch Einbeziehung auch der bundesunmittelbaren juristischen Personen des öffentlichen Rechts umgesetzt. Gemäß § 111 Abs. 1 BHO prüft der Bundesrechnungshof deren Haushalts- und Wirtschaftsführung. Absatz 2 sieht eine Ausnahme lediglich insoweit vor, als kein erhebliches finanzielles Interesse des Bundes besteht und darüber eine entsprechende Entscheidung des zuständigen Bundesministeriums im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen und dem Bundesrechnungshof vorliegt.
Rz. 39
Dem in den vorgenannten Vorschriften zum Ausdruck kommenden Ziel einer möglichst lückenlosen Prüfung des Einsatzes von Bundesmitteln und der Einräumung eines weit angelegten Prüfungsrechts des Bundesrechnungshofs entspricht es, eine Prüfungsbefugnis nach § 112 Abs. 1 Satz 2 BHO bereits als gegeben anzusehen, wenn nur ein Mitglied prüfungsunterworfen ist. Eine über den Sozialversicherungsträger hinausgehende Kontrolle des Verbandes ist veranlasst, weil Haushaltsinteressen des Bundes berührt sein können. Dass § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO eine Prüfung der bundesunmittelbaren Sozialversicherungsträger nur unter engeren Voraussetzungen erlaubt als es § 111 Abs. 1 BHO gegenüber sonstigen juristischen Personen des öffentlichen Rechts ermöglicht, gebietet keine abweichende Beurteilung. Daraus lässt sich nicht ableiten, § 112 Abs. 1 Satz 2 BHO sei restriktiv zu handhaben. Welche Anforderungen an die Zahl der prüfungsunterworfenen Mitglieder zu stellen sind, um ein Prüfungsrecht gegenüber einem Verband (oder einer Arbeitsgemeinschaft) von Sozialversicherungsträgern bejahen zu können, ist eine von den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO unabhängige, eigenständig zu prüfende Rechtsfrage.
Rz. 40
Für ein Prüfungsrecht gegenüber Verbänden schon im Falle eines prüfungsunterworfenen Mitglieds spricht zudem die detaillierte Regelung zur Einschränkung der Prüfungsbefugnis in § 112 Abs. 2 BHO. Danach unterliegt ein Unternehmen in der Rechtsform einer bundesunmittelbaren juristischen Person des öffentlichen Rechts unabhängig von der Beteiligung des Bundes der Prüfung durch den Rechnungshof nach § 111 BHO (Satz 1). Demgegenüber findet § 111 BHO keine Anwendung auf Unternehmen in der Rechtsform einer juristischen Person des privaten Rechts, an der Unternehmen im Sinne von Satz 1 unmittelbar oder mittelbar mit Mehrheit beteiligt sind; insoweit gelten die in § 53 und § 54 HGrG geregelten eingeschränkten Prüfmöglichkeiten entsprechend (Satz 2). Wenn der Gesetzgeber in § 112 Abs. 1 Satz 2 BHO die Prüfungsbefugnis gegenüber Verbänden der in Satz 1 genannten bundesunmittelbaren Sozialversicherungsträger ohne beschränkende Vorgaben für Zahl und Gewicht der prüfungsunterworfenen Mitglieder festlegt, während er im Rahmen einer im unmittelbarem Kontext stehenden Regelung einschränkende Maßgaben in Abhängigkeit von der Höhe der Beteiligung trifft, liegt der Schluss nahe, das Prüfungsrecht in § 112 Abs. 1 Satz 2 BHO seinem Wortlaut gemäß einschränkungslos zu verstehen.
