Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattung der Kosten eines ärztlichen Privatgutachtens nach erfolgreichem Widerspruch. Vergütungsanspruch des ärztlichen Gutachters. Honorarvereinbarung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Vergütung für ein ärztliches Privatgutachten, welches der Wehrpflichtige zur Begründung seines Widerspruchs gegen einen Musterungsbescheid vorlegt, richtet sich nach den Vorschriften der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ).
2. Die Kosten für ein ärztliches Privatgutachten sind nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwVfG in der Höhe notwendig und damit erstattungsfähig, in welcher dem ärztlichen Gutachter ein Gebührenanspruch nach den Bestimmungen der GOÄ zusteht.
3. Ein nach § 2 Abs. 1 GOÄ abweichend vereinbartes Honorar kann nur ausnahmsweise erstattet werden, wenn die förmlichen Anforderungen an eine Honorarvereinbarung erfüllt sind und die Abfassung des Gutachtens mit einem so außergewöhnlichen Aufwand verbunden war, dass selbst der Höchstgebührensatz von 3,5 dem nicht hinreichend Rechnung tragen konnte und deswegen keinem Arzt zuzumuten war, das Gutachten zu diesem Gebührensatz zu erstatten (wie Urteil vom heutigen Tage – BVerwG 6 C 11.99 –).
Normenkette
VwVfG § 80; GOÄ §§ 1-2, 5, 12
Verfahrensgang
VG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 23.07.1999; Aktenzeichen 2 E 766/98 (1)) |
Tenor
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 23. Juli 1999 wird aufgehoben, soweit die Klage abgewiesen worden ist.
Die Sache wird insoweit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Tatbestand
I.
Durch Musterungsbescheid vom 15. März 1994 erhielt der Kläger den Tauglichkeitsgrad „wehrdienstfähig” und den Verwendungsgrad „verwendungsfähig mit Einschränkung in der Grundausbildung und für bestimmte Tätigkeiten”. Dagegen legte er mit Schreiben vom 24. März 1994 Widerspruch ein, zu dessen Begründung er im Folgenden ein fachorthopädisches Gutachten von Dr. M. aus Offenbach vom 14. März 1995 vorlegte. Mit Widerspruchsbescheid vom 14. Juli 1995 hob das Kreiswehrersatzamt Wiesbaden den Musterungsbescheid vom 15. März 1994 auf, erklärte den Kläger für nicht wehrdienstfähig und sagte zu, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen auf Antrag zu erstatten.
Mit Kostenfestsetzungsantrag vom 27. Mai 1997 reichte der Kläger u.a. die für das Gutachten von Dr. M. erteilte Rechnung vom 14. März 1995 über 450 DM ein. Mit Kostenfestsetzungsbescheid vom 23. Oktober 1997 erstattete die Wehrbereichsverwaltung IV insgesamt 1 775,02 DM, setzte jedoch den Rechnungsbetrag für das genannte Gutachten von Dr. M. mit der Begründung ab, die Rechnung entspreche nicht den Anforderungen der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) und sei somit nicht prüfungsfähig. Den insoweit eingelegten Widerspruch des Klägers wies das Bundesamt für Wehrverwaltung mit Widerspruchsbescheid vom 2. Februar 1998 zurück.
Der daraufhin erhobenen Klage auf Zahlung von weiteren 450 DM hat das Verwaltungsgericht durch das angefochtene Urteil nur in Höhe von 116,96 DM entsprochen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Das vom Kläger im Widerspruchsverfahren vorgelegte privatärztliche Gutachten des Dr. M. sei grundsätzlich zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig gewesen. Der Gesichtspunkt der „Notwendigkeit” in § 80 Abs. 1 Satz 1 VwVfG beziehe sich allerdings auch auf die Frage, ob die Aufwendungen der Höhe nach geboten gewesen seien. Gehe es um die Erstattung der Kosten für eingeholte privatärztliche Gutachten, so sei auf die in der GOÄ vorgenommene Bewertung der ärztlichen Leistungen abzustellen. Auch die Leistungen als ärztliche Gutachter seien zu den beruflichen Leistungen der Ärzte im Sinne von § 1 Abs. 1 GOÄ zu rechnen. Auch wenn man berücksichtige, dass Dr. M. im Rahmen eines mit dem Bevollmächtigten des Klägers geschlossenen Werkvertrages tätig geworden sei, so seien die Bestimmungen der GOÄ doch als sachgerechter Maßstab zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen jedenfalls analog heranzuziehen. Einschlägig sei hier Nr. 21 des Gebührenverzeichnisses in der bis zum 31. Dezember 1995 geltenden Fassung, wonach sich für ein eingehend begründetes schriftliches Gutachten ein einfacher Gebührensatz von 40,81 DM ergebe. Für das Gutachten sei der 2,3fache Gebührensatz wegen der fachärztlichen Tätigkeit unter Heranziehung der Bewertungskriterien der ZDv 46/1 angemessen. Unter Einschluss der Auslagen für Schreibgebühren ergebe sich der dem Kläger zugesprochene Betrag. Zwar hätte gemäß § 2 GOÄ eine von der Verordnung abweichende Gebührenhöhe vereinbart werden können. Doch betreffe diese Abweichung allein das Innenverhältnis des Arztes mit dem jeweiligen Vertragspartner, gelte somit nicht im Verhältnis zur erstattungspflichtigen Behörde.
