Leitsatz (amtlich)
1. Die Vorschriften der Verordnung PR Nr. 30/53 über die Preise bei öffentlichen Aufträgen und die in ihrer Anlage aufgeführten Leitsätze für die Preisermittlung auf Grund von Selbstkosten (LSP) gehören als bundesrechtliche Normen zum einfachgesetzlichen revisiblen Recht.
2. Bei der preisrechtlichen Prüfung eines Fremdleistungsentgelts am Maßstab des Selbstkostenpreises ist auf die angemessenen Kosten und die wirtschaftliche Betriebsführung des Auftragnehmers abzustellen; eine Beurteilung aus Sicht des Auftraggebers stellt einen unzulässigen Perspektivwechsel dar.
3. Die Berücksichtigung einer Wasserkonzessionsabgabe im Rahmen eines Fremdleistungsentgelts verstößt nicht gegen das öffentliche Preisrecht.
Verfahrensgang
Hessischer VGH (Urteil vom 11.12.2018; Aktenzeichen 5 A 1305/17) |
VG Kassel (Urteil vom 27.03.2017; Aktenzeichen 6 K 412/13.KS) |
Tenor
Das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 11. Dezember 2018 wird aufgehoben. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Tatbestand
Rz. 1
Die Kläger, die Eigentümer eines Grundstücks im Stadtgebiet der Beklagten sind, wenden sich gegen die Heranziehung zu Wassergebühren.
Rz. 2
Die Aufgabe der öffentlichen Wasserversorgung in der beklagten Stadt wird seit April 2012 von einem Eigenbetrieb der Beklagten wahrgenommen. Sie war zuvor privatrechtlich organisiert und wurde seit 1929/1930 von einer städtischen Aktiengesellschaft betrieben. Diese war auch für die öffentliche Energieversorgung zuständig und Eigentümerin der entsprechenden Versorgungsinfrastrukturanlagen. Sie zahlte auf der Grundlage eines 1996 mit der Stadt geschlossenen Konzessionsvertrags für die Inanspruchnahme der öffentlichen Straßen und Verkehrswege durch die Versorgungsleitungen Konzessionsabgaben. Im Jahr 2011 wurden die Versorgungsaufgaben einschließlich der öffentlichen Wasserversorgung auf die S.... GmbH (NSG) als Gesamtrechtsnachfolgerin übertragen. An dieser Gesellschaft ist eine Eigengesellschaft der Beklagten zu 75,1 % beteiligt.
Rz. 3
Nach einer kartellrechtlichen Beanstandung der Wasserpreise als missbräuchlich überhöht wurde die öffentliche Wasserversorgung mit Wirkung zum 1. April 2012 neu organisiert und teilweise rekommunalisiert. Seitdem ist sie Aufgabe des Eigenbetriebs der Stadt. Die NSG blieb Eigentümerin der Wasserinfrastrukturanlagen und zahlt weiterhin Konzessionsabgaben an die Stadt auf der Grundlage des Konzessionsvertrags, der hinsichtlich der Aufgabe der Wasserversorgung entsprechend angepasst, im Übrigen aber nicht geändert wurde. Zwischen der Stadt (Eigenbetrieb) und der NSG wurde ein Pacht- und Dienstleistungsvertrag geschlossen. Danach verpachtet die NSG die für die öffentliche Wasserversorgung erforderlichen Infrastrukturanlagen an den Eigenbetrieb und verpflichtet sich zur Erbringung von umfangreichen technischen und kaufmännischen Dienstleistungen; der Eigenbetrieb ist aufsichts- und weisungsbefugt und für die Gebührenfestsetzung zuständig. Als Gegenleistung erhält die NSG ein Pacht- und Dienstleistungsentgelt, das sich nach den Vorschriften des öffentlichen Preisrechts bemisst und in dem auch die an die Stadt gezahlte Konzessionsabgabe berücksichtigt wird.
Rz. 4
Am 1. April 2012 trat die Wasserversorgungssatzung der Beklagten in Kraft. Die darin festgesetzte verbrauchsabhängige Benutzungsgebühr für die Inanspruchnahme der Wasserversorgung beträgt 2 € pro m³ und entspricht damit der Höhe nach dem zuvor geltenden Verbrauchspreis.
Rz. 5
Auf der Grundlage dieser Satzung wurden die Kläger mit Bescheid des Magistrats der Beklagten vom 23. November 2012 zu Wassergebühren für den Zeitraum vom 1. April bis 2. November 2012 in Höhe von insgesamt 281,29 € herangezogen; zudem wurden monatliche Vorausleistungsbeträge für Januar bis November 2013 festgesetzt. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren haben die Kläger am 11. April 2013 Klage erhoben. Zur Begründung haben sie geltend gemacht, der Magistrat der Stadt sei für den Erlass des Bescheids sachlich nicht zuständig gewesen; in den Wassergebühren seien nicht gebührenfähige Kosten für eine Konzessionsabgabe und für den Brandschutz, eine Wagnisvergütung sowie ein unangemessen hoher kalkulatorischer Zinssatz enthalten; zudem beruhe der Bescheid auf einer rechtsmissbräuchlichen Scheinrekommunalisierung.
Rz. 6
Das Verwaltungsgericht Kassel hat der Klage stattgegeben und den angefochtenen Bescheid mit der Begründung aufgehoben, die in die Gebührenkalkulation eingestellte Konzessionsabgabe falle nicht unter die erforderlichen gebührenfähigen Kosten; ob noch weitere Kostenansätze zu Unrecht in die Gebührenkalkulation eingestellt worden seien, könne danach dahinstehen.