Rz. 41
cc) Die Gesetzesmaterialien bestätigen dieses Auslegungsergebnis. Nach der amtlichen Begründung zu § 112 Abs. 1 Satz 2 BHO liegt der Ausdehnung des Prüfungsrechts auf Verbände von Sozialversicherungsträgern die Erwägung zugrunde, dem Parlament in Bezug auf die Verwendung der Bundeszuschüsse an die Sozialversicherungsträger eine uneingeschränkte Kontrolle zu ermöglichen. Die Prüfungszuständigkeit des Bundesrechnungshofs sollte daher auf mittelbar bezuschusste Verbände erstreckt werden. Eine mittelbare Bezuschussung wurde dahingehend erläutert, dass “deren Mitglieder der Rechnungsprüfung unterliegen” (BTDrucks 5/4378, 4379 S. 16 zum damaligen § 110 BHO des Gesetzentwurfs). Danach ist nicht entscheidend, wie sich das Zahlenverhältnis der prüfungsunterworfenen Mitglieder im Vergleich zu den sonstigen Mitgliedern des Verbandes darstellt. Eine mittelbare Bezuschussung des Verbandes kommt vielmehr auch dann in Betracht, wenn nur ein Mitglied unmittelbar Bundeszuschüsse erhält oder zu dessen Gunsten eine Garantieverpflichtung des Bundes begründet ist. Aus den Materialien zur Erweiterung des § 112 Abs. 1 Satz 2 BHO um die Gruppe der Arbeitsgemeinschaften durch Art. 11 des Gesetzes zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 15. Dezember 1995 (BGBl I S. 1824) folgt nichts Gegenteiliges. Mit der Ergänzung ist klargestellt worden, dass sich das Prüfungsrecht des Bundesrechnungshofs unter den Voraussetzungen des § 112 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 BHO gleichermaßen auf die Verbände und Arbeitsgemeinschaften der Sozialversicherungsträger bezieht. Anlass waren Schwierigkeiten bei der Wahrnehmung der Prüfungsbefugnis gegenüber einer Arbeitsgemeinschaft der Rentenversicherungsträger (BTDrucks 13/2590 S. 34). Unschädlich ist, dass die Begründung zum Gesetzentwurf die Formulierung “wenn die Mitglieder ihrerseits der Prüfung durch den Bundesrechnungshof unterliegen” aufweist. Der Zusatz des bestimmten Artikels hat keine Aufnahme in den Gesetzeswortlaut in § 112 Abs. 1 Satz 2 BHO gefunden. Es ist daher nicht ersichtlich, dass von der bisherigen Regelungsintention in einem einschränkenden Sinne abgewichen werden sollte, zumal vor dem Hintergrund der auf Erweiterung angelegten Änderung.
Rz. 42
Dieses Verständnis wird gestützt durch weitere Parlamentsmaterialien. Aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Parlamentarische Anfrage zu den Auswirkungen geplanter Reformen in der Unfallversicherung geht hervor, dass die Bundesregierung die Prüfungsunterworfenheit der UK-Bund, der EUK und der UKPT als hinreichend erachtet hat, um ein Prüfungsrecht auch gegenüber dem Spitzenverband der Unfallversicherungsträger zu bejahen (BTDrucks 16/4357 S. 4). Das Gleiche ergibt sich aus der amtlichen Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Unfallversicherung. Der Entwurf der Bundesregierung sah ursprünglich eine Ergänzung des § 87 SGB IV dahingehend vor, dass der Bundesrechnungshof die Haushalts- und Wirtschaftsführung des Beklagten prüft. Damit sollte die geltende Rechtslage klargestellt werden, wonach der Verband infolge der Prüfungsunterworfenheit der UK-Bund und der UKPT selbst der Prüfung unterliege (BTDrucks 16/9154 S. 16, 42; der Ergänzungsvorschlag ist aufgrund ablehnender Stimmen im parlamentarischen Anhörungsverfahren und im Hinblick auf den vorliegenden Rechtsstreit nicht beibehalten worden, vgl. BTDrucks 16/9788 S. 11, 16 ff., 22).
Rz. 43
dd) Schließlich streiten insbesondere Regelungssinn und -zweck für eine weite Auslegung von § 112 Abs. 1 Satz 2 BHO.
Rz. 44
Dem mit § 112 Abs. 1 BHO verfolgten Ziel, eine uneingeschränkte parlamentarische Kontrolle über die Verwendung von Bundeszuschüssen an Sozialversicherungsträger und über zu deren Gunsten bestehende Garantieverpflichtungen zu gewährleisten, wird nur ein Normverständnis gerecht, das eine Prüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung eines Verbandes von Sozialversicherungsträgern auch dann für zulässig hält, wenn nur eine Minderheit der Mitglieder oder lediglich ein einzelnes Mitglied selbst der Prüfung unterliegt. Denn im Falle einer Zuschuss- oder Einstandspflicht des Bundes für das Mittelaufkommen eines Sozialversicherungsträgers tangiert die Finanzwirtschaft des Verbandes auch Haushaltsinteressen des Bundes. Der mögliche Einfluss der Haushalts- und Wirtschaftsführung des Verbandes auf den Umfang eines Zuschusses oder einer Garantieverpflichtung des Bundes gegenüber einem Verbandsmitglied rechtfertigt es, eine Prüfungsbefugnis des Bundesrechnungshofs auch hinsichtlich des Verbandes anzunehmen.
