Entscheidungsstichwort (Thema)
Flurbereinigung. Flurbereinigungsplan. Wegefläche. Grunddienstbarkeit. Geh- und Fahrrecht. tatsächliche Herrichtung. Zurückstellung der Entscheidung. Entscheidungsvorbehalt. wertgleiche Abfindung. Rechtskraft. Urteil. Streitgegenstand. Schlussfeststellung
Leitsatz (amtlich)
- Die Forderung des Teilnehmers eines Flurbereinigungsverfahrens nach tatsächlicher Herrichtung einer im Flurbereinigungsplan vorgesehenen Grunddienstbarkeitsfläche zur Ausübung eines Geh- und Fahrrechts wird von der Rechtskraft eines Urteils, mit dem seine Klage auf eine andere, wertgleiche Abfindung abgewiesen wurde, nicht umfasst, wenn die Flurbereinigungsbehörde zuvor im Rahmen ihrer Entscheidung über den Widerspruch des Teilnehmers gegen den Flurbereinigungsplan eine Entscheidung über diese Forderung zurückgestellt hat, weil der Ausgang einer Klage der Grundeigentümer der Wegefläche gegen die Belastung ihres Grundstücks mit dieser Dienstbarkeit abgewartet werden sollte.
- Dieser Entscheidungsvorbehalt führt dazu, dass der Teilnehmer nicht aus Gründen der Rechtskraft des Urteils über seine wertgleiche Abfindung (§ 44 Abs. 1 FlurbG) gehindert ist, seine Forderung nach tatsächlicher Herrichtung der Wegefläche (§ 44 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 1 FlurbG) weiterhin, ggf. auch noch gegenüber der Schlussfeststellung (§ 149 Abs. 1 FlurbG), geltend zu machen.
Normenkette
VwGO § 121; FlurbG § 44 Abs. 1, 3 S. 3 Hs. 1, § 149 Abs. 1
Verfahrensgang
OVG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 16.02.2005; Aktenzeichen 9 C 10875/04) |
Tenor
Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Koblenz – Flurbereinigungsgericht für Rheinland-Pfalz und das Saarland – vom 16. Februar 2005 wird aufgehoben, soweit die Klage abgewiesen wurde. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Tatbestand
I
Der Kläger begehrt als Teilnehmer des vereinfachten Flurbereinigungsverfahrens S… die tatsächliche Herstellung einer im Flurbereinigungsplan ausgewiesenen Wegedienstbarkeitsfläche. Zu den vom Kläger in die Flurbereinigung eingebrachten Einlagegrundstücken gehörte u.a. das Altflurstück 1481; es wurde ihm durch den Flurbereinigungsplan als Abfindungsflurstück Flur 2 Nr. 70 wieder zugeteilt. Das darauf stehende Gebäude diente früher Wohnzwecken; zuletzt wurde es vom Kläger als Unterstand für landwirtschaftliches Fuhrwerk und Gerät genutzt. Das Flurstück hat keine unmittelbare Zuwegung zu einer öffentlichen Straßen- oder Wegefläche, sondern ist ringsum von bebauten Grundstücken von Privatpersonen umgeben. Im Nordwesten grenzt es an das im Eigentum der Beigeladenen zu 2 und 3 stehende Flurstück Flur 2 Nr. 69/2 an. Dieses Flurstück weist sowohl zum Flurstück des Klägers als auch nach Westen ein Gefälle auf (Längs- und Quergefälle). Während des Flurbereinigungsverfahrens errichteten die Beigeladenen zu 2 und 3 auf diesem Flurstück an der Nordwestgrenze des Flurstücks des Klägers eine ca. 2,70 Meter hohe Stützmauer, so dass sich in der Örtlichkeit dort nunmehr ein Geländeabsatz darstellt.