Rz. 7
Die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung der Beklagten hat der Verwaltungsgerichtshof Kassel mit Urteil vom 11. Dezember 2018 zurückgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt: Die Wasserversorgungssatzung der Beklagten stelle keine wirksame satzungsrechtliche Grundlage für den angefochtenen Bescheid dar, weil der Gebührensatz für die Verbrauchsgebühr dem Kostenüberschreitungsverbot nicht gerecht werde. Die Erstattung der Konzessionsabgabe im Rahmen des an die NSG gezahlten Pacht- und Dienstleistungsentgelts sei nicht als betriebsbedingter Kostenaufwand in der Kalkulation ansatzfähig. Die von der NSG gegenüber dem Eigenbetrieb erbrachten Leistungen seien Fremdleistungen i.S.v. § 10 Abs. 2 KAG HE. Auch für diese müsse überprüft werden, ob sie betriebsbedingt, also für die Erbringung der gebührenfähigen Leistung erforderlich seien. Dieser Nachweis könne bei einer Vergabe ohne Ausschreibung in der Regel dadurch geführt werden, dass das Entgelt den Vorgaben der Leitsätze für die Preisermittlung aufgrund von Selbstkosten (LSP) genüge. Diese Verpflichtung habe die Beklagte bei Abschluss des Pacht- und Dienstleistungsvertrags mit der NSG missachtet, soweit sie darin vereinbart habe, die Zahlung der Konzessionsabgabe als Bestandteil des an die NSG zu zahlenden Entgelts auszugleichen. Die Beklagte habe hier das Eigentum an dem Wasserleitungsbestand auf die NSG bzw. ihre Rechtsvorgängerin übertragen. Mit dieser habe sie die Zahlung einer Konzessionsabgabe für die Nutzung der öffentlichen Verkehrswege durch die Leitungen vereinbart. Gleichzeitig erstatte sie der NSG den Betrag der Konzessionsabgabe wiederum über ihren - rechtlich unselbstständigen - Eigenbetrieb. Damit schaffe sie letztlich selbst "Kosten", die der Gebührenzahler finanzieren müsse und deren Ertrag ihr wiederum zufließe. Dies entspreche nicht den Vorgaben von Nr. 4 Abs. 2 LSP, wonach bei Preisermittlungen aufgrund von Selbstkosten nur diejenigen Kosten zu berücksichtigen seien, die bei wirtschaftlicher Betriebsführung zur Erstellung der Leistungen entstünden. Die Konstellation sei vergleichbar mit dem bereits entschiedenen Fall einer Konzessionsabgabe, die die Gemeinde von ihrem Eigenbetrieb erhebe; auch deren Einstellung in die Wassergebührenkalkulation sei unzulässig. Infrage stehe nicht, ob die Kommune eine Konzessionsabgabe von der NSG erheben dürfe, sondern ob deren Erstattung als erforderliche Fremdleistungskosten in die Gebührenkalkulation einfließen dürfe. Für die Kalkulation der Gebühr sei allein entscheidend, was bei der Beklagten insgesamt durch den Betrieb der gebührenrechnenden Einrichtung als Summe von aufwandgleichen Grund- und Zusatzkosten anfalle. Durch die rechtswidrige Einstellung der Konzessionsabgabe in die Gebührenkalkulation ergebe sich eine Kostenüberdeckung von rund 23%, die zur Ungültigkeit des festgelegten Gebührensatzes führe.
Rz. 8
Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit der vom Senat zugelassenen Revision. Sie macht geltend:
Rz. 9
Die in Rede stehenden Konzessionsabgaben gehörten zu den Kosten einer wirtschaftlichen Betriebsführung im Sinne der Leitsätze für die Preisermittlung aufgrund von Selbstkosten. Das Berufungsgericht habe diese Leitsätze falsch angewendet. Die Konzessionsabgaben seien Teil der sonstigen Kosten der Versorgungseinrichtung und fielen aus preisrechtlicher Sicht zwangsläufig mit der Leistungserbringung an. Sie seien daher als betriebsbedingte Kosten des Auftragnehmers anzuerkennen. Die Fallkonstellation sei nicht vergleichbar mit der Zahlung von Wasserkonzessionsabgaben durch einen kommunalen Eigenbetrieb. Das Volumen des vereinbarten Pacht- und Dienstleistungsentgelts liege zudem erheblich unter dem preisrechtlich maximal zulässigen Selbstkostenvolumen. Ein Verstoß gegen das Preisrecht sei daher - unabhängig von der Frage der Ansatzfähigkeit der Konzessionsabgabe - nicht gegeben. Es wäre ohne weiteres möglich, eine Gebührenkalkulation vorzulegen, die auch ohne Konzessionsabgaben den streitgegenständlichen Gebührensatz rechtfertigte. Dies habe das Berufungsgericht nicht berücksichtigt. Da die gebotene Prüfung der Ergebnisrichtigkeit des Gebührenbescheids unterlassen worden sei, liege auch ein Verstoß gegen § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO vor.
Rz. 10
Die Revision sei auch wegen der Versagung des rechtlichen Gehörs nach § 138 Nr. 3 VwGO begründet. Das Berufungsgericht stütze sein Urteil darauf, dass die Beklagte die umgelegten Konzessionsabgabekosten durch die ursprüngliche Privatisierung der städtischen Wasserinfrastruktur selbst geschaffen habe, ohne auf die Entscheidungserheblichkeit dieser rechtlichen Wertung zuvor hingewiesen zu haben. Es habe zudem ohne entsprechenden Hinweis die Frage der Ergebnisrichtigkeit der Gebührenkalkulation nicht geprüft. Das Gericht habe in der mündlichen Verhandlung zwar angedeutet, dass es an dem Vortrag zur Ergebnisrichtigkeit Zweifel hege, sei aber auf die in diesem Zusammenhang anzustellende Gesamtschau nicht eingegangen. Darin liege auch eine unzulässige Überraschungsentscheidung.