Der Kläger trägt zur Begründung seiner vom Verwaltungsgericht zugelassenen Revision vor: Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts seien die für die Abrechnung von Gutachten maßgeblichen Tatbestände des Gebührenverzeichnisses der GOÄ nicht als alleiniger und ausschließlicher pauschaler Maßstab für die Beurteilung der Notwendigkeit bzw. Angemessenheit der Forderung zur Erstattung der Aufwendungen heranzuziehen. Vielmehr sei im Einzelfall anhand des mit der Beauftragung verbundenen konkreten Aufwandes zu ermitteln, ob sich die Forderung des Sachverständigen im Rahmen des Üblichen bewege. Stufe die Behörde den Widerspruchsführer als vorübergehend nicht wehrdienstfähig oder als wehrdienstfähig ein, dann erfordere das sachgerechte Vorgehen gegen einen entsprechenden Bescheid eine präzise Fachkenntnis des Widerspruchsführers bzw. seines Bevollmächtigten, welche Folgen sich aus dem Gesundheitszustand aus medizinisch-fachlicher Sicht ergeben und wie sich diese Folgen auf die Belastbarkeit des Widerspruchsführers im Hinblick auf die Anforderungen bei der Ableistung des Wehrdienstes auswirken könnten. Ein medizinisches Gutachten, das zu der Frage der mittel- und langfristigen Folgen der vorhandenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen auf die wehrdienstspezifische Belastbarkeit des Widerspruchsführers Auskunft gebe, sei das allein geeignete Mittel, um jene Sachkenntnis zu verschaffen und damit die Entscheidung zu ermöglichen, ob und ggf. mit welchen Mitteln gegen den Musterungsbescheid wirksam vorgegangen werden könne. Der im vorliegenden Fall beauftragte Sachverständige verfüge über die notwendige fachliche Erfahrung bei der Einschätzung der Belastungsfolgen. Die bei der entscheidungserheblichen Frage der Belastbarkeitsprognose bzw. der Zumutbarkeit bestimmter Tätigkeiten anzustellende Würdigung unterscheide sich ganz wesentlich von der sonst in der ärztlichen Tätigkeit üblichen Fragestellung der Therapiebedürftigkeit. Das Gutachten habe einen Zeitaufwand von mindestens fünf Stunden verursacht, sodass der in Rechnung gestellte Betrag von 450 DM angemessen sei. Die für die Abrechnung von Gutachten geltenden Tatbestände des Gebührenverzeichnisses der GOÄ gingen von einer medizinischen Behandlung aus, für die eine Vielzahl anderer Gebührentatbestände abrechenbar seien und so in ihrer Gesamtheit ein adäquates Entgelt sicherten. Hiervon zu unterscheiden sei das isolierte Gutachten, dessen Aufwand durch die entsprechenden Tatbestände nicht abgedeckt sei. Auch soweit die Regelungen der GOÄ als geeigneter Maßstab für die Beurteilung der Angemessenheit einer Aufwendung herangezogen würden, sei notwendigerweise auch die Regelung des § 2 Abs. 1 GOÄ zu berücksichtigen, wonach Honorarvereinbarungen mit höheren Gebühren getroffen werden könnten. Damit habe die GOÄ einen Mechanismus für diejenigen Fälle bereitgestellt, in welchen die Gebührentatbestände den Zeitaufwand nicht auszugleichen geeignet seien und beide Parteien sich darauf verständigten, eine abweichende Vereinbarung zu treffen. Dass eine Vereinbarung unmittelbar zwischen dem Widerspruchsführer und dem beauftragten Sachverständigen geschlossen werde, stehe einer entsprechenden Anwendung im Rahmen der Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendung nicht entgegen. Dies führe nicht dazu, dass zu Lasten der Behörde überhöhte Vereinbarungen geschlossen würden. Zum einen wisse der Widerspruchsführer zum Zeitpunkt der Beauftragung nicht, dass er im Widerspruchsverfahren obsiegen und eine Kostenerstattung erhalten werde. Insoweit habe er selbst ein Interesse, das Kostenrisiko so gering wie möglich zu halten. Zum anderen sei in jedem Einzelfall zu überprüfen, ob sich der Gutachtenauftrag im Rahmen des Erforderlichen halte und die gutachterliche Leistung nach Zeitaufwand und Komplexität der Fragestellung eine derartige Forderung rechtfertige.
Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern und die Beklagte zu verpflichten, an ihn weitere 333,04 DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil, meint aber, die GOÄ finde hier unmittelbar Anwendung. Dem schließt sich der Oberbundesanwalt an.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision des Klägers führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Verwaltungsgericht (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
1. Das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).
a) Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Erstattungsanspruch ist § 80 Abs. 1 Satz 1 VwVfG. Der Widerspruch des Klägers gegen den Musterungsbescheid vom 15. März 1994 war erfolgreich. Insoweit war auch die Vorlage der fachorthopädischen Gutachten des Dr. M. vom 14. März 1995 zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig. Notwendig im Sinne von § 80 Abs. 1 Satz 1 VwVfG und deshalb erstattungsfähig können auch die Kosten eines Privatgutachtens sein, wenn dessen Einholung zur Vorbereitung des Verfahrens oder zur Erlangung der erforderlichen Sachkunde geboten war (Urteil vom 22. März 1996 – BVerwG 8 C 36.95 – Buchholz 362 § 118 BRAGO Nr. 4 S. 4; Beschluss vom 14. Januar 1999 – BVerwG 6 B 118.98 – Buchholz 316 § 80 VwVfG Nr. 42 S. 3). Dass diese Voraussetzungen hier gegeben waren, hat das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt.
b) Der Gesichtspunkt der Notwendigkeit in § 80 Abs. 1 Satz 1 VwVfG bezieht sich auch auf die Höhe der Aufwendungen. Geht es wie im vorliegenden Fall um die Kosten für ein ärztliches Privatgutachten, so sind maßgeblich die Bestimmungen der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ), hier anwendbar in der bis zum 31. Dezember 1995 geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 10. Juni 1988, BGBl I S. 818, und des Art. 3 des Änderungsgesetzes vom 21. August 1995, BGBl I S. 1050, 1053. Denn diese Bestimmungen sind auf die Rechtsbeziehungen zwischen dem Wehrpflichtigen bzw. seinem Bevollmächtigten und dem ärztlichen Gutachter unmittelbar anzuwenden.
aa) Gemäß § 1 Abs. 1 GOÄ bestimmen sich die Vergütungen für die beruflichen Leistungen der Ärzte nach dieser Verordnung, soweit nicht durch Bundesgesetz etwas anderes bestimmt ist. Zu den beruflichen Leistungen des Arztes gehört auch die medizinische Gutachtertätigkeit. Dies ergibt sich schon daraus, dass die Gutachtertätigkeit in dem der GOÄ als Anlage beigefügten Gebührenverzeichnis für ärztliche Leistungen, namentlich in den Nrn. 20 bis 22, ausdrücklich aufgeführt ist (vgl. Brück, Gebührenordnung für Ärzte, 3. Aufl., § 1 Rn. 4.4; Hoffmann, Gebührenordnung für Ärzte, 3. Aufl., § 1 Rn. 4).
bb) Dagegen kann nicht eingewandt werden, das Gebührenverzeichnis erfasse nur solche gutachterliche Tätigkeit, die im Zusammenhang mit der ärztlichen Versorgung des Betreffenden stehe, nicht aber auch das „isolierte Gutachten”.
(1) Für eine derart einengende Auslegung geben Wortlaut und Systematik der GOÄ nichts her. Wie sich im Umkehrschluss aus den in § 4 GOÄ enthaltenen Sonderregelungen ergibt, ist der Arzt grundsätzlich berechtigt, jeden einzelnen Behandlungsvorgang nach den verschiedenen einschlägigen Tatbeständen des Gebührenverzeichnisses abzurechnen. Nicht anders verhält es sich mit der gutachterlichen Tätigkeit. Liegen dieser andere ärztliche Leistungen wie insbesondere eigene Untersuchungen des Arztes zugrunde, so kann er sie neben der Gebühr für die eigentliche Abfassung des Gutachtens in Ansatz bringen. Dass es systemwidrig wäre, das Gutachten und die ihm zugrunde liegende Untersuchung unterschiedlichen Vergütungsregelungen zu unterwerfen, belegt im Übrigen die Abrechnung des Dr. M. im vorliegenden Fall. Wie seiner mit Kostenfestsetzungsantrag vom 27. Mai 1997 überreichten Rechnung vom 8. März 1995 zu entnehmen ist, hat er verschiedene ärztliche Leistungen (Patientengespräch über Röntgenfremdaufnahme, neurologische Untersuchung, Röntgenaufnahmen usw.), welche der Begutachtung vom 14. März 1995 zugrunde liegen, nach den einschlägigen Nummern des Gebührenverzeichnisses gesondert abgerechnet. Der diesbezügliche Rechnungsbetrag von 238,97 DM ist im Kostenfestsetzungsbescheid vom 23. Oktober 1997 in voller Höhe anerkannt worden.
(2) Auch das der GOÄ zugrunde liegende Bild des ärztlichen Berufs verbietet nicht die Einbeziehung einer von einer Behandlung unabhängigen ärztlichen Gutachtertätigkeit. Die GOÄ findet ihre gesetzliche Ermächtigungsgrundlage in § 11 der Bundesärzteordnung – BÄO – in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. April 1987, BGBl I S. 1218. Was der Gesetzgeber unter „ärztlicher Tätigkeit” im Sinne dieser Bestimmung versteht, ergibt sich aus § 2 Abs. 5 BÄO. Dort definiert er die Ausübung des ärztlichen Berufes als die Ausübung der Heilkunde unter der Berufsbezeichnung „Arzt” oder „Ärztin”. Darunter fällt neben der medizinischen Behandlung Kranker auch die gutachterliche Tätigkeit zur Beurteilung des Gesundheitszustandes von Menschen für mannigfache in der Rechtsordnung vorgesehene Zwecke (z.B. Sozialversicherung, Schadensersatzprozesse). Denn hierzu bedarf es typischerweise des im Rahmen von Ausbildung und beruflicher Praxis erworbenen medizinischen Sachverstandes von Ärzten, deren Qualifikation Regelungsgegenstand der Bundesärzteordnung ist. Eine Einengung des Begriffs der Heilkunde auf die therapeutische Tätigkeit am Menschen lässt sich dem gesetzlichen Berufsbild des Arztes nicht entnehmen.
(3) Der Umstand, dass möglicherweise in atypischen Fällen nicht Approbierte aufgrund besonderer Fachkenntnisse als Gutachter herangezogen werden, besagt entgegen der Ansicht der Revision nicht, dass ärztliche Gutachter nicht an die Bestimmungen der GOÄ gebunden seien.
cc) Eine abweichende Beurteilung ist ferner nicht wegen § 1 Abs. 2 Satz 1 GOÄ geboten, wonach der Arzt Vergütungen nur für Leistungen berechnen darf, die nach den Regeln der ärztlichen Kunst für eine medizinisch notwendige ärztliche Versorgung erforderlich sind. Diese Vorschrift begrenzt den Vergütungsanspruch des Arztes, lässt jedoch den gegenständlichen Anwendungsbereich der GOÄ unberührt. Es bleibt dabei, dass alle im Gebührenverzeichnis aufgeführten ärztlichen Leistungen nach den Bestimmungen der GOÄ abzurechnen sind. Soweit sie der ärztlichen Versorgung dienen, sind sie grundsätzlich nur in den Grenzen des medizinisch Notwendigen abrechnungsfähig.
Aus dem Vorstehenden folgt, dass wegen der Anwendbarkeit der GOÄ nicht auf die Argumentation der Beklagten zu § 1 Abs. 2 Satz 2 GOÄ zurückgegriffen werden muss. Aus dieser Bestimmung folgt freilich, dass die GOÄ auch dann anzuwenden ist, wenn medizinisch nicht notwendige ärztliche Versorgungsleistungen auf Verlangen des Zahlungspflichtigen erbracht worden sind; davon geht auch der Verordnungsgeber in § 12 Abs. 3 Satz 4 GOÄ offensichtlich aus. Der Anwendungsbereich der GOÄ wäre somit auch dann eröffnet, wenn man das hier in Rede stehende fachorthopädische Gutachten als nicht notwendige ärztliche Leistung im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 2 GOÄ betrachten wollte, die auf Verlangen des Klägers bzw. seines Bevollmächtigten erbracht worden ist.
dd) Unerheblich für die Anwendung der GOÄ im vorliegenden Fall ist, ob die gutachterliche Tätigkeit des Dr. M. sich auf eine vertragliche Beziehung zum Kläger oder zu dessen Bevollmächtigten stützt. Allerdings setzt die GOÄ eine rechtliche Beziehung des Arztes zum Zahlungspflichtigen voraus (vgl. Brück a.a.O. § 1 Rn. 4.2.1; Hoffmann a.a.O., 3. Aufl., § 1 Rn. 2). Häufig wird es sich dabei um den Behandlungsvertrag mit dem Patienten handeln. Dass der Patient stets Vertragspartner des Arztes ist, ist aber für die Anwendung der GOÄ nicht zwingende Voraussetzung. Deren Bestimmungen sprechen nicht etwa vom „Patienten” als dem Schuldner des Vergütungsanspruchs, sondern abstrakt vom „Zahlungspflichtigen” (vgl. § 1 Abs. 2 Satz 2, § 2 Abs. 2 Satz 4, § 4 Abs. 4 Satz 2, Abs. 5, § 12 Abs. 1 GOÄ). Für die Anwendung der GOÄ ist daher unerheblich, ob der Arzt den Behandlungsvertrag unmittelbar mit dem Patienten oder mit einem Dritten in Bezug auf den Patienten abgeschlossen hat.
ee) Die Anwendung der GOÄ steht nach § 1 Abs. 1 GOÄ unter dem Vorbehalt, dass nicht durch Bundesgesetz etwas anderes bestimmt ist. Dies ist hier nicht der Fall. Namentlich ist der Anwendungsbereich des Gesetzes über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen – ZSEG – nicht eröffnet. Dieses Gesetz greift nach seinem § 1 Abs. 1 ein, wenn ein Sachverständiger von einem Gericht zu Beweiszwecken herangezogen wird. Entsprechend ist es anzuwenden, wenn die Behörde im Verwaltungs- oder Widerspruchsverfahren Sachverständige heranzieht (§ 26 Abs. 3 Satz 2, § 79, 2. Halbsatz VwVfG). Diese Voraussetzungen sind, wenn der Widerspruchsführer zur Begründung seines Widerspruchs der Behörde ein Privatgutachten vorlegt, nicht gegeben.
c) Die Kosten für ein ärztliches Privatgutachten sind nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwVfG in der Höhe notwendig und damit erstattungsfähig, in welcher dem ärztlichen Gutachter ein Gebührenanspruch nach den Bestimmungen der GOÄ zusteht. Denn bei der Bemessung der Mindest- und Höchstsätze für ärztliche Leistungen hat der Verordnungsgeber gemäß der gesetzlichen Ermächtigung in § 11 BÄO den berechtigten Interessen der Ärzte und der Zahlungspflichtigen Rechnung getragen.
aa) Voraussetzung für den Gebührenanspruch des Arztes ist nach § 4 Abs. 1 GOÄ zunächst, dass er eine im Gebührenverzeichnis genannte Leistung erbracht hat. Für die gutachterliche Tätigkeit in Fällen der vorliegenden Art kommen die Nrn. 20 bis 22 des bis 31. Dezember 1995 geltenden Gebührenverzeichnisses in Betracht.
bb) Macht der Arzt für die Erstellung des Gutachtens nach der einschlägigen Nummer des Gebührenverzeichnisses eine Gebühr in Höhe des bis zu 2,3fachen Gebührensatzes geltend (§ 5 Abs. 2 Satz 4 Halbsatz 1 GOÄ), so werden in der Regel gegen die Erstattung keine Bedenken bestehen. Überschreitet dagegen die geltend gemachte Gebühr diesen Schwellenwert, so ist die Erstattung davon abhängig, dass die für einen Gebührenanspruch in dieser Höhe erforderlichen materiellen Voraussetzungen nach § 5 Abs. 2 Satz 4 Halbsatz 2 GOÄ vorliegen. Es müssen somit Besonderheiten der in § 5 Abs. 2 Satz 1 GOÄ genannten Bemessungskriterien den höheren Gebührenanspruch rechtfertigen. Diese Bemessungskriterien sind: die Schwierigkeit der einzelnen Leistung, die gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 GOÄ auch durch die Schwierigkeit des Krankheitsfalles begründet sein kann, der Zeitaufwand der einzelnen Leistung sowie die Umstände bei der Ausführung. Ob dahin gehende Besonderheiten gegeben sind, unterliegt nicht allein der Beurteilung des Arztes, sondern ist rechtlich voll überprüfbar (vgl. für Beihilfefälle: Urteil vom 17. Februar 1994 – BVerwG 2 C 10.92 – BVerwGE 95, 117, 122). Grundlage der rechtlichen Überprüfung ist in der Regel die dem Arzt nach § 12 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 GOÄ obliegende schriftliche Begründung für das Überschreiten des 2,3fachen Gebührensatzes. Dies soll dem Zahlungspflichtigen ebenso wie seinen erstattungspflichtigen Krankenversicherern und Beihilfebehörden die effiziente Prüfung ermöglichen, ob nach dem Maßstab des § 5 Abs. 2 Satz 4 Halbsatz 2 GOÄ eine überdurchschnittliche ärztliche Leistung vorliegt. Diesen Zweck hat die Begründungspflicht auch dann, wenn es um den Ersatz der Kosten für ein Privatgutachten durch die nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwVfG erstattungspflichtige Behörde geht.
d) Die Anerkennung des in einer abweichenden Vereinbarung nach § 2 Abs. 1 GOÄ festgelegten Honorars für ein ärztliches Gutachten als notwendig im Sinne von § 80 Abs. 1 Satz 1 VwVfG kommt dagegen grundsätzlich nicht in Betracht. Nach der in § 5 GOÄ angelegten Konzeption des Verordnungsgebers ist für den nach allen Bemessungskriterien schwierigsten Fall der Höchstfaktor 3,5 anzusetzen (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 19. Mai 1988 – 6 U 286/87 – NJW 1988, 2309). Angesichts dessen kommt die Erstattung einer Vergütung für den ärztlichen Gutachter, die die nach Maßgabe des Gebührenverzeichnisses in Verbindung mit § 5 GOÄ höchstmögliche Gebühr übersteigt, nur ausnahmsweise in Betracht. Eine solche Ausnahme ist gegeben, wenn die Abfassung des Gutachtens mit einem so außergewöhnlichen Aufwand verbunden war, dass selbst der Höchstgebührensatz von 3,5 dem nicht hinreichend Rechnung tragen konnte und deswegen keinem Arzt zuzumuten war, das Gutachten zu diesem Gebührensatz zu erstatten. Auch müssen die formellen Wirksamkeitsvoraussetzungen nach § 2 Abs. 2 GOÄ erfüllt sein. Diese Voraussetzungen dienen – ähnlich wie das Begründungserfordernis nach § 12 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 GOÄ – nicht allein dem Schutz des Zahlungspflichtigen, sondern darüber hinaus auch dem Schutz derjenigen Personen oder Einrichtungen, die dem Zahlungspflichtigen zur Erstattung des Rechnungsbetrages verpflichtet sind.
e) Den vorstehenden unter c) und d) dargelegten Grundsätzen trägt das angefochtene Urteil nicht vollständig Rechnung.
aa) Zu Recht hat allerdings das Verwaltungsgericht hier Nr. 21 des Gebührenverzeichnisses für einschlägig gehalten. Deren Leistungsbeschreibung lautet: „Eingehend begründetes schriftliches Gutachten”. Dieses unterscheidet sich von der schriftlichen gutachterlichen Äußerung gemäß Nr. 20 des Gebührenverzeichnisses dadurch, dass die vom Arzt gegebenen Schlussfolgerungen oder Antworten auf gestellte Fragen begründet werden müssen (vgl. Hoffmann a.a.O., 2. Aufl., Gebührenverzeichnis Nrn. 14 bis 36 Rn. 10). Diese Voraussetzung ist bei dem Gutachten von Dr. M. gegeben. Nicht erfüllt ist dagegen Nr. 22 des Gebührenverzeichnisses, wodurch ein „ausführliches schriftliches Gutachten, in dem der Gutachter sich für den Einzelfall eingehend mit der wissenschaftlichen Lehre auseinander setzt” erfasst wird. Für Nr. 22 ist erforderlich, dass unterschiedliche Lehrmeinungen, die durch Literaturzitate zu dokumentieren sind, dargestellt und abgewogen werden (vgl. Hoffmann a.a.O. Rn. 11). Dies ist in dem vom Kläger vorgelegten fachorthopädischen Gutachten nicht geschehen.
bb) Nach § 5 Abs. 1 Satz 2 GOÄ in Verbindung mit Nr. 21 des Gebührenverzeichnisses beläuft sich der hier maßgebliche einfache Gebührensatz auf 40,81 DM. Anhaltspunkte dafür, dass für das Gutachten gemäß § 5 Abs. 2 Satz 4 Halbsatz. 1 GOÄ weniger als der 2,3fache Gebührensatz anzusetzen war, liegen nicht vor.
cc) Da der geltend gemachte Aufwendungsersatz den 2,3fachen Gebührensatz übersteigt, hätte gemäß § 5 Abs. 2 Satz 4 Halbsatz 2 GOÄ geprüft werden müssen, ob Besonderheiten der Bemessungskriterien dies rechtfertigen. Eine derartige Prüfung ist ebenso unterblieben wie eine Darstellung der Bemessungskriterien nach § 5 Abs. 2 Satz 1 GOÄ: Schwierigkeit der Einzelleistung, Zeitaufwand der Einzelleistung, Umstände bei der Ausführung. Das letztgenannte Kriterium spielt hier ersichtlich keine Rolle (vgl. zu diesem Merkmal Brück a.a.O. § 5 Rn. 8; Hoffmann a.a.O., 3. Aufl., § 5 Rn. 8). Das Kriterium „Schwierigkeit der einzelnen Leistung” wollte das Verwaltungsgericht offenbar mit der Bemerkung auf Seite 10 seines Urteils sinngemäß ansprechen, den 2,3fachen Gebührensatz halte es wegen der fachärztlichen Tätigkeit unter Heranziehung der Bewertungskriterien der ZDv 46/1 für angemessen. Der Schwierigkeitsgrad ist indes immer anhand der individuellen Verbindung von Leistung und Patient zu beurteilen. Die Tatsache der fachärztlichen Tätigkeit als solche fällt nicht darunter; sie wird vielmehr im Gebührenverzeichnis als selbstverständlich vorausgesetzt (vgl. Brück a.a.O. § 5 Rn. 5; Hoffmann a.a.O., 3. Aufl., § 5 Rn. 6). Die Beurteilung der körperlichen Leistungsfähigkeit einer Person als solche ist nicht geeignet, die Steigerung des Gebührensatzes zu rechtfertigen. Schon eher kommt hierfür die für die Wehrdienstfähigkeit erhebliche Belastbarkeitsprognose in Betracht. Hingegen fehlt im angefochtenen Urteil eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob Umfang und Inhalt der in Rede stehenden fachorthopädischen Gutachten einen besonderen Schwierigkeitsgrad zu erkennen geben. Auf den Gesichtspunkt des Zeitaufwandes ist das Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang überhaupt nicht eingegangen.
dd) Im Ergebnis nicht zu beanstanden ist, dass das Verwaltungsgericht in einer Vereinbarung nach § 2 GOÄ keine Grundlage für eine Erstattungspflicht der Beklagten nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwVfG gesehen hat. Dies scheitert schon daran, dass es an einer nach Maßgabe von § 2 Abs. 2 GOÄ formgültigen Vereinbarung fehlt. Überdies geben weder die Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil noch das Revisionsvorbringen des Klägers einen greifbaren Anhalt dafür, dass die außerordentlichen Voraussetzungen hier erfüllt sind, unter denen ausnahmsweise Gutachterkosten gemäß einer Honorarvereinbarung mit einem den Faktor 3,5 übersteigenden Gebührensatz erstattet werden können.
2. Auf der dargelegten Verletzung von Bundesrecht beruht das angefochtene Urteil (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Der Senat vermag weder die Entscheidung des Verwaltungsgerichts im Ergebnis zu bestätigen (§ 144 Abs. 4 VwGO) noch sonst in der Sache selbst zu entscheiden (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO). Zur Beantwortung der Frage, ob Besonderheiten der fraglichen Bemessungskriterien gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1, Satz 4 Halbsatz 2 GOÄ die Anhebung des Gebührensatzes über das 2,3fache hinaus rechtfertigen und deswegen einen Aufwendungsersatz in höherem Umfang als bisher zugesprochen gebieten, sind Ermittlungen und Würdigungen tatsächlicher Art erforderlich, die dem Revisionsgericht verwehrt sind. Die Sache ist daher zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
3. Für das Verfahren nach Zurückverweisung ist auf Folgendes hinzuweisen:
a) Da – wie dargelegt – die Feststellung von Besonderheiten im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 4 Halbsatz 2 GOÄ in erster Linie dem Arzt selbst obliegt, der sich hierüber schriftlich zu äußern hat, wird das Verwaltungsgericht dem Kläger Gelegenheit geben müssen, eine schriftliche Äußerung des Dr. M. dazu vorzulegen, weshalb es gerechtfertigt war, den 2,3fachen Gebührensatz zu überschreiten, und wie er die Gebühr innerhalb des nach § 5 Abs. 1 Satz 1 GOÄ vorgesehenen Gebührenrahmens nach billigem Ermessen bestimmt hätte (§ 5 Abs. 2 Satz 1 GOÄ). Zu einer solchen Äußerung ist Dr. M. aufgrund des mit ihm geschlossenen Vertrages verpflichtet (vgl. BRDrucks 211/94 S. 97 sowie die lediglich der Klarstellung dienende Regelung in § 12 Abs. 3 Satz 3 GOÄ in der seit 1. Januar 1996 geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 9. Februar 1996, BGBl I S. 210). Bescheinigt Dr. M. dem Kläger die Notwendigkeit der Überschreitung des Schwellenwerts und bestehen weder gegen die hierfür gegebene Begründung noch gegen den in der Bescheinigung genannten Gebührensatz Bedenken, so wird das Verwaltungsgericht den sich ergebenden Betrag als notwendige Kosten der Rechtsverfolgung anzuerkennen haben. Im Falle der Unbilligkeit des von Dr. M. genannten Gebührensatzes oder des Fehlens einer Äußerung hierzu kann das Verwaltungsgericht nötigenfalls in entsprechender Anwendung des § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB den anzuwendenden Gebührensatz selbst bestimmen. Ist der Kläger hingegen zur Vorlage der in Rede stehenden ärztlichen Bescheinigung nicht imstande, so wird das Verwaltungsgericht annehmen können, dass die Überschreitung des 2,3fachen Gebührensatzes nicht gerechtfertigt war, sofern nicht andere Umstände eindeutig für das Gegenteil sprechen.
b) Bei der Beurteilung der Notwendigkeit der Überschreitung des 2,3fachen Gebührensatzes wird das Verwaltungsgericht zu beachten haben, dass zwischen den nach § 5 Abs. 2 Satz 1, Satz 4 Halbsatz 2 GOÄ maßgeblichen Kriterien „Zeitaufwand” und „Schwierigkeit” eine Wechselwirkung besteht. Ein erhöhter Zeitaufwand wird vielfach mit erhöhtem Schwierigkeitsgrad korrespondieren. Dagegen ist davon auszugehen, dass der übliche Zeitaufwand bereits bei der Bemessung der Gebühr im Gebührenverzeichnis berücksichtigt wurde (vgl. Hoffmann a.a.O., 3. Aufl., § 5 Rn. 7; Brück a.a.O. § 5 Rn. 7). In der Regel ist daher die Annahme gerechtfertigt, dass ein ärztliches Gutachten von durchschnittlichem Schwierigkeitsgrad mit durchschnittlichem Zeitaufwand erstellt wurde. Denkbar bleibt freilich, dass auch bei durchschnittlicher Schwierigkeit der Zeitaufwand erhöht war, weil etwa die Zahl der darzustellenden Befunde erheblich war. Welcher Zeitaufwand für ein eingehend begründetes schriftliches Gutachten nach Nr. 21 des Gebührenverzeichnisses vom 2,3fachen Gebührensatz noch abgedeckt ist, lässt sich der Leistungsbeschreibung nicht exakt entnehmen. Anhaltspunkte lassen sich allerdings den Leistungstatbeständen der Nrn. 14 bis 16 sowie 20 bis 22 des Gebührenverzeichnisses entnehmen. Nach der im vorliegenden Fall noch nicht anzuwendenden Rechtslage ab 1. Januar 1996 gilt im Übrigen, dass für das von Nr. 85 des Gebührenverzeichnisses erfasste Gutachten die Arbeitszeit als Vervielfältigungsfaktor unmittelbares Tatbestandsmerkmal ist.
Unterschriften
Bardenhewer, Eckertz-Höfer, Gerhardt, Büge, Graulich
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 25.10.2000 durch Klebba Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen