Entscheidungsstichwort (Thema)
Eisenbahn. Eisenbahninfrastruktur. Eisenbahninfrastruktureinrichtung. Eisenbahninfrastrukturunternehmen. Eisenbahnverkehr. Eisenbahnverkehrsunternehmen. Schienenweg. Betrieb. dauernde Einstellung des Betriebes. Betriebspflicht. Betriebssicherheit. betriebssicherer Zustand. Unterhaltungspflicht. Instandhaltung. Instandsetzung. Instandhaltungspflicht. Instandsetzungspflicht. Stilllegung einer Strecke. schwarze Stilllegung. faktische Stilllegung. vorübergehende Einstellung des Betriebes. Zugangsrecht
Leitsatz (amtlich)
Die Eisenbahninfrastrukturunternehmen sind nach dem Allgemeinen Eisenbahngesetz (AEG) verpflichtet, ihre Strecken in einem betriebssicheren Zustand für den Eisenbahnverkehr vorzuhalten und nicht betriebssichere Strecken wieder in einen betriebssicheren Zustand zu versetzen. Die Infrastrukturunternehmen können sich von dieser Pflicht nicht durch eine betriebliche Sperrung der Strecke befreien.
Eine genehmigungsbedürftige dauerhafte Einstellung des Betriebes einer Eisenbahnstrecke im Sinne des § 11 AEG liegt auch dann vor, wenn das Eisenbahninfrastrukturunternehmen sich vorbehält, die Strecke möglicherweise wieder in Betrieb zu nehmen.
Ist einem Eisenbahninfrastrukturunternehmen der weitere Betrieb einer Strecke wirtschaftlich nicht mehr zumutbar, ist es darauf verwiesen, dies in dem nach § 11 AEG vorgeschriebenen Stilllegungsverfahren geltend zu machen; der Einwand der Unwirtschaftlichkeit kann grundsätzlich nicht gegen die Durchsetzung einer bestehenden Betriebspflicht geltend gemacht werden.
Normenkette
GG Art. 87e Abs. 3 S. 1, Abs. 4 S. 1; AEG §§ 4, 5 Abs. 1, § 5a Abs. 1-2, § 11 Abs. 1-2; BSchwAG §§ 8, 9a
Verfahrensgang
OVG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 05.09.2006; Aktenzeichen 8 A 10478/05) |
VG Koblenz (Urteil vom 28.02.2005; Aktenzeichen 8 K 3787/03.KO) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 5. September 2006 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
I
Die Klägerin wendet sich gegen die ihr von der Beklagten auferlegte Verpflichtung, eine Eisenbahnstrecke, auf der der Fahrbetrieb wegen Sicherheitsmängeln eingestellt ist, wieder in einen betriebssicheren Zustand zu versetzen.
Die Klägerin ist Inhaberin der im Hunsrück gelegenen Eisenbahnstrecke Langenlonsheim – Stromberg – Simmern – Büchenbeuren – Morbach – Hermeskeil (sog. Hunsrückquerbahn). Durch Bescheid des Bundesministers für Verkehr vom 29. Januar 1976 wurde auf der Grundlage von § 14 Abs. 3 Buchst. d des Bundesbahngesetzes (BbG) für die Teilstrecke Simmern – Hermeskeil und durch Bescheid vom 27. Januar 1984 für die Teilstrecke Langenlonsheim – Simmern die dauernde Einstellung des Reisezugbetriebes genehmigt. Vom 1. Juli 1999 bis zum 31. Dezember 2002 war die Strecke verpachtet, es wurden dort gelegentlich Sonderfahrten durchgeführt. Das Pachtverhältnis wurde nicht verlängert, nachdem die Klägerin mit dem Land Rheinland-Pfalz am 27. November 2002 eine Planungsvereinbarung zur Erstellung eines Vorentwurfs für die Reaktivierung der Hunsrückbahn auf der Strecke Langenlonsheim – Büchenbeuren geschlossen hatte, um damit eine Anbindung des Flughafens Hahn zu ermöglichen. Nach der Rückgabe der Strecke an die Klägerin zum 1. April 2003 wurden Mängel in der Betriebssicherheit festgestellt, die dazu führten, dass die Klägerin Anfang April 2003 die Strecke sperrte. Trassenbestellungen eines Eisenbahnverkehrsunternehmens konnte deshalb nicht entsprochen werden. Die Klägerin teilte der Beklagten mit Schreiben vom 20. Juni 2003 mit, dass eine Beseitigung der Mängel auf den Streckenabschnitten Stromberg – Simmern und Simmern – Morbach entsprechend der beigefügten Aufstellung rund 165 000 € kosten werde; dieser Aufwand könne aus den Erlösen gelegentlicher Sonderfahrten nicht gedeckt werden. Deshalb nehme sie, zumal mit einer Reaktivierung der Strecke für den Schienenpersonennahverkehr zu rechnen sei, von einer kurzfristigen Instandsetzung Abstand.
Mit Bescheiden vom 6. und 14. Oktober 2003, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 26. November 2003, gab die Beklagte der Klägerin auf, den Betrieb der Streckenabschnitte Stromberg – Simmern und Simmern – Morbach unverzüglich sicher wieder aufzunehmen. Zur Begründung heißt es: Ein Infrastrukturunternehmen habe den Betrieb einer Strecke auch dann aufrechtzuerhalten, wenn dies unwirtschaftlich sei. In einem solchen Fall könne es zwar die Stilllegung der Strecke beantragen. Selbst dann ordne § 11 Abs. 2 Satz 3 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (AEG) aber den Weiterbetrieb bis zur Entscheidung der Genehmigungsbehörde an. Hier habe die Klägerin weder, wie für die Einleitung eines Stilllegungsverfahrens erforderlich, die Strecke Dritten zur Übernahme angeboten noch Entsprechendes auch nur angekündigt. Sie beabsichtige bis auf Weiteres nicht, die für die Wiederherstellung der sicheren Befahrbarkeit erforderlichen Maßnahmen durchzuführen. Damit habe sie, ohne die Vorgaben von § 11 AEG zu erfüllen, den Betrieb der Strecke dauerhaft eingestellt.