Rz. 11
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 11. Dezember 2018 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 11. Dezember 2018 aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen.
Rz. 12
Die Kläger haben keinen Antrag gestellt und sich im Revisionsverfahren nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
Rz. 13
Die zulässige Revision ist begründet. Das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs beruht (2.) auf einer Verletzung von Bundesrecht (1.); ein Gehörsverstoß liegt dagegen nicht vor (3.). Da das Urteil sich nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt und das Bundesverwaltungsgericht in der Sache nicht selbst entscheiden kann, ist das Urteil gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (4.).
Rz. 14
1. Das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht. Es liegt zwar weder der behauptete Verstoß gegen § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO vor (a), noch betreffen die dem Urteil zugrunde gelegten Vorschriften und Grundsätze des Kommunalabgabenrechts revisibles Recht (b); das Berufungsgericht hat aber bundesrechtliche Bestimmungen des öffentlichen Preisrechts fehlerhaft angewandt (c).
Rz. 15
a) Ohne Erfolg rügt die Beklagte, der Verwaltungsgerichtshof habe gegen § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO verstoßen, weil er den Maßstab der objektiven Ergebnisrichtigkeit nicht beachtet habe. Die Vorschrift des § 113 VwGO regelt den Umfang der Entscheidungsbefugnis des Gerichts und die prozessrechtlichen Folgen eines rechtswidrigen und den Kläger in seine Rechten verletzenden Verwaltungsakts. Dass das Berufungsgericht dies verkannt hätte, macht die Beklagte nicht geltend. Ihre Rüge zielt nicht auf eine fehlerhafte Beurteilung der prozessualen Folgen eines rechtswidrigen Verwaltungsakts, sondern auf die ihrer Ansicht nach unzutreffende Annahme des Berufungsgerichts, dass ein im Ergebnis rechtswidriger Verwaltungsakt vorliege. Die Beklagte beanstandet der Sache nach, dass der Verwaltungsgerichtshof seine eigene sogenannte Ergebnisrechtsprechung nicht berücksichtigt habe, wonach die gerichtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit eines Gebührensatzes eine Ergebnis- und keine Verfahrenskontrolle sei und es genüge, dass sich der Gebührensatz dabei im Ergebnis als nicht überhöht erweise (vgl. etwa VGH Kassel, Urteil vom 20. November 2014 - 5 A 1992.13 - juris Rn. 32 und Beschluss vom 20. Januar 2016 - 5 A 1471/15.Z - juris Rn. 9). Die Anwendung und Umsetzung dieser Rechtsprechung betrifft jedoch keine bundesrechtlichen Vorschriften und Grundsätze, sondern Fragen des Landesrechts.
Rz. 16
b) Um nicht revisibles Landesrecht geht es auch, soweit das Berufungsgericht die Gebührenfähigkeit der in Ansatz gebrachten Kosten auf der Grundlage von § 10 Abs. 2 des Hessischen Kommunalabgabengesetzes (KAG HE) beurteilt hat. Dies betrifft zunächst die Bestimmung der im Rahmen der Gebührenkalkulation berücksichtigungsfähigen Kosten anhand des landesrechtlichen - und damit irrevisiblen - Kostenbegriffs (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 1. Oktober 1997 - 8 B 209.97 - juris Rn. 5 und vom 24. Februar 2020 - 9 BN 9.18 - juris Rn. 16) einschließlich der Einordnung der Konzessionsabgabe als Entgelt für in Anspruch genommene Fremdleistungen nach § 10 Abs. 2 Satz 2 KAG HE. Auch die Prüfung der Ansatzfähigkeit dieser Kosten am Maßstab des Grundsatzes der Erforderlichkeit ist dem Landesrecht zuzuordnen (vgl. Vetter, in: Christ/Oebbecke, Handbuch Kommunalabgabenrecht, 2016, D Rn. 153; zur Verbindlichkeit des Aussagegehalts des Grundsatzes der Erforderlichkeit für das Revisionsgericht auch BVerwG, Beschluss vom 27. Mai 2003 - 9 BN 3.03 - Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 98 S. 23). Dies gilt auch, soweit der Verwaltungsgerichtshof den Grundsatz der Erforderlichkeit als Ausprägung des allgemeinen abgabenrechtlichen Gebots der sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung verstanden hat (UA S. 13). Denn ein allgemeines "Gebot der sparsamen Haushaltsführung", das dem Bundesrecht zuzuordnen wäre und für das gesamte Abgabenrecht etwa im Sinne eines übergeordneten bundesrechtlichen Maßstabs gelten würde, gibt es nicht. Ein allgemeiner Grundsatz, der das Verwaltungsrecht des Bundes und/oder der Länder ergänzt, ist vielmehr jeweils dem Rechtskreis zuzuordnen, zu dessen Ergänzung er herangezogen wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. November 2001 - 9 B 50.01 - NVwZ-RR 2002, 217 ≪219≫). Da es vorliegend um die Auslegung des hessischen Kommunalabgabenrechts geht, ist auch das vom Berufungsgericht angeführte Gebot der sparsamen Haushaltsführung hier landesrechtlicher Natur.