Mit seinem gegen den Flurbereinigungsplan gerichteten Widerspruch beanstandete der Kläger eine Reihe von Punkten, u.a. die fehlende Erschließung des Flurstücks Flur 2 Nr. 70 von der Hauptstraße aus und forderte die Herrichtung einer Zuwegung im Bereich des Flurstücks Flur 2 Nr. 69/2 der Beigeladenen zu 2 und 3. Sein Widerspruch war insoweit erfolgreich, als die Spruchstelle für Flurbereinigung mit Anordnung vom 13. Januar 1999 (umgesetzt und zum Teil abgeändert durch die Nachträge III und IV zum Flurbereinigungsplan) zu Gunsten des jeweiligen Eigentümers des Flurstücks Flur 2 Nr. 70 das Flurstück Flur 2 Nr. 69/2 mit einem Geh- und Fahrrecht belastete, das auf einer bestimmten Teilfläche dieses Flurstücks auszuüben ist. Es handelt sich um einen Streifen von 12 Meter Länge und 3 Meter Breite entlang der Nordostgrenze des Flurstücks, an dessen südlichen Ende sich die erwähnte Mauer befindet.
Weitere gegen den Flurbereinigungsplan erhobene Einwendungen wies die Spruchstelle mit Widerspruchsbescheid vom 12. August 1999 zurück; darin führte sie u.a. aus, dass eine Entscheidung über die tatsächliche Herstellung der Zuwegung zurückgestellt werde, weil zwischenzeitlich auf dem Flurstück bauliche Veränderungen ohne Zustimmung der Flurbereinigungsbehörde verwirklicht worden seien und die Beigeladenen zu 2 und 3 wegen der Belastung ihres Flurstücks mit der Grunddienstbarkeit einen Rechtsstreit führten. Daher sei es zweckmäßig, dessen Ausgang abzuwarten, bevor darüber entschieden werde, ob auf dem Teil des Flurstücks, auf dem das Geh- und Fahrrecht ausgeübt werden solle, der frühere Zustand wieder herzustellen sei und ob ggf. darüber hinaus noch Planierungsmaßnahmen anzuordnen seien.
Die daraufhin erhobene Klage des Klägers gegen den Flurbereinigungsplan (in seiner Fassung durch den Nachtrag IV) wurde mit Urteil des Flurbereinigungsgerichts vom 26. September 2001 – 9 C 10380/00.OVG – im Wesentlichen abgewiesen. Die Klage der Beigeladenen zu 2 und 3 gegen die Belastung ihres Flurstücks Flur 2 Nr. 69/2 mit der Grunddienstbarkeit wurde vom Flurbereinigungsgericht mit Urteil vom selben Tage – 9 C 10218/00.OVG – ebenfalls abgewiesen.
Mit der hier angegriffenen Schlussfeststellung vom 27. August 2002 stellte die Flurbereinigungsbehörde fest, dass die Ausführung des Flurbereinigungsplanes bewirkt sei und den Beteiligten keine Ansprüche mehr zustünden, die im Flurbereinigungsverfahren hätten berücksichtigt werden müssen. Mit seinem dagegen gerichteten Widerspruch machte der Kläger geltend, dass die Zuwegung über das Flurstück Flur 2 Nr. 69/2 bisher nicht hergestellt worden sei. Nach Rechtskraft des die Klage der Beigeladenen zu 2 und 3 abweisenden Urteils sei es Aufgabe der Flurbereinigungsbehörde, die Zuwegung im Bereich der Dienstbarkeit auch tatsächlich herzustellen. Solange sei das Flurbereinigungsverfahren noch nicht abgeschlossen.
Nachdem sein Widerspruch ohne Erfolg geblieben war, hat der Kläger mit dem Antrag Klage erhoben, den Beklagten zu verpflichten, die Wegedienstbarkeitsfläche so herzustellen, dass sie tatsächliche begangen und befahren werden könne.