Rz. 45
(1) Mit der Beteiligung an einem (Spitzen-)Verband geht regelmäßig eine Abgabe von Aufgaben einher, die der einzelne Sozialversicherungsträger bislang eigenverantwortlich wahrgenommen hat und die nunmehr zur einheitlichen Wahrnehmung an den Verband übertragen werden. Die Verbandsarbeit wird typischerweise über Beiträge der Mitglieder finanziert. Die Haushalts- und Wirtschaftsführung eines Verbandes kann die Höhe der Mitgliedsbeiträge oder von sonstigen durch die Verbandstätigkeit veranlassten Zahlungen der Mitglieder beeinflussen, indem etwa ein “schlechtes” Wirtschaften zu einem erhöhten Beitragsbedarf führt oder Einsparpotentiale vorliegen, die eine Beitragsminderung ermöglichen. Die Beiträge oder sonstigen Zahlungen, die aus dem Haushalt des Mitglieds aufgebracht werden müssen, können auf diese Weise Auswirkungen auf den Bedarf an Bundeszuschüssen oder den Umfang der Garantieverpflichtung haben und zu einer finanziellen Betroffenheit des Bundes führen. Darüber hinaus sind Haushaltsbelange des Bundes auch deshalb berührt, weil Bundeszuschüsse wie andere Haushaltsmittel den allgemeinen haushaltsrechtlichen Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (vgl. § 7 BHO) unterliegen.
Rz. 46
(2) Diese Verflechtung zwischen Bundeszuschuss oder Garantieverpflichtung zugunsten des Sozialversicherungsträgers und dessen Geldleistungen an den Verband rechtfertigen es, eine in den Gesetzesmaterialien zu § 112 Abs. 1 BHO angeführte “mittelbare Bezuschussung” des Verbandes zu bejahen. Dafür genügt es, dass eine Garantieverpflichtung besteht oder der Sozialversicherungsträger Bundeszuschüsse in seinen Haushalt vereinnahmt und aus diesem Haushalt Beiträge und sonstige Leistungen dem Verband zufließen. Das in § 112 Abs. 1 Satz 2 BHO geregelte Prüfungsrecht gegenüber dem Verband knüpft ohne weitere Vorgaben an die mitgliedsbezogene Zuschussgewährung und Garantieverpflichtung in § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO an. Zusätzliche Anforderungen in Bezug auf Art oder Qualität einer “mittelbaren Bezuschussung” des Verbandes sind nicht normiert. Es ergeben sich mithin keine Anhaltspunkte für eine entsprechende tatbestandliche Reduktion des § 112 Abs. 1 Satz 2 BHO. Für eine das Prüfungsrecht nach § 112 Abs. 1 Satz 2 BHO begründende “mittelbare Bezuschussung” des Verbandes ist daher weder erforderlich, dass ein Bundeszuschuss an den Sozialversicherungsträger seiner Zweckbestimmung nach ausdrücklich auf Beitragsleistungen an den Verband bezogen ist, noch ist zu verlangen, dass in den Haushalts- oder Kontenunterlagen des Verbandes eine Einnahmeposition ausgewiesen wird, die sich unmittelbar auf den dem Sozialversicherungsträger zugeflossenen Bundeszuschuss nachverfolgen lässt. Hinsichtlich § 112 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BHO verbietet sich eine solche Betrachtungsweise schon im Ansatz, weil ein Mittelzufluss vom Bund zum Mitglied gerade nicht vorausgesetzt wird. Aber auch gegenüber § 112 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 BHO ist sie sinnwidrig, da die dargelegte potentielle finanzielle Betroffenheit des Bundes davon nicht berührt wird.
Rz. 47
(3) Weil bereits die Zuschuss- und Einstandspflicht des Bundes gegenüber einem einzelnen Sozialversicherungsträger bewirkt, dass Haushaltsinteressen des Bundes berührt sind, besteht ein berechtigtes öffentliches Interesse an einer Prüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung eines Verbandes nach § 112 Abs. 1 Satz 2 BHO auch und schon dann, wenn nur ein Verbandsmitglied prüfungsunterworfen ist.