Die Klage gegen die Wiederaufnahmeanordnungen hat das Verwaltungsgericht Koblenz mit Urteil vom 28. Februar 2005 abgewiesen. Die Beklagte sei nach § 5a Abs. 2 AEG zum Erlass der Bescheide befugt gewesen, da die Klägerin die Strecke nicht, wie nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AEG geboten, in betriebssicherem Zustand gehalten habe. Diese Regelung umfasse die Pflicht zum Betrieb der Infrastruktur. Dies verdeutliche die Legaldefinition des § 2 Abs. 3 AEG, wonach zum Betreiben der Infrastruktur auch deren Unterhaltung gehöre. Anders als vor der Neuordnung des Eisenbahnwesens sei die Unterhaltungslast nicht mehr mit wirtschaftlichen Gesichtspunkten verknüpft; diese seien nun nur noch in § 11 Abs. 2 AEG im Zusammenhang mit einer Stilllegungsgenehmigung angesprochen. Soweit die Bundesregierung in der Begründung ihres Gesetzentwurfs Betriebspflichten verneint habe, habe sich das nicht durchgesetzt, wie § 11 Abs. 2 Satz 3 AEG belege. Sei danach der Betrieb der Schieneninfrastruktur bis zur Entscheidung des Eisenbahn-Bundesamtes über den Stilllegungsantrag aufrechtzuerhalten, bestehe eine solche Pflicht erst recht außerhalb eines Stilllegungsverfahrens.
In einem “Letter of Intent” vom 16. November 2005 kamen die Klägerin, das Land Rheinland-Pfalz und die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch den Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, überein, die Eisenbahnstrecke Langenlonsheim – Simmern – Hahn für eine Nutzung im Schienenpersonen- und Güterverkehr zur Anbindung des Flughafens Hahn zu ertüchtigen. Hierzu sollte die Klägerin mit dem Land Rheinland-Pfalz zeitnah eine Planungsvereinbarung zur Durchführung der Entwurfsplanung schließen. Unter Nr. VI dieses “Letter of Intent” war vorgesehen, dass die Klägerin das von ihr zwischenzeitlich eingeleitete Verfahren zur Abgabe/Stilllegung des Streckenabschnitts aussetzen solle.
Die Berufung der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz mit Urteil vom 5. September 2006 zurückgewiesen. Zur Begründung wird ausgeführt: Die Beklagte habe der Klägerin nach § 5a Abs. 2 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 1 AEG die sichere Wiederaufnahme des Betriebes der Eisenbahnstrecke Stromberg – Morbach auferlegen können, da die Klägerin den Betrieb ohne die nach § 11 AEG erforderliche Stilllegungsgenehmigung dauerhaft eingestellt und dadurch gegen ihre sich aus dem Allgemeinen Eisenbahngesetz ergebende Betriebspflicht verstoßen habe. Es könne offenbleiben, ob eine solche Betriebspflicht aus § 4 AEG folge, jedenfalls sei sie § 11 AEG zu entnehmen. Diese Bestimmung verpflichte die Eisenbahninfrastrukturunternehmen auch dazu, den Betrieb einer Strecke wieder aufzunehmen, wenn er – wie hier – ohne Genehmigung eingestellt worden sei. Nur eine solche Auslegung werde dem Sinn und Zweck des formalisierten Stilllegungsverfahrens gerecht, die vorhandene Verkehrsinfrastruktur für den Eisenbahnverkehr zu erhalten, soweit sie verkehrlich und wirtschaftlich sinnvoll betrieben werden könne. Deshalb könne eine Streckenstilllegung erst dann genehmigt werden, wenn weder andere Eisenbahninfrastrukturunternehmen noch die öffentliche Hand Interesse am Weiterbetrieb hätten. Der Verantwortung des Bundes für den Erhalt des Schienennetzes nach Art. 87e Abs. 4 Satz 1 GG solle vorrangig durch die Gewährleistung von Wettbewerb um die Infrastruktur Rechnung getragen werden. Dazu müsse eine Strecke bis zu ihrer möglichen Übernahme durch Dritte intakt gehalten werden. Ansonsten hätte das Infrastrukturunternehmen die Möglichkeit, durch die faktische Einstellung des Betriebes das in § 11 AEG vorgesehene Verfahren und die materiellen Stilllegungsvoraussetzungen zu umgehen und damit zugleich unerwünschte Konkurrenz fernzuhalten. Diese Betriebspflicht sei hier nicht dadurch erloschen, dass 1976 bzw. 1984 die Einstellung des Reisezugverkehrs genehmigt worden sei. Die von der Beklagten angeordneten Maßnahmen seien auch nicht unverhältnismäßig. Sie habe von der Klägerin nur das zwingend Notwendige verlangt, um überhaupt Bahnverkehr, wenn auch nur mit geringer Fahrtgeschwindigkeit, zu ermöglichen. Die Durchsetzung der Betriebspflicht könne zwar ausnahmsweise dann ermessensfehlerhaft sein, wenn die Stilllegung der Strecke unmittelbar bevorstehe. Doch liege derzeit ein Stilllegungsantrag nicht vor und die Klägerin habe erklärt, sie werde das Stilllegungsverfahren aussetzen. Die Verfügungen seien auch nicht deshalb unverhältnismäßig, weil von der Klägerin mit Blick auf eine geplante Streckenertüchtigung unnütze Maßnahmen gefordert würden. Den Konflikt zwischen einem aktuell fehlenden Verkehrsinteresse und dem Offenhalten künftiger Marktchancen, in dem sich die Klägerin sehe, habe der Gesetzgeber dadurch gelöst, dass die Eisenbahninfrastruktur bis zur Genehmigung ihrer Stilllegung am Markt zu halten und die Betriebspflicht zu erfüllen sei. Dass sich dies wegen konkreter Ausbauplanungen in Kürze als nutzlos erweisen werde, sei nicht hinreichend sicher und ergebe sich auch nicht aus dem “Letter of Intent”. Die Beklagte sei an der Durchsetzung der Betriebspflicht des Weiteren nicht deshalb gehindert, weil ein Verkehrsbedürfnis für die Strecke offensichtlich fehle. In der Vergangenheit hätten immer wieder Trassenanmeldungen im Raum gestanden; weitere gingen möglicherweise ein, wenn die Strecke wieder betriebssicher sei. Schließlich seien auch die aufzuwendenden Kosten von ursprünglich rund 166 000 € im Hinblick auf die Länge der Strecke nicht unverhältnismäßig, zumal die Beklagte ihre Anordnung auf die Beseitigung der gröbsten Mängel beschränkt habe.
Zur Begründung ihrer Revision macht die Klägerin geltend: Sie habe weder Verpflichtungen aus § 4 AEG verletzt noch gegen § 11 AEG verstoßen. § 4 Abs. 1 Satz 1 AEG statuiere, wie die Entstehungsgeschichte der Regelung belege, nur Pflichten beim, nicht aber zum Betrieb. Finde – wie hier – kein Betrieb auf der Strecke statt, bedürfe es auch keiner Betriebssicherheit. § 11 Abs. 2 Satz 3 AEG sei ebenfalls keine Verpflichtung zu entnehmen, eine betriebsunsicher gewordene Strecke wiederherzustellen. Ebenso wenig erfasse diese Regelung Strecken, auf denen kein Eisenbahnverkehr mehr stattfinde. Erst recht bestehe eine Wiederherstellungspflicht solange nicht, wie die Zukunft der Strecke aus vom Eisenbahninfrastrukturunternehmen nicht zu vertretenden Gründen offen sei. In einem solchen Fall könne mit einer Wiederherstellung bzw. Stilllegung bis zur Klärung dieser Frage abgewartet werden. Solange sie sich eine weitere Nutzung noch vorbehalte, handele es sich außerdem nur um eine vorübergehende, nicht aber um eine dauernde Stilllegung; nur diesen zweiten Fall regle § 11 AEG. Dass dem Gesetz eine nur vorübergehende Betriebseinstellung wegen Sicherheitsmängeln nicht unbekannt sei, belege zudem § 9a Abs. 1 Satz 1 des Bundesschienenwegeausbaugesetzes (BSchwAG). Mit der 1976 und 1984 erteilten Genehmigung der Einstellung des Reisezugverkehrs sei zugleich ihre Pflicht entfallen, die Eignung der Strecke für den Personenverkehr sicherzustellen. Mit der Übertragung des bahnnotwendigen Vermögens auf die Deutsche Bahn AG zum 1. Januar 1994 sei diese Pflicht nicht wieder aufgelebt. Aus der Infrastrukturgewährleistungsverantwortung des Bundes nach Art. 87e Abs. 4 Satz 1 GG lasse sich ebenfalls keine Wiederherstellungspflicht herleiten. Dies verstoße gegen die Vorgabe des Art. 87e Abs. 3 Satz 1 GG, dass die Deutsche Bahn AG und ihre Tochtergesellschaften nach privatwirtschaftlichen Gesichtspunkten zu führen seien. Damit sei es nicht vereinbar, Strecken wieder instandzusetzen, bevor die Frage ihrer weiteren Nutzung geklärt sei. Selbst wenn man entgegen all dem eine Wiederherstellungspflicht annehme, seien die Bescheide rechtswidrig, da sie in unverhältnismäßiger Weise belastet werde. Mit dem Eingriff in ihre Rechte aus Art. 12 GG und Art. 87e Abs. 3 Satz 1 GG werde kein legitimes Ziel verfolgt, da für die in Rede stehende Strecke kein nachweisbarer Verkehrsbedarf bestehe. Das Oberverwaltungsgericht habe zwar auf Nachfragen in der Vergangenheit verwiesen, deren Ernsthaftigkeit und Tragfähigkeit unter Verstoß gegen § 86 VwGO aber nicht überprüft. Die ihr auferlegte Wiederherstellung der Befahrbarkeit verursache schließlich unverhältnismäßige Kosten. Zum einen übersteige der finanzielle Aufwand die zu erwartenden Erlöse um ein Vielfaches; zum anderen müsse in Rechnung gestellt werden, dass die mit der Wiederherstellung verbundenen Investitionen aller Wahrscheinlichkeit nach verloren sein würden, und zwar sowohl im Fall eines Ausbaus der Strecke als auch bei deren Stilllegung. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass das Ausbauvorhaben, weil es von der Gewährung von Bundesmitteln abhänge, nur mit ihr realisiert werden könne. Deshalb habe die Übernahme der Strecke durch ein anderes Infrastrukturunternehmen vermieden werden sollen.
Die Beklagte tritt der Revision entgegen.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zutreffend entschieden, dass die angegriffenen Bescheide rechtmäßig sind, mit denen das Eisenbahn-Bundesamt der Klägerin aufgegeben hat, den Betrieb auf der Strecke Stromberg – Simmern – Morbach sicher wieder aufzunehmen. Die Beklagte war zu einem solchen aufsichtsbehördlichen Einschreiten befugt, da die Klägerin die ihr nach dem Allgemeinen Eisenbahngesetz (AEG) obliegenden Pflichten verletzt hat, indem sie diese Strecke nicht in einem betriebssicheren Zustand gehalten und sie ohne Einhaltung des in § 11 AEG vorgegebenen Verfahrens nicht nur vorübergehend stillgelegt hat. Die von der Beklagten getroffenen Anordnungen weisen auch keinen Ermessensfehler auf.
1. Die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide bestimmt sich nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung, hier also des Erlasses des Widerspruchsbescheides vom 26. November 2003. In rechtlicher Hinsicht ist daher auf das Allgemeine Eisenbahngesetz in der Fassung des Eisenbahnneuordnungsgesetzes vom 27. Dezember 1993 (BGBl I S. 2378, 2396; berichtigt in BGBl 1994 I S. 2439), zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides zuletzt geändert durch das Zweite Gesetz zur Änderung eisenbahnrechtlicher Vorschriften vom 21. Juni 2002 (BGBl I S. 2191), abzustellen. Auch soweit andere gesetzliche Regelungen von Bedeutung sind, wie etwa das Bundesschienenwegeausbaugesetz (BSchwAG), ist jeweils die am 26. November 2003 geltende Fassung maßgeblich. Gleiches gilt in tatsächlicher Hinsicht; deshalb müssen alle Ereignisse außer Betracht bleiben, die nach dem Erlass des Widerspruchsbescheides liegen. Freilich würden auch die seit dem 26. November 2003 eingetretenen Änderungen der einschlägigen rechtlichen Regelungen und die seitdem zu verzeichnende weitere Entwicklung, etwa durch den “Letter of Intent” vom 16. November 2005 oder den Abschluss der Planungsvereinbarung vom 5. Juli 2007, nichts an der rechtlichen Bewertung ändern.
2. Die angefochtenen Bescheide sind auf § 5a Abs. 2 AEG gestützt. Nach dieser Regelung in der zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides geltenden Fassung sind die Eisenbahnaufsichtsbehörden befugt, im Rahmen ihrer Aufgaben u.a. Eisenbahninfrastrukturunternehmen anzuweisen, die in § 5 Abs. 1 genannten Vorschriften einzuhalten. Nach § 5a Abs. 1 Satz 1 AEG in der damaligen Fassung haben die Eisenbahnaufsichtsbehörden die Aufgabe, die Einhaltung der in § 5 Abs. 1 genannten Vorschriften zu überwachen. Nach § 5a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AEG haben sie dabei insbesondere die Aufgabe, Gefahren abzuwehren, die beim Betrieb der Eisenbahn entstehen oder von den Betriebsanlagen ausgehen. Zu den in § 5 Abs. 1 AEG genannten Vorschriften, deren Beachtung die Eisenbahnaufsicht sicherzustellen hat, gehören (1.) das Allgemeine Eisenbahngesetz selbst und die darauf beruhenden Rechtsverordnungen, (2.) das Recht der Europäischen Gemeinschaften, soweit es Gegenstände dieses Gesetzes betrifft, und (3.) zwischenstaatliche Vereinbarungen, soweit sie Gegenstände dieses Gesetzes betreffen.
3. Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Beklagte nach § 5a Abs. 2 AEG zum Einschreiten befugt war, da die Klägerin, ein Eisenbahninfrastrukturunternehmen im Sinne von § 2 Abs. 1 AEG, Pflichten verletzt hat, die ihr nach dem Allgemeinen Eisenbahngesetz obliegen.
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts befand sich die Strecke Stromberg – Simmern – Morbach zum Zeitpunkt des Erlasses der angegriffenen Bescheide in keinem betriebssicheren Zustand; daran hat sich bis heute nichts geändert. Damit ist die Klägerin ihrer Unterhaltungspflicht nicht nachgekommen, die sich aus der Zusammenschau von § 2 Abs. 3 AEG, § 4 Abs. 1 Satz 1 AEG und § 11 Abs. 2 Satz 3 AEG ergibt.
a) Der Betrieb von Eisenbahninfrastruktur im Sinne des Allgemeinen Eisenbahngesetzes umfasst neben der Bereitstellung der Strecken für Eisenbahnverkehrsunternehmen, denen im Rahmen von § 14 Abs. 1 AEG diskriminierungsfreier Zugang zu gewähren ist, insbesondere die Verpflichtung der Eisenbahninfrastrukturunternehmen, ihre Strecken in einem betriebssicheren Zustand zu halten. Dies war § 2 Abs. 3 AEG in der hier maßgeblichen zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides geltenden Fassung zweifelsfrei zu entnehmen; daran hat sich auch durch die späteren Änderungen der Regelung nichts geändert.
§ 2 Abs. 3 AEG i.d.F. von Art. 5 des Gesetzes zur Neuordnung des Eisenbahnwesens vom 27. Dezember 1993 (BGBl I S. 2378, 2396; berichtigt in BGBl 1994 I S. 2439) enthielt noch eine Legaldefinition des Begriffs “Betreiben einer Eisenbahninfrastruktur”. Nach Satz 1 dieser Regelung umfasst das Betreiben einer Eisenbahninfrastruktur den Bau und die Unterhaltung von Schienenwegen sowie die Führung von Betriebsleit- und Sicherheitssystemen. Unterhaltung im Sinne dieser Regelung aber bedeutet nichts anderes, als dass die Strecke in einem betriebssicheren Zustand vorzuhalten ist.
Daran hat sich durch das Dritte Gesetz zur Änderung eisenbahnrechtlicher Vorschriften vom 27. April 2005 (BGBl I S. 1138) nichts geändert. Zwar zählt die Neufassung des § 2 Abs. 3 AEG die Betreiberpflichten nicht mehr auf. Diese sollten damit aber sachlich nicht verändert, namentlich sollte die Unterhaltungspflicht damit nicht beseitigt werden. Vielmehr rechnet das Gesetz ausweislich des neu eingefügten § 2 Abs. 3a AEG zum Betreiben von Schienenwegen weiterhin deren Unterhaltung. Dass die Vorschrift neben Bau und Unterhaltung den Betrieb noch eigens nennt, erklärt sich daraus, dass dem Betreiber auch obliegt, seine Infrastruktur nachfragenden Eisenbahnverkehrsunternehmen zur Verfügung zu stellen (vgl. § 14 Abs. 1 AEG). Die Fortdauer der Unterhaltungspflicht wird schließlich durch die in § 8 BSchwAG getroffene Kostenregelung bestätigt. Danach finanziert der Bund Investitionen in die Schienenwege des Bundes – dies umfasst Bau, Ausbau sowie Ersatzinvestitionen –; dagegen tragen gemäß § 8 Abs. 4 BSchwAG die Kosten der Unterhaltung und Instandsetzung ihrer Schienenwege die Eisenbahnen des Bundes selbst.
b) Eine zusätzliche rechtliche Grundlage hat die Unterhaltungspflicht der Eisenbahninfrastrukturunternehmen in § 4 Abs. 1 Satz 1 AEG. Nach dieser Regelung sind die Eisenbahnen verpflichtet, ihren Betrieb sicher zu führen und u.a. die Eisenbahninfrastruktur in betriebssicherem Zustand zu erhalten.
Aus dieser Bestimmung hat das Verwaltungsgericht eine grundsätzliche Pflicht der Eisenbahninfrastrukturunternehmen zur Aufrechterhaltung eines betriebssicheren Zustandes ihrer Infrastruktur ohne Rücksicht darauf hergeleitet, wie hoch eventuelle Unterhaltungskosten sind und wie rentabel eine Strecke ist. Mit der Herleitung dieser Pflicht aus § 4 Abs. 1 Satz 1 AEG hat es sich einer auch in Teilen der Literatur vertretenen Auffassung angeschlossenen (vgl. insbesondere Kramer in: Kunz ≪Hrsg.≫, Eisenbahnrecht, Bd. 1, Stand Juni 2007, § 4 Abs. 1 AEG Anm. 2 und 3, ders. in: IR 2004, 106, ≪106 f.≫ sowie in: Staat – Wirtschaft – Gemeinde, Festschrift für Werner Frotscher zum 70. Geburtstag, 2007, S. 529 ≪539 f.≫; Frotscher/Kramer, NVwZ 2001, 24 ≪25≫; Werner, Nach der Regionalisierung – der Nahverkehr im Wettbewerb, 1998 S. 120; Kühl, Übernahme von Schieneninfrastruktur der DB AG durch Dritte, 1999, S. 194; offen gelassen ebenso wie vom Berufungsgericht auch vom OVG Hamburg, Beschluss vom 28. August 2006 – 2 Bs 80/06 – NVwZ 2007, 964).
Dem kann die Klägerin nicht die Entstehungsgeschichte der Norm entgegenhalten. Der Gesetzesbegründung zu § 4 AEG lässt sich nicht entnehmen, dass bei der Neufassung des Allgemeinen Eisenbahngesetzes im Zuge der Neustrukturierung des Eisenbahnwesens eine auf die Aufrechterhaltung eines betriebssicheren Zustandes gerichtete Betriebspflicht nicht verankert werden sollte. Nach der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung ist § 4 Abs. 1 Satz 1 AEG – § 4 des Entwurfs – § 4 des Bundesbahngesetzes (BbG) nachgebildet. Die neue Vorschrift enthalte – so die Gesetzesbegründung weiter – zwar nicht mehr die bisherige Pflicht, auch Eisenbahnverkehr betreiben zu müssen, wohl aber weiterhin die Verpflichtung der Eisenbahnen, ihre Anlagen und Gegenstände sicher zu konstruieren und zu bauen bzw. bauen zu lassen sowie ihren Betrieb so zu gestalten, dass die Betriebssicherheit nicht beeinträchtigt wird (BRDrucks 131/93 S. 98). Dies greift die neue Trennung von Infrastruktur und Verkehr auf, lässt aber den Umfang der auf die Infrastruktur bezogenen Betreiberpflichten unberührt.
Ebenso wenig spricht gegen die Herleitung dieser Pflicht aus § 4 Abs. 1 Satz 1 AEG, dass diese Norm erkennbar der Gefahrenabwehr dient, worauf auch die amtliche Überschrift “Sicherheitspflichten” hindeutet. Zu Unrecht folgert die Klägerin daraus, dass es ohne den Betrieb von Eisenbahnverkehr auch keiner betriebssicheren Infrastruktur bedürfe. Ein Eisenbahninfrastrukturunternehmen kann seinen Sicherheitspflichten gerade nicht schon dadurch genügen, dass es nicht sichere Strecken “betrieblich sperrt”; denn § 4 Abs. 1 Satz 1 AEG fordert unmissverständlich, die Eisenbahninfrastruktur in betriebssicherem Zustand zu halten. Die Klägerin ist daher nicht nur zur ständigen Instandhaltung ihrer Strecken verpflichtet, sie muss sie gegebenenfalls auch – soweit sie nicht oder nicht mehr betriebssicher sind – wieder instand setzen.
c) Schließlich ergibt sich – worauf das Berufungsgericht vor allem abgestellt hat – die Betriebs- und Unterhaltungspflicht der Eisenbahninfrastrukturunternehmen für ihre Strecken aus § 11 AEG.
Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 AEG in der zum 26. November 2003 geltenden Fassung hat ein öffentliches Eisenbahnunternehmen, wenn es die dauernde Einstellung des Betriebes einer Strecke beabsichtigt, dies bei der zuständigen Behörde – dem Eisenbahn-Bundesamt – zu beantragen. Dabei hat es nach § 11 Abs. 1 Satz 2 AEG darzulegen, dass ihm der Betrieb der Infrastruktureinrichtung nicht mehr zugemutet werden kann und Verhandlungen mit Dritten, denen ein Angebot für die Übernahme der Infrastruktureinrichtung zu in diesem Bereich üblichen Bedingungen gemacht wurde, erfolglos geblieben sind. Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 AEG hat die zuständige Aufsichtsbehörde über den Antrag unter Berücksichtigung verkehrlicher und wirtschaftlicher Kriterien zu entscheiden. § 11 Abs. 2 Satz 3 AEG sieht vor, dass das Unternehmen den Betrieb der Schieneninfrastruktur bis zur Entscheidung aufrechtzuerhalten hat.
aa) Diese Regelung stellt das Infrastrukturunternehmen vor die Wahl, eine Strecke entweder dauernd betriebsbereit und betriebssicher vorzuhalten oder aber nach dem vorgesehenen Verfahren stillzulegen. Den von der Klägerin favorisierten “dritten Weg” einer “betrieblichen Streckensperrung” gibt es danach nicht. Das gilt auch und gerade für unrentable Strecken. Dies ergibt sich schon aus § 11 Abs. 2 Satz 3 AEG; diese Bestimmung setzt die generelle Betriebs- und Unterhaltungsverpflichtung des Unternehmens voraus und stellt nur klar, dass sie auch während des Stilllegungsverfahrens fortbesteht. Es ergibt sich aber auch und vor allem aus der Entstehungsgeschichte des § 11 AEG insgesamt, aus seinem Sinn und Zweck und seinem systematischen Zusammenhang mit anderen Bestimmungen des Gesetzes, namentlich mit § 14 AEG.
Zweck der in § 11 AEG getroffenen Regelung ist es, Infrastruktureinrichtungen, an denen ein Interesse der Allgemeinheit besteht, möglichst zu erhalten. Damit kommt der Bund seiner in Art. 87e Abs. 4 Satz 1 GG verankerten Gewährleistungsverantwortung nach. Der Betrieb der Infrastruktureinrichtungen wurde mit der Bahnreform 1994 zwar in formal private Hand gegeben. Ein Infrastrukturunternehmen sollte aber zum Betrieb verpflichtet sein. Eine unrentable Strecke sollte es nicht einfach aufgeben dürfen. Vielmehr sollte die Stilllegung einer Strecke erst dann in Betracht kommen, wenn der weitere Betrieb dem Unternehmen wirtschaftlich unzumutbar ist und wenn sich auch kein konkurrierendes Unternehmen zur Übernahme der Strecke bereit gefunden hat. Die Einhaltung dieser Voraussetzungen sollte die staatliche Bahnaufsicht überprüfen. Deshalb macht § 11 AEG die Einstellung des Betriebes einer Strecke von einer Genehmigung der Bahnaufsicht abhängig. Um die Genehmigung für eine Streckenstilllegung zu erhalten, muss das Infrastrukturunternehmen zum einen den Nachweis führen, dass ihm selbst die Fortführung der Strecke wirtschaftlich nicht zumutbar ist, und zum anderen zusätzlich darlegen, dass sich auch kein anderes Unternehmen gefunden hat, das zu einer Übernahme der Strecke zu den in diesem Bereich üblichen Bedingungen bereit war (§ 11 Abs. 1 Satz 2 AEG).
Diese Absicht des Gesetzes wird durch seine Entstehungsgeschichte bestätigt. § 11 AEG geht auf einen Vorschlag des Bundesrates zurück. Damit sollte verhindert werden, dass Schieneninfrastrukturunternehmen – insbesondere der künftige Monopolist Deutsche Bahn AG/Fahrweg – unwirtschaftliche Infrastruktureinrichtungen jederzeit schließen könnten. Dabei war namentlich an Nebenstrecken gedacht, die für den Nahverkehr von Bedeutung sein können; die Bestimmung sollte den Rahmen für einen kontinuierlichen Betrieb des Schienenpersonennahverkehrs auch in der Fläche schaffen (vgl. BTDrucks 12/5014 S. 17 f., 12/6269 S. 56 und 139). Die Bedenken der Länder gegen die Übertragung des Schienennetzes auf die Deutsche Bahn AG und ein vorrangig von Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten geprägtes Handeln haben zudem zur Verankerung der Infrastrukturgewährleistungsverantwortung des Bundes im Grundgesetz geführt (vgl. BTDrucks 12/5015 S. 11).
Die Pflicht zur Aufrechterhaltung des Betriebes der Schieneninfrastruktur dient auch dazu, das Recht der Eisenbahnverkehrsunternehmen auf diskriminierungsfreien Zugang zur Eisenbahninfrastruktur (§ 14 Abs. 1 Satz 1 AEG) zu gewährleisten. Diese haben nur dann die Möglichkeit, in dem vom Gesetzgeber ausdrücklich gewünschten Wettbewerb – sei es um die Durchführung von Personen- und Güterverkehr auf der Schiene selbst, sei es zu Verkehren auf der Straße, dem Wasser oder in der Luft – Verkehrsleistungen anzubieten und zu erbringen, wenn ihnen die Schieneninfrastruktur möglichst dauernd betriebssicher zur Verfügung steht.
Aus § 9a Abs. 1 BSchwAG ergibt sich nichts anderes. Hiernach sind, soweit die Eisenbahnen des Bundes vom Bund finanzierte Schienenwege stilllegen, zweckentfremden, nicht betriebsbereit vorhalten oder auf andere Eisenbahninfrastrukturbetreiber übertragen, die gewährten Bundesmittel in bestimmtem Umfang zurückzugewähren. § 9a BSchwAG sieht also eine Rückzahlungspflicht bei Zweckverfehlung vor. Das zeigt, dass das Gesetz gerade auch ein nicht betriebsbereites Vorhalten von durch den Bund finanzierten Strecken als Zweckverfehlung ansieht.
bb) Damit geht die Auffassung der Klägerin fehl, eine Pflicht zur Aufrechterhaltung des Betriebes ergebe sich nur aus § 11 Abs. 2 Satz 3 AEG und bestehe deshalb nur für solche Strecken, die sich bei Einleitung eines Stilllegungsverfahrens noch in einem betriebssicheren Zustand befänden. Wie gezeigt, besteht die Pflicht zur Aufrechterhaltung des Betriebes nicht nur für die Dauer eines Stilllegungsverfahrens, sondern ohnehin; § 11 Abs. 2 Satz 3 AEG sieht lediglich vor, dass sie während eines solchen Verfahrens bis zu dessen Abschluss fortbesteht. Es liegt auf der Hand, dass ein Eisenbahninfrastrukturunternehmen keine Vorteile daraus herleiten kann, dass es eine Strecke entgegen seiner Unterhaltungspflicht nicht in einem betriebssicheren Zustand hält.
Ebenso wenig ist die in § 11 Abs. 2 Satz 3 AEG auferlegte Pflicht, den Betrieb der Schieneninfrastruktur während eines Stilllegungsverfahrens aufrechtzuerhalten, auf die Fälle beschränkt, in denen auf der betreffenden Strecke noch Eisenbahnverkehr stattfindet. Das Argument, nur ein vorhandener Betrieb könne aufrechterhalten werden, geht schon deshalb fehl, weil § 11 Abs. 2 Satz 3 AEG nicht den Betrieb von Eisenbahnverkehr, sondern den Betrieb der Eisenbahninfrastruktur meint. Die Zweckbestimmung von Eisenbahninfrastruktur, Verkehr zu ermöglichen, besteht aber nicht nur dann, wenn sie von einem Eisenbahnverkehrsunternehmen aktuell genutzt wird. Vielmehr sind die Eisenbahninfrastrukturunternehmen nach § 14 Abs. 1 Satz 1 AEG verpflichtet, den Zugang zu ihrem Netz jedem interessierten Verkehrsunternehmen jederzeit diskriminierungsfrei zu gewähren. Dem können sie sich nicht dadurch entziehen, dass sie ihre Infrastruktureinrichtungen nicht mehr betreiben. Damit würden sie zugleich die Entscheidung präjudizieren, auf welchen Strecken welcher Verkehr stattfindet. Das steht ihnen nicht zu. Vielmehr liegt nach der Trennung von Eisenbahnverkehr und Eisenbahninfrastruktur die Entscheidung, auf welchen Strecken welcher Verkehr stattfinden soll, zunächst bei den Eisenbahnverkehrsunternehmen. Deren Entscheidungsfreiheit soll nicht dadurch geschmälert werden, dass das vorhandene Netz in einem teilweise nicht betriebssicheren Zustand vorgehalten wird.
Die Pflicht der Eisenbahninfrastrukturunternehmen, die eigenen Infrastruktureinrichtungen in betriebssicherem Zustand zu halten, steht schließlich nicht unter dem Vorbehalt der Wirtschaftlichkeit notwendiger Instandhaltungs- oder Instandsetzungsmaßnahmen. Das ergibt sich ebenfalls aus § 11 AEG. Kann ein Eisenbahninfrastrukturunternehmen eine Strecke nicht mehr wirtschaftlich betreiben, so ist es auf den Antrag verwiesen, die dauernde Einstellung des Betriebes zu genehmigen (§ 11 Abs. 1 Satz 1 AEG). Die Aufsichtsbehörde kann diesen Antrag – innerhalb von drei Monaten (§ 11 Abs. 3 Satz 1 AEG) und längstens für ein Jahr (§ 11 Abs. 5 AEG) – nur ablehnen, wenn für den weiteren Betrieb ein öffentliches Bedürfnis besteht; doch sind dann dem Unternehmen die aus der Versagung entstehenden Kosten zu ersetzen (§ 11 Abs. 3 Satz 2 AEG). Damit weist das Gesetz den Weg, wie sich das Infrastrukturunternehmen von den Lasten aus dem Betrieb einer unwirtschaftlichen Strecke befreien kann. Es gibt damit aber zugleich vor, dass solche Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkte ihren Platz allein im Stilllegungsverfahren haben, und zwar als Kriterium für die Erteilung der Stilllegungsgenehmigung. Sie sind damit grundsätzlich nicht geeignet, zusätzlich – im Vorfeld – die Betreibenspflicht des Infrastrukturunternehmens in Frage zu stellen.
d) Besonderheiten des vorliegenden Falles rechtfertigen keine abweichende Beurteilung.