Das Flurbereinigungsgericht hat mit dem angegriffenen Urteil (AUR 2005, 163) die Schlussfeststellung in Gestalt des Widerspruchsbescheides aufgehoben und im Übrigen die Klage abgewiesen; zur Begründung hat es ausgeführt:
Der Kläger habe keinen Anspruch auf Aufnahme einer Regelung in den Flurbereinigungsplan des Inhalts, dass eine tatsächliche Zuwegung zu seinem Abfindungsgrundstück hergestellt werde. Dem stehe die Rechtskraft des Urteils des Flurbereinigungsgerichts vom 26. September 2001 – 9 C 10380/00.OVG – entgegen. Mit der damaligen Klageabweisung stehe rechtskräftig fest, dass der Kläger durch den Flurbereinigungsplan mit Land von gleichem Wert abgefunden sei. Der Streitgegenstand dieses Urteils umfasse auch die tatsächliche Erschließung des Abfindungsflurstücks, auch wenn nur einzelne Gesichtspunkte vorgebracht worden seien, mit denen die fehlende Wertgleichheit begründet worden sei. Der Anspruch auf Erschließung sei ein unselbstständiger Bestandteil des Anspruchs auf Abfindung mit Land von gleichem Wert. Dies werde gestützt durch die Regelung des § 64 FlurbG, derzufolge die Flurbereinigungsbehörde sich einer Abänderung eines Flurbereinigungsplanes enthalten müsse, soweit dadurch eine rechtskräftig bestätigte Abfindung berührt werde.
Die Klage habe jedoch teilweise Erfolg, soweit sie gegen die Schlussfeststellung gerichtet sei. Zwar bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass die Ausführung des Flurbereinigungsplanes noch nicht vollständig bewirkt sei. Dem Kläger stehe jedoch noch ein Anspruch zu, der hätte berücksichtigt werden müssen. Dieser ergebe sich zwar nicht aus dem Flurbereinigungsplan, sondern aus § 34 Abs. 2 Satz 2 FlurbG. Danach könne die Flurbereinigungsbehörde bei einer zwischenzeitlichen Errichtung von Bauwerken ohne ihre Zustimmung den früheren Zustand wiederherstellen lassen, wenn dies der Flurbereinigung dienlich sei. Diese Vorschrift entfalte zwar grundsätzlich keine drittschützende Wirkung; ausnahmsweise könnten aber auch private Interessen einzelner Teilnehmer schützenswert sein. Ein derartiger Ausnahmefall liege hier vor, weil durch die von den Beigeladenen zu 2 und 3 durchgeführten Baumaßnahmen während des Flurbereinigungsverfahrens die Fläche verändert worden sei, die zur Ausübung des Geh- und Fahrrechts bestimmt worden sei. Dadurch sei möglicherweise die Benutzung dieser Fläche als Zuwegung erschwert und insoweit das Interesse des Klägers an der Erschließung seines Abfindungsgrundstücks und an der Beschaffenheit dieser Fläche berührt. Eine uneingeschränkte Zustimmung der Flurbereinigungsbehörde zu der hier durchgeführten Baumaßnahme liege nicht vor. Insoweit stehe dem Kläger ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung des Beklagten gemäß § 34 Abs. 2 Satz 2 FlurbG über die Wiederherstellung des alten Zustandes zu. Diese Entscheidung sei bislang nicht getroffen worden, sondern im Widerspruchsbescheid vom 12. August 1999 ausdrücklich offen gehalten und in Aussicht gestellt worden.
Der Kläger trägt zur Begründung seiner vom Senat zugelassenen Revision vor: Entgegen der Ansicht des Flurbereinigungsgerichts sei der Erschließungsanspruch aus § 44 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 1 FlurbG ein selbstständig neben dem Anspruch auf wertgleiche Abfindung bestehender Anspruch, der auch dann noch prozessual geltend gemacht werden könne, wenn über den Anspruch auf wertgleiche Abfindung bestandskräftig entschieden sei. Der Anspruch falle nicht unter den Begriff der wertgleichen Abfindung, sondern finde seine Grundlage in dem Neugestaltungsauftrag der Flurbereinigungsbehörde und sei der konsequente Ausfluss der Pflicht der Teilnehmer nach § 47 FlurbG, den Grund und Boden für die gemeinschaftlichen Anlagen kostenlos bereit zu stellen. § 44 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 1 FlurbG gewähre jedem Teilnehmer eines Flurbereinigungsverfahrens ein subjektiv-öffentliches Recht auf Schaffung einer Zuwegung, ohne dass hierbei die Frage der Wertgleichheit zwischen Altbesitz und Abfindung eine Rolle spiele.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Flurbereinigungsgerichts für Rheinland-Pfalz und das Saarland vom 16. Februar 2005 aufzuheben, soweit die Klage abgewiesen wurde, und den Beklagten zu verpflichten, in den Flurbereinigungsplan S… die Anordnung aufzunehmen, dass der Teil des im Eigentum der Beigeladenen zu 2 und 3 stehenden Grundstücks Gemarkung S…, Flur 2 Flurstück Nr. 69/2, auf dem die Dienstbarkeit ruht, so herzustellen ist, dass die mit dem Geh- und Fahrrecht belastete Fläche tatsächlich begangen und befahren werden kann, um von der Hauptstraße in S… zu dem Grundstück Flur 2 Flurstück Nr. 70 zu gelangen.
Der Beklagte und die Beigeladenen haben sich im Revisionsverfahren nicht zur Sache geäußert.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 101 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG), ist begründet.
Das angefochtene Urteil, soweit es Gegenstand der Revision ist, verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Das Flurbereinigungsgericht hat die Klage, deren Rechtsschutzziel es zutreffend erkannt hat (1.) und deren Zulässigkeit im Übrigen keinen Bedenken unterliegt (2.), zu Unrecht mit der Begründung abgewiesen, dass dem Begehren des Klägers die Rechtskraft des früheren, seine Klage auf eine andere, wertgleiche Abfindung abweisenden Urteils entgegenstehe; insoweit verkennt das Flurbereinigungsgericht den Umfang der Rechtskraft (§ 121 VwGO) jenes Urteils (3.). Dies führt gemäß § 144 Abs. 4, Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO zur Aufhebung des revisionsbefangenen Teils des Urteils und zur Zurückverweisung (4.).
1. Das Flurbereinigungsgericht hat das Begehren des Klägers zutreffend dahin gehend ausgelegt, dass er die Aufnahme einer Anordnung in den Flurbereinigungsplan verlangt, dass die umstrittene Grunddienstbarkeitsfläche so hergerichtet wird, dass sie begeh- und befahrbar ist. Eine in Betracht zu ziehende Leistungsklage auf bloße tatsächliche Herstellung der Zuwegung (in Ausführung des Flurbereinigungsplans) wäre gegen die Teilnehmergemeinschaft (Beigeladene zu 1) zu richten gewesen. Sie wäre aber nicht sachdienlich, weil sich die Pflicht der Teilnehmergemeinschaft, den Flurbereinigungsplan auszuführen (§ 18 Abs. 1 FlurbG), auf die im Flurbereinigungsplan enthaltenen Regelungen und Anordnungen beschränkt (vgl. Urteile vom 15. März 1973 – BVerwG 5 C 8.72 – BVerwGE 42, 92 ≪94 ff.≫ und vom 26. Oktober 1978 – BVerwG 5 C 85.77 – BVerwGE 57, 31 ≪36 ff.≫). Zu der Grunddienstbarkeit enthält der Flurbereinigungsplan aber (über deren Einräumung hinaus) keine weiteren Anordnungen. Einer Aufhebung der Schlussfeststellung und des Widerspruchsbescheides bedarf es im vorliegenden Fall nicht (mehr), weil diese bereits durch das Urteil des Flurbereinigungsgerichts aufgehoben sind. Der erkennende Senat hat den Revisionsantrag in diesem Sinne ohne sachliche Änderung umformuliert (§§ 88, 86 Abs. 3 VwGO).
2. Das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers ist nicht deswegen in Zweifel zu ziehen, weil er möglicherweise auch zivilrechtlich aus der bestellten Grunddienstbarkeit heraus gegen die Beigeladenen zu 2 und 3 vorgehen kann mit dem Ziel, die Grunddienstbarkeitsfläche so herzurichten, dass das Geh- und Fahrrecht auch tatsächlich ausgeübt werden kann, oder entsprechende Maßnahmen des Klägers zu dulden. Eine solche Zivilrechtsklage wäre jedoch kein einfacherer und billigerer Weg zur Erreichung des Rechtsschutzziels, sondern würde mindestens vergleichbaren prozessualen Aufwand verursachen wie die vorliegende Klage gegen die Flurbereinigungsbehörde.
Das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers ist auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass das angefochtene Urteil die vom Kläger angefochtene Schlussfeststellung aufgehoben und die Flurbereinigungsbehörde unter Hinweis auf § 34 Abs. 2 Satz 2 FlurbG verpflichtet hat, über eine Wiederherstellung des früheren Zustandes auf der Grunddienstbarkeitsfläche und damit der Sache nach über das Herstellungsbegehren des Klägers erneut zu entscheiden. Denn bei dieser Entscheidung handelt es sich um eine Ermessensentscheidung des Beklagten; mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger dagegen weitergehend eine Verpflichtung des Beklagten zur Herstellung (ohne Ermessensspielraum).
3. Das Flurbereinigungsgericht hat sich an einer Sachprüfung des Klagebegehrens gehindert gesehen, weil dem die Rechtskraft seines früheren Urteils vom 26. September 2001 – 9 C10380/00.OVG – entgegenstehe (§ 121 VwGO i.V.m. § 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG); mit der Abweisung der Klage gegen den Flurbereinigungsplan sei zugleich über die Frage der Erschließung des Abfindungsflurstücks entschieden, weil dies Teil des Anspruchs auf wertgleiche Abfindung (§ 44 Abs. 1 FlurbG) sei. Bei Zugrundelegung der allgemeinen Grundsätze über den Umfang der Rechtskraft (a) hat das Flurbereinigungsgericht diese im Streitfall mit Blick auf den im Widerspruchsbescheid vom 12. August 1999 enthaltenen Entscheidungsvorbehalt verkannt (b). Auf die materielle Rechtslage, mithin auch auf die Frage, ob der Anspruch auf tatsächliche Herstellung der Erschließung (§ 44 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 1 FlurbG) neben dem Anspruch auf wertgleiche Abfindung selbstständig durchsetzbar ist, kommt es dagegen nicht entscheidungserheblich an (c).
a) Gemäß § 121 VwGO binden rechtskräftige Urteile die Beteiligten, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist. Nach dem herrschenden sog. zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff wird der Streitgegenstand durch Klageanspruch und Klagegrund bestimmt, also durch den geltend gemachten materiellrechtlichen Anspruch und durch den ihm zugrunde liegenden, d.h. zu seiner Begründung vorgetragenen Sachverhalt (stRspr, vgl. Urteile vom 20. April 1977 – BVerwG 6 C 7.74 – BVerwGE 52, 247 ≪249≫ = Buchholz 238.4 § 31 SG Nr. 9 S. 7, vom 13. September 1984 – BVerwG 2 C 22.83 – BVerwGE 70, 110 ≪112≫ = Buchholz 316 § 51 VwVfG Nr. 16 S. 13 und vom 10. Mai 1994 – BVerwG 9 C 501.93 – BVerwGE 96, 24 ≪25≫ = Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 68 S. 2; Eyermann/Rennert, VwGO, 12. Aufl. 2006, § 121 Rn. 23). Allerdings kommt dem Vorbringen des Klägers bei der Bestimmung des Streitgegenstands nur Anstoßfunktion zu. Maßgebend ist weder die vom Kläger gewählte Fassung seines Klageantrags (§ 88 VwGO) noch wird der Streitgegenstand durch den ausdrücklich vom Kläger vorgetragenen Sachverhalt beschränkt. Der Kläger hat es nicht in der Hand, den vorgegebenen Streitgegenstand in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht zu verengen, noch kann er verlangen, dass einzelne entscheidungserhebliche Sachverhaltselemente außer Betracht zu bleiben hätten (vgl. Clausing, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand 13. Erg.-Lfg. April 2006, § 121 Rn. 57). Um den Umfang der Rechtskraft bestimmen zu können und abzugrenzen, inwieweit über den Streitgegenstand entscheiden wurde, ist es gerade bei klageabweisenden Urteilen notwendig, die Entscheidungsgründe und den Urteilstatbestand zur Ermittlung des Entscheidungssatzes heranzuziehen (stRspr; vgl. Urteile vom 17. September 1963 – BVerwG 2 C 20.63 – BVerwGE 17, 293 ≪299≫ und vom 20. November 1997 – BVerwG 5 C 1.96 – BVerwGE 105, 370 ≪372≫). Erforderlichenfalls ist zur Auslegung auch das Parteivorbringen heranzuziehen (Urteil vom 21. September 1984 – BVerwG 8 C 4.82 – BVerwGE 70, 159 ≪161≫ = Buchholz 412.3 § 15 BVFG Nr. 19 S. 3).
b) Hiervon ausgehend ist in dem Vorprozess, in dem der Kläger auf eine andere, wertgleiche Abfindung geklagt hat, über den im vorliegenden Verfahren geltend gemachten Anspruch auf tatsächliche Herrichtung der Grunddienstbarkeitsfläche nicht (mit-)entschieden worden.