Rz. 48
Maßgeblich für diese Annahme ist der Grundsatz der umfassenden Finanzkontrolle der öffentlichen Hand, der eine möglichst lückenlose Prüfung der gesamten Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes und der Länder durch die Rechnungshöfe verlangt und sämtliches finanzrelevante Gebahren der öffentlichen Hand erfasst (Urteil vom 30. September 2009 – BVerwG 8 C 5.09 – BVerwGE 135, 100 ≪102 Rn. 15 f.≫ = Buchholz 451.09 IHKG Nr. 21). Soweit es die Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes betrifft, wird die Prüftätigkeit gemäß Art. 114 Abs. 2 GG, § 88 Abs. 1 BHO durch den Bundesrechnungshof ausgeübt. Die in Art. 114 GG normierte Finanzkontrolle ist Ausdruck der im parlamentarischen Regierungssystem gebotenen Verantwortung der Regierung gegenüber dem Parlament und sichert das parlamentarische Budgetrecht (Art. 110 GG) ab (Kube, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. VII, Stand Oktober 2010, Art. 114 Rn. 1; Schwarz, in: v. Mangoldt/Starck, GG, Bd. 3, 6. Aufl. 2010, Art. 114 Rn. 1, 4 ff., 51; Siekmann, in: Sachs, GG, 5. Aufl. 2009, Art. 114 Rn. 1). Daraus leitet sich ab, dass die parlamentarische Finanzkontrolle auf Lückenlosigkeit ausgerichtet ist (Schwarz, a.a.O. Rn. 52 m.w.N.). Der Bundesrechnungshof unterstützt das Parlament bei der Wahrnehmung seiner Kontrollfunktion. Die Prüftätigkeit des Bundesrechnungshofs und seine diesbezügliche Berichterstattungspflicht gegenüber dem Parlament (vgl. Art. 114 Abs. 2 Satz 2 GG, § 97 Abs. 1 BHO) sollen gewährleisten, dass Bundestag und Bundesrat über die erforderlichen Informationen verfügen, um die Aufgabe der Finanzkontrolle effektiv ausüben zu können. Dem Anliegen einer umfassenden, lückenlosen parlamentarischen Finanzkontrolle entspricht es, eine lückenlose Prüftätigkeit des Bundesrechnungshofs zu ermöglichen (vgl. Kube, a.a.O. Rn. 68; v. Mutius/Nawrath, in: Heuer/Engels/Eibelshäuser, a.a.O., Art. 114 GG Rn. 10). Prüfungsfreie Räume soll es nach der gesetzgeberischen Intention nicht geben (vgl. BTDrucks 5/4378, 4379 S. 3).
Rz. 49
(4) Gegenstand der Finanzkontrolle nach Art. 114 Abs. 2 Satz 1 und 2 GG ist der Bereich der unmittelbaren Bundesverwaltung, während die Prüfungsrechte des Bundesrechnungshofs gegenüber bundesunmittelbaren juristischen Personen des öffentlichen Rechts auf Art. 114 Abs. 2 Satz 3 GG i.V.m. §§ 111 f. BHO beruhen (Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 114 Rn. 6; Siekmann, a.a.O. Rn. 29; v. Mutius/Nawrath, a.a.O. Art. 114 GG Rn. 22). Damit ist zwar das in § 112 Abs. 1 BHO geregelte Prüfungsrecht des Bundesrechnungshofs gegenüber bundesunmittelbaren Sozialversicherungsträgern sowie ihren Verbänden und Arbeitsgemeinschaften nicht unmittelbar verfassungsrechtlich gewährleistet. Gleichwohl kommt der Grundsatz der möglichst lückenlosen Finanzkontrolle auch insoweit zum Tragen. Die Einbeziehung der bundesunmittelbaren öffentlich-rechtlichen Körperschaften in die Prüftätigkeit des Bundesrechnungshofs (vgl. § 48 Abs. 1, § 42 Abs. 1 HGrG; § 111 Abs. 1, § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO) dient der Gewährleistung einer wirksamen parlamentarischen Finanzkontrolle und der Vermeidung prüfungsfreier Räume (Urteil vom 30. September 2009 a.a.O. S. 102 Rn. 16 m.w.N.; vgl. auch entsprechend zu § 91 BHO Urteil vom 6. März 2002 – BVerwG 9 A 16.01 – BVerwGE 116, 92 ≪94≫ = Buchholz 11 Art. 114 GG Nr. 2 S. 7). Die darin zum Ausdruck gebrachte gesetzliche Wertung ist bei der Auslegung des § 112 Abs. 1 Satz 2 BHO zu berücksichtigen und führt dazu, die Voraussetzungen für ein Prüfungsrecht gegenüber einem Verband von Sozialversicherungsträgern schon dann als erfüllt anzusehen, wenn ein Verbandsmitglied infolge einer Zuschussgewährung oder einer Garantieverpflichtung des Bundes der Prüfung durch den Bundesrechnungshof unterliegt.
Rz. 50
Dem lässt sich nicht entgegenhalten, im Falle eines einzelnen prüfungsunterworfenen Mitglieds oder einiger weniger Mitglieder bestehe für eine Prüfung des Verbandes kein berechtigter Prüfungsbedarf, weil das gegenüber dem einzelnen Mitglied gegebene Prüfungsrecht eine hinreichende Finanzkontrolle ermögliche. Das Einzelprüfungsrecht gewährleistet keine gleichermaßen umfassende Kontrolle über Bundeszuschüsse oder Garantieverpflichtungen wie das Prüfungsrecht gegenüber dem Verband. Bei der Prüfung des Verbandsmitglieds kann der Bundesrechnungshof im Rahmen der Kontrolle der Haushalts- und Wirtschaftsführung zwar dessen finanzwirksame Betätigung im Verband mit in den Blick nehmen und überprüfen. Dabei mag unter entsprechender Anwendung von § 91 Abs. 1 Satz 2 BHO (vgl. § 112 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 111 Abs. 1 Satz 2 BHO) auch eine Prüfung “bei” dem Verband in Betracht kommen. Jedoch kann es sich dabei nur um eine punktuelle, beschränkte Prüfung handeln, weil der Verband lediglich Erhebungsobjekt ist und nicht Prüfungsadressat. Die gesamte Haushalts- und Wirtschaftsführung des Verbandes ist erst Prüfungsgegenstand, wenn er gemäß § 112 Abs. 1 Satz 2 BHO selbst Prüfungsadressat ist. Nur eine solche umfassende Überprüfung kann aber eine möglichst lückenlose parlamentarische Finanzkontrolle sicherstellen.
Rz. 51
ee) Dieses Normverständnis steht mit Art. 114 Abs. 2 Satz 3 GG in Einklang. Die Bestimmung ermächtigt den Bundesgesetzgeber, dem Bundesrechnungshof über die verfassungsunmittelbar vorgesehenen Prüfrechte in Art. 114 Abs. 2 Satz 1 und 2 i.V.m. Abs. 1 GG hinaus weitere Prüfungsbefugnisse einzuräumen (vgl. BTDrucks 5/3605 S. 13). Unter “Befugnissen” im Sinne von Art. 114 Abs. 2 Satz 3 GG sind nicht nur Regelungen zu verstehen, die nähere Einzelheiten der Zuständigkeiten des Rechnungshofs aus Art. 114 Abs. 2 Satz 1 und 2 GG betreffen. Die Vorschrift ermöglicht auch die Übertragung zusätzlicher Aufgaben (Urteil vom 28. Februar 1986 – BVerwG 7 C 42.82 – BVerwGE 74, 58 ≪60 f.≫ = Buchholz 421.8 Stiftungsrecht Nr. 2 S. 4 f.). Eine Schranke wird dadurch gezogen, dass die einfachgesetzlichen Prüfungsbefugnisse sich in dem verfassungsrechtlich vorgegebenen Zuständigkeitsrahmen halten müssen. Voraussetzung ist daher, dass die auf der Grundlage von Art. 114 Abs. 2 Satz 3 GG normierte Prüftätigkeit auf eine Kontrolle von Finanzabläufen mit haushaltsmäßigem Bezug gerichtet ist (vgl. Urteil vom 28. Februar 1986 a.a.O. S. 61).
Rz. 52
Diesen Anforderungen wird das Prüfungsrecht in § 112 Abs. 1 Satz 2 BHO in der dargelegten Auslegung gerecht. Der erforderliche Bezug zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes liegt darin, dass die Einbindung eines bundesunmittelbaren Sozialversicherungsträgers in einen Verband finanzwirksame Auswirkungen auf Höhe und Verwendung des dem Mitglied gewährten Bundeszuschusses oder auf den Umfang einer Garantieverpflichtung des Bundes haben kann. Diese potentielle finanzielle Betroffenheit genügt, um eine Prüfungsbefugnis des Bundesrechnungshofs zu rechtfertigen. Verfassungsrechtliche Bedenken ergeben sich nicht im Hinblick darauf, dass § 112 Abs. 1 Satz 2 BHO dem Bundesrechnungshof eine Prüfungsbefugnis auch gegenüber privatrechtlich verfassten Verbänden einräumt. Der das Prüfungsrecht legitimierende Bezug zum Bundeshaushalt wird durch das prüfungsunterworfene Verbandsmitglied unabhängig davon vermittelt, ob es sich bei dem verbandsmäßigen Zusammenschluss von Sozialversicherungsträgern um eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder des Privatrechts handelt.
Rz. 53
Unerheblich ist der in diesem Zusammenhang erhobene Einwand des Beklagten, infolge der Mitgliedsbeiträge der gewerblichen Berufsgenossenschaften finanziere er sich zu 90 % aus Mitteln der privaten Wirtschaft. Das Vorbringen blendet aus, dass es sich bei den durch Beiträge der gewerblichen Wirtschaft aufgebrachten Mitteln der Berufsgenossenschaften (vgl. § 150 Abs. 1 SGB VII) um Einnahmen öffentlich-rechtlicher Körperschaften und damit um Gelder der öffentlichen Hand handelt.
Rz. 54
c) Die Prüfung des Beklagten durch den Bundesrechnungshof ist vereinbar mit dem aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) abgeleiteten Gebot der Verhältnismäßigkeit.
Rz. 55
aa) Fehlerhaft nimmt das angegriffene Urteil an, die Prüftätigkeit des Bundesrechnungshofs greife in eine verfassungsrechtlich geschützte Rechtsstellung des Beklagten ein. Der Beklagte ist im hier maßgeblichen Zusammenhang des § 112 Abs. 1 Satz 2 BHO nicht Träger von Grundrechten.
Rz. 56
Bei den Mitgliedern des Beklagten handelt es sich gemäß § 29 Abs. 1 SGB IV um rechtsfähige Körperschaften des öffentlichen Rechts. Als Verband von Unfallversicherungsträgern, denen die Rechtsstellung juristischer Personen des öffentlichen Rechts zukommt, ist der Beklagte auch in Ansehung seiner privatrechtlichen Organisationsform nicht grundrechtsfähig, weil auf ihn die Grundrechte ihrem Wesen nach nicht anwendbar sind (Art. 19 Abs. 3 GG).
Rz. 57
(1) Grundrechte gelten grundsätzlich nicht für juristische Personen des öffentlichen Rechts, soweit sie gesetzlich zugewiesene und geregelte öffentliche Aufgaben wahrnehmen (stRspr des BVerfG, z.B. Kammerbeschlüsse vom 9. Juni 2004 – 2 BvR 1248/03 u.a. – NVwZ 2005, 572 ≪573≫ und vom 21. Dezember 2009 – 1 BvR 2738/08 – NVwZ 2010, 373 ≪374 Rn. 17≫ m.w.N.). Eine Ausnahme ist nur für den Fall zu machen, dass eine juristische Person des öffentlichen Rechts von den ihr durch die Rechtsordnung übertragenen Aufgaben her unmittelbar einem durch bestimmte Grundrechte geschützten Lebensbereich zugeordnet ist (BVerfG, Beschluss vom 31. Oktober 1984 – 1 BvR 35/82 u.a. – BVerfGE 68, 193 ≪207≫ m.w.N). Für die Träger der Sozialversicherung trifft diese Ausnahme nicht zu (BVerfG, Beschluss vom 9. April 1975 – 2 BvR 879/73 – BVerfGE 39, 302 ≪313≫; BVerwG, Urteil vom 3. August 2000 – BVerwG 3 C 30.99 – BVerwGE 111, 354 ≪360≫ = Buchholz 310 § 42 Abs. 2 VwGO Nr. 7).
Rz. 58
Aus der Rechtsstellung der Mitglieder des Beklagten als rechtsfähige Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung ergibt sich nichts Abweichendes. Juristische Personen sind einem grundrechtlich geschützten Lebensbereich nicht schon deshalb zugeordnet, weil ihnen – einfachgesetzliche – Selbstverwaltungsrechte zustehen. Dies folgt namentlich daraus, dass sich dem Grundgesetz eine Verfassungsgarantie des bestehenden Systems der Sozialversicherung nicht entnehmen lässt (BVerfG, Kammerbeschluss vom 9. Juni 2004 a.a.O. S. 574 m.w.N.).
Rz. 59
(2) Der Beklagte nimmt gleiche oder zumindest vergleichbare öffentliche Aufgaben im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung wahr wie seine Mitglieder (vgl. § 2 der Satzung des Beklagten; § 14 Abs. 4, § 15 Abs. 1, § 20 Abs. 2 Satz 2, § 31 Abs. 2 Satz 2, § 32 Abs. 4, § 34 Abs. 3 Satz 1, § 40 Abs. 5, § 41 Abs. 4, § 43 Abs. 5 SGB VII). Für seine Grundrechtsfähigkeit in diesem Tätigkeitsbereich kann daher nichts anderes gelten als für die in dem beklagten Verband zusammengeschlossenen Unfallversicherungsträger (vgl. BVerfG, Beschluss vom 31. Oktober 1984 a.a.O. S. 212 ff.; Kammerbeschluss vom 18. Mai 2009 – 1 BvR 1731/05 – NVwZ 2009, 1282 ≪1282 f. Rn. 16 f.≫). Ein Zusammenschluss grundrechtsunfähiger juristischer Personen kann nicht eine grundrechtsfähige juristische Person sein (BVerfG, Beschluss vom 31. Oktober 1984 a.a.O. S. 214).
Rz. 60
Eine (partielle) Grundrechtsfähigkeit ist dem Beklagten nicht deswegen zuzuerkennen, weil er satzungsgemäß für seine Mitglieder Tarifverträge abschließt (§ 2 Abs. 4 Nr. 10 der Satzung). Die tarifvertragliche Tätigkeit kann nicht losgelöst von der seinen Mitgliedern zugewiesenen öffentlichen Aufgabe der gesetzlichen Unfallversicherung (Prävention, Rehabilitation und Entschädigung in Bezug auf Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten, vgl. § 1 SGB VII) gesehen werden. Der Abschluss von Tarifverträgen ist veranlasst durch die Wahrnehmung dieser sozialstaatlichen Aufgabe und trägt zu ihrer ordnungsgemäßen Erfüllung bei. Der Beklagte verbleibt daher auch in Ansehung der ihm übertragenen tarifvertraglichen Zuständigkeit allein im öffentlich-rechtlichen Funktionsbereich verhaftet.
Rz. 61
bb) Es bedarf keiner Klärung, ob der Beklagte an dem einfachgesetzlich begründeten Selbstverwaltungsrecht seiner Mitglieder (vgl. § 29 Abs. 1 SGB IV) im Umfang der ihm von den Mitgliedern übertragenen Aufgaben partizipiert. Weder ein solches abgeleitetes Selbstverwaltungsrecht noch das dem Beklagten im Hinblick auf seine vereinsrechtliche Verfasstheit zukommende Selbstorganisationsrecht stehen einer Befugnis des Bundesrechnungshofs zur Prüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung des Beklagten entgegen. Die Prüfungsunterworfenheit ist verhältnismäßig.
Rz. 62
Die dem Bundesrechnungshof zugewiesene Aufgabe der Finanzkontrolle ist, wie dargelegt, hinreichend legitimiert und stellt einen wichtigen Gemeinwohlbelang dar. Die Prüfung des Beklagten ist geeignet und erforderlich, das im öffentlichen Interesse liegende Ziel einer uneingeschränkten parlamentarischen Finanzkontrolle über die Bundeszuschüsse an die UK-Bund und die EUK und über die bis Mitte Dezember 2010 zugunsten der UKPT bestehende Garantieverpflichtung des Bundes zu verwirklichen. Die Klägerin muss sich nicht darauf verweisen lassen, eine ausreichende Finanzkontrolle bei dem Beklagten sei bereits durch die satzungsmäßig vorgesehene Prüfung der Jahresrechnung durch einen unabhängigen Wirtschaftsprüfer gewährleistet. Diese Form der Kontrolle ist der Prüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung durch den Rechnungshof nicht gleichwertig (vgl. Urteile vom 28. Februar 1986 a.a.O. S. 66 f., vom 11. April 1995 – BVerwG 1 C 34.92 – BVerwGE 98, 163 ≪169 f.≫ = Buchholz 451.45 § 105 HwO Nr. 1 und vom 30. September 2009 a.a.O. Rn. 37). Dasselbe gilt, soweit die Mitglieder des Beklagten und zum Teil auch dieser selbst nach § 87 SGB IV staatlicher Aufsicht unterliegen. Die aufsichtsrechtliche Kontrolle kann die Prüfung durch den Rechnungshof nicht ersetzen, weil sie jeweils einen eigenen Zweck verfolgen und dementsprechend in ihren Voraussetzungen und Befugnissen verschieden ausgestaltet sind. Schließlich lassen die Einzelprüfungsrechte nach § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO gegenüber den drei prüfungsunterworfenen Unfallkassen des Bundes den Prüfungsbedarf bei dem Beklagten nicht entfallen. Die Prüfung nach § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO mit der Möglichkeit einer Erhebung “bei” dem Beklagten erlaubt – wie ausgeführt – nicht die gebotene umfassende Kontrolle der gesamten Haushalts- und Wirtschaftsführung, wie sie das Prüfungsrecht nach § 112 Abs. 1 Satz 2 BHO ermöglicht.