Die Unterhaltungspflicht der Klägerin wird nicht dadurch beseitigt, dass der Bundesminister für Verkehr ihrer Rechtsvorgängerin, der Deutschen Bundesbahn, 1976 bzw. 1984 erlaubt hat, den Reisezugbetrieb auf den Teilstrecken Simmern – Hermeskeil und Langenlonsheim – Simmern dauernd einzustellen. Dies betraf allein die Erbringung von Leistungen des Eisenbahnverkehrs; der Status der hier in Rede stehenden Strecke als Eisenbahninfrastruktur wurde davon nicht berührt. Unberührt blieben daher auch die den Betreiber dieser Eisenbahninfrastruktur treffenden Unterhaltungspflichten. Zwar enthält der Bescheid vom 27. Januar 1984 den ergänzenden Hinweis, dass “… Reisesonderzüge solange weiter verkehren können, wie es die erforderliche Infrastruktur zulässt”. Doch bezieht sich auch dies nur auf den Eisenbahnverkehr und lässt keinen Rückschluss auf die Unterhaltungspflichten zu.
Die Unterhaltungspflicht würde auch nicht relativiert, wenn ein Teil der Sicherheitsmängel noch auf die Zeit zurückgehen sollte, in der die Strecke von der Deutschen Bundesbahn betrieben worden war. Wenn die Klägerin mit der Neustrukturierung des Eisenbahnwesens und der Privatisierung der Eisenbahninfrastruktur in die Rechte der Deutschen Bundesbahn eingetreten ist und sie damit mit öffentlichen Mitteln finanzierte Vermögensgegenstände erhalten hat, treffen sie auch die damit verbundenen Lasten.
Schließlich kann die Klägerin dem Verweis auf das in § 11 AEG geregelte Stilllegungsverfahren nicht mit dem Vortrag entgehen, bei der im April 2003 vorgenommenen Sperrung der Strecke handele es sich nur um eine vorübergehende und nicht um eine dauernde Einstellung des Betriebes. Eine Streckensperrung ist nicht bereits dann als lediglich vorübergehend einzustufen, wenn sich das Infrastrukturunternehmen die Entscheidung über die weitere Verwendung der Strecke noch vorbehalten will. Eine nur vorübergehende Betriebseinstellung kann nur dann angenommen werden, wenn eine Wiederinbetriebnahme in kurzer Frist wieder zu erwarten ist; zudem muss die Unterbrechung des Betriebes regelmäßig dazu dienen, die sichere Befahrbarkeit der Strecke wiederherzustellen. Das Gesetz hat damit Reparaturen nach einer technischen Störung, einem Unfall oder nach Unwetterschäden vor Augen. Die Suspendierung des Stilllegungsverfahrens darüber hinaus auch von künftigen Investitionsentscheidungen des Infrastrukturunternehmens selbst abhängig zu machen, würde demgegenüber einer Umgehung Tür und Tor öffnen.
4. Dem Berufungsgericht ist im Ergebnis auch darin zuzustimmen, dass die angefochtenen Bescheide ermessensfehlerfrei ergangen sind.
a) Die mit § 5a Abs. 2 AEG erteilte Eingriffsbefugnis stellt das Einschreiten in das Ermessen der Eisenbahnaufsichtsbehörde. Voraussetzung hierfür ist nicht etwa eine Gefahr in dem Sinne, dass der drohende Eintritt eines Personen- oder Sachschadens abgewendet werden soll, was – wie die Klägerin geltend macht – dann nicht der Fall sein könnte, wenn auf der Strecke wie hier gar kein Verkehr mehr stattfindet. Vielmehr lässt die Eingriffsnorm selbst einen Verstoß gegen die in § 5 Abs. 1 AEG genannten Vorschriften genügen, so dass eine negative Abweichung von dem damit umschriebenen Soll-Zustand genügt. Die Aufsichtsmaßnahme ist damit allgemein auf die Herbeiführung rechtmäßiger Zustände gerichtet (so auch Hermes/Schweinsberg in: Beck'scher AEG-Kommentar, § 5a AEG Rn. 35 f.). Ebenso wenig beschränkt § 5a Abs. 1 AEG die Aufgaben der Eisenbahnaufsicht auf die Gefahrenabwehr (vgl. § 5a Abs. 1 Satz 2 AEG: “insbesondere”). Danach hat das Eisenbahn-Bundesamt hier zu Recht Anlass für ein Einschreiten darin gesehen, dass die Klägerin die ihr obliegenden Unterhaltungspflichten verletzt und die in Rede stehenden Strecken ohne Einhaltung des in § 11 AEG vorgeschriebenen Verfahrens nicht nur vorübergehend stillgelegt hat.
b) Die Bescheide führen zu keiner unzumutbaren Belastung der Klägerin.
aa) Gegenüber den getroffenen Anordnungen kann sich die Klägerin nicht auf eine aus ihrer Sicht ungünstige Kosten – Nutzen – Relation der ihr aufgegebenen Instandsetzungsmaßnahmen berufen.
Auch insoweit kommt dem Umstand entscheidende Bedeutung zu, dass den Eisenbahninfrastrukturunternehmen nach dem Allgemeinen Eisenbahngesetz ein betriebssicheres Vorhalten ihrer Strecken nicht unbegrenzt zugemutet wird. Mit dem Stilllegungsverfahren nach § 11 AEG wird ihnen unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit eröffnet, sich von ihrer Unterhaltungspflicht zu befreien. Daraus ergibt sich zugleich, dass Fragen der wirtschaftlichen Zumutbarkeit des Betriebes der Strecke gerade in diesem Stilllegungsverfahren geltend zu machen sind. Demzufolge kann ein Eisenbahninfrastrukturunternehmen mit der fehlenden Wirtschaftlichkeit des Betriebes zusammenhängende Einwände nicht auch gegen die Durchsetzung seiner Pflicht zum Vorhalten einer betriebssicheren Infrastruktur vorbringen, solange diese Pflicht im von § 11 Abs. 2 Satz 3 AEG vorgegebenen zeitlichen Rahmen fortbesteht. Dabei kann es keinen Unterschied machen, ob es sich um die laufende Instandhaltung der Infrastruktur handelt oder ob, weil die gebotene Unterhaltung in der Vergangenheit vernachlässigt wurde, mittlerweile ein Unterhaltungsstau entstanden ist. Dementsprechend kann die Klägerin die Unzumutbarkeit der angeordneten Maßnahmen nicht damit begründen, dass die mit der Wiederaufnahme des Betriebes verbundenen Kosten außer Verhältnis zu den mit dem Betrieb der betreffenden Strecke zu erzielenden Erlösen stünden. Darauf, dass das Berufungsgericht bei seiner Prüfung von einem unzutreffenden Vergleichsmaßstab ausgegangen ist, weil es die Zumutbarkeit der Kosten nach deren Verhältnis zur Länge der Strecke und nicht – wie im Hinblick auf das Wirtschaftlichkeitsgebot des Art. 87e Abs. 3 Satz 1 GG angezeigt nach dem Verhältnis von Kosten und Erträgen – beurteilt hat, kommt es danach nicht mehr an.