Der Kläger hatte seinerzeit gegen die in dem Flurbereinigungsplan vorgesehene Abfindung zahlreiche Einwendungen erhoben. In dem daraufhin erlassenen Widerspruchsbescheid der Spruchstelle für Flurbereinigung vom 12. August 1999 wurden die Forderungen des Klägers unter elf Widerspruchspunkten behandelt. Unter Punkt 7 heißt es zu dem Wunsch des Klägers nach einer wegemäßigen Erschließung des Flurstücks Flur 2 Nr. 69/2, dass dieser Forderung durch die von der Spruchstelle unter dem 13. Januar 1999 angeordnete Änderung des Flurbereinigungsplans (Nachtrag III) abgeholfen worden sei. Sodann führt die Spruchstelle aus, dass sie über das Begehren des Klägers, die Fläche dieses Flurstücks in der Weise herzurichten, dass sie mit Fahrzeugen befahren werden kann, keine Entscheidung zu treffen brauche, und zwar zum einen wegen der auf dem Flurstück ohne Zustimmung der Flurbereinigungsbehörde vorgenommenen baulichen Veränderungen, zum anderen wegen der von den Beigeladenen zu 2 und 3 gegen die Belastung ihres Flurstücks mit der Grunddienstbarkeit erhobenen Klage. Bevor darüber entschieden werde, ob auf der Grunddienstbarkeitsfläche der frühere Zustand wiederherzustellen sei (§ 34 Abs. 2 FlurbG) und ob ggf. darüber hinaus noch Planierungsmaßnahmen anzuordnen seien, sei es zweckmäßig, den Ausgang des Rechtsstreits abzuwarten. Demnach hat die Widerspruchsbehörde eine Entscheidung über diesen Teil des Widerspruchsbegehrens ausdrücklich bis zum Ausgang des erwähnten Klageverfahrens der Beigeladenen zu 2 und 3 gegen die Belastung ihres Flurstücks mit der Dienstbarkeit zurückgestellt.
Das ist rechtlich als ein Entscheidungsvorbehalt zu werten (vgl. etwa § 36 Abs. 2 Nr. 5 oder § 74 Abs. 3 VwVfG). Mit ihm hat die Widerspruchsbehörde sich vorbehalten, über diesen Teil des Widerspruchs gegen den Flurbereinigungsplan später zu entscheiden. Dies hat zur Folge, dass die Forderung des Klägers nach tatsächlicher Herrichtung der Grunddienstbarkeitsfläche nicht vom zurückweisenden Tenor des Widerspruchsbescheides erfasst wurde. Daher konnte dieser Teil des Widerspruchs des Klägers gegen den Flurbereinigungsplan nicht zum Streitgegenstand des nachfolgenden Klageverfahrens werden.