Rz. 63
Ohne Erfolg macht der Beklagte geltend, die Aufwendungen der drei Unfallkassen des Bundes für ihre Verbandsmitgliedschaft seien von vergleichsweise untergeordneter Bedeutung, so dass es für ein Prüfungsrecht nach § 112 Abs. 1 Satz 2 BHO an einem hinreichenden finanziellen Interesse des Bundes fehle. § 112 Abs. 1 Satz 2 BHO normiert keine Bagatell- oder Geringfügigkeitsgrenze für die Prüfungsbefugnis des Bundesrechnungshofs. Aus der Ausnahmeregelung des § 111 Abs. 2 BHO, die kraft Verweisung entsprechend für das Prüfungsrecht in § 112 Abs. 1 Satz 2 BHO gilt, lässt sich zudem ableiten, dass eine nach § 112 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 BHO begründete Prüfungsbefugnis nur unter den in § 111 Abs. 2 Satz 1 BHO genannten Voraussetzungen ausnahmsweise zurückzutreten hat.
Rz. 64
Die Prüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung des Beklagten ist auch verhältnismäßig im engeren Sinne. Selbstverwaltungsbelange des Beklagten werden nicht unzumutbar tangiert. Die Finanzkontrolle schließt autonome Entscheidungen des Beklagten über die Beitragserhebung, die Verwaltung und die Verwendung seiner Mittel nicht aus. Sie greift nicht in laufende finanzwirksame Entscheidungsprozesse ein, sondern bewertet nur die bereits getroffenen Entscheidungen und ihre Folgen aus haushaltsrechtlicher und wirtschaftlicher Sicht (Urteil vom 30. September 2009 a.a.O. Rn. 36 m.w.N.). Auch im Übrigen lässt eine nach Maßgabe der §§ 94 ff. BHO ausgeübte Prüftätigkeit des Rechnungshofs unverhältnismäßige Belastungen des Beklagten nicht erkennen. Soweit der Beklagte schließlich eine ungerechtfertigte Veröffentlichung von Prüfergebnissen befürchtet, würde dadurch eine sich im Rahmen der Befugnisse haltende Kontrolltätigkeit nicht unzulässig. Abgesehen davon ist die Frage nach den Grenzen der Veröffentlichung von Prüfergebnissen nicht Gegenstand dieses Verfahrens.
Rz. 65
d) Aus dem danach zu bejahenden Prüfungsrecht des Bundesrechnungshofs ergibt sich dessen Befugnis, Zeit und Art der Prüfung zu bestimmen, erforderliche örtliche Erhebungen durch Beauftragte vornehmen zu lassen, Unterlagen einzusehen und Auskünfte einzuholen (§ 112 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 111 Abs. 1 Satz 2, §§ 94, 95 BHO).
Rz. 66
3. Weil die Sachrüge der Klägerin durchgreift, muss den zusätzlich erhobenen Verfahrensrügen wegen der geltend gemachten Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) und der richterlichen Hinweispflicht (§ 86 Abs. 3 VwGO) nicht mehr nachgegangen werden.
Rz. 67
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Unterschriften
Dr. von Heimburg, Dr. Deiseroth, Dr. Hauser, Dr. Held-Daab, Dr. Kuhlmann
Fundstellen
BVerwGE 2011, 87 |
VR 2011, 285 |
DVBl. 2011, 1177 |
DVBl. 2011, 3 |