Rz. 17
c) Das Urteil steht jedoch insoweit nicht mit Bundesrecht in Einklang, als das Berufungsgericht einen Verstoß gegen die Vorgaben der Leitsätze für die Preisermittlung auf Grund von Selbstkosten angenommen hat.
Rz. 18
aa) Die vom Verwaltungsgerichtshof angewandte Verordnung PR Nr. 30/53 über die Preise bei öffentlichen Aufträgen vom 21. November 1953 (BAnz. Nr. 244 S. 1), zuletzt geändert durch Gesetz vom 8. Dezember 2010 (BGBl. I S. 1864), - im Folgenden: VO PR Nr. 30/53 - und die in ihrer Anlage aufgeführten Leitsätze für die Preisermittlung auf Grund von Selbstkosten - LSP - gehören als bundesrechtliche Normen zum einfachgesetzlichen revisiblen Recht (BVerwG, Beschlüsse vom 24. August 2016 - 9 B 54.15 - NVwZ 2017, 568 ≪569≫ und vom 13. Dezember 2017 - 10 B 10.17 - juris Rn. 6; vgl. zur revisionsgerichtlichen Überprüfung von Vorschriften der VO PR Nr. 30/53 auch BVerwG, Beschlüsse vom 4. Mai 1999 - 1 B 34.99 - Buchholz 11 Art. 80 GG Nr. 24 und vom 14. September 2006 - 9 B 2.06 - Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 44 Rn. 10 sowie Urteil vom 13. April 2016 - 8 C 2.15 - BVerwGE 154, 387).
Rz. 19
Die Regelungen der VO PR Nr. 30/53 sind hier auch als Bundesrecht zur Anwendung gelangt. Anknüpfungspunkt der Prüfung war zwar die Erforderlichkeit der Kosten nach § 10 Abs. 2 KAG HE; das öffentliche Preisrecht wurde aber weder auf der Grundlage von Landesrecht herangezogen, um dieses zu ergänzen oder auszulegen, noch ist es durch eine Verweisungsnorm des Landesgesetzgebers in das Landesrecht inkorporiert und in seinem sachlichen Anwendungsbereich erweitert worden (vgl. zur Abgrenzung der Anwendung bundesrechtlicher Normen als Bundesrecht oder Landesrecht etwa BVerwG, Beschluss vom 20. August 2014 - 9 B 7.14 - juris Rn. 3 m.w.N.). Die Anwendung der Preisvorschriften beruht hier vielmehr auf dem Normanwendungsbefehl des Bundesgesetzgebers. Der Verwaltungsgerichtshof hat das zwischen der beklagten Stadt und der NSG vereinbarte Fremdleistungsentgelt geprüft und die Erforderlichkeit der landesrechtlichen Kosten danach beurteilt, ob die bundesrechtlichen Vorgaben des öffentlichen Preisrechts, hier insbesondere die Leitsätze für die Preisermittlung aufgrund von Selbstkosten, beachtet worden sind. Er hat dabei die Vorschriften der VO PR Nr. 30/53 unverändert so, wie sie nach dem Willen des Bundesgesetzgebers gelten sollen, herangezogen und zum Maßstab seiner Prüfung gemacht. Die Vorschriften sind in diesem Zusammenhang auch unmittelbar anwendbar, weil sich der Geltungsbereich der VO PR Nr. 30/53 nach § 2 Abs. 1 u.a. auf öffentliche Aufträge von Gemeinden und damit auch auf das Auftragsverhältnis zwischen der Beklagten und der NSG erstreckt. Die Beachtung der Vorgaben des bundesrechtlichen Preisrechts stellt sich deshalb als revisible Vorfrage für die Anwendung der landesrechtlichen Regelung des § 10 Abs. 2 KAG HE (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. August 2014 - 9 B 7.14 - juris Rn. 3).
Rz. 20
bb) Die Feststellung in dem angefochtenen Urteil, dass die Berücksichtigung der Konzessionsabgabe im Rahmen des mit der NSG vereinbarten Entgelts nicht den Vorgaben des öffentlichen Preisrechts entspreche, beruht auf einer unzutreffenden Auslegung der VO PR Nr. 30/53.
Rz. 21
Maßgebend für den Verwaltungsgerichtshof war die Überlegung, dass die Vereinbarung im Pacht- und Dienstleistungsvertrag, die Zahlung der Konzessionsabgabe an die Beklagte im Innenverhältnis als Bestandteil des der NSG nach § 13 des Vertrags zu zahlenden Entgelts als "sonstige Kosten" nach Nr. 34 LSP auszugleichen, dazu führe, dass die Beklagte letztlich selbst "Kosten" schaffe, die der Gebührenzahler zu finanzieren habe und deren Ertrag ihr selbst zufließe. Mit diesem Argumentationsansatz lässt sich jedoch der angenommene Verstoß gegen Nr. 4 Abs. 2 LSP, wonach bei Preisermittlungen aufgrund von Selbstkosten nur diejenigen Kosten zu berücksichtigen seien, die bei wirtschaftlicher Betriebsführung zur Erstellung der Leistungen entstünden, nicht begründen. Denn der Verwaltungsgerichtshof nimmt innerhalb der Prüfung des Fremdleistungsentgelts nach dem Selbstkostenpreis einen unzulässigen Perspektivwechsel vor. Er beurteilt die preisrechtliche Zulässigkeit der Kosten, die die NSG in Rechnung stellt, nicht aus Sicht der NSG als Auftragnehmerin, sondern aus Sicht der Beklagten als Auftraggeberin. Dies widerspricht den Vorgaben in § 5 Abs. 1 VO PR Nr. 30/53, wonach Selbstkostenpreise auf die angemessenen Kosten des Auftragnehmers abgestellt werden müssen.
Rz. 22
Die VO PR Nr. 30/53 wurde auf der Grundlage der Ermächtigungsnorm des § 2 PreisG erlassen, die darauf abzielt, das allgemeine Preisniveau zu stabilisieren und zu große Preisschwankungen, insbesondere unangemessene Preissteigerungen, zu verhindern (vgl. schon BVerfG, Beschluss vom 12. November 1958 - 2 BvL 4.56 - BVerfGE 8, 274 ≪308 f.≫). Die Verordnung gilt für die Vergabe öffentlicher Aufträge und soll nach ihrer Eingangsformel marktwirtschaftliche Grundsätze auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens durchsetzen. Damit soll im Interesse des Gemeinwohls eine übermäßige Belastung des öffentlichen Haushalts durch eine überteuerte Beschaffung verhindert werden. Scheidet eine Preisbildung nach dem Marktpreis aus, dürfen nach § 5 Abs. 1 VO PR Nr. 30/53 Selbstkostenpreise vereinbart werden, zu deren Ermittlung nach § 8 VO PR Nr. 30/53 die der Verordnung als Anlage beigefügten Leitsätze für die Preisermittlung auf Grund von Selbstkosten anzuwenden sind. Diese legen damit Inhalt und Grenzen der entgeltfähigen angemessenen Kosten des Auftragnehmers im Sinne des § 5 Abs. 1 VO PR Nr. 30/53 fest. Dementsprechend ist mit der Forderung nach einer wirtschaftlichen Betriebsführung in Nr. 4 Abs. 2 LSP der Betrieb des Auftragnehmers - hier also der NSG - gemeint.
Rz. 23
Dieser Blickwinkel liegt auch der Prüfung des öffentlichen Preisrechts im Rahmen der Erforderlichkeit von Fremdleistungsentgelten zugrunde. Die Begrenzung durch den Erforderlichkeitsgrundsatz soll den Umfang der gebührenfähigen Aufwendungen und Kosten einschränken und den Abgabenpflichtigen vor unnötig hohen Abgaben für überflüssige oder überteuerte Maßnahmen Dritter schützen (vgl. etwa Vetter, in: Christ/Oebbecke, Handbuch Kommunalabgabenrecht, 2016, D Rn. 155 und 157). Lässt sich kein Marktpreis zugrunde legen und hat auch keine Ausschreibung stattgefunden, deren Durchführung das Ergebnis eines marktgerechten Preises indizieren könnte, soll die Einhaltung der Selbstkostenpreise im Sinne der VO PR Nr. 30/53 gewährleisten, dass für die an den Dritten vergebenen Leistungen keine überhöhten Entgelte bezahlt werden. Anknüpfungspunkt für die Beurteilung, ob die Höhe des Entgelts angemessen ist, ist die Vereinbarkeit der abgegoltenen Fremdleistung mit dem bundesrechtlichen Preisrecht und damit die Preis-Leistungs-Relation innerhalb des öffentlichen Auftragsverhältnisses. Dem wird das angefochtene Urteil nicht gerecht (vgl. auch die Entscheidungsbesprechung von Siebeck, IR 2019, 279 ≪280≫).
Rz. 24
Aus diesem Grund kann auch die Bezugnahme des Verwaltungsgerichtshofs auf seine bisherige Rechtsprechung im Anschluss an die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Schleswig zur Gebührenfähigkeit von Konzessionsabgaben (OVG Schleswig, Urteil vom 28. November 2001 - 2 K 6/99 - juris Rn. 15 ff., dem folgend VGH Kassel, Beschluss vom 6. Juli 2005 - 5 UZ 2618/04 - juris Rn. 3; ebenso OVG Saarlouis, Beschluss vom 7. Mai 2020 - 1 A 196/19 - juris Rn. 8 ff.) den Bundesrechtsverstoß nicht ausräumen. Danach wird die Berücksichtigungsfähigkeit einer Konzessionsabgabe verneint für den Fall, dass die Gemeinde diese direkt von ihrem Eigenbetrieb fordert. Um eine solche Konstellation geht es hier jedoch nicht. Der Ansatzfähigkeit einer vom Eigenbetrieb entrichteten Konzessionsabgabe wird entgegengehalten, dass dem Eigenbetrieb im Verhältnis zur Gemeinde keine eigene Rechtsfähigkeit zukomme, so dass es bereits an einer wirksamen privatrechtlichen Vereinbarung als Grundlage für die Konzessionsabgabe fehle und die Zahlung der Abgabe nur eine sonderrechtsbedingte Verschiebung darstelle; maßgeblich sei, was bei der Gemeinde selbst durch den Betrieb der gebührenrechnenden Einrichtung als Summe von aufwandgleichen Grundkosten und Zusatzkosten anfalle (OVG Schleswig, Urteil vom 28. November 2001 - 2 K 6/99 - juris Rn. 16, 18). In dieser Fallgestaltung ist die Konzessionsabgabe nicht Bestandteil eines Entgelts für Fremdleistungen, die eine rechtlich selbständige juristische Person erbringt, so dass Fragen des öffentlichen Preisrechts dabei keine Rolle spielen.
Rz. 25
cc) Bei Zugrundelegung des zutreffenden Prüfungsansatzes mit Blick auf den Betrieb der NSG begegnet die Konzessionsabgabe im Übrigen keinen preisrechtlichen Bedenken.
Rz. 26
Die von der NSG im Zusammenhang mit der Wasserversorgung entrichtete Konzessionsabgabe gehört zu den angemessenen Kosten nach § 5 Abs. 1 VO PR Nr. 30/53, die der NSG bei wirtschaftlicher Betriebsführung zur Erstellung ihrer Leistung i.S.v. Nr. 4 Abs. 2 LSP entstehen.
Rz. 27
Das Gebot der Angemessenheit in § 5 Abs. 1 VO Nr. 30/53 zielt auf einen Vergleich der angefallenen Kosten und der erbrachten Leistung. Angemessen sind danach Kosten, die nach Art, Mengen- und Wertansatz als objektiv für die Leistungserbringung notwendig anzusehen sind, wobei nicht auf einen Idealbetrieb abzustellen ist und auch einzelne Teilverfahren des Produktionsprozesses und einzelne Kostenstellen untersucht werden können (vgl. Dierkes/Hamann, Öffentliches Preisrecht in der Wasserwirtschaft, 2009, S. 236 f.). Bei der Prüfung der wirtschaftlichen Betriebsführung kommt es ebenfalls nicht auf die Verhältnisse eines Idealbetriebs, sondern auf die tatsächlichen Umstände des zu beurteilenden Unternehmens an. Ausgeschlossen von der Berücksichtigung im Selbstkostenpreis werden nur Kostenerhöhungen, die durch unwirtschaftliches Verhalten des individuellen Auftragnehmers bedingt sind, wobei eine Gesamtbetrachtung anzustellen ist (vgl. Dierkes/Hamann, Öffentliches Preisrecht in der Wasserwirtschaft, 2009, S. 235; Ebisch/Gottschalk/Hoffjan/Müller, Preise und Preisprüfungen bei öffentlichen Aufträgen, 9. Aufl. 2020, Nr. 4 LSP Rn. 15 ff.). Nach diesem Maßstab darf die Konzessionsabgabe, die ihre vertragliche Grundlage in dem Pacht- und Dienstleistungsvertrag in Verbindung mit dem zwischen der NSG und der Beklagten geltenden Konzessionsvertrag vom 8./25. Juni 1996 mit nachfolgenden Änderungen hat, ihrer Art und Höhe nach im Rahmen des Fremdleistungsentgelts preisrechtlich berücksichtigt werden.
Rz. 28
(1) Bei dem von der NSG als Rechtsnachfolgerin der städtischen Aktiengesellschaft nach § 9 des Konzessionsvertrags geschuldeten Entgelt handelt es sich in Bezug auf die Wasserversorgung um eine Konzessionsabgabe i.S.v. § 48 Abs. 1 i.V.m. § 117 EnWG. Denn es stellt die Gegenleistung für die der NSG nach § 2 Abs. 1 des Konzessionsvertrags eingeräumte Befugnis dar, die öffentlichen Straßen und Verkehrswege zur Errichtung und zum Betrieb aller für die Versorgung von Letztverbrauchern erforderlichen Leitungen zu benutzen. Die damit abgegoltene Inanspruchnahme der öffentlichen Verkehrswege ist zugleich notwendiger Bestandteil der von der NSG gegenüber dem Eigenbetrieb zu erbringenden Leistung der Vorhaltung und des Betriebs der Wasserinfrastrukturanlagen. Die Konzessionsabgabe, zu deren Zahlung sich die NSG wirksam vertraglich verpflichtet hat, fällt damit zwangsläufig mit der Erbringung der nach dem Pacht- und Dienstleistungsvertrag geschuldeten Leistungen der NSG an. Sie ist deshalb als betriebsbedingte "sonstige Kostenart" des Auftragnehmers nach Nr. 34 LSP anzuerkennen (vgl. Ebisch/Gottschalk/Hoffjan/Müller, Preise und Preisprüfungen bei öffentlichen Aufträgen, 9. Aufl. 2020, LSP Nr. 34 Rn. 40; ebenso VG Düsseldorf, Urteil vom 27. Februar 2018 - 5 K 15795/16 - juris Rn. 105 ff.).
Rz. 29
(2) Auch die Höhe der vereinbarten Konzessionsabgabe entspricht den gesetzlichen Vorgaben. Im Bereich der Wasserversorgung richten sich Zulässigkeit und Höhe der Konzessionsabgaben nach der Anordnung über die Zulässigkeit von Konzessionsabgaben der Unternehmen und Betriebe zur Versorgung mit Elektrizität, Gas und Wasser an Gemeinden und Gemeindeverbände (KAEAnO) vom 4. März 1941 (RAnz. 1941 Nr. 57), die in Bezug auf die Wasserversorgung als vorkonstitutionelles Recht weiterhin Gültigkeit hat (vgl. nur Huber, in: Kment, EnWG, 2. Aufl. 2019, § 117 Rn. 1 m.w.N.), ergänzt durch die Ausführungsanordnung zur Konzessionsabgabenanordnung (A/KAE) vom 27. Februar 1943 und die Durchführungsbestimmungen zur Konzessionsabgabenanordnung und zu ihrer Ausführungsanordnung (D/KAE) vom 27. Februar 1943. Diese Bestimmungen sind nach § 9 Abs. 2 des Konzessionsvertrags auch maßgeblich für die Berechnung der von der NSG bezüglich der Wasserlieferungen zu entrichtenden Konzessionsabgabe, so dass die Entrichtung der Konzessionsabgabe auch insoweit mit der Gesetzeslage in Einklang steht und damit zu den angemessenen Kosten einer wirtschaftlichen Betriebsführung gehört.
Rz. 30
2. Auf der fehlerhaften Auslegung und Anwendung des bundesrechtlichen Preisrechts beruht das Urteil. Maßgebend ist insoweit die Begründungsstruktur der angefochtenen Entscheidung. Hat das Berufungsgericht dabei seinen Ausspruch nicht zusätzlich auf einen anderen, selbständig tragenden Begründungsstrang gestützt, der seinerseits revisibles Recht nicht verletzt, beruht das Urteil auf der Rechtsverletzung (vgl. Kraft, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 137 Rn. 42). So liegt der Fall hier.
Rz. 31
Der Verwaltungsgerichtshof hat entscheidungstragend darauf abgestellt, dass wegen Verstoßes gegen die Vorgaben des öffentlichen Preisrechts der Grundsatz der Erforderlichkeit nicht gewahrt und der festgelegte Gebührensatz deshalb überhöht sei. Eine weitere selbständig tragende Begründung lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen. Soweit darin zusätzliche Aspekte thematisiert werden, wie der Vergleich mit der Erhebung einer Konzessionsabgabe direkt beim Eigenbetrieb oder die Maßgeblichkeit des bei der Beklagten insgesamt anfallenden Aufwands, erfolgt dies nicht losgelöst von der preisrechtlichen Argumentation, sondern sprachlich und optisch unmittelbar anschließend innerhalb desselben Absatzes. Die Ausführungen lassen sich damit als Ergänzung und Unterstützung der preisrechtlichen Überlegungen, nicht aber als alternativer Begründungsansatz verstehen.
Rz. 32
3. Die Gehörsrügen der Beklagten greifen dagegen nicht durch. In Bezug auf die beiden insoweit geltend gemachten Aspekte - Ignorieren der Frage nach der Ergebnisrichtigkeit sowie Rechtserheblichkeit der früheren Privatisierung der Wasserversorgung - liegen weder eine Verletzung der gerichtlichen Hinweispflicht noch eine unzulässige Überraschungsentscheidung oder das Übergehen von entscheidungserheblichem Vortrag vor.
Rz. 33
Die Verpflichtung des Gerichts zur Gewährung rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO soll sicherstellen, dass ein Verfahrensbeteiligter Einfluss auf den Gang des gerichtlichen Verfahrens und dessen Ausgang nehmen kann; in Verbindung mit der gerichtlichen Hinweispflicht nach § 86 Abs. 3 VwGO soll sie davor schützen, dass eine Überraschungsentscheidung ergeht, durch die dem Rechtsstreit eine Wendung gegeben wird, mit der nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen war (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 24. Februar 2020 - 9 BN 9.18 - juris Rn. 34 m.w.N.). Das Gericht muss das nach seiner Rechtsauffassung für die Entscheidung erhebliche Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis nehmen und in Erwägung ziehen. Dabei müssen nicht alle Aspekte in den Entscheidungsgründen ausdrücklich abgehandelt werden. Eine Gehörsverletzung liegt allerdings dann vor, wenn sich im Einzelfall aus besonderen Umständen ergibt, dass nach der materiellrechtlichen Rechtsauffassung des Gerichts entscheidungserhebliches Vorbringen übergangen wurde. Davon ist auszugehen, wenn das Gericht auf den wesentlichen Kern des Beteiligtenvorbringens zu einer Frage, die nach seiner eigenen Rechtsauffassung für den Prozessausgang von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht eingeht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. September 2019 - 8 B 19.19 - juris Rn. 2 m.w.N.). Maßgebend ist demnach, was auf der Grundlage der materiellrechtlichen Rechtsauffassung des Berufungsgerichts zur verfahrensrechtlichen Gewährleistung des rechtlichen Gehörs geboten ist. Gemessen an diesen Grundsätzen liegt hier kein Gehörsverstoß zulasten der Beklagten vor.
Rz. 34
a) Soweit die Beklagte eine Verletzung ihres rechtlichen Gehörs aus der Nichtanwendung der "Ergebnisrechtsprechung" des Verwaltungsgerichtshofs und dem Übergehen ihres Vortrags zur "Ergebnisrichtigkeit" herleitet, bezieht sie sich auf ihre Ausführungen im Berufungsverfahren, wonach Voraussetzung der Gebührenkalkulation gewesen sei, die Bürger vor größeren finanziellen Belastungen und organisationsformbedingten Gebührensteigerungen zu bewahren, weshalb das maximal zulässige Selbstkostenvolumen gemäß LSP "gedeckelt" worden sei; daraus folge, dass selbst für den Fall, dass die Konzessionsabgaben nicht gebührenfähig wären, das festgesetzte Entgelt nicht unterschritten würde und preisrechtlich zulässig abgerechnet werden könnte (Berufungsbegründung vom 1. September 2017 S. 26 f. sowie Schriftsatz vom 23. Oktober 2018 S. 9 unter Bezugnahme auf den als Anlage G 6 vorgelegten Bericht von P. vom 7. Juni 2013 zur Ableitung der Wassergebühren).
Rz. 35
Dieses Vorbringen, das nicht die abgabenrechtliche Ergebnisrichtigkeit der Gebührenkalkulation, sondern die preisrechtliche Zulässigkeit des ermittelten Selbstkostenpreises betrifft, wird in den Entscheidungsgründen nicht berücksichtigt. Darauf kam es nach der insoweit maßgeblichen materiellrechtlichen Rechtsauffassung des Berufungsgerichts allerdings auch nicht an. Der Verwaltungsgerichtshof hat allein auf die Konzessionsabgabe als einzelne Komponente des Fremdleistungsentgelts abgestellt und diese für preisrechtlich nicht zulässig gehalten, weil er insoweit die Betriebsführung der Beklagten und nicht die der NSG als Auftragnehmerin zugrunde gelegt hat. Durch diesen Perspektivwechsel hat er sich den Blick auf eine Gesamtbetrachtung des in Ansatz gebrachten Dienstleistungsentgelts und dessen preisrechtliche Zulässigkeit am Maßstab der Betriebsführung durch die NSG verstellt und - insoweit konsequent - den diesbezüglichen Ausführungen der Beklagten keine entscheidungserhebliche Bedeutung beigemessen.
Rz. 36
Die oben unter 1.a) dargestellte abgabenrechtliche "Ergebnisrechtsprechung", wonach sich der überprüfte Gebührensatz nur im Ergebnis als nicht überhöht erweisen dürfe, wurde von der Beklagten erst im Revisionsverfahren näher thematisiert. Allein wegen einer etwaigen Nennung dieses Stichworts in der mündlichen Verhandlung hätte die Beklagte nicht erwarten können, dass sich das Berufungsgericht mit diesem Aspekt näher auseinandersetzen würde.
Rz. 37
b) Auch im Zusammenhang mit der Bewertung der Privatisierung der Wasserinfrastrukturanlagen lassen die Urteilsgründe keine Gehörsverletzung insbesondere in Form einer Überraschungsentscheidung erkennen.
Rz. 38
Dass das Berufungsgericht von einer fehlerhaften Vorstellung hinsichtlich des Zeitpunkts des Eigentumsübergangs ausgegangen wäre, ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen. Der zeitliche Zusammenhang zwischen den Organisationsentscheidungen spielt in den maßgeblichen Erwägungen des Gerichts keine Rolle; aus dem Klammerzusatz in der Formulierung auf S. 14 des Urteils "hier hat die Beklagte das Eigentum an dem Wasserleitungsbestand auf die NSG (bzw. ihre Rechtsvorgängerin) übertragen" wird zudem deutlich, dass der Verwaltungsgerichtshof gerade nicht von einer erst kürzlich erfolgten Privatisierung ausging. Es wird auch kein Missbrauchsvorwurf erhoben und unterstellt, dass die Übertragung des Eigentums an den Wasserleitungen in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Rekommunalisierungsentscheidung gestanden hätte.
Rz. 39
Im Übrigen waren die Erwägungen des Berufungsgerichts in ihrem Kern für die Beklagte nicht neu und unerwartet. Auf die Privatisierung der Wasserleitungen im Rahmen der Organisationsentscheidungen der Beklagten hatte bereits das Verwaltungsgericht abgestellt und dabei eine Vergleichbarkeit mit der Konstellation angenommen, die der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Schleswig zur fehlenden Gebührenfähigkeit einer Konzessionsabgabe zugrunde lag. Hierzu hat die Beklagte in der Berufungsbegründung Stellung genommen. Mit diesen Ausführungen hat sich das Berufungsgericht ausdrücklich auseinandergesetzt (UA S. 15). Dass es ihnen nicht gefolgt ist, betrifft nur die inhaltliche Würdigung des Beklagtenvorbringens und kann eine Gehörsverletzung nicht begründen.
Rz. 40
4. Der Verstoß gegen das öffentliche Preisrecht, auf dem das angefochtene Urteil beruht, führt gemäß § 137 Abs. 1, § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO zur Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Eine abschließende rechtliche Bewertung und Entscheidung ist dem Revisionsgericht verwehrt, weil es einer weiteren kommunalabgabenrechtlichen Prüfung bedarf. Deshalb lässt sich weder nach § 144 Abs. 4 VwGO feststellen, dass sich die Entscheidung aus anderen Gründen als richtig darstellt, noch kommt die von der Beklagten begehrte Abweisung der Klage in der Revisionsinstanz in Betracht.
Rz. 41
Mit der Bejahung der preisrechtlichen Zulässigkeit der von der NSG gezahlten Konzessionsabgabe im Rahmen des Fremdleistungsentgelts steht auf der Grundlage der den Senat insoweit bindenden Auslegung des Kommunalabgabenrechts durch den Verwaltungsgerichtshof lediglich fest, dass die Erforderlichkeit des angesetzten Fremdleistungsentgelts nicht aus preisrechtlichen Gründen zu verneinen ist. Welche Folgerungen sich im Übrigen für die Gebührenfähigkeit des Fremdleistungsentgelts ergeben und ob die sonstigen kommunalabgabenrechtlichen Anforderungen erfüllt sind, bedarf der Auslegung und Anwendung des Landesrechts, die dem Verwaltungsgerichtshof vorbehalten ist. Entsprechendes gilt für die Frage, ob anderweitige Bedenken gegen die Gebührenkalkulation bestehen. Die Kläger haben insoweit weitere Rügen erhoben, über die bisher nicht entschieden worden ist. Im Rahmen der erneuten Befassung mit der Streitsache wird der Verwaltungsgerichtshof Gelegenheit haben, sich mit diesen Aspekten auseinanderzusetzen und dabei auch der von der Beklagten aufgeworfenen Frage nach der Bedeutung seiner "Ergebnisrechtsprechung" nachzugehen.
Fundstellen
BVerwGE 2022, 46 |
ZKF 2021, 119 |
Gemeindehaushalt 2021, 116 |
GewArch 2021, 367 |
JZ 2021, 571 |
VR 2021, 358 |
BayVBl. 2021, 3 |
DVBl. 2021, 4 |
KommJur 2021, 7 |
GK/Bay 2021, 485 |
IR 2021, 182 |