Diese rechtliche Bewertung wird durch den tatsächlichen Ablauf des anschließenden Klageverfahrens bestätigt: Dieser Punkt des Widerspruchsbegehrens des Klägers ist seinerzeit weder von ihm noch von einem anderen Beteiligten noch vom Flurbereinigungsgericht erwähnt worden. So wurden in der damaligen Klagebegründung sämtliche Punkte des Widerspruchsbescheides behandelt mit Ausnahme von Punkt 7, in dem es gerade um die hier streitige Frage geht. Ebenso verhält es sich mit der Erwiderung des Beklagten. Auch bei dem Ortstermin des Flurbereinigungsgerichts in jenem Verfahren wurden keine Feststellungen zu diesem Thema aufgenommen. Das Urteil vom 26. September 2001 schließlich befasst sich weder mit der Grunddienstbarkeitsfläche noch mit Maßnahmen zur ihrer tatsächlichen Herrichtung, sondern behandelt nur die vier verbliebenen Streitpunkte. Daran ändert auch nichts, dass es in der damaligen Klagebegründung abschließend heißt, der Kläger und seine Ehefrau begehrten eine Neubescheidung “unter Berücksichtigung ihres Vorbringens im Widerspruchsverfahren und Klageprozessverfahren”. Diese pauschale, salvatorische Formulierung rechtfertigt nicht die Annahme, der Kläger hätte im Vorprozess auch die tatsächliche Herstellung der Wegefläche – entgegen der ausdrücklichen Zurückstellung dieses Punktes im Widerspruchsbescheid und entgegen der aus dem konkreten Vortrag ersichtlichen Ausklammerung in der Klagebegründung – dennoch zum Prozessgegenstand machen wollen.
Darin liegt keine nach den vorstehenden Grundsätzen unbeachtliche, weil nicht in die Verfügungsmacht des Klägers gestellte Einengung des Streitgegenstandes um bestimmte Sachverhaltselemente. Nicht der Kläger, sondern die Widerspruchsbehörde hat durch ihren Entscheidungsvorbehalt bewirkt, dass dieser Teil der klägerischen Einwände gegen den Flurbereinigungsplan im anschließenden Klageverfahren nicht zur Entscheidung stand.
c) Die vorstehende, allein aus allgemeinen prozessrechtlichen Grundsätzen folgende Beurteilung hängt nicht davon ab, ob der von der Widerspruchsbehörde aufgrund ihres Entscheidungsvorbehalts zurückgestellte Teil des seinerzeitigen Widerspruchsbegehrens des Klägers von dem in seinem Vorprozess verfolgten Anspruch auf eine andere, wertgleiche Abfindung (§ 44 Abs. 1 FlurbG) auch materiellrechtlich abtrennbar ist.
Das Flurbereinigungsgericht hat angenommen, dass mit der im Vorprozess abgewiesenen Klage auf eine andere, wertgleiche Abfindung zugleich über den Anspruch des Klägers auf Erschließung des Grundstücks entschieden worden sei, weil dieser Anspruch “ein unselbstständiger Bestandteil” des Anspruchs auf wertgleiche Abfindung sei. Falls dies so zu verstehen ist, dass sich die Rechtskraft der Klageabweisung notwendig auf beide Ansprüche erstreckt, weil diese materiellrechtlich untrennbar verknüpft sind, kann dem nicht gefolgt werden.
Diese Annahme geht schon deshalb fehl, weil für die Beurteilung des Streitgegenstandes des Vorprozesses nicht auf eine abstrakte materielle Rechtslage abzustellen ist, sondern auf deren Konkretisierung, die sie in Anwendung auf einen bestimmten Lebenssachverhalt durch die in einem Verwaltungsverfahren ergangenen Behördenentscheidungen und den daran anknüpfenden vom Kläger behaupteten Klageanspruch im Prozess erfahren hat, eben durch Klageanspruch und Klagegrund (s.o. sub II. 3. a). Selbst wenn die Widerspruchsbehörde die Entscheidung über eine tatsächliche Herrichtung der Grunddienstbarkeitsfläche aus Gründen des materiellen Rechts nicht hätte abtrennen (zurückstellen) dürfen, ändert das nichts daran, dass Streitgegenstand des Vorprozesses nur die seinerzeitigen Behördenentscheidungen (der Flurbereinigungsplan in der Gestalt des Widerspruchsbescheides) und der mit der Verpflichtungsklage verfolgte Anspruch des Klägers war, dass er unter Aufhebung der dies verneinenden Behördenentscheidungen einen Anspruch auf eine andere, wertgleiche Abfindung habe. Einen Anspruch des Klägers auf eine tatsächliche Herrichtung der Grunddienstbarkeitsfläche hat der insoweit maßgebliche Widerspruchsbescheid aber gerade nicht verneint, sondern sich eine Entscheidung darüber vorbehalten.
Das angefochtene Urteil geht außerdem fehl mit seiner Annahme, der Anspruch auf wertgleiche Abfindung schließe Einwände betreffend die Erschließung des Abfindungsgrundstücks selbst dann ein, “wenn nur einzelne Gesichtspunkte vorgebracht werden, mit denen die fehlende Wertgleichheit begründet wird”. Soweit sich das Flurbereinigungsgericht dafür auf einen Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. April 1956 (BVerwG 1 B 201.55 – BVerwGE 3, 246 ≪248≫ = Buchholz 424.00 § 48 ff. RUO Nr. 5 S. 7) und den dort aufgestellten, nach wie vor gültigen Rechtssatz stützt, dass zur Beurteilung der Wertgleichheit der Landabfindung stets die gesamte Einlage der gesamten Abfindung gegenüberzustellen ist, trägt dies nicht die vom Flurbereinigungsgericht daraus gezogene Schlussfolgerung. Diese steht im Widerspruch zu späteren Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts, wonach der Teilnehmer seine Beanstandungen des Flurbereinigungsplans auf einzelne selbstständige oder teilbare Festsetzungen desselben beschränken kann (vgl. Beschlüsse vom 20. Juli 1977 – BVerwG 5 CB 72.74 – Buchholz 424.01 § 59 FlurbG Nr. 6 S. 1 ≪2≫ und vom 18. März 1985 – BVerwG 5 B 75.93 – n.v. ≪Umdruck S. 6 f.≫). Vor allem aber hat das Bundesverwaltungsgericht die Geltendmachung von abfindungsunabhängigen Einwendungen gegen bestimmte Festsetzungen im Flurbereinigungsplan (z.B. im Wege- und Gewässerplan gemäß § 41 FlurbG) ausdrücklich zugelassen (vgl. Urteil vom 6. Februar 1986 – BVerwG 5 C 40.84 – BVerwGE 74, 1 ≪11 f.≫ = Buchholz 424.01 § 41 FlurbG Nr. 5 S. 21 f.).
Dass die Erschließung eines Grundstücks (genauer: das Ob und das Wie der Erschließung) ein abfindungsrelevanter, gleichwertigkeitsbestimmender Faktor i.S.v. § 44 Abs. 1 FlurbG ist, steht außer Zweifel. Doch ist damit noch nicht die Frage beantwortet, ob die Verpflichtung, dass die Grundstücke durch Wege zugänglich gemacht werden müssen (§ 44 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 1 FlurbG), einen davon zu trennenden, abfindungsunabhängigen Anspruch begründet, der als solcher selbstständig durchgesetzt werden kann (so VGH München, Urteil vom 4. Dezember 1980 – 13 A 80 A.318 – RzF – 20 zu § 44 Abs. 3 Satz 3 FlurbG sowie OVG Koblenz, Urteil vom 12. Mai 1981 – 9 C 58/80 – RdL 1981, 241 ≪243≫; a.A.: Schwantag, in: Seehusen/Schwede, FlurbG, 7. Aufl. 1997, § 59 Rn. 12). Dies braucht der Senat nach dem Vorstehenden hier indes nicht zu entscheiden.
4. Das angefochtene Urteil, soweit es revisionsbefangen ist, beruht auf der Verkennung des Umfangs der Rechtskraft des Urteils im Vorprozess des Klägers. Es erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Die ergänzend (“stützend”) angeführte Begründung, dass die Flurbereinigungsbehörde sich einer Abänderung des Plans deshalb enthalten müsse, weil dadurch in die rechtskräftig bestätigte Abfindung eingegriffen würde, ist ebenfalls nicht zutreffend. Denn nach dem Vorstehenden steht die Rechtskraft des früheren Urteils des Flurbereinigungsgerichts über die wertgleiche Abfindung des Klägers seiner Forderung nach Herrichtung der Wegefläche gerade nicht entgegen. Da eine inhaltliche Prüfung des geltend gemachten Anspruchs in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht durch das Flurbereinigungsgericht noch aussteht, übt der Senat sein Ermessen dahingehend aus, dass er die Sache an das Flurbereinigungsgericht zurückverweist (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
Unterschriften
Dr. h.c. Hien, Vallendar, Prof. Dr. Rubel, Dömgörgen, Buchberger
Fundstellen