bb) Das Berufungsgericht hat die Möglichkeit eines Ermessensfehlers bei der Durchsetzung der Betriebspflicht ferner dann bejaht, wenn für die in Rede stehende Strecke ein Verkehrsbedürfnis offensichtlich fehle; für den vorliegenden Fall hat es dies verneint. Auch bei diesem Ausgangspunkt hat das Berufungsgericht jedoch die den Eisenbahninfrastrukturunternehmen offenstehende Möglichkeit des Stilllegungsverfahrens nicht hinreichend beachtet. Ein fehlendes Verkehrsbedürfnis hat das Infrastrukturunternehmen nach § 11 Abs. 1 Satz 2 AEG ebenfalls im Rahmen des Antrags auf Stilllegung dieser Strecke darzulegen. Dieser Gesichtspunkt führt wiederum auf die Frage nach der wirtschaftlichen Zumutbarkeit des weiteren Betriebes der Strecke. In diesem Zusammenhang kann sich das Infrastrukturunternehmen zudem nicht auf eine vermeintlich fehlende “Wertigkeit” eines Eisenbahnverkehrs in Bezug auf das Allgemeinwohl berufen, also etwa darauf, dass auf der betreffenden Strecke kein “regulärer” Personen- oder Güterverkehr abgewickelt werde, sondern “nur” Ausflugs- oder Nostalgieverkehr stattfinde. Kriterium ist vielmehr auch insoweit, ob die vom Eisenbahninfrastrukturunternehmen zu erzielenden Erlöse die Kosten für den Betrieb der Infrastruktur zumindest abdecken und darüber hinaus noch Gewinne erzielt werden können. Daher kann sich ein Ermessensfehler auch hieraus nicht ergeben.
cc) Auch wenn dem Berufungsgericht darin zu folgen sein sollte, dass sich die Anordnung der sicheren Wiederaufnahme des Betriebes einer Strecke für das Eisenbahninfrastrukturunternehmen ausnahmsweise dann als unzumutbar erweisen kann, wenn deren Stilllegung unmittelbar bevorsteht, läge hier ein solcher Fall nicht vor. Zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Bescheide hatte die Klägerin noch gar keinen Stilllegungsantrag gestellt. Das in der Folge mit mehreren Ausschreibungen eingeleitete Stilllegungsverfahren führt sie im Hinblick auf den “Letter of Intent” vom 16. November 2005 nicht fort. Einer weiteren zeitlichen Ausdehnung der Vorwirkung einer Stilllegungsentscheidung, wie sie von der Klägerin befürwortet wird, steht § 11 Abs. 2 Satz 3 AEG entgegen.
dd) Die angegriffenen Anordnungen erweisen sich schließlich nicht deshalb als ermessensfehlerhaft, weil hinreichend sicher feststünde, dass sich die Erfüllung der Betriebspflicht wegen konkret absehbarer Ausbauplanung in Kürze als nutzlos erweisen werde. Eine abschließende Entscheidung über den Streckenausbau lag im Zeitpunkt des Erlasses der angegriffenen Bescheide nicht vor. Auch in der von der Klägerin vorgelegten Planungsvereinbarung vom 5. Juli 2007 wird ein solcher Ausbau noch vom Nachweis der Wirtschaftlichkeit der Strecke abhängig gemacht und hängt von der Bereitstellung der erforderlichen Mittel durch den Bund und das Land Rheinland-Pfalz ab.
Wenn die Klägerin einwendet, es könne ihr nicht zugemutet werden, sich durch die Durchführung des Stilllegungsverfahrens von den Instandsetzungskosten “freizukaufen”, stellt sie die Dinge auf den Kopf. Aus der Zusammenschau von § 2 Abs. 3, § 4 Abs. 1 Satz 1 und § 11 Abs. 2 Satz 3 AEG ergibt sich eine Unterhaltungsverpflichtung der Eisenbahninfrastrukturunternehmen für ihre Strecken. Die Klägerin nimmt mit der von ihr vorgenommenen und – wie dargelegt – keineswegs nur vorübergehenden Streckensperrung für sich in Anspruch, einerseits von den Unterhaltungskosten verschont zu bleiben, sich andererseits aber die Chance auf einen Ausbau der Strecke mit Bundes- und Landesmitteln und durch eine Nutzung der Strecke später von ihr zu erzielende Trassenerlöse zu erhalten. Doch gerade, wenn sich die Klägerin auf Art. 87e Abs. 3 Satz 1 GG beruft, wonach die Eisenbahnen des Bundes als Wirtschaftsunternehmen zu führen sind, impliziert dies auch, dass sie die im Wirtschaftsleben üblichen wirtschaftlichen Risiken hinnehmen muss. Hier sind in aller Regel Gewinne nicht ohne Risiko zu erzielen. Gerade als Wirtschaftsunternehmen obliegt es der Klägerin, die Chancen und Risiken, die mit einer unternehmerischen Entscheidung verbunden sind, abzuwägen und dann auf der Grundlage dieser Bewertung zu entscheiden. Eine solche Entscheidung muss sie auch hier treffen, selbst wenn die Frage, ob eine Streckenertüchtigung zur Flughafenanbindung erfolgen solle, noch von Planungen und Entscheidungen Dritter abhängt. Beim Betrieb der Strecke handelt es sich nicht um eine in das Belieben des Eisenbahninfrastrukturunternehmens gestellte Entscheidung, sondern um die Erfüllung gesetzlicher Verpflichtungen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Unterschriften
Kley, van Schewick, Dr. Dette, Liebler, Prof. Dr. Rennert
Fundstellen
Haufe-Index 1933570 |
BVerwGE 2008, 381 |
DÖV 2008, 373 |
DVBl. 2008, 380 |
NordÖR 2007, 488 |
FSt 2008, 